Tierrechte: Fundamentale und partikularistische Rechte

Tierrechte: Fundamentale und partikularistische Rechte

https://antispe.bandcamp.com/track/fundamentale-und-partikularistische-rechte

Transkription

Ein Freestyle-Talk über Tierrechte (von Gita Marta Yegane Arani). Also ich bin heute nicht besonders konzentriert. Ich bin ziemlich erschöpft. Ich hab heute lange gearbeitet und möchte jetzt einfach freestylemäßig über Tierrechte sprechen.

Und zwar: was versteht man unter Tierrechten? Ähm, für mich ist es natürlich total klar, was ich unter Tierrechten verstehe. Aber was verstehen andere Leute unter Tierrechten?

[Es kommt bei Rechten nicht primär auf partikulare Rechte in ihrer Angewandtheit an]

Ich bin neulich gefragt worden „Ja, Tierrechte, was ist das denn? Versteht man darunter sowas, wie haben Tiere so was wie Menschenrechte?“ Das ist natürlich Quatsch zu sagen, dass es bei Rechten auf irgendwelche partikularen Rechte in ihrer Angewandtheit ankommt, also sprich, wenn ich jetzt irgendwie Rechte in der Fortbewegung habe, im Verkehr, im Straßenverkehr, als Fußgänger, als Fahrradfahrer oder wenn ich eben mein Wahlrecht habe um bestimmte Parteien zu wählen, dann sind es eigentlich in gewisser Weise Rechte, die sich ableiten von gewissen Rechten, die wirklich fundamental sind.

[Partikulare Rechte leiten sich von fundamentalen Rechten ab]

Und wenn wir über fundamentale Rechte sprechen, dann sind eigentlich so partikularistische Rechte erst mal nicht das Wichtigste.

Also, man könnte genauso sagen … die Menschen sprechen ja von Artenschutz und von dem Begriff artgerecht: Ein Begriff, den ich ziemlich problematisch finde, weil er die ökologische Feinheit (das ökologische Finetuning) von Interaktion zwischen Lebewesen einfach nicht umfasst und ein stark von außen her bestimmender Begriff ist. Ich geh jetzt mal erst mal nicht weiter drauf ein, aber wenn wir aber jetzt von Artenschutz reden, könnten wir auch sagen ein partikularistisches Recht wäre, dass bestimmte Tiere ein bestimmtes Recht auf bestimmte Lebensräume haben oder auf eine gewisse Flora haben, auf einem gewissen ökologischen Raum, der irgendwie geschützt sein muss.

[Artenschutz impliziert aus Tierrechtssicht – neben Fragen der Grundrechte – in der Handhabung Fragen partikularistischer Rechte]

Die Frage um die es aber bei Tierrechten im Wesentlichen geht, sind Grundrechte. Also was sind einfach Grundrechte und woraus leiten sich Grundrechte ab?

[Die Frage dessen was Grundrechte sind und worauf sie sich begründen sollten/könnten]

Ähm, und da scheiden sich die Geister, und ich glaube, Sinn der Sache ist auch nicht, dass wir meinen, wir müssten irgendwie alle die gleiche Meinung teilen. Letztendlich teilen wir auch in Bezug auf Menschenrechte leider nicht immer alle die gleiche Meinung.

[Menschenrechte werden vermutlich nicht gemäß ihrer Ideale umgesetzt]

Gut, das ist jetzt ein Analogvergleich. Sollte man vielleicht unterlassen. Lassen wir das meinetwegen mal beiseite. Aber um zurückzukommen: was macht Grundrechte im Bezug auf Tiere aus?

Dazu muss man unabhängig vom Vergleich zum Menschen sehen und in den Raum stellen: die Frage von Freiheitsrechten und Autonomiefähigkeit. Dies sind für mich Punkte in den Tierrechten, die ich immer wieder betone und wo wir uns auch als Gesellschaft kritisch fragen sollten warum sprechen wir Tieren Freiheitsrechte ab?

[Freiheitsrechte und Autonomiefähigkeit]

Warum herrscht die Vorstellung, dass Tiere irgendwie instinktgetrieben wären und nicht eigene komplexe Denkvorgänge haben auf ihre ganz eigene Art und Weise? Also warum leiten wir immer alles vom menschlichen Paradigma ab? Warum meinen wir, alles müsse nach unseren Begriffen irgendwie erklärbar sein, wenn es um die Frage von Rechten anderer geht? Tiere sind faktisch gesehen andere.

[Andere müssen nicht nach unseren Begriffen erklärbar sein, um im Sinne ihrer Rechte erkennbar zu werden]

Jetzt können natürlich auch jemand völlig banal sagen „Nee, das sind nicht andere, das sind halt einfach nur Tiere“. Aber da spielt in der Tierrechtsdiskussion wieder grundsätzlich die Frage der Haltung eine Rolle. Für mich ist eine wichtige Prämisse, dass wir es eigentlich in allen wichtigen ethischen Belangen immer wieder mit Haltungen von Menschen zu tun haben. Und wenn ich die Haltung einnehme, dass ich einfach a priori voraussetze, dass Tiere vernunftbegabt sind auf ihre ganz autonome und eigene Art und Weise, dass ich keine Definitionshoheit über sie besitze, dass sie aber trotzdem Rechte haben, die sich aus ihrer Freiheitsfähigkeit und ihrer Autonomiefähigkeit ableiten lassen, und dass ich die Würde auch darin begründet sehe; indem ich Ihnen dies zuerkenne – ich glaube, wenn wir anderen Wesen grundsätzlich alles aberkennen, was ihre Besonderheit ausmacht, dann können wir diesen anderen Wesen auch keine grundlegende Würde zusprechen. Es ist also auch eine Frage irgendwie von Haltung und Perspektive.

[die affirmative Haltung in der Anerkennung der Rechte und damit einhergehend der Würde anderer, ohne eine menschliche kollektivistische Definitionshoheit zur Untermauerung vorauszusetzen]

Einen sehr schönen Ansatz hat kürzlich die Philosophin Syl Ko beschrieben. Sie hat in einem Begleittext zu einer Ausstellung einer koreanischen Künstlerin vom spezies-subjektivistischen Ansatz gesprochen. Ich habe den Text ins Deutsche übersetzt. Der Text ist auch auf unserer Seite im Englischen veröffentlicht. Beide Texte sind auch erreichbar im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek.

[deutsche Fassung: https://d-nb.info/1234807912/34 ; englische Originalfassung: https://d-nb.info/1234872005/34 ]

Dort haben wir also die Texte auch hinterlegt. Der Text ist nicht so lang, aber der Text hat es wirklich in sich. Das ist wirklich für Leute, die Tierrechte nicht einfach nur verstehen als eine Art verlängertem Tierschutz – die sollten sich wirklich mal auseinandersetzen damit, was Spezies-Subjektivismus beinhaltet. Ich könnte jetzt natürlich die Inhalte beschreiben, es ist jetzt vielleicht auch blöd, wenn ich es nicht mache. Es ist aber meiner Müdigkeit geschuldet und der Text ist, wie schon gesagt, auf dieser Seite einzusehen.

