Buchprojekt in Kooperation mit Syl

Liebe Freund*innen,

ich bin zur Zeit beschäftigt mit einem neuen Projekt, das ich zusammen mit Syl Ko durchführe und über das ich mich außerordentlich freue. Ein Buch mit Illustrationen, bei dem der Text von Syl stammt und die Illustrationen von mir. Wie Ihr Euch denken könnt, wird es ein Tierrechtsbuch. Hier ein kurzer Blick auf einige der Protagonist*innen:

Der Eintrag vor diesem ist Passwortgeschützt, da ich hier Entwürfe teile, die aus ziemlich großen Bilddateien bestehen und die wir der Einfachheit halber lieber online teilen. Also, nicht irritiert sein. Danke!

 

Barbara Noske: Speziesismus, Anthropozentrismus und Nichtwestliche Kulturen

Wenn wir von Tierkulturen ausgehen, wird die alte Demarkationslinie zwischen restriktiven Anthropozentrismen und dem gegenüberstehend einer Seins-Pluralität auf möglichst gleicher Augenhöhe erkennbar.
Ein multiangulierbares Kulturverständnis ist möglich.
gruppe messel

E-Reader: Gruppe Messel 2021 / 6
ISSN 2700-6905
Jahrgang 3, Nr. 6, August 2021
Edition Farangis

Speziesismus, Anthropozentrismus und Nichtwestliche Kulturen; https://farangis.de/reader/e-reader_gruppe_messel_2021_6.pdf

Barbara Noske

Originalfassung: Speciesism, Anthropocentrism and Non-Western Cultures, veröffentlicht in: Anthrozoös, Volume 10, No. 4. pages 183-190, 1997. Übersetzung aus dem Englischen von Gita Yegane Arani. Mit der freundlichen Genehmigung von Dr. Barbara Noske und der International Society for Anthrozoology (ISAZ).

Siehe in dem Zusammenhang: http://www.isaz.net/isaz/anthrozoos/, ANTHROZOÖS, A Multidisciplinary Journal of the Interactions of People and Animals, International Society for Anthrozoology ISSN 0892-7936.

EINFÜHRUNG

Die gegenwärtigen Diskussionen über die Mensch-Tier Beziehung und Tierethik im Westen, werfen ein Licht auf eine Reihe von Dingen, zu denen die Fragen über Speziesismus und Anthropozentrismus gehören.

Speziesismus bezieht sich im Allgemeinen auf die Unterschiede in der Behandlungsweise individueller Wesen, auf Grundlage ihrer Zugehörigkeit zu anderen biologischen Kategorien: der Spezies in dem Falle. Es bedeutet die Beurteilung von Tieren, nicht als einzigartige und empfindungsfähige Individuen, sondern allein anhand ihrer Spezies. Sie werden zu Exemplaren einer bestimmten Spezies, die von uns, Menschen, bevorzugt oder verabscheut werden kann. (Noske 1993, 1994). Die häufigste Verwendung des Begriffes Speziesismus bezieht sich jedoch auf die Mitgliedschaft oder in der Tat auf die Nichtmitgliedschaft bei einer bestimmten Spezies, der menschlichen Spezies, mit der Konsequenz der Diskriminierung und häufig der härteren Behandlung von allem Nichtmenschlichen. Von seinen Kritikern wurde der Speziesismus als analog zu Rassismus und Sexismus definiert (Ryder 1989).

Anthropozentrismus bezieht sich, zusätzlich dazu, auf die verwandte Idee, dass die Menschheit der Maßstab aller Dinge ist und sein sollte. Andere und ‚Andersheit‘ werden eher übersehen und nicht in Betracht gezogen (Noske 1990, 1997).

Auch wenn sie nicht identisch sind, gehen Speziesismus und Anthropozentrismus häufig Hand in Hand, wobei das Erstere etwas stärker mit der Handlungsebene verbunden ist und das Zweite eher mit der Haltung.

In Diskussionen über die Beziehung der Menschheit mit der Natur und mit den Tieren, werden nichtwestliche Kulturen oft als eine Art reflektierender Spiegel dargestellt, um Kontraste zu westlichen Arten des Umgehens mit, des Denkens über und des Fühlens in Bezug auf Tiere zu verdeutlichen.

Da ich gegenwärtig nicht in einer Position bin, um Daten mittels teilnehmender Beobachtung aus erster Hand zu sammeln, möchte ich eine Anzahl von Jäger/Sammler und pastoraler Gesellschaften in der Form betrachten, wie sie in der anthropologischen Literatur dokumentiert wurden. Sehr wenige Anthropologen, darunter Nanda Niemeijer (1994) als eine bemerkenswerte Ausnahme, haben ihre Feldforschung aus einer Position heraus durchgeführt, bei der beide, Menschen und Tiere, gleichermaßen als Subjekte mit Individualität, Integrität und Handlungskapazität (A.d.Ü. im Originaltext ‚agency‘) betrachtet werden.

Während Anthropologen typischerweise massive Mengen an Informationen über exotische Mensch-Tier Beziehungen in verschiedenen kulturellen Kontexten gesammelt haben (Evan-Pritchard 1940; Lévi-Strauss 1965; Rappaport 1967; Harris 1974), wenden sie sich kaum jemals Fragen im Zusammenhang mit dem ‚Animal Welfare‘/Tierwohl und dem Tier als Subjekt zu. Auch zeigen sie wenig Interesse an der Existenz von Speziesismus oder Anthropozentrismus in den nichtwestlichen Kulturen. Da wo Tiere in anthropologischen Studien vorkommen, werden sie häufig bloß als passives Rohmaterial menschlicher Handlungen und menschlichen Denkens betrachtet.

Anthropologen tendieren dazu, Speziesismus und Anthropozentrismus als „in der Gesellschaft gegeben“ zu akzeptieren und stellen über sie allgemein keine Fragen. Tatsächlich argumentieren die meisten Sozialanthropologen, dass, um Fragen über Tiere und ihr Wohl zu beantworten, es besser sei sich an Wissenschaften wie die Evolutionsbiologie oder die Ethologie zu wenden. Wenige Sozialanthropologen studieren derzeit physische Anthropologie als Teil ihres Curriculums, ein Umstand der viel mit dem Erbe des Nationalsozialismus zu tun hat, in dem Argumente physischer Kontinuität zwischen Tieren und Menschen zur Legitimierung von Rassismus und Genozid verwendet wurden (Noske 1997). Da wo physische Anthropologie berücksichtigt wird, besteht die Tendenz, Tiere und Tier-Mensch-Beziehungen von einem biologischen eher als von einem sozio-ethischen Standpunkt her zu betrachten.

Tiere werden häufig als des anthropologischen Interesses unwert erachtet. Ich habe den Grund für diesen blinden Punkt innerhalb der Sozialanthropologie und seinen Mangel an Sensibilität für das Schicksal des Tieres in den Weltkulturen an anderer Stelle hervorgehoben. Er liegt in dem inhärenten, in der Disziplin selbst vorherrschenden Speziesismus und Anthropozentrismus: Es besteht die Neigung Mensch-Tier-Interaktionen als Subjekt-Objekt Beziehungen zu betrachten, und es ist nur die menschliche Subjektive Seite, die Anthropologen betrachten wollen (Noske 1990).

