Ich hatte diesen Artikel bereits im November 2013 hier gepostet. Reposte ihn aber hier noch mal aus unterschiedlichen Gründen.
Die Göttin Ma’at von Farangis G. Yegane.
Vandana Shiva: Wie das Wirtschaftswachstum zu etwas Lebensvernichtendem geworden ist
Eine Sucht nach Wachstum hat unsere Sorgen über Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und menschliche Würde in den Hintergrund gedrängt. Menschen sind aber keine Wegwerfware – der Wert von Leben liegt außerhalb der wirtschaftlichen Entwicklung.
Dr. Vandana Shiva: http://www.navdanya.org/
Dieser Artikel ist im The Guardian vom 1. November 2013 veröffentlicht: How economic growth has become anti-life, http://www.theguardian.com/commentisfree/2013/nov/01/how-economic-growth-has-become-anti-life.
Übersetzung: Gita Yegane Arani, mit der freundlichen Genehmigung von Dr. Vandana Shiva.
Unbegrenztes Wachstum ist die Fantasie von Ökonomen, Unternehmen und Politikern. Man betrachtet es als Maßstab von Fortschritt. Hieraus hat sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP), das angeblich das Wohl einer Nation bemißt, sowohl als die mächtigste Variable als auch als das herrschendste Konzept unserer Zeit hervorgetan. Dennoch trägt das Wirtschaftswachstum verborgen in sich die Armut, die es durch die Zerstörung der Natur verursacht, die widerum zur Folge hat, dass Gemeinschaften außerstande sind, für sich selbst zu sorgen.
Das wirtschaftliche Wachtstumskonzept wurde als ein Maßstab eingesetzt um während des Zweiten Weltkriegs Ressourcen zu mobilisieren (http://en.wikipedia.org/wiki/Military_production_during_World_War_II#Gross_domestic_product_.28GDP.29). Das Bruttoinlandsprodukt fußt auf der Schaffung einer künstlichen, imaginären Grenze, die unter der Annahme funktioniert, dass, wenn einer etwas produziert das er selbst konsumiert, er eigentlich gar nichts produziert. Tatsächlich bemisst das „Wachstum“ die Umwandlung von Natur zu monetären Werten und von öffentlichem Gut zu Handelsgütern.
Die beeindruckenden in der Natur herrschenden Erneuerungszyklen des Elementes Wasser und von Nahrungsstoffen werden auch als Nichtproduktion definiert. Die Kleinbauern der Welt, die 72% der Nahrungmittel liefern, produzieren ebenso nicht. Frauen die Anbau betreiben oder das meiste der Hausarbeit verrichten, passen auch nicht in dieses Paradigma des Wachstums. Ein lebendiger Wald trägt zum Wachstum nicht bei, aber wenn die Bäume gefällt und als Nutzholz verkauft werden, dann ist das Wachstum. Gesunde Gesellschaften und Gemeinschaften tragen nichts zum Wachstum bei, aber Krankheiten schaffen Wachstum, durch beispielsweise den Verkauf patentierter Medikamente.
Wasser, das als ein öffentliches Gut frei geteilt und von allen geschützt wird, versorgt uns alle. Es schafft aber kein Wachstum. Wenn aber Coca-Cola eine Betriebsanlage errichtet, dort Wasser fördert und in Plastikflaschen abfüllt, dann wächst die Wirtschaft. Dieses Wachstum basiert auf der Schaffung von Armut und Verelendung – sowohl was die Natur anbefrifft, als auch die lokalen Geneinschaften.
Wenn Wasser über ein Maß seiner natürlichen Fähigkeit zur Erneuerung und Wiederherstellung gefördert wird, entsteht Wassernot. Frauen müsssen dadurch längere Strecken laufen, um an Trinkwasser zu kommen. Im Dorfe Plachimada in südindischen Staat Kerala, sagte die örtliche Stammesfrau Mayilamma (http://www.hindu.com/2007/01/08/stories/2007010811660400.htm), als der Weg der bewältigt werden musste um an Wasser zu kommen,schließlich 10 km lang wurde, dass es nun reicht. Sie könnten dort nicht noch weitere Strecken laufen und Cocal-Cola müsse verschwinden. Die Bewegung, die diese Frau mit ihrer Protestaktion ins Leben rief, führte tatsächlich zur Schließung des Werks (http://www.thehindu.com/todays-paper/tp-national/tp-kerala/plachimada-activists-vow-to-keep-cocacola-plant-shut/article756289.ece).
Auch hat die Evolution uns gleichermaßen mit Saatgut beschenkt. Bauern haben es ausgewählt, gezüchtet und divesifiziert – das Saatgut bildet die Grundlage der Nahrungsmittelproduktion. Ein Same der sich selbst erneuert und vervielfältigt, schafft die Saat für die nächste Saison und er erzeugt Nahrungsmittel. Nichtsdestotrotz tragen die von Bauern gezüchteten und von Bauern bewahrten Saaten nicht zum Wachstum bei. Diese Saaten schaffen und erneuern Leben, aber sie erzeugen keine Profite. Wachstum beginnt dann, wenn Samen modifiziert, patentiert und genetisch verriegelt werden (http://www.viewingspace.com/genetics_culture/pages_genetics_culture/gc_w03/terminator_abc/terminator_seed.htm, a.d.Ü. die sogenannte Terminatortechnologie bzw. V-GURT Genetic Use Restriction Technology), wodurch die Bauern dazu gezwungen werden, jede Saison mehr Saaten zu kaufen.