Mich hat der spezies-subjektivistische Ansatz dahingehend inspiriert anzufangen, spezies-subjektivistische Gedichte zu schreiben. Ich finde insgesamt, dass der Raum, der subjektivistische Raum zwischen Menschen und Tieren, überhaupt wenig, noch viel zu wenig gedanklich gefüllt wird von Tierrechtler*innen, in kreativer Art und Weise, dass wir Tiere mit einbeziehen, dass Tiere nicht immer nur die objektiviziert-beschriebenen sind, dass wir auch nicht irgendwie nur in der dritten Person über die Tiere reden, sondern sie auch als ein poetisches Du in den Raum mit einbeziehen. Also dass wir quasi tierinklusiv sprechen.

Klingt jetzt vielleicht ein bisschen schwierig für Leute, die überhaupt sehr wenig mit Tierrechten zu tun haben. Die können das jetzt vielleicht nicht unbedingt im Moment nachvollziehen. Wobei, in dem Zusammenhang will ich doch auch Leute ermutigen, die sich nicht als Tierrechtler*in bezeichnen würden, die aber eine sehr aufmerksame, achtsame, bewusste, fürsorgliche Haltung gegenüber Tieren haben, so dass sie sich ruhig als Tierrechtler*in bezeichnen könnten. Der Begriff ist nicht irgendwie gepachtet von Menschen, die zu gewissen Demonstrationen gehen oder eine bestimmte Literatur lesen.

Tierrechte sind so etwas essentielles wie Menschenrechte. Sie betreffen uns alle. Wir alle stehen in irgendeiner Beziehung zu Tieren. Die kann positiv und negativ, konstruktiv und destruktiv sein, mehr oder weniger, und es ist definitiv an der Zeit Tierrechte nicht als Sonderthema zu sehen, sondern sie gehen jede*n etwas an.

Ich habe viele Freund*innen die sich nicht trauen sich als Tierrechtler*in zu bezeichnen, weil sie sich eben nicht in irgendwelchen einschlägigen Kreisen und Szenen bewegen, die aber definitiv Tierrechtler*innen sind, und es ist schon traurig wie dann solche gesellschaftlichen Diskurse nicht so emanzipativ sind, dass sie wirklich alle mitnehmen, die eigentlich teil an so einer Bewegung haben … .

Bei Tierrechten geht es ja letztendlich wirklich darum: wie beziehe ich mich auf die Tiere in meiner Umwelt und die Tiere im politischen Raum insgesamt. Und es gibt viele Möglichkeiten sich in seinem Verhalten und seinen Äußerungen diesbezüglich zu artikulieren und einzubringen.

Ich finde wir sollten ruhig wahrnehmen, dass wir eine sehr große Bewegung sind. Aber eben definitiv eine sehr, sehr plurale Bewegung, weil … warum ich das ganze hier sage, ist eigentlich, um nochmal deutlich zu machen: Tierrechte sind nicht irgendwie was total vereinfachbar verstehbares, sondern Tierrechte sind was völlig komplexes – und so viele Köpfe wie es gibt, so viele Gedanken und Meinungen gibt es dazu. Wir müssen den Raum füllen, wir müssen den Diskurs führen mit den vielen, vielen Gedanken, die wir alle dazu haben und die sich nicht immer unbedingt gleichen müssen. Man sollte da auch keine Scheu haben.

Ja okay, das war jetzt einfach mal Freestyle. Ich bin jetzt zwar selbst nicht so begeistert von dem was ich gerade gesprochen habe und wie ich gesprochen habe, aber dafür ist das eben freestyle. Okay das war‘s … .

(04.06.2022)

Gruppe Messel freestyle talk: Fundamentale und partikularistische Rechte

Gruppe Messel freestyle talk: Fundamentale und partikularistische Rechte

Der Mensch, anthropozänes Wesen, gibt meist eine Haltung vor, die verdeutlicht, dass er/sie meint nichtmenschliche Tiere würden sich ethisch in einer Art Paralleluniversum bewegen. Eine gemeinsame Ethik werden wir momentan wahrscheinlich nicht unter uns allen in den wesentlichen Punkten erlangen, aber wir können die eigene Haltung stets verdeutlichen und neue Ansätze postulieren.

Informierter und uninformierter Speziesismus

Tierrechte und subjektiver Aktivismus

Informierter und uninformierter Speziesismus

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Ich lese diesen Text hier vor für Menschen mit Sehbehinderung (MP3)

Die breite Gesellschaft befasst sich gegenwärtig (bewusst sowohl als auch unbewusst) nicht-konstruktiv mit Tierrechten und Antispeziesismus. Sexismus und Rassismus beispielsweise sind Themen bei denen es um Unterdrückung geht, die man als Themen überhaupt akzeptiert – wenngleich die Problematiken dadurch auch noch nicht gelöst sind. Tierrechte betrachtet man aber eher noch als Unthema und kanzelt konsequente Pro-Tierrechtspositionen tendenziell ab oder verdreht sie bis zur Unkenntlichkeit. So vermischen sich Terminologien, die der Fremdbestimmung von Tierleben dienen, mit Gedanken, die Tieren zuträglich zu sein vorgeben: wie etwa der Terminus „Artgerecht“ oder die Rede vom „Tierwohl”. Wir treffen auf Begriffe und Rhetoriken, die das eigentliche Thema, auf das die Diskussion hinauslaufen müsste, nämlich Tierrechte, verwässern. Aber es geht hierbei eben um Verwässerungsbegriffe und die weitere Unterbewertung des Themenkomplexes.

„Tierwohl“ ist ein problematischer Begriff, weil

  • zum Einen Tod und Tötung von nichtmenschlichen Tieren bei Fragen solcher Vorstellungen von „Wohl“ keine Rolle spielen sollen (es ist also egal ob ein Tier ermordet wird, und es besteht kein Unterschied zu einem natürlichen Tod, so meint man)
  • zum Anderen wird unberücksichtigt gelassen, dass in dem Moment, in dem Nichtmenschen durch den Menschen fremddefiniert und in ihren Rechten auf Unversehrtheit (als grundsätzliche physische Freiheit) beschnitten werden, moralisch gegen eine vom Menschen unabhängige Integrität von Nichtmenschen verstoßen wird, ausschließlich auf der Grundlage, dass sich diese Lebewesen von der Dominanz-/Herrschaft-ausübenden-Spezies unterscheiden. Moralische Rechte sowie moralische Relevanz existieren nicht erst in dem Moment, indem sie von menschlichen Gruppen als eigenes Konstrukt benannt werden. Moral ist die Beschreibung für einen Fakt sozialen Lebens. Und das Phänomen sozialer Interaktion begrenzt sich nicht auf menschliche Wesen alleine.