Anthropologen ziehen es vor, Tiere als einen integralen Teil menschlich-ökonomischer Konstellationen und menschlich-zentrierter Ökosysteme zu behandeln: das heißt, als ökonomische Ressourcen, Gegenstände und Produktionsmittel für menschliche Zwecke. Auf Tieren basierende Ökonomien wurden extensiv von Anthropologen untersucht, die oftmals fragten, ob unterschiedliche menschliche Praktiken in ihrer Anwendung von Tieren ökonomisch oder ökologisch rational sind (vom menschlichen Standpunkt aus gesehen) oder nicht. Nur in einer kleinen Anzahl von Fällen, besonders in solchen, wo halb-wilde Tiere noch etwas an Kontrolle über ihren eigenen Verbleib beibehalten konnten, lassen sich Anthropologen manchmal dazu herab, auf die Vorteile existierender Mensch-Tier-Arrangements für die dabei involvierten Tiere zu schauen (Leeds 1965; Ingold 1974).

Eine Art, in der die Mensch-Tier-Beziehung erforscht wurde, war durch das Genre des Kulturmaterialismus. Harris (1974) hat zugrundeliegende ökonomische Gründe für die Anbetung und Liebe zu bestimmten Tierspezies in einigen Kulturen aufgezeigt. Er erklärt beispielsweise die Verehrung der Kühe bei den Hindus in Indien und die Liebe zu Schweinen in Neu Guinea in ökonomischen Begriffen: sowohl die Verehrung der Kühe als auch die Liebe zu Schweinen funktionieren schließlich zum ökonomischen Vorteil der menschlichen sozialen Handlungsträger. Diese Art der Forschung konzentriert sich auf Gründe warum menschliche Gesellschaften ihre Tiere nicht in einem verstärkteren Maße töten oder verzehren, oder weshalb sie so viel Fürsorge, Zuwendung und Energie auf sie aufwenden (Harris 1974, 1985).

Abgesehen von Tieren die als Subsistenzfaktoren funktionieren, gibt es Praktiken, in denen Tiere, anderen nicht-subsistenziellen menschlichen Zwecken dienen: als Objekte des Prestiges, als Opferungsobjekte oder als Totems. Tieren in dieser Funktion, wurde religiöse, symbolische und metaphorische Kraft zugesprochen (Lévi-Strauss 1965). Typischerweise haben viele Gelehrte in den Sozialwissenschaften, vor allem Kulturmaterialisten so wie Harris, die non-subsistenziellen Rollen und Funktionen die Tieren attribuiert wurden, als „irrationales Verhalten“ seitens der Menschen beschrieben. Für viele dieser Gelehrten bedeutet Rationalität eindeutig ökonomische Nützlichkeit, und andere unterliegende Motive für menschliche Praktiken und Ideologien bezüglich von Tieren, werden folglich als ‚irrational‘ betrachtet. Wie James Serpell in so richtiger Weise hervorhebt – und da er selbst kein Anthropologe ist, ist er wahrscheinlich in einer guten Position um dies zu tun – ist es erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit die Anthropologen auf die allgemeine Gewohnheit des Haltens von Haustieren gerichtet haben (Serpell 1986, 1988).

Eher statt nicht-ökonomische und nicht-symbolische Motive als reale und legitime Gründe für das Halten von Haustieren bei Menschen zu akzeptieren, scheinen die Anthropologen sich darum bemüht zu haben, die ‚versteckten‘ Gründe für die westliche und die nicht-westliche Haustierhaltung zu entdecken. Der Gedanke, dass ‚Liebenswertheit‘ und Emotionen wie Zuwendung und Zärtlichkeit, legitime Grundlagen für diese intersubjektive Mensch-Tier-Beziehung sein könnten, scheint immer noch fehl am Platz und sogar beschämend zu sein für viele Anthropologen.

In der westlichen Gesellschaft besteht nicht nur unter den Anthropologen, sondern auch bei den Umweltschützer*innen – ich persönlich bin beides – eine Tendenz, ältere indigene Kulturen zu romantisieren und zu idealisieren. Kein Zweifel, wir haben viel von ihnen zu lernen. Aber dies sollte uns nicht davon abhalten, kritische Fragen als Teil der laufenden Debatte über Tierethik zu stellen. Fragen, so wie: „Wie verhält es sich mit dem Tierwohl in diesen Kulturen?“, „Und wie steht es mit Speziesismus und Anthropozentrismus, existieren sie in diesen Kulturen ebenso?“ „Und wenn ja, in welcher Form?“

TIERABHÄNGIGE KULTUREN: die Aborigines und die Inuit

Zugegebenermaßen, die Anthropologen haben extensiv über die Rolle geschrieben, die Tiere im menschlich zeremoniellen und religiösen Leben spielen. In Jäger-/Sammler-Gesellschaften haben die Menschen häufig eine organische Weltsicht, die sie dazu führt, sich selbst eher innerhalb statt über der natürlichen Welt einzuordnen. Die Natur ist in keiner Weise das Andere oder das Mindere. In der Tat sind in diesen Gesellschaften Kategorien wie Natur und Kultur häufig non-existent. Für die australischen Aborigines kann man sagen, dass die Natur eine direkte spirituelle, moralische und soziale Bedeutung hat: das moralische System durchsättigt die Landschaft und das ökologische System durchdringt die Religion (Stanner 1972). Das Konzept der Aborigines von der Traumzeit oder des Träumens, bezieht sich auf eine Art der Epoche, in der mythische Ahnen – die häufig Tiere sind – lebten, von der aber nicht gedacht wird als eine Zeit die, im normalen Sinne des Wortes, vergangen ist. Nach Stanner ist die Traumzeit zeitlich nicht festzulegen: sie war, und ist, zu jeglicher Zeit; eine Verwebung von Menschheit, Gesellschaft, Natur, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft innerhalb eines unitären Systems, das von einem Verstand, der zu sehr unter dem Einfluss von Humanismus, Rationalismus und Wissenschaft steht, nicht leicht erfasst werden kann. Die Traumzeit, die in heiligen und geheimen lokalen Landschaften verkörpert ist, erzählt Menschen, wie sie und andere Wesen aus dem gleichen Stamm, der weder das eine noch das andere war, hervorgingen. Kontinuität, Ausgewogenheit und „das Verweilen“ (das Verweilen bei dem was ist oder was vorher war), sind das Maß aller Dinge, eher statt die Verschiedenheit und Überlegenheit des Menschen (Stanner 1972).

Viele andere native Völker machen sie in ihren Geschichten Aussagen darüber wie die Welt geschaffen wurde, wie die Tiere zu dem wurden was sie sind und wie Menschen und Tiere alle Teil der gleichen fortlaufenden Lebenskraft sind. In diesen Geschichten verwandeln sich Männer und Frauen leicht zu Tieren, und Tiere verhalten sich wie Menschen. Daher, wie im Glauben der Inuit angenommen wird, stammen Menschen und Tiere in gleicher Weise von der Kopulation einer Frau und eines Tieres (Rasing 1988).

In unterschiedlichen Glaubenssystemen der australischen Aborigines werden Tiere als Verwandte angesehen. Bestimmte Menschen und Tiere werden als Teil der gleichen totemischen Gruppe betrachtet. Ein mythischer Traumzeit-Ahne, zum Beispiel ein Känguru, hat „Traumspuren“ auf der Erde hinterlassen und dadurch die Merkmale der Landschaft geschaffen. Als es starb hinterließ es unerschöpfliche Anzahlen von „Kindern im Geiste“ (A.d.Ü. im Originaltext „spirit children“), die für ewig an spezifischen Örtlichkeiten weiterleben und die dadurch heilig sind. Indem sie diese Orte verlassen und in den Körper einer Frau dringen, verwandeln sie sich zeitweise zu Kindern der Aborigines. Somit besteht ein Individuum der Aborigines buchstäblich aus der Substanz, die tatsächlich Teil der heiligen Känguru-Landschaft ist, und die nach dem Tod noch einmal mit der Landschaft in eins übergehen wird (persönliche Kommunikation des Anthropologen Mark de Graaf, vgl. auch Hiatt 1978; Mountford 1981; Bennett 1991). Der gleiche Prozess, so wird gesagt, findet statt, wenn ein Tier-Individuum geboren wird.