Die Natur ist erschöpft, die Biodiversität erodiert und freie, offene Ressourcen werden zu patentierten Handelsgütern umgewandelt. Der jährliche Kauf von Saaten führt unweigerlich zur Verschuldung der ärmsten der indischen Bauern (http://www.huffingtonpost.com/vandana-shiva/from-seeds-of-suicide-to_b_192419.html). Seit die Saatenmonopole ihr Geschäft aufgenommen haben, haben Bauern sich zunehmend verschuldet und seit 1995 begingen mehr als 270.000 dieser indischen Kleinauern, die in der Schuldenfalle getappt sind, Selbstmord (http://www.thehindu.com/opinion/columns/sainath/farmers-suicide-rates-soar-above-the-rest/article4725101.ece).
Die Armut wird noch weiter getrieben wenn öffentliche Versorgungsinrichtungen privatisiert werden. Die Privatisierung von Wasser, Elektrizität, des Gesundheitssystems und der Bildungseinrichtungen erzielt Wachstum durch Profite. Aber sie generiert ebenso Armut, indem sie Menschen dazu zwingt, ernorme Mengen an Geld aufzubringen für etwas, dass eigentlich zu bezahlbaren Kosten als ein gemeinschaftliches Gut zur Verfügung stünde. Wenn jeder Aspekt des Lebens kommerzialisiert und kommodifiziert wird, dann wird das Leben teuer und die Menschen werden ärmer.
Beides, die Ökologie und die Ökonomie sind der gleichen Wurzel entwachsen – „Oikos“ (οἶκος) ist das griechische Wort für Haushalt. Solange die Ökonomie sich auf die Instandhaltung der Hauswirtschaft begrenzte, respektierte sie und erkannte ihre Grundlage in den natürlichen Ressourcen und den Grenzen ökologischer Erneuerbarheit an. Die Ökonomie sorgte innerhalb dieses Rahmens für die wesentlichen menschlichen Bedürfnisse und mit ihrem Schwerpunkt auf die Haushaltung war diese Ökonomie zentriert auf die Frauen. Heute verhält sich die Ökonomie im Verhältnis zur den ökologischen Prozessen und den grundlegenden Notwendigkeiten in einem abgesonderten und opponierenden Verhältnis. Im Zuge einer Argumentationsführung, die die Zerstörung der Natur mit dem Zwecke der Wachstumsgenerierung begründet, ist die Armut gestiegen und Enteignung findet in vermehrtem Maße statt. Und während dabei nicht nachhaltig gedacht wird, so ist dies gleichermaßen auch eine ökonomische Ungerechtigkeit.
Das herrschende Model ökonomischer Entwicklung ist tatsächlich zu einem Antilebensfaktor geworden. Wenn Ökonomien nur noch im Sinne des Geldflusses berechnet werden, werden die Reichen reicher und die Armen ärmer. Nur mögen die Reichen monetär reich sein; im weiteren Kontext dessen, was es eingentlich heißt Mensch zu sein, sind sie doch auch verarmt.
Zu dieser Zeit führen die Nachfragen, die sich aus dem Gegenwartsmodel der Wirtschaft ableiten, zu Ressourcenkriegen, Ölkriegen, Wasserkriegen und Nahrungsmittelkriegen. Im Rahmen nicht nachthaltiger Entiwicklung spielen drei Ebenen der Gewalt eine besondere Rolle. Der erste Grad ist die Gewalt gegen die Erde, die nun ihren Ausdruck in der ökologischen Krise findet. Der zweite Grad ist die Gewalt gegen die Menschen, die sich in der Verarmung, der Not und dem Verlust von Heimat wiederspiegelt. Die dritte Ebene ist die Gewalt durch Kriege und Konflikte, als den machtvollen Griff nach den Ressourcen, die in den anderen Gemeinschaften und Ländern liegen, die einen schier unendlichen Appetit stillen sollen.
Die Zunahme der Geldflusses durch das GDP (Gross domestic product), das Bruttoinlandsprodukt, hat sich von den echten Werten entfernt, aber diejenigen, die finanzielle Ressourcen ansammeln, können ihren Anspruch auf die echten Ressourcen der Menschen geltend machen – auf deren Land und ihr Wasser, ihre Wälder und ihre Saatgüter. Dieser unstillbare Durst führt sie noch dazu, Jadg auf den letzen Tropfen Wasser und den letzten Flecken Erde in dieser Welt zu machen. Das ist kein Ende der Armut, das ist ein Ende von Menschrechten und Gerechtigkeit.
Die mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Ökonomen Joseph Stiglitz und Amartya Sen haben eingeräumt, dass der GDP den tatsächlichen menschlichen Zustand nicht bemessen kann (http://www.nytimes.com/2009/09/23/business/economy/23gdp.html?ref=business&_r=1&) und sie haben darauf gedrängt, dass andere Wekrzeuge hier zu Hand genommen werden sollten, um das Wohl von Nationen beruteilen zu können. Das ist auch warum Länder wie Bhutan einen Maßstab des Grades der Glücklichkeit, einen Gross National Happiness-Wert statt des Gross Dosmestic Products eingesetzt haben, um so ihr Verständnis von Forschritt bemessbar zu machen. Wir brauchen andere Maßstäbe, die über den eines Bruttoinlandproduktes hinausgehen und wir brauchen Ökonomien die mehr als ein globaler Supermarkt sind, um so echten Wohlstand wiederherstellen zu können. Wir sollten uns daran erninnern, dass die echte Währung des Lebens, Leben selbst ist.
Alle Zugriffe: Stand 17. November 2013.
(Eventuelle orthografische Korrekturen werden noch vorgenommen.)