Der Begriff „Artgerecht“ liegt nah am „Tierwohl“ – gut gemeint impliziert er aber ebenso einen fremddefinitorischen Prozess, denn wer bestimmt denn da, was für wen gerecht ist:

  • Nichtmenschliche Tiere sind ökosozial eingebunden, sie binden sich (genauso wie Menschen das tun) in ihrer eigenen Art und Weise in die Welt ein, begeben sich in Relation, aber diese Art und Weise ist nicht einfach durch die Zugehörigkeit zu einer Spezies in einer speziellen Form festgelegt und für uns Menschen problemlos zu erfassen, sondern die ökosoziale Einbindung funktioniert so unendlich komplex, wie die Funktionsweise eines ganzen Ökosystems – man könnte dabei an den von Goethe verwendeten dichterischen Begriff des „Alllebens“ denken. In wechselseitiger Beziehung stehende Zusammenhänge sind nicht eingrenzbar auf einige erfüllbare Faktoren alleine, sondern die erfüllbaren Faktoren nähern sich Bedürfnissen nur an. Es ist also immer Vorsicht geboten, wenn wir uns anmaßen zu wissen, was reichen würde, damit ein Bedürfnis eines anderen Lebewesens ‚ausreichend‘ erfüllt ist.
  • Auch birgt der Begriff „Artgerecht“ den Fallstrick in sich, dass wir hier Spezies in durch den Menschen objektifizierte und festgelegte Gruppen einteilen. Der Fokus auf den Unterschied von „Arten“ trennt kategorisch und übersieht dabei die größeren Zusammenhänge in der Interaktion von nichtmenschlichen Tieren in deren ökosozialen Kontexten. Tiergruppen funktionieren offensichtlich wie feinste Netzwerke und verfügen über eine größere Dynamik, als ein Blick auf die Tierheit als „Arten“ erkennbar werden ließe.
  • Die Unterteilung von Tieren in „Arten/Spezies“ ist das biologistisch-speziesistische Pendant zu einem Blick auf Menschen als „Rassen“ [1], der entstehungsgeschichtlich damit verwandt ist. Man folgert tatsächlich aus der Zugehörigkeit zu einer „Art“, dass beispielsweise ein Wirbeltier mehr vernunftbegabt sei als ein Wirbelloser. Der Begriff der „Tierarten“ hat seine Entstehungsgeschichte und informiert ein segregatives Denken, das wir nicht außer Acht lassen dürfen bei der Verwendung des Begriffs. Die „Art“ oder Spezies, die wir bezeichnen wollen, sollte vielmehr integrativ kontextualisiert werden – unter Gesichtspunkten ihrer Problematiken und ihrer Stärken, in der ökologischen und aber auch in der vom Menschen (destruktiv-) dominierten Welt. „Art“ als biologische Konstante zu verstehen, aus der sich feste und alleingültige Herangehensweisen in der Mensch-Tier Interaktion ergeben, und Tiere dabei auf einige wenige für uns beobachtbare Bedürfnisse zu reduzieren, blendet soziale, environmentale, eigengeschichtliche, usw. Zusammenhänge von nichtmenschlichen Tieren aus. Für uns wahrnehmbar erscheinen nichtmenschliche Tiere als nach biologischen Kriterien zu verstehende „Spezies“, aber ihr Sein in der Welt lässt sich nicht auf solche Beobachtungspunkte eingrenzen, so dass wir gegenwärtig behaupten könnten einen Überblick über Gesamtkontexte zu haben.
  • In sozialen Interaktionsmomenten geht es um Annäherung und Approximation, soziale Interaktion ist kein „totaler“ Zustand. Ich glaube der Gedanke ökosozialer Relation und Verbundenheit ist hilfreicher als die Statik eines klassifizierenden Gedanken von „Arten“. Ich würde daher eher von Tiergruppen sprechen und nichtmenschliche Tiere dabei nicht primär auf biologische Merkmale, die sich aus unseren Klassifikationssystemen ableiten, begrenzt verstehen. Tiere gestalten ihre Umwelt und interagieren sozial und ökosozial. Sie sind nicht als grundsätzlich trennbare Gruppen zu analysieren und zu verstehen. Man stülpt ihnen durch den Begriff der „Art“ einen eingrenzenden Rahmen über, der sie partikularistisch in der Welt verortet. In Wirklichkeit stehen Tiere aber immer im größtmöglich anzunehmenden Kontext.
  • Beobachtungen von nichtmenschlichen Tieren haben ihre Grenzen immer dort, wo die beobachtenden Menschen eingrenzende Kriterien zur Beobachtung festlegen. Biologen tun dies, weil ihre Paradigmen immer allein die naturwissenschaftlich-biologisch geleiteten Blickpunkte sind. Wir würden menschliches Leben aber niemals primär aus einer biologischen Sicht heraus erklären und deuten wollen: Wir treten, was uns anbetrifft, über die Grenzen solcher Definitionen hinaus und beanspruchen für uns selbst eine Freiheitsfähigkeit, die wir uns (zumindest prinzipiell) als einziger Spezies gestatten. Im Bezug auf unsere Perspektiven auf Tiere ist es also wichtig, neue Bezugsrahmen (statt beispielsweise der biologistischen Eingrenzung) zu erkennen und zu entwickeln, um sich aus der privilegierten Position in eine gerechtere Position nichtmenschlichen Tieren gegenüber zu bewegen.
  • Nochmal: Tiere in erster Linie biologisch zu erklären, heißt sie deterministisch zu betrachten und ihre nicht eingrenzbaren eigenen Lebensweisen in unsere engen Beobachtungsmuster zu zwängen. Ich spreche zur Erweiterung der eigenen Perspektive auf Nichtmenschen daher beispielsweise auch von einer antispeziesistischen Tiersoziologie und in dem Sinne auch von ökosozialen Kontexten, statt mich argumentativ an naturwissenschaftliche Perspektiven zu lehnen.

Von Subjekt zu Subjekt

Wie kann ich als einzelnes Subjekt etwas in dem zähen Gefüge eines speziesistischen sozialen Milieus ausrichten? Die Schwierigkeit, die hinzukommt zur sturen Gesellschaft, die gegenwärtig noch relativ uninformiert ist über Speziesismus/Antispeziesismus, ist, dass Aktivismus nicht nur schwer ist, was die Kommunikationsebenen mit uninformierten Menschen anbetrifft. Aktivismus betrifft auch die Teilnahme am Diskurs unter Menschen, die informiert sind – wie diese Themen diskutieren und die einzelnen Diskutierpunkte wiederum politisch verorten. Nicht alle Tierrechtler_innen stimmen in ihren Vorstellungen darüber, was Speziesismus/Antispeziesismus ist, überein – was an sich kein Problem darstellen muss, jedoch zum weiteren Diskurs Anlass geben sollte.