Für eine unterwiesene und initiierte Person bei den Aborigines, ist Australien mit einem Mosaik kultureller Kompositionen bedeckt, in denen in jeder, ein Anteil Erde (ein Ort), ein Anteil Leben (eine Spezies) und ein Anteil Gesellschaft (eine menschliche Gruppe) miteinander verbunden sind. Ein Klan und ein Territorium sind mit bestimmten Spezies verbunden, deren prototypischen Kräfte in dem Träumen in der Schaffung örtlich aktiv waren (Maddock 1982). Eine Känguru-Totemische-Gruppe schließt nicht nur Kängurus und menschliche Männer und Frauen mit ein, sondern auch andere Spezies und vielleicht den Regen und die Sonne. Es ist viel mehr als ein klassifikatorisches Mittel; eine moralische und rituelle Beziehung ist impliziert. Die menschlichen Mitglieder der Gruppe meiden das Töten, Pflücken oder das Verzehren ihres Totems, und wenn extremer Hunger sie dazu zwingt das zu tun, drücken sie normalerweise ihre Reue aus und führen einen rituellen Akt durch. Andere Personen mit anderen Tiertotems können Kängurus töten – was sie natürlich auch tun (Elkin 1967).

Zudem ist es so, dass die Menschen sich tatsächlich um die Tierspezies kümmern, zu deren Totem sie gehören. Der Ökologe A.E. Newsome stellte fest, dass in der Mythologie des Aranda-Volkes in Zentralaustralien, die wichtigsten totemischen Orte des roten Kängurus mit den günstigsten Habitaten dieser Spezies zusammenfallen. Er fand auch heraus, dass den Traumzeit-Mythen zufolge, die Känguru-Ahnen ihre sogenannten Traumspuren, die überirdisch waren, durch natürliche Mittel manifestierten, und die in der Luft oder unter Grund liegenden, durch übernatürliche Mittel. Nach Newsomes Meinung ist es kein Zufall, dass das beste Känguruhabitat in natürlicher Weise durchquert (und somit geschaffen) wurde, und dass das schlechteste Habitat, nämlich die Wüste, in übernatürlicher Weise von diesen Traumzeit-Känguru-Ahnen überquert wurde. Wenn die Leute der Aborigines sich den Känguru-Totemischen Orten nähern, tun sie dies in Stille und Ehrfurcht. Das Jagen ist in der Nähe dieser heiligen Orte verboten und Waffen werden in einiger Ferne abgelegt. Somit werden die roten Kängurus in der Nähe ihres besten Habitats geschützt (Newsome 1980).

DAS JAGEN VON TIEREN

Viele Anthropologen haben das Jagen als ein bloßes technisches Mittel zur Sicherung der Versorgung betrachtet. Das Jagen impliziert aber das Verfolgen, die Angsterzeugung, die Verletzung und Tötung anderer lebender Wesen. Der niederländische Anthropologe Willem Rasing ist eine Ausnahme, indem er nicht damit zögert, explizit zu erklären, dass das Jagen, Töten bedeutet (Rasing 1988). Jagende Völker müssen bei den Tieren Angst erzeugen, sie verletzen, ihnen Schmerzen zufügen und sie töten, um zu überleben. Aber dies hält sie nicht davon ab, ihre Beziehung zu dem Tier besonders zu würdigen. Es gibt zahlreiche Beweise dafür, dass Völker die Tiere jagen, quälen und töten, dies häufig mit einem gewissen Widerwillen und Schuldgefühlen tun. Während der Vorgänge des Jagens, bleibt eine Einstellung der Ambivalenz bestehen, und die Rationalisierungen und Rituale, die die Ausübung des Jagens so häufig begleiten, sind alle Teil eines allgemeinen Bemühens darum, die zwei miteinander in Konflikt stehenden Tendenzen zu versöhnen.

Daher, so erklärt Rasing, behaupten die Inuit generell, dass die Tiere, die sie jagen, damit einverstanden sind, getötet zu werden, weil sie für die menschliche Verwendung geschaffen wurden. Der von Grönland stammende Autor Finn Lynge (1992) hebt hervor, dass alten Mythen zufolge, respektvolle Jäger niemals hungrig bleiben werden: die Tiere werden zu ihnen kommen als würden sie darum fragen erjagt zu werden (im echten Leben leisten Tiere jedoch in der Regel Widerstand gegen ihre Tötung). Die Jäger der Inuit glauben, dass respektlose Einstellungen gegenüber den Tieren Unglück bringen, welches durch die spirituellen Kräfte der betroffenen Tiere mediiert wird (Lynge 1992). Den Inuit zufolge sind für das Gedeihen der Spezies, die Tiere davon abhängig gejagt zu werden; das heißt dass Tiere getötet werden müssen. Daher tun die Menschen gut daran, ihren Beutetieren kein unnötiges Leid zuzufügen, auch wenn sie, wie viele Beobachter berichten, diese sorgevolle Einstellung nicht auf ihre Schlittenhunde übertragen, die oft recht grob behandelt werden (vgl. persönliche Kommunikation des Anthropologen A.J.F. Köbben).

Nebenbei bemerkt, hängen eine Anzahl australischer Aborigine-Stämme ebenso der Überzeugung an, dass die Natur, einschließlich der Tiere, nicht selbstregulierend ist, sondern Menschen zur Durchführung von Ritualen braucht. Ein Mangel an menschlicher ritueller Partizipation, führt, so wird angenommen, zum Verfall des natürlichen Status quo. Hier wird auch davon ausgegangen, dass Tiere auf vom Menschen durchgeführte Handlungen angewiesen sind (z.B. ‚increase rites‘; A.d.Ü. Rituale, die der Erhaltung und der Stabilität einer Spezies dienen; im Folgenden als Zuwachs-Rituale bezeichnet) um zu überleben. (Bennett 1983; Morton 1991)
Laurens van der Post hat über die verschiedenen Wege geschrieben, in denen Leute der Buschmänner die oben erwähnten Ambivalenzen versucht haben herauszufordern und zu lösen, zum Beispiel indem sie den Eland mit einem Tanz dafür danken, dass er sich hat fangen lassen. (van der Post 1966). Die Buschmänner zeigen eine Intimität zur ganzen Natur, die bezeichnet worden ist als ‚Partizipationsmystik‘, ein Verständnis nicht allein im Sinne der intimen Kenntnis, sondern auch des Gekannt-Werdens von Bäumen, Wolken und Tieren. (van der Post 1066; Wannenburgh 1979)

Es gibt auch gegenteilige Berichte über Mensch-Tier Beziehungen bei den Buschmännern. Die Anthropologin Elizabeth Marshall Thomas beschreibt die gefühllose Art in der eine Schildkröte von Gai, einem Giwke Buschmann, geröstet wird. Sie erklärt, dass Buschmänner das Leiden von Tieren häufig ignorieren und mit einer großen Unberührtheit betrachten (Thomas 1989).

DIE HERDENHALTUNG VON TIEREN

Nomadische Jäger sind nicht die einzigen Völker, die für ihre enge Beziehung zu Tieren bekannt sind. Der 1940er Klassiker von Evans-Pritchard, Die Nuer, erzählt uns über diese afrikanischen Pastoralisten (A.d.Ü. Herdenhalter), die in ihrer Sichtweise stark durch ihre Abhängigkeit von und gleichzeitig Liebe zu Rindern beeinflusst sind – oder es zumindest waren. Diese Liebe ist fast so, wie die Zuneigung, die Leute Haustieren gegenüber zeigen. Für die Nuer haben Rinder nicht einfach einen instrumentellen Wert als Quellen von Fleisch, Blut und Milch, sondern sind auch vitale Verbindungsglieder in sozialen Beziehungen. Jedoch, während die Nuer ihre Leben damit verbringen das Wohlergehen ihres Tieres zu sichern, kann man hier ebenso eine gewisse Ambivalenz in deren Einstellungen und Handlungsweisen entdecken. Zum Beispiel manipulieren sie in geschickter Weise die Psychologie und die Soziologie der Kuh.

Rinder werden nicht in erster Linie zur Schlachtung aufgezogen: die Ochsen müssen oft eine Opferrolle in Zeremonien einnehmen. Auch wenn es einige besondere Anlässe gibt, an denen die Menschen sich mit Fleisch vollstopfen, wird generell geglaubt, dass Menschen einen Ochsen nicht ausschließlich zum Verzehr töten sollten, da der Ochse sie sogar verfluchen könnte. Das Fleisch eines Ochsen sollte nur in schweren Hungersnöten verzehrt werden. Nichtsdestoweniger wird jedes Tier, das eines natürlichen Todes stirbt, gegessen. Die Nuer mögen Fleisch ganz besonders und erklären beim Tod einer Kuh „Die Augen und das Herz sind traurig, aber die Zähne und der Magen sind froh. Der Magen eines Mannes betet zu Gott, unabhängig von seinem Verstand, für solche Geschenke.“

Ein Mann dekoriert die langen Hörner seines Ochsens manchmal mit Quasten und den Hals mit Glocken. Die Hörner werden in eine bestimmte Form geschnitten, wobei das Tier während dieser Operation starke Schmerzen erleidet. Die Nuer vergleichen diese Qual manchmal mit der Initiation der Jugend zur Mannheit und gliedern die Ochsen dadurch als bewusste und aktive Handlungsträger in eine menschliche sozio-moralische Domäne ein (Evans-Pritchard 1940).

Über ein anderes afrikanisches Hirtenvolk, die Fulani, wurde berichtet, dass sie sich ihrer Ambivalenz im täglichen Umgang mit den Rinderherden sehr bewusst seien. Das Melken und Blut-Ablassen bei Tieren erzeugt ambivalente Gedanken und Bräuche, die der Tatsache entspringen, dass Milch und Blut das Leben des Tieres oder seiner Jungen erhalten, sowie sie auch die Hirten mit ihren Lebensgrundlagen versorgen (Stenning 1963).

Bei manchen pastoralen Kulturen glauben die Menschen traditionell, dass Sanktionen existieren, wenn gewisse Pflichten nicht erfüllt werden. Sanktionen die nicht von Göttern verhängt werden, sondern von den Rindern selbst. Es wird geglaubt, dass die Tiere nicht nur auf Versäumnisse im Verhalten ihnen selbst gegenüber reagieren, sondern auch auf bestimme Arten unbefriedigender persönlicher Beziehungen innerhalb der menschlichen Gemeinschaft. Sie verhängen auch in beabsichtigter Weise Sanktionen über die, die ihre ganz allgemeinen Pflichten nicht erfüllen. Es wird gesagt, dass Kühe mit Absicht ihre Milch verweigern, aus ihrer Ablehnung heraus gegenüber Inzest. Man glaubt, dass Rinder generelle Vorstellungen über menschliche Verhaltensweisen haben und diesen Verhaltensweisen Werte verleihen. Die Leute reden in Wendungen wie ‚Rinder erlauben mir nicht…,‘ usw. (Stenning 1963).

Eine andere Volksgruppe die eng mit Tieren in Verbindung gebracht werden, sind die Tuareg in Nordafrika. Die Kel Ewey Tuareg bestreiten ihr Leben mittels Kamel- und Ziegenherden, die sie halten. Sie glauben, dass die soziale Welt ihres Tieres so wie ihre eigene, strukturiert ist. Das heißt, dass Tiere sich in der gleichen Weise wie Menschen aufeinander beziehen, dass sie Freunde haben, wie Menschen, dass sie gerne mit ihren Freunden zusammen sind, und dass jedes Tier eine unterschiedliche Persönlichkeit hat. Diesen Kel Ewey Tuareg zufolge ist daher die Bereitschaft des Tieres dazu, sich trainieren zu lassen, begrenzt. Menschen, so wie auch Tiere, haben ihren eigenen Willen, und die menschliche Ausbeutung von Tieren ist daher eingeschränkt. Die Tuareg kontrollieren typischerweise die Reproduktion ihrer Kamele nicht. Die Tiere sind nur halb-domestiziert; Männchen und Weibchen paaren sich weit weg in der Wüste und ihnen muss hinterhergejagt werden und sie müssen immer wieder aufs Neue eingefangen werden. Beide, Kamele und Ziegen, können sich manchmal verweigern mit ihren Herren zu kooperieren, was sie bisweilen auch tun. Die weiblichen Ziegen verweigern sich manchmal Milch zu geben, besonders dann, so wird geglaubt, wenn man von Leuten wusste, dass sie diese Milch verkauften (was von den traditionellen Tuareg als unsittlich aufgefasst wird) (Spittler 1983).

TIERLEID BEI RESPEKTVOLLEN KULTUREN

Bringt eine starke Abhängigkeit von Tieren oder ein Leben, das man mit Tieren teilt, eine respektvolle Haltung ihnen gegenüber hervor? Und wenn das so ist, arbeitet menschlicher Respekt oder sogar Ehrfurcht vor Tieren, immer zum eigenen Vorteil und zum Wohl des Tieres?

Die Aura der Heiligkeit die Kühe in den Hindu-Gegenden Indiens umgibt, ist in keiner Weise allgemein herrschend, nicht einmal innerhalb Indiens. Bei den „Adivasi“, den Ureinwohnern Indiens, hält man sich vom Töten und Verzehren von Rindern nicht zurück. Für indische Jäger/Sammler und Bauern, die einen Wanderfeldbau betreiben, stellen Rinder Quellen von Fleisch dar, Tauschmittel und Opferungsobjekte.

Der Mithan dient bei den Ureinwohnern Indiens als ein Opfertier, und man glaubt, dass er zu allen möglichen Arten übernatürlicher Handlungen fähig sei und er wird oft verehrt. Aber dies schützt ihn nicht vor menschlicher Grausamkeit, teilweise weil die Menschen ihre Behandlungsweise des Mithan nicht als Grausamkeit betrachten. Für verschiedene Bergstämme in Indien war der Mithan wichtig als Opfertier, zum Beispiel bei Heirats- und Todeszeremonien, zu Zeiten von Krankheit oder Unglück, in Riten zur Erhaltung der Fruchtbarkeit und des Wohlergehens, um wichtige Anlässe zu feiern, um Freundschaftspakte zu besiegeln und bei Ruhmesfesten. Diese Feste werden primär abgehalten, um den Status einer Person zu verbessern.