Was verstehen wir alle überhaupt unter Speziesismus/Antispeziesismus:

  • ist es allein die Komponente, dass Tierkörpern physisch keine Gewalt angetan werden darf, oder geht es dabei nicht auch um die Frage von Gerechtigkeit gegenüber Tierkörpern und Tiersein?
  • Reicht es zu sagen, Tiere sind empfindsam und intelligent, oder muss man das Augenmerk auch auf eine Gesellschaft richten, die in ihrer Überlebensstrategie überhaupt meint, man könne Tiere seinen eigenen Zielen opfern – eine Gesellschaft die nichtmenschlichen Tieren in dem Zuge auch zur eigenen Legitimation alle jene Eigenschaften abspricht, die die nichtmenschlichen Tiere als Subjekte statt als Objekte erkennbar werden lassen würden?
  • Warum errichtet die Gesellschaft überhaupt einen Beweiszwang für Kriterien, anhand derer ein Grad an „Menschlichkeit“ bewiesen werden müsste? Warum annektieren Menschen gewisse Eigenschaften für sich und sind zugleich aber auch ignorant gegenüber der Bedeutsamkeit und zum Facettenreichtum von Verschiedenartigkeit/existenzieller Pluralität?
  • Wie weit sollten Fragestellungen zur Analyse des Problems gehen?

Speziesismus ist ein gesellschaftliches Problem, das nicht im Industriezeitalter aus dem Himmel gefallen ist. Die Haltung des Jägers ist nicht zwingend ein anthropologisch-evolutionärer Automatismus gewesen. Man muss nicht davon ausgehen, dass Tiermord für jeden Menschen zu jeder Zeit immer „normal“ gewesen sei. Zählt die Wahrnehmung einzelner menschlicher Subjekte oder sind wir nur ein genetischer Kollektivpakt?

Können und wollen wir, wenn wir denn nun Tierrechtler_innen sind, uns auch vorstellen, dass die Beziehung der menschlichen Gesellschaft zu der nichtmenschlichen Welt, insbesondere derer nichtmenschlicher Tiere, frei, emanzipativ und gerecht werden muss, und dass wir daher in einer speziesistischen Welt grundsätzliches Umdenken und Hinterfragen in allen Details benötigen?

Es wird zu jeder Zeit in der Menschheitsgeschichte menschliche Wesen gegeben haben, die Tiere genau so sahen, dass sie eine friedliche, freundliche und gerechte Koexistenz mit Nichtmenschen anstrebten. Diese Menschen waren mit Sicherheit an der Stelle wirksam, an der sie agierten und lebten.

Es kann nicht sein, dass wir bei Themen, die uns Menschen anbetreffen, alles hinterfragen dürfen, aber bei Tieren engere Rahmen stecken sollten, weil es uns erstmal um das Ziel geht, dass die Menschen aufhören sollen Tiere zu töten. Wir haben es mit einem Problem menschheits- (und tierheits-)geschichtlichen Ausmaßes zu tun. Und es macht einen Unterschied, ob wir von „quälen“, „Qual“,„foltern“, „Schlachten“, „töten“ oder „Mord“ reden, von „sterben“ oder „verenden“, d.h. in welchen Bezugsrahmen wir die Problematik („Zoozid“) beschreiben und welche Narrative wir daraus entwickeln.

Warum sollten wir nicht das ganze Grauen benennen – in all seinen für uns erkennbaren Dimensionen als kultur- und geistesgeschichtlich verursachtes Problem mit Funktionsweisen und Entstehungsgeschichten? Viele meinen pragmatisch zu bleiben in Tierrechtsfragen, hieße das leibliche Wohl und die leibliche Unversehrtheit von Nichtmenschen einzufordern. Die Unversehrtheit von nichtmenschlichen Tieren umfasst aber auch ihnen gerecht zu werden: sie zu rehabilitieren, d.h. die Ungerechtigkeit, die ihnen seit Jahrtausenden im Menschdasein begegnet, so gut wir es können zur Sprache zu bringen, auch wenn das oftmals schwierig scheint … das Wichtige ist, dass wir es immer wieder und immer weiter versuchen. Und jeder Versuch ist dabei bereits Handeln!

Bei Menschen kann der moralische Zeigefinger oft nicht hoch genug zeigen, bei Tieren stellen moralische Imperative nun auf einmal ein vermeintliches Problem dar, wird hoher moralischer Anspruch angeblich zum Hindernis um die Sache vorwärts zu treiben (oder um die Situation adäquat zu analysieren). Aber ist nicht genau das ein Zeichen des Problems, dass nichtmenschliche Tiere weniger moralische Empörung und moralische Verunsicherung aufwerfen sollten? Wozu der segregierte Raum [2], den wir Tierthemen zuweisen?

An dieser Stelle möchte ich die Perspektive meines eigenen subjektiven Aktivismus kurz schildern: Ich kann und möchte danach gehen, was mir wichtig scheint zu diskutieren. Ich glaube manchmal muss man Dinge in Eigeninitiative angehen. In direkten Gesprächen mit Menschen fühlen diese oft einen Affront wenn ich mit Gerechtigkeit und anti-biologistisch argumentierenden Tierrechten komme. Viele Menschen scheinen nicht in der Lage, offen auf für sie ungewohnte Perspektiven zu reagieren. Im virtuellen öffentlichen Raum ist die Diskussion teilweise eher möglich. Man stellt seine ehrlichen Beobachtungen, Empfindungen, Meinungen, Gedanken zur Disposition.

Mir persönlich fehlt es in der ganzen Diskussion über die Tierrechtproblematik, seitens Uninformierter, seitens Speziesisten, aber auch seitens tendenziell biologistisch denkender Tierrechtler_innen, an ehrlicherem Diskurs. Mir scheint es immer so als versteckten sich viele Leute hinter irgendwelchen Meinungsgebäuden, statt über ihre subjektiven Wahrnehmungen und Erfahrungen zu sprechen. Ich würde zu gerne wissen, was Menschen tief innerlich denken über die Vielfältigkeit unserer irdischen Existenz im Weltall – aber ohne menschlich-kollektivistische Hybris, und ich finde es legitim, meine Fragen hierzu in den virtuellen öffentlichen Raum zu stellen.

[1] Siehe hierzu: Anastasia Yarbrough: Weißes Überlegenheitsdenken und das Patriarchat schaden Tieren https://simorgh.de/about/yarbrough_weisssein_patriarchat_tiere/ und Ein Interview mit Syl Ko https://simorgh.de/about/ein-interview-mit-syl-ko/

[2] Zu segregativen Herangehensweisen, siehe meine Kommentare: „Segregative approaches“ https://simorgh.de/about/segregative-approaches/ und „Ein geteilter Raum“ https://simorgh.de/about/ein-geteilter-raum/ . Insgesamt geht es im meiner Texten zumeist implizit um das Problem von Segregation.

Kunstbuch: Farangis G. Yegane

Text: Gita Yegane Arani

Speziesismus ist ein System (1)

Gedanke: Wenn Speziesismus ein System ist, muss Veganismus zwangsläufig auch immer eine Systemkritik beinhalten …

Spontanes Podcast dazu … : Ein System setzt sich aus vielen Bausteinen zusammen und kann auch Teil eines anderen Systems sein oder Schnittmengen haben, die es mit anderen Systemen verbinden. Speziesismus ist kein zufälliger Reflex oder ein belangloses Relikt aus der „jäger- und Sammlerzeit“. Speziesismus ist ein System der Unterdrückung nichtmenschlicher Tiere.

In diesem Rambling hier geht es mir darum zu sagen, warum ich finde, dass es wichtig ist, dass der Veganismus sich seiner antispeziesistischen Anteile oder Grundlage eher bewusst sein muss und was ich am Mainstream-Veganismus wenig systemkritisch und daher auch kritisierenswert finde. Ich lasse mich hier über eine Vegane-Aktivistin aus, die veganen Konsumerismus als eine Form von Aktivismus propagiert und dabei ihre veganen Einkaufswagen ablichtet. Ihre Community findet das unproblematisch.

Podcast: Veganer Konsumerimus Fail 1 (MP3)

Priorisierungen als Machtmittel

Gesinnungsmord und
geistige Brandstiftung
machen die Zerstörung der Natur
und den Zoozid aus
im Anthropozän.

Podcast: Priorisierungen als Machtmittel (MP3)

Entscheidend sind die Prioritäten …

Wir beeinflussen Dinge über die Wahl unserer Prioritäten. Wenn mir das Konsumieren und Vanity das Wichtigste sind, wähle ich Inhalte, ich entscheide mich mehr oder weniger bewusst für diese – auch wenn ich mir der genauen Konsequenzen meiner Entscheidungen nicht unbedingt bewusst sein muss, ich bin es teilweise. Mit der Wahl die wir treffen, treffen wir die Aussage: das ist uns/mir wichtig.

Das Priorisieren findet ständig statt und und wir machen fortwährend Interessenspolitik mit der Entscheidung über Wichtig und Unwichtig. Ich meine wir tragen dadurch eine direkte und offensichtliche Verantwortung dafür, was unser Umfeld als Impuls von uns mitgeteilt bekommt über „wichtig“ und „unwichtig“. Wir werben quasi für Lebensmodelle, wir nutzen die Kraft unseres Seins um unsere Umwelt zu manipulieren in unserem Sinne. Wir sind nicht frei von Verantwortung über die Umweltzerstörung, über die Negation von nichtmenschlichem Leben.

Wir übernehmen gerne Verantwortung für Problematiken in denen wir Unmenschlichkeiten orten im Bezug auf Menschen als eine Art Gesamtheit, als politische Spezies. Wir priorisieren Menschenrechtsproblematiken indem wir ihre Zusammenhänge mit den Problematiken anderer Formen von Ungerechtigkeit und Gewalt ausklammern, oftmals bis zu dem Punkt, an dem es scheinen mag, dass ohne die Priorisierung von Menschenrechten wirklich keine anderen Bestrebungen für Freiheit und Gerechtigkeit Sinn hätten – als funktioniere Gerechtigkeit nicht auf allen Ebenen gleichermaßen, als bestünden keine unabdingbaren Zusammenhänge und keine Gleichheit in dem was und wer wichtig ist. Wir schaffen ständig Hierarchien.

Wir untermauern den Grund unserer Priorisierungen wenn wir politisch erwachsen sein wollen. Wir können nicht mehr zugeben, dass uns ein Denkfehler unterlaufen ist. Die Kluft zwischen Verantwortung für die Umweltzerstörung und den Tiermord, zur Gewalt gegen Menschen und der Nichtachtung von Menschrechten, klafft in unseren gelebten Verständnissen weit und offen. Unschließbar. Unsere Denkfehler sind Kulturgut.

Es ist nicht automatisch gegeben, dass das eine Thema auf die eine reduzierende, minimalisierende Art und Weise, das andere Thema aber umfassend und wichtig vorgestellt wird, immer wieder. Nein, die Gesellschaft reproduziert ihre Priorisierungen, wie ein Diktum. Auf solchen Ebenen finden die Gessinungsherrschaften statt, mit denen wir es heute zu tun haben, geht es um Mensch, Tier, Natur. Banale Egozentrik wird gleich einer aristokratischen Perversion als Menschsein von Clustern gesellschaftbildender Gleichtaktender als Selbstverwirklichung durchexerziert. Das Unrecht gegenüber den anderen und dem Anderen schlechthin wird dabei in die Lächerlichkeit und in die Unsichtbarkeit gestoßen.

Niemanden essen

Eine mythologische Spurenverfolgung menschlichen Fleischkonsums.
Farangis G. Yegane: Zahhak im Shahnameh HTML, PDF

Podcast: Niemanden essen (MP3)

Ist es schlimmer die einen oder die anderen Nichtmenschen zu essen? Oder ziehen wir hier nicht schon wieder eine ethische Trennlinie, mit der wir es versäumen aufzuzeigen, dass jeglicher Konsum toter nichtmenschlicher Tierkörper gleichermaßen ethisch verwerflich ist wie Kannibalismus?

Enge Denktrampelpfade in der Tierrechtsbewegung sollten erweitert werden:

1. Wir lieben die einen … (Hunde, Katzen, Haustiere):

Die Haustierhaltung ist problematisch, die Beziehung zu Haustieren stark verbesserungswürdig. Wir müssen nicht gleich, wie die Hardcore-Abolitionisten, das Kind mit dem Bade ausschütten und ein Verbot von der Lebensgemeinschaft von Mensch und Nichtmensch im gemeinschaftlichen Lebensraum fordern, aber wir sollten dennoch einsehen, dass sog. Haustiere massiv von Speziesismus betroffen sind. Menschen meinen sie wissen alles über „ihre Vierbeiner“ – besser als die Tiere es selber wissen könnten, Menschen sind autorisiert zusammen mit dem Tierarzt zu entscheiden, wann das Leben des nichtmenschlichen Tieres beendet werden soll, Tiere leben häufig alleine unter Menschen, sind den Vorstellungen des Menschen vollständig ausgeliefert, bei aller Tierliebe. Die gleichen Tiere gelten andernorts auch nur als Fleischlieferanten, etc, denn sie sind für die Menschheit eben „nur Tiere“.

2. Und quälen die anderen … (sog. Farmtiere, Schweine, Rinder, Hühner, Fische … ):

Die Massentierhaltungssysteme sind die Spitze des Eisbergs, jede Gewalt gegen Nichtmenschen zum Zwecke der Einverleibung und der Versklavung, jeder sexuelle Eingriff in das Reproduktionssystem, jede Beherrschung von und Gewalt gegen Tiere bildet den gesamten Felsen dieses Eisbergs.

3. Was ist mit Tieren die sich an anderer Stelle in den speziesistischen Systemen wiederfinden: wie z.B. Pferde, Esel, wildlebende Tierarten und „klassischerweise“ gejagte Tiere?

Alle Tiere sind dem Speziesismus / Speziesismen ausgesetzt.