Es gibt drei Methoden in denen der Mithan geopfert wird: Strangulation; Zerhacken, Erstechen, zu Tode schneiden mit dem Messer oder zu Tode stechen mit dem Speer; und das Schlagen auf den Kopf. Strangulation wird oft bevorzugt, wo der Atem als Sitz der Seele und des Lebens betrachtet wird. Manche Völker glauben aber, dass die Seele und das Leben im Blut beheimatet sind, das dem gemäß zu fließen hat, zum Beispiel durch Erstechen oder das langsame Töten des Tieres mit Messern oder sogar indem das Fleisch einfach aufs Geratewohl abgeschnitten wird. Die dritte Methode beinhaltet das unablässige Schlagen des Tieres mit einer Axt, bis der Tod eintritt. Zusätzlich wird, bevor der Tod eintritt, ein Gegenstand aus Bambus gewaltsam in den Hals des Tieres gedrückt. Diese Schlachtungs- und Opferungsmethoden sind mit religiösem Glauben wie auch mit der Angst vor Vergeltung durch den Geist des Tieres verbunden. Manchmal wird um Vergebung gebeten oder die Schuld wird einem anderen zugewiesen (Simoons and Simoons 1968).

Einige Völker des indonesischen Archipel sind in gleicher Weise für ihr enges Verhältnis zu einer Rinderart und für ihre Verehrung des Tieres bekannt: des Wasserbüffels. Hier ebenso, trägt das Wohlwollen und der Respekt für den Büffel nicht immer zum Wohl der Büffel bei. Rituelle Schlachtung, wenn auch begleitet durch ein Gefühl des Respekts für den Büffel, der vor der Schlachtung steht, ist trotzdem eine grausame Angelegenheit – das Blut muss fließen. Den Hals zu schneiden ist eine Notwendigkeit; der Büffel soll langsam sterben, so dass all das Blut den Körper verlassen kann. Das Tier wird mit Speeren an nicht-tödlichen Stellen gestochen, um den Prozess so ausdauernd zu gestalten. Um den Büffel daran zu hindern, sich in Angst loszureißen, werden manchmal seine Sehnen durchtrennt, bevor die Schlachtung stattfindet (Kreemer 1956).

In der Toradja-Gesellschaft ist man einem Büffel, der zum Anlass eins menschlichen Begräbnisses geopfert werden sollte, in folgender Weise begegnet:
„Oh Büffel, die für dich bestimmte Stunde des Todes ist noch nicht da, aber wir haben entschieden dein Leben zu beenden. Sei nicht böse, denn seit früheren Zeiten an, warst du dazu bestimmt unseren Kummer zu tragen. Besonders jetzt wo dein Herr gestorben ist, wie du weißt. Dein Fleisch wird für deinen Herrn zubereitet, aber mag deine Seele bei deinen lebenden Freunden verbleiben.“ (Kreemer 1956, Übersetzung aus dem Niederländischen ins Englische von BN im Originaltext). In ähnlicher Weise starben auf Sumba Hunderte von Büffeln zum Anlass eines menschlichen Begräbnisses, ohne dass irgendeines dieser Tiere gegessen worden wäre.

Die Menschen mögen sich für die Schlachtung entschuldigen, um das Opfer nicht zu erzürnen, dass dann die anderen Büffel zur Stampede anstiften könnte, dazu, sich zu verstreuen und ihre Herren zu verlassen. Es wird geglaubt, dass ein Büffel, der geschlachtet wird, nicht in Todesangst brüllen darf, sonst würden infolgedessen viele Menschen sterben. So wird in dem Moment, in dem der Speer in seinen Körper eintritt, ein Stück Stoff um sein Maul gebunden. Dies erinnert einen zwangsläufig an heutige Praktiken in Laboratorien, bei denen Forscher die Stimmbänder ihrer Tiere durchtrennen, um nicht die Schreie und das Jammern zu hören (Evernden 1993).

Der unterliegende Grund für die Blutigkeit solcher Opferungen, kann das Bedürfnis sein die Geister der Toten zu beschwichtigen. Jedoch Blut wird auch als Verkörperung der Lebenskraft betrachtet. In anderen Worten, das Blut wird gesehen als der Sitz des Lebens, eine Vorstellung, die die magische Bedeutung von Blut und Blutablass erklären würde. Das Blut des Opfers vergrößert diese vitale Kraft, und das Sterben des Tieres soll so lang wie möglich dauern, was einen langsamen Tod unter Qualen bedeutet. Dies ist nicht so sehr aus einer sadistischen Lust für das Quälen heraus diktiert, sondern wegen der sozio-religiösen Aura, die den Akt des Opferns umgibt.

Das Tier, das Opfer geworden ist, wird umschmeichelt und Entschuldigungen werden geboten, so als werde versucht das Opfer dazu zu bringen, sein Schicksal bereitwillig zu ertragen und sich nicht zu rächen. Bevor der Büffel niedergeworfen wird, drücken die Leute Traurigkeit über seinen Tod aus und trauern, als wenn es ein Familienmitglied betreffen würde.

Die Toradjas fassen die Büffel als im gleichen moralischen Bereich wie sie selbst lebend auf, als die gleichen Ziele und Interessen verfolgend, als sich nach den gleichen Dingen sehnend wie Menschen. Sehr ähnlich wie bei den Rindern der afrikanischen Hirtenvölker, wird geglaubt, die Büffel seien imstande, Menschen mit Krankheiten oder schlechten Ernten zu bestrafen. Gelegentlich sagt man, der Büffel sei hellseherisch, und dass er Dinge in menschlichen Träumen enthüllen könne. Man glaubt an die Existenz einer umfassenden und engen Verbindung zwischen dem Bereich der Menschen und dem des Büffels (Kreemer 1956).

GENERELLE ERÖRTERUNG

Inwieweit kann man von nichtwestlichen Völkern sagen, sie seien in ihren Einstellungen gegenüber Tieren weniger anthropozentrisch und weniger speziesistisch als die Menschen im Westen?

In einer Gesellschaft, in der die Menschheit nicht als das Maß aller Dinge gesehen wird, kann eine bestimmte Deutung der Welt – eine menschliche Deutung – trotzdem immer noch als die einzige Wahrheit gelten. Und obgleich eine organische Sichtweise der Welt im Prinzip und potenziell tierfreundlicher wäre, ist diese Art der Weltsicht nicht notwendigerweise ein Schutz gegen Anthropozentrismus. Die Vorstellung zum Beispiel, dass Tiere die Handlungen von Menschen brauchen, seien es Rituale oder die Jagd, um zu überleben und um sich zu reproduzieren – gleich wie wahr das in der heutigen westlichen Welt sein mag – ist im Grunde eine anthropozentrische Vorstellung. Zudem, wo ein menschliches moralisches und soziales System auf den Rest der Natur projiziert wird, wenn auch in aller Aufrichtigkeit, läuft man Gefahr, die Sicht über das Tier als dem Anderen zu verlieren. In dem Fall stehen Tiere in der Gefahr um ihre eigene Domäne und um ihre eigene Art des Erfahrens der Welt beraubt zu werden. Die eigene Konstruktion des Tieres über die Welt nicht anzuerkennen (Watzlawick 1977), sowie die Limitation der Menschheit darin solche Konstrukte zu verstehen, kann in einer noch weiteren Form der Zentriertheit auf den Menschen (A.d.Ü. im Original ‚human-centeredness‘) resultieren.