4. Menschen essen nun halt einmal Fleisch, dann brauchen wir halt die In-Vitro-Variante:

Es gibt perfekte pflanzliche Alternativen und wir fordern in Menschenrechtsfragen ja auch nicht nur den halben emanzipatorischen Weg zu beschreiten. Warum sollten Menschen nicht Pflanzenfresser werden können?

Oberflächlichkeit bei den Diskutanten wenn es um Tierrechte geht

Wir glauben es ist nicht nur nicht nötig, bei der Diskussion über Speziesismus und Tierrechte an der Oberfläche zu bleiben, sondern das an der Oberfläche bleiben hindert genau den nötigen Fortschritt in der Sache, den es braucht. Wer würde meinen, ein oberflächlicher Diskurs reiche aus, wenn es um eigene Menschenrechte ginge oder Humorig-Oberflächliches als Grundtenor wählen, wenn das Thema Rassismus oder Sexismus hieße?

Warum denken viele Tierfreunde, unser gemeinsames Thema könne in der Tat „einfacher“ gelöst werden, als all die anderen ethischen Katastrophen der Menschheitsgeschichte?

Gruppe Messel / Animal Autonomy / Tierautonomie

Podcast: Oberflächlichkeit in der Tierrechtsszene, Normalisierung von Speziesismen (MP3)

In Veganen- und Tierrechtsszenen herrscht eine Normalisierung von Oberflächlichkeit vor in der Auseinandersetzung mit speziesistischer Gewalt. Woran liegt das? Mangelt es den meisten Tierfreunden an einem Instrumentarium in ähnlicher Weise tiefgreifende kritische Hinterfragungen an der Gesellschaft anzustellen, wie ein jeder von uns das zu leisten im Stande ist in Hinsicht auf die eigenen Rechte?

Wir alle können sagen was Rassismus, Sexismus, Ableismus, Ageismus, Sizeismus, usw. ist. Das heißt wir alle können über Menschenrechte adäquat sprechen, wenn wir sie verteidigen wollen. Über Tierrechte zu sprechen benötigt ebensoviel Tiefgang und Infragestellung unterdrückerischer Mechanismen.

Bei den Tierrechten sprechen die meisten Tierfreunde kaum Ursachen für Tierunterdrückung an. Sie reden von Speziesismus, aber geben nur allgemeine Formeln dafür, beschreiben was es in der Sache ist, aber verknüpfen das feine unterdrückerische Gewebe der Säulen des Speziesismus in den menschlichen Kulturen über Zeit und Raum nicht.

Wir bewegen uns in Sachen Menschenrechten in einem Raum, den wir für relativ selbstverständlich erachten, weil Menschenrechte zu einem gewissen Grad unserer eigenen menschlichen Hybris entsprechen. Tierrechte sind für uns schwieriger argumentativ zu beschreiben, und so fallen die meisten von uns immer wieder in die Speziesismen allgemeingeläufiger Sichtweisen über nichtmenschliche Tiere, ohne sich dessen selbst völlig gewahr zu sein und reproduzieren damit aber genau das Problem, das sie nun unbedingt aus den Angeln heben wollen.

Was braucht es um Speziesismen aus den Angeln im Denken der Menschen zu heben? Hinterfragung und Tiefgang. Das Denken und die kritische Reflexion unserer Mitmenschen sollten angeregt werden. Oberflächliches Herumprotestieren gegen und Herumkritisieren an den allgegenwärtigen Symptomen der Gräuel reicht nicht. Wir müssen deren Ursachen adressieren.

Sprachlosigkeit angesichts menschlicher Gräueltaten an Nichtmenschen und der Natur

Podcast: Sprachlosigkeit angesichts menschlicher Gräueltaten an Nichtmenschen und der Natur (MP3)

Wie geht man mit der Sprachlosigkeit angesichts des massiven Speziesismus in unserer Gesellschaft um. Speziesismus ist nicht etwas, was unbewusst oder “nebenher” geschieht. Der Tiermord geschieht mit der Systematik eines Zoozids. Nichtmenschen werden systematisch in unserer Gesellschaft objektifiziert und alle … machen mit.

Die Spezies-Degradation steht mitten in der Gesellschaft und die Mitglieder der Gesellschaft, die fähig sind auch über andere Problematiken zu reflektieren, wissen zu einem ausreichend großen Anteil was sie tun – sicher nicht im gänzlichen Ausmaß, aber insofern, dass Speziesismus eine bewusst destruktive Haltung gegenüber Nichtmenschen ist. Dies kann nicht hingenommen werden. Wie geht man ein Thema an, das dermaßen ideologisch in die “Irrelevanz” verbannt worden ist, das aber das dringlichste ist, weil es den höchsten Grad an menschlicher Ungerechtigkeit anbetrifft?

Mit der Sprachlosigkeit leben und dennoch genau darüber auch sprechen. Es würde keinen Sinn machen die ohnmachterregende Komplexität des Gesamtproblems mit faulen verharmlosenden Kompromissargumentationen zu überdecken, obwohl: genau dies geschieht viel zu oft seitens unserer Mitstreiter in Sachen der Tierrechte.

Haben wir einen Kanon in der Tierbefreiungsbewegung?

Podcast: Haben wir einen Kanon in der Tierbefreiungsbewegung? (MP3)

Existiert ein brauchbarer, grundlegender und auch weiterführender Kanon über Tierrechte, Tierbefreiung und Tierethik?

Tierrechtstheoretiker_innen: reicht es in einem tierrechtsrelevanten Kanon Name-Dropping zu betreiben, im Sinne dessen primär auf einzelne prominente Positionen einiger weniger Autoren zu fokussieren statt einer primären Auseinandersetzung und dem kritischen Diskurs über unterschiedliche inhaltsbezogene Begrifflichkeiten?

Zu welchem Zeitpunkt im Laufe der jungen Geschichte der Tierrechtsbewegung und innerhalb welcher Rahmen haben Singer, Regan, Francione und Adams beispielsweise ihre Thesen formuliert und wer hat sie rezipiert? Sind die Kernaussagen von Singer, Regan und Francione, als den Tierrechtstheoretikern, die am häufigsten herangeführt werden um grundlegende Positionen der TR-Bewegung zu schildern, wirklich zur Zeit noch als repräsentativ für die aktuelle TR-Bewegung anzusehen? Bedarf es einer kritischen Auseinandersetzung mit diesen Autoren?

Feministische Ansätze, Begrifflichkeiten und Positionen in den kritischen Tierstudien, Tierbefreiungspositionen in der schwarzen ethisch-veganen Bewegung und andere in der TR-Bewegung in Erscheinung tretende tierethische Ansätze werden in dem was zumeist als Tierrechtskanon zitiert wird, als sekundär und marginalisiert behandelt. Inhaltspluralität wird abgewürgt.