Das Tier-Andere lebt nicht und kann nicht in derselben sozio-moralischen Domäne leben wie Menschen. Tiere leben in ihren eigenen Gesellschaften und in ihren eigenen Ökosystemen, von denen Menschen ein Teil sein können oder auch nicht. Vermutlich könnte es Tieren kaum gleichgültiger sein, welche Art der Wahrnehmungen ihre menschlichen Töter in ihren Köpfen mit sich herumtragen, wenn sie den Akt des Tötens oder des Opferns vollziehen. Das einzige Echte für ein verletztes oder sterbendes Tier, sind seine eigenen Gefühle und Wahrnehmungen, die Realität des Schmerzes und der Furcht. Ein Tier mit einem Speer oder Messer zu erstechen und zur gleichen Zeit bescheiden um seine Vergebung zu fragen oder eine Beschwörung auszusprechen, mag ein Zeichen von Gleichheit und Respekt seitens des Jägers sein, aber es mag unendlich viel schrecklicher für das Tier sein, als es eine schnelle Kugel wäre.

Niemand kann seinen oder ihren Anthropozentrismus vollkommen überwinden, weil wir kaum über unser eigenes Menschsein „hinwegtreten“ können. Tiere sind keine Dinge da draußen in der Welt, die einfach unseren Sinnen gegeben sind. Alle Repräsentationen von Tieren sind menschliche Konstrukte, aber manche lassen dem Tier-Anderen mehr Raum zum konstituieren dessen eigener Welt, als andere.

Was Speziesismus angeht, in vielen nativen Kulturen ist es nicht so sehr das individuelle Tier, aus Fleisch und Blut, das zählt, sondern eher das Tier als ein Symbol für seine Spezies und als Repräsentant für Qualitäten, die Menschen dieser Spezies attribuieren. Folglich besteht die Neigung, Tiere auf die Eigenschaften ihrer Spezies festzulegen, ungeachtet ihrer verschiedenen Persönlichkeit und Subjektivität: eine Situation, die in modernen Begriffen aufgelistet werden könnte als eine Form der Diskriminierung auf biologischer Grundlage (der Spezies).

Während bestimmte landläufige vorgefasste Meinungen über indigene Völker vorherrschen, als dass sie eine umfassende und harmonische Beziehung mit allem was natürlich ist hätten, existiert in nativen Kosmologien tatsächlich ein hoher Grad an Differenzierung in der Behandlung und in der Ideologie im Bezug auf verschiedene Tierspezies. Manche Spezies sind fast Halbgötter (die Regenbogenschlange in der Mythologie der Aborigines), andere repräsentieren das Böse, so wie die Hyäne in der Kosmologie der Buschmänner. Manche Tiere, besonders Totemtiere, können gut behandelt werden, andere nicht so gut.

Aber selbst im Totemismus brauchen die Regeln, die die Beziehung zwischen einem menschlichen Individuum und seinem Tiertotem beherrschen, nicht dem entsprechen, was ein Tierrechtsaktivist gerne sehen würde. Bennett (1991) erklärt in direkter Weise, dass die Traditionen der australischen Aborigines, einschließlich des Totemismus, den Befürwortern von individuellem Tierwohl und Tierrechten, nichts zu bieten haben. Sie verhindern keine gefühllose Behandlung, auch bieten sie keine Basis für „Pflichten gegenüber“ den Tieren (i.e. die Basis von Tierrechten).

Der Anthropologe John Morton beschreibt, wie ein erwachsener Mann bei den Aranda sein Totemtier betrachtet; er empfindet Respekt, selbst Mitgefühl, aber dies führt seinerseits nicht zwingenderweise zu der Forderung, dass die Spezies nicht schlecht oder grausam behandelt werden sollte. Auf seiner Seite besteht kein Verlangen, irgendein Gefühl der Mitfühlsamkeit zu generalisieren. Er wird auch nicht versuchen, andere vom Misshandeln dieser Tiere abzuhalten. Alles was bestimmt sein mag, ist, dass er an solcher schlechten Behandlungsweise kein Gefallen finden sollte (Morton 1991). Außerdem, bei totemischen Zuwachs-Ritualen (‚increase rites‘) ist ein Aranda-Mann tatsächlich dazu verpflichtet, Teile seines eigenen Totemtieres zu verzehren. Dies soll Reue verursachen. Indem er seinen eigenen Anverwandten – wie es das Tier war – verzehrt, wird er dazu gebracht, sich an einer Art des Selbst-Opfers zu beteiligen. So wie Initiation als eine Form von Selbstdisziplin betrachtet wird, so werden Zuwachs-Rituale als eine selbst-durchgeführte Disziplin gesehen. Es ist eine dieser ‚schwierigen Entscheidungen‘, die zur Erhaltung ihrer eigenen Totemspezies gebraucht wird, zum Vorteil anderer Gruppen des Klans. Eher statt mit Artenschutz, vergleicht Morton das totemische System der Aranda mit der modernen Agrarkultur, in der Tiere in instrumentaler Weise aufgezogen und getötet werden für den Export und Handel. Er erklärt, dass da eine explizite geschäftsgleiche Qualität bei den Zuwachs-Ritualen besteht, auch nach Angaben der Aborigines selbst. Es gibt verschiedene andere Beispiele ‚ökonomischer‘ Instrumentalität bei den Aborigines, so wie die einstmals übliche Praxis des Brechens der Beine lebendiger Kängurus, damit sie ‚handhabbar‘ werden. (Beattie und de Lacy Lowe 1980).

Als eine allgemeine Regel, bildet der Totemismus eine partikularistische Art des sich selbst und seine Gruppe Affiliierens mit einer bestimmten jeweiligen Tierspezies. Partikularismus in diesem Sinne, läuft auf Speziesismus hinaus, genau deswegen, weil er das Gegenteil von Universalismus ist. Er beinhaltet das Ranking von Tierindividuen in Abhängigkeit zur Spezies-Mitgliedschaft. Ihr ‚zu einer Spezies gehören‘ neigt dazu, grundlegender zu sein, als ihr Fühlendes-Lebewesen-Sein. Im Totemismus bevorzugen die Leute manche Individuen – die einer bestimmten Spezies – gegenüber anderen, während alle Tierindividuen universell ein Interesse daran haben, gut behandelt zu werden, unabhängig von der Spezies-Mitgliedschaft.

Die Betonung auf die Spezies bedeutet nicht, dass Menschen niemals persönliche Beziehungen zu individuellen Tieren haben, wie deutlich sein wird aus Beispielen des Haltens von Haustieren, des Säugens von Haustieren (von Ferkeln, siehe Rappaport 1967) und der Personalisierung von Rindern, indem ihnen Vornamen gegeben werden. In diesem Sinne mag Richard Ryder recht mit seiner Annahme haben, dass die Menschen Tiere erst als Individuen mit unterschiedlichen eigenen Persönlichkeiten betrachten konnten, als die Haltung von Haustieren entstand und sich eine enge unmittelbare Beziehung zwischen Menschen und Tieren entwickelte (Ryder 1989).

SCHLUSSFOLGERUNGEN

An erster Stelle glaube ich, dass es einen echten Bedarf dafür gibt, eine anthropologische Spezialisierung auf kulturübergreifende Tierwohlbegriffe zu entwickeln. Das Bild von nichtwestlichen Kulturen wie es in der Literatur erscheint, ist immens vielfältig, was vielleicht zu dem allgemeinen Schluss führen könnte, dass Tiere weniger objektifiziert sind und einen immer noch stärkeren Subjekt-Status haben als im Westen. Der Gedanke menschlicher Überlegenheit und folglich menschlicher Speziesismus, scheinen auch weniger ausgeprägt zu existieren. Totemismus, auf der anderen Seite, ist eine partikularistische Form des Speziesismus, die eine extreme Differenzierung in der Behandlung bestimmter Tiere zur Folge hat: rangierend von liebevoller Fürsorge zu Grausamkeit. Allgemein wird Respekt mehr gegenüber Tieren als Exemplaren einer Spezies gezeigt, statt gegenüber Tieren als individuellen Subjekten. Und Respekt selbst, ist nicht immer einem echten Tierwohl beiträglich. Trotz ihrer häufig beachtlichen Kenntnis von Arten wie Tiere sind, neigen nichtwestliche Kulturen dazu anthropozentrisch insofern zu sein, als sie Tiere in ihre eigene menschliche sozio-kulturelle Domäne mit einbeschließen. Tiere können als menschenähnliche Subjekte anerkannt werden, während ihnen ihre eigene Weltsicht und schließlich ihr ‚Tiersein‘ verneint wird.