Podcast: Unwort “artgerecht”

Podcast: Unwort “artgerecht” (MP3)

Warum wir uns an dem Wort und unterschiedlichen Gedanken, die hinter dem Begriff “artgerecht” stehen, stoßen. Wer schreibt einer Gruppe von Tierindividuen zu, was deren grundlegende Bedürfnisse sind und an welcher Stelle sollten grundlegende Bedürfnisse im Leben eines Lebewesens eingrenzbar sein? Provokativ könnte man auch fragen ob man auch Menschen artgerecht behandeln kann.

Artgerechtigkeit bezieht sich auf das ganze Leben, den ganzen Lebenskontext eines Tieres. Wenn man also nur nichtmenschliche Tiere “artgerecht” behandeln kann, Menschen aber nicht, dann legt man damit fest, dass im Leben eines Menschen weit mehr fließende Übergänge im Lebensablauf und in seinen Lebenskontexten stattfinden als bei nichtmenschlichen Tieren. “Artgerecht” – sprich: die Eingrenzung und Bestimmung von Bedürfnissen und wo diese ihre Grenzen und Prioritäten haben – ist zu einfach um die Lebenskontexte von Tierindividuen zu beschreiben. Derer jeglicher Tierindividuen.

Hier sind auch einige Snippets, die mit der Materie zu tun haben und die Euch hoffentlich ebenfalls zum Denken anregen können. Uns geht es darum, dass die Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung wirklich eigene sinnvollere Terminologien (insbesondere Schlüsselterminologien) entwickeln sollte, statt sich der Sprache der bedingt objektiven Wissenschaften und derjenigen gesellschaftlichen Mehrheitssegmente zu bedienen, die effektive keine tierbefreierischen Ansätze verfolgen und die kaum ursächlich motiviert sind Nichtmenschen unter freieren, autonomie-respektierenden Gesichtspunkten zu betrachten.

Der Begriff “artgerecht” stammt primär aus der Agrarindustrie, den Tierhaltungsystemen, den Zoos, auch den zoologischen Programmen zur Nachzucht gefährdeter Spezies … weniger den Schutzreservaten, denn ich glaube um so freier und “wilder” der erhaltene Lebensraum, um so absurder und überflüssiger wird die Eingrenzung einer Spezies in einen bestimmten, eingrenzbaren Bedürfnisrahmen. Außer es geht um den “Artenerhalt” in Form einer Sortierung bestimmter Spezies, die als ökologisch erwünscht oder die bzw. als “fremd” und “schädigend” für ein ökologisches System klassifiziert werden, wo der Mensch die unerwünschte Spezies zur gewaltsamen Eliminierung freigibt. Die Tötungsmechanismen werden dann häufig wiederum unter “artgerechten” Gesichtspunkten ausgewählt.

Gruppe Messel: Freiheit, insbesondere Tierfreiheit, hat nichts mit „artgerecht“ zu tun

Das Wort „Freiheit“ im Zusammenhang mit „Artgerecht“ ist problematisch, denn Freiheit wird von Tierrechtler_innen selbst tatsächlich oft „artspezifisch“ definiert, und ist somit also überhaupt keine Freiheit mehr. Wäre man konsequent, müsste das Wort „Freiheit“ den Begriff „artspezifisch” logischerweise aufheben. Wäre die Freiheit „artgerecht“, dann wäre sie keine Freiheit mehr. Die Freiheit wird nicht einer Art gerecht, sondern das Individuum ist frei.

Anastasia Yarbrough: Rassismus und Speziesismus. Sind beide miteinander austauschbar?

Rasse und Spezies sind willkürliche Unterscheidungen die ungefähr in der gleichen Zeit im europäischen Denken entstanden. Beide sind geleitet von phänotypischen Unterscheidungen aber tragen das Gewicht und die Legitimität als seien sie biologisch verwurzelt, und biologisch wird oft gleichgesetzt mit etwas „Fixiertem.“

Barbara Noske: Die Tierfrage in der Anthropologie

Im besten Falle wird unsere „Animalität“ (unser Körper) als materielle Basis betrachtet, aus der sich unser echtes „Menschsein“ (Verstand, Sozialität, Kultur, Sprache) entwickeln konnte. Ironischerweise gravitieren viele Wissenschaftler um essenzialistische Positionen (wie Rasse und Geschlecht), die sie selbst in Hinsicht auf den Menschen ablehnen, sobald aber eine andere biologische Kategorie in Sicht kommt, und zwar unsere Speziesbarriere, wird eine biobehavioristische wissenschaftliche Charakterisierung in den Begriffen beobachtbarer Verhaltensweisen und Mechanismen dargestellt, von denen ausgegangen wird, dass diese im genetischen Aufbau der Tiere eincodiert sind. Biologie und Ethologie sind irgendwie zu den Wissenschaften über die Tierheit (animalkind) geworden. Es ist von diesen Wissenschaften woher die Sozialwissenschaftler (die Wissenschaften über die Menschheit) ihr eigenes Bild von Tieren und Tiersein unkritisch und zum größten Teil unbeabsichtigt beziehen. Tiere sind an biologische und genetische Erklärungen gebunden worden.

Chris von Olde Ghost: Ein Statement zu veganer Intersektionalität

Eine der Situationen, die mich immer wieder perplex machen, verwirren und oft auch erschüttern, ist wie Leute, die sich so dem Schutz, dem Erhalt und der Wiederherstellung der natürlichen Umwelt widmen, ein so geringes echtes Verständnis haben von der Verbindung zwischen dem Veganismus und den Auswirkungen, die eine auf Fleisch basierende Ernährung auf die Umwelt hat. In solchen Diskussionen wurde mir häufig entgegenet „naja, das Fleisch, dass ich esse ist von Tieren aus artgerechter Haltung, und daher ist es ok“ oder man kam mir mit dem blinden Versuch das Thema abzutun, indem man mir von den Negativauswirkungen von Sojabohnenprodukten etzählte, oder von der Tatsache, dass die vegane Lebensweise einfach „extrem“ sei.

Steven Bartlett: Menschlicher Widerstand gegen Tierrechte, psychologische und konzeptuelle Blockaden

Unabhängig vom religiösen Dogma, aber ebenfalls den homozentrischen Stempel tragend, hat der zweite, spezies-zentrierte Anspruch menschliche Interaktionen mit Tieren durchdrungen, in dem die Tiere vergleichsweise zur menschlichen Spezies als in vielen Weisen minderwertig befunden wurden. Nach dieser Ansicht wird behauptet, dass Tiere Eigenschaften ermangeln oder komplett fehlen, auf die Menschen bei sich selbst stolz sind: Der Besitz von Vernunft, Sprach- und Symbolverwendung, Fähigkeit zur Reflektion, Bewusstsein des Selbst und so weiter. Historisch haben Befürworter dieser Sichtweise eine extreme Agilität gezeigt in der Verschiebung ihrer territorialen Ansprüche von einer putativ speziell den Menschen unterscheidenden Eigenschaft zur nächsten, während Biologie und Ethologie weiterhin vorangeschritten sind und empirisch beweisen, dass eine einzigartig menschliche Eigenschaft nach der anderen von Mitgliedern anderer Spezies geteilt wird.