DANKSAGUNG

Danke an die beiden anonymen Begutachter, deren konstruktive Kritik sehr willkommen war.

QUELLENANGABE

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DIE AUTORIN

Dr. Barbara Noske ist Kulturanthropologin und hat ihr Doktorat in Philosophie an der Universität von Amsterdam absolviert. Dr. Noske arbeitet als Research Fellow am Research Institute for Humanities and Social Sciences der University of Sydney, Australien.

© Edition Farangis 2021

Ein Interview mit Syl Ko

kts8

Jahrgang 6, Nr. 1, Art. 1, ISSN 2363-6513, Mai 2019

Ein Interview mit Syl Ko

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Aktivismus im Sinne einer epistemologischen Revolution

Palang: Aph und Du Ihr habt in Eurem Buch Aphro-ism eine sehr umfassende philosophisch-soziologische Herangehensweise an wichtige Fragen nichtmenschlicher und menschlicher Unterdrückung (einschließlich der des natürlichen Raumes) entworfen und formuliert. Diese fundamentale Herangehendweise unterstützt eine, wie Ihr sie bezeichnet, epistemologische Revolution. Wie denkst Du kann jede_r von uns sich selber in Aktion versetzen, in die Diskurse einbringen und sichtbar werden, im Kontext mit den neueren Herangehensweisen, die anscheinend bislang nicht in die derzeitigen vorherrschenden Diskussionsmuster hinein passen? Nicht jede_r fühlt sich imstande, das niederzuschreiben, was er/sie denkt und dennoch haben Einzelne beeindruckende kritische und konstruktive Herangehensweisen … in anderen Worten, ich habe den Eindruck, dass Leute, die einen grundlegenden revolutionären Akt befürworten würden, unsichtbar bleiben, insbesondere in Hinsicht auf die Tierbefreiungsfrage (im Zusammenhang mit den Komplexen „Mensch“ und „Natur“), da die Mehrheit der Tierrechts- und der Tierbefreiungsbewegung weiterhin eine Sichtweise eines Mensch-Tier-Binärs hochhält, und nötige, entscheidende ethische Sprünge und geistige Beweglichlichkeit meidet. Wie können wir der Unsichtbarkeit innerhalb dieser Hauptströmen begegnen oder wie könnten wird erkennbarer werden, anders gesagt, welche Herangehensweisen im Aktivismus denkst Du sind hilfreich, um den Weg einer EPISTEMOLOGISCHEN REVOLUTION zu beschreiten?

Syl: Danke Dir, palang, für Deine beeindruckenden und einsichtsvollen Fragen. Den Lesenden sollte bewusst sein, dass wir hier in zwei verschiedenen Sprachen kommunizieren, so dass sich eventuell einige Übersetzungsfehler ergeben könnten. Ich habe soweit aber keine entdeckt, die die Kernaussagen unserer Konversation verzerren würden. Auch sollte ich im Vorab sagen, dass ich all Deine Fragen in meinem eigenen Sinne beantworten werde, da ich hier für Aph ja nicht sprechen kann. [1] Wie Du in Aphro-ism sehen kannst, teilen wir nicht in allen Punkten eine Meinung, und so sollten meine Aussagen hier nur als stellvertretend für meine eigenen Ansichten im Bezug auf diese Fragen verstanden werden. Und, indem ich dies geklärt habe, sollten wir nun ein wenig über die epistemologische Revolution sprechen. Epistemologie ist ein Begriff der umgangssprachlich kaum verwendet wird, ich möchte daher einen Schritt zurück gehen und kurz das Bild etwas füllen.

Jeder ist zu einem gewissen Grad mit Epistemologien vertraut, selbst wenn er/sie diesen Begriff zuvor niemals gehört oder gebraucht hat. Jeder hat sich zum Beispiel irgendwann einmal gefragt: Woher weiß ich, ob ich nicht gerade träume? Gibt es einen unbezweifelbaren Test, der mir zeigen würde, ob ich wach bin oder träume? Dies ist eine der bekanntesten und bewährtesten epistemologischen Fragen, die jemals gefragt wurde, in prominentester Weise durch den Philosophen René Descartes. Descartes hat diese Frage nicht als eine bloße mentale Übung gestellt. Er versuchte damit die Wissenschaft zu retten! Zu seiner Zeit war die vorherrschende wissenschaftliche Sicht die der Scholastiker, einer Schule von Denkern, die durch die Ideen des Aristoteles beeinflusst waren. Sehr grob gesagt glaubten die Scholastiker, dass eine Erklärung des Verhaltens physikalischer Phänomene – so wie das Herabfallen eines Apfels vom Baume – mehr als das beinhalten würde, was wir heute mit physikalischen Gesetzen bezeichnen würden. Sie dachten, der Apfel verfüge über eine eigene seelenartige Substanz, die den Apfel dazu „bewegen“ würde, auf den Boden zu fallen.

Descartes war zurecht in Sorge über solche Behauptungen. Er glaubte, dass es albern sei zu denken, der Apfel fiele zu Boden, weil er über eine mit einem Willen ausgestattete Seele verfüge, und, was noch weitaus wichtiger war, er war besorgt darüber, dass solch eine Behauptung auf Spekulationen basierte, statt auf etwas Wahrem und Erklärbarem. Die Art der Behauptungen, die die Scholastiker anstellten, waren nicht sicher, und unsichere Behauptungen taugen in den Wissenschaften wenig. (Nebenbei bemerkt, das Wort „Wissenschaft, im Englischen ‚science‘, stammt vom Lateinischen ‚scientia‘, dass eine ‚unbezweifelbare Wahrheit‘ bezeichnet. Die Naturwissenschaften und die Philosophie entstanden als geeintes Projekt.) Wir wollen keine wissenschaftlichen Gesetze auf wackeligen Fundamenten errichten, und zwar aus demselben Grunde nicht, aus dem wir unser eigenes Haus auch nicht auf Sand bauen würden. So machte sich Descartes daran, festzustellen, ob es etwas gäbe, was man wirklich wissen könne und von dem aus man einen Beginn machen könnte. Wenn wir immerhin ein Ding finden würden, von dem wir annehmen könnten, dass es eine wahre und gerechtfertigte Aussage ist, dann könnten wie diesen Fall dazu verwenden, um zu bestimmen, was die Kriterien für wahre und rechtfertigbare Aussagen – Wissen – im generellen sind. Aus diesem Grund begann er damit, die ganz grundsätzliche Behauptung zu hinterfragen, die wir jeden Tag als selbstverständlich voraussetzen. Die Annahme nämlich, dass die normale wahrgenommene Erfahrung auch wirklich wahr ist! [2]