In der Zusammenhang noch einen Auszug aus Bartletts Text den ich hier noch gerne anführen möchte, in allgemeiner Hinsicht im Bezug auf diskriminierende Eingrenzungen von Nichtmenschen aufgrund ihnen zugeordneter biologischer Parameter.

[…] Der homozentrische Peter Singer schlägt eine welfaristisch-utilitaristische Theorie vor, die Menschen dazu auffordert, ihre eigenen Bedürfnisse mit den Bedürfnissen nichtmenschlicher Tiere auszubalancieren, in der Form, dass dadurch unnötiges Tierleid vermieden wird ohne dabei die Priorität menschlicher Interessen zu kompromittieren. Für Singer kann das Vorhandensein von Unterschieden in der kognitiven Fähigkeit korrespondierende Unterschiede im Grad moralischer Wichtigkeit mit sich bringen, und indem er dies sagt, schlägt er implizit eine Position vor, die karikiert werden kann als insistierend: um so mehr sie wie wir sind, um so wertvoller sind sie. In anderen Worten, die Spezies-Barriere ist aufgeweicht – aber nur bis zu dem Punkt, an dem die Ähnlichkeit zur menschlichen Spezies deutlich bleibt. Diese Position ist voller Probleme: zum Beispiel, es mag einige Leser erstaunen, dass Singer bezweifelt, dass für Tiere auf dem Weg zur Schlachtung, ihr schmerzloser Tod wirklich überhaupt eine Beraubung um etwas ist.

Vasile Stanescu: Warum Tiere zu lieben nicht reicht, eine feministische Kritik

In meiner Präsentation heute möchte ich die Aussagen von Kathy Rudy und die Praktiken von Catherine Friend kritisieren, als emblematisch für eine größere Bewegung, die den Feminismus mit Rechtfertigungen für einen fortgesetzten Konsum von Tierprodukten zusammenführen will. Ganz in Gegenteil dazu glaube ich, dass gerade aus der Position sowohl der feministischen als auch der queeren Epistemologie heraus, wir die Aufzucht und die Tötung ganz gleich welcher Tiere kritisieren müssen, auch wenn solche Praktiken als „human“ oder „artgerecht“ gekennzeichnet werden.

[…]

Über das Falsche am ländlichen Bild vom „Happy Meat“ [„glücklichen Fleisch“], hat Alice Walker in ihrem Essay „Bin ich Blue? sagen meine Augen dir dies denn nicht?“ geschrieben [im Englischen bedeutet ‚blue’ sowohl blau als auch traurig]. In dieser Kurzgeschichte erzählt Walker von der Begegnung mit einem Pferd, das jedes der Kriterien aufweisen würde, die Rudy für eine humane, „artgerechte“ Tierhaltung voraussetzt. So trägt dieses Pferd beispielsweise einen Namen, es ist gut genährt, es wurde nicht geschlagen oder „misshandelt“ und es verfügt sogar über zweitausend Quadratmeter an „schöner“ Fläche Land, in denen es umher galoppieren kann.

Dennoch lehnt Walker (die auch glaubt, dass Tiere lieben können und Emotionen haben) die Behandlung von Blue ab, weil das weibliche Pferd, in das Blue sich verliebt hat, von ihm getrennt wurde […].

Vasile Stanescu: Das Judas-Schwein, wie wir “invasive Spezies” unter Vorgabe des “Naturschutzes” töten

[…] So stellt auch seine Kritik an „Fabrikfarmen“ keinen Aufruf zur Beendigung allen Fleischverzehrs dar, sondern es ist nur ein Aufruf dazu, den Mangel an „Fürsorge“ für die Tiere zu beheben. Sein zugrunde liegendes Argument und die Art und Weise in der er imstande ist von den verwilderten Tieren zur artgerechten landwirtschaftlichen Tierhaltung überzuleiten, basiert auf der zweiten Idee, die, so meine ich, seinen beiden Argumenten unterliegt: der Biopolitik, dem Argument also, dass die Menschen das Leben selbst verwalten müssten. Das heißt, der Grundgedanke scheint zu sein, dass die „Natur“ sich nicht um sich selbst kümmern kann, ohne ständige menschliche „Intervention“. Und trotzdem muss genau zur gleichen Zeit diese „Intervention“ kontinuierlich im Verborgenen gehalten werden. Gleich den unsichtbaren Händen der Märkte, die der fortwährenden menschlichen Regulation bedürfen, scheint dieser Aufruf – sowohl zur Entfernung der verwilderten Tiere als auch zur Aufzucht artgerechten Fleisches – in simultaner Weise die ständige Einmischung der Menschen innerhalb des sogenannten „Natürlichen“ zu fordern und zugleich zu leugnen.

[…]

Ich möchte also diesen Diskurs bezüglich der Tötung verwilderter Tiere im Zusammenhang mit dem Diskurs über die artgerechte Viehwirtschaft betrachten. In Wirklichkeit werden Tiere aus vermeintlich humaneren, sog. artgerechten Haltungsbedingungen immer noch genetisch manipuliert, grob misshandelt und im Babyalter in industriellen Schlachthäusern getötet (Stanscu, „Green Eggs and Ham“; „Why Loving Animals in Not Enough“; „Crocodile Tears“). Aber selbst wenn das nicht der Fall wäre, so wäre diese Praxis immer noch praktisch irrelevant, da 99,9 Prozent aller Tiere, die zu landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden, unter den Bedingungen von Fabrikfarmen bzw. in der Massentierhaltung aufgezogen werden (Farm Forward). Ich habe daher auch zuvor argumentiert (Stanescu und Pedersen, „The Future of Critical Animal Studies“), dass der ganze Reiz oder die ganze Nützlichkeit eines locavoren Produkts darin liegt, die beinahe universelle Realität des Fabrikfarmensystems zu maskieren, und, was noch wichtiger ist, die Realität der harten Wahl, die getroffen werden muss, zu maskieren – dass es im Wesentlichen nämlich unmöglich ist, Fleisch und Ethik, beides zu haben. In anderen Worten: das, was die Verbraucher zu einem erhöhten Preis kaufen, ist nicht das Fleisch per se, sondern das Vergessen, dass eine Wahl getroffen werden musste. Und als solche dienen diese wenigen Vorzeigetiere, die auf den vermeintlich humaner oder artgerecht betriebenen Höfen leben, in einer Art symbolischer Stellvertretung der Wiedergutmachung, vergleichbar mit der sonderbaren Praxis der Präsidenten der Vereinigten Staaten einen Truthahn vor Thanksgiving, zu dem in den USA Millionen Truthähne getötet werden, zu begnadigen (Fiskesjö). In ähnlicher Weise agieren diese Höfe, als begnadigten sie symbolisch einige wenige Tiere, um eine Wiedergutmachung für die schätzungsweise 70 Milliarden Tiere zu betreiben, die nun bald weltweit fast ausschließlich unter Farbrikfarmbedingungen getötet werden.