Ein anderes einfaches Beispiel unserer Vertrautheit mit Epistemologie ist folgendes, denkt einfach mal an einen Moment, indem ihr euch mit jemandem in einem Streit befandet und die Person zu euch sagte, naja, das ist deine Meinung! Und ihr antwortetet mit: ist nicht einfach meine Meinung, sondern ich weiß, dass es wahr ist! Hier begegnen wir einem klaren epistemologischen Unterschied, der, trotz der offensichtlichen Uneinigkeit für beide Parteien klar sein sollte: erstens, er existiert ein erkennbarer Unterschied dazwischen, eine Meinung zu haben, und etwas zu wissen, und zweitens, etwas zu wissen ist dem gegenüber überlegen, bloß eine Meinung über etwas zu haben. Jedes Mal wenn du mit dieser Art grundsätzlicher Fragen zu tun hast und mit Diskussionen über die Eigenschaften von Wissen, dann hast du es mit Epistemologie zu tun, selbst wenn allein informell. Ich bemühe mich dies detailliert zu schildern, denn ich möchte damit klarmachen, dass epistemologische Fragen kein sinnloses mental mastrubatives Futter sind. Sie tragen ein ganz besonderes Gewicht, und bildeten die informierenden Grundlagen für die meisten wenn nicht alle großen kognitiven Wandel durch die Menschheitsgeschichte hindurch. Mir ist daher wichtig, das eure Leser_innen verstehen, worum es hierbei geht.

Doch viele Dinge die erfassbar sind, sind in der Tat eigene Fiktionen. Und infolgedessen sind diese Dinge nicht über die Zeit hinweg fixierbar oder statisch. Wir neigen dazu, Realität als das zu erfassen, worüber uns die Naturwissenschaften ihre Informationen liefern. Viele Denker_innen haben in diesem Punkt jedoch eine andere Auffassung. Etwas über die Realität zu wissen oder zu verstehen, lässt sich zusammenfassen als eine Sammlung von Informationen, nicht allein über die physische Welt sondern auch über die soziale Welt, die vollständig fiktional ist, aber, da wir alle an ihr teilnehmen ist sie auch wirklich, jedoch in einer anderen Art und Weise. Einige Denker_innen, insbesondere im Bereich dekolonialer Traditionen, betonen, dass wenn es wahr ist, dass die physische und die soziale Realität in Wirklichkeit zusammen wirken und so zusammen die objektive Welt konstituieren, dann erzeugen unterschiedliche soziale Realitäten innerhalb der gleichen physischen Welt auch andere objektive Welten. Das heißt, Dinge verhalten sich kontingent zur eigenen sozialen Welt. Das heißt auch, dass das, was als eine wahre und gerechtfertigte Auffassung gilt, keiner individuellen, sondern einer kollektiven Leistung geschuldet ist. [3]

Man betrachte das folgende Beispiel. Der Soziologe Ramon Grosfoguel beschreibt in seinem Artikel „The Structure of Knowledge in Westernized Universities: Epistemic Racism/Sexism and the Four Genocides/Epistemicides of the Long 16th Century”, dass innerhalb von Stunden, nach der Ankunft in dem Land, das der Entdecker Christopher Columbus für Indien hielt, dieser schlussfolgerte, dass die indigene Bevölkerung die dort lebte, über keine Religion verfügen könne. [4][5] Columbus kam nicht aus Boshaftigkeit zu dieser Schlussfolgerung; was er stattdessen tat, ist das, was wir alle die ganze Zeit machen: wir denken innerhalb von Begriffen der sozialen Welt, die uns vertraut ist. Innerhalb der sozialen Realität von Columbus (die aus der spezifischen Fiktion seiner eigenen Religion bestand) musste das, was Religion war, in spezifischer Weise erkennbar sein. Zum Beispiel musste Religion wahrscheinlich monotheistisch sein, in Verbindung stehen mit besonderen Ritualen, die man mit Gottesdiensten in Verbindung bringen würde, mit bestimmten Bekleidungsregeln einhergehen und so weiter. Die genaue Konzeption, die Kolumbus im Sinne hatte, war sehr provinziell. Und wenn die Menschen, die er auf dem amerikanischen Kontinent antraf, eine Religion gehabt haben, dann hätte er diese nicht einmal erkannt, außer er hätte sich die Zeit genommen einen internen Zugang zu ihren Praktiken zu erhalten.

Und da ist noch etwas, das erwähnt werden sollte. Weshalb spielte es eine Rolle, ob die indigene Bevölkerung eine Religion hätte oder nicht? In Kolumbus‘ sozialer Welt mussten alle Menschen eine Religion haben, weil alle Menschen eine Seele haben. (Man beachte, dies ist ein anderer, ganz großer epistemologischer Sprung. Aber aus der internen Perspektive, in der Kolumbus‘ Welt funktionierte, war dies völlig logisch.) Vielleicht waren einige der Religionen die falschen Religionen (zu jener Zeit waren das Judentum und der Islam falsche, und das Christentum die richtige Religion), aber Religion musste überall dort erscheinen, wo Menschen sind. Als Kolumbus und seine Leute nun also schlussfolgerten, dass die Menschen, die sie dort antrafen, über keine Religion verfügten, ergab es Sinn und es war dann auch in der Tat logisch, weiter zu schlussfolgern, dass an diesen Menschen irgendetwas nicht-menschliches war. Gemäß seiner sozialen Welt und der Epistemologie, die seine Welt formte, war das eine wahre und gerechtfertigte Annahme. Und wisst ihr, was die erste philosophische Debatte in der „neuen Welt“ war? Ihr werdet es wohl erraten können, es war die Frage, ob man davon ausgehen könne, dass die indigene Bevölkerung eine Seele habe oder ob nicht. In anderen Worten, ob diese Menschen wirklich richtig „menschlich“ waren oder nicht. Und aus diesem Grund war – und das wird wirklich sehr komisch klingen – Kolumbus für seine Zeit sehr progressiv: er ging davon aus, dass jedes Mitglied unserer Spezies zum Christentum konvertiert werden könne, was bedeutet dass er, ungleich vieler seiner Zeitgenossen, der Meinung war, dass alle Menschen richtige „Menschen“ wären. [6]

Grosfoguel verfolgt den unterschwelligen aber zerstörerischen epistemologischen Wechsel, der während dieser Debatten stattfand: Fakten über den eigenen religiösen Glauben oder die Ermangelung dessen, wandelten sich zu Fakten über den Grad der eigenen Menschlichkeit. Seht ihr was hier geschehen ist? Was einst die Haltung gegenüber, sagen wir dem Status des Judaismus oder des Islam im 15. Jahrhundert gewesen war – nämlich das dies „minderwertige“ Religionen wären – ist nun im 16. Jahrhundert die Einstellung, mit der den Menschen begegnet wurde, die diese Religionen praktizierten, nämlich, dass Juden und Muslime im Grade ihres ‚Menschseins‘ minderwertig seien. Grosfoguel bezieht sich auf diesen epistemologischen Wandel als denjenigen, in dem vom theologischen Modus zum anthropologischen Modus gewechselt wurde.

Und, um somit zu dem Kontext zurückzukehren im Bezug auf das, was eine epistemologische Revolution ist, haben wir hier die erste *epistemologische Revolution*, die in der „neuen Welt“ stattfand. Den westlichen europäischen Erforschern ging es nicht einfach nur darum, Land auf dem ganzen Planeten zu besetzen. Noch weitaus wichtiger war ihnen, alle Völker in der Welt epistemologisch zu erobern. Das übersetzt sich zu: was für die indigenen Völker wahr zu sein hat, ist das, was für die Menschen in Kolumbus‘ Welt wahr ist. (Kolumbus hat in dieser Hinsicht kein Blatt vor den Mund genommen: er wollte, dass die ganze Welt christlich würde. Er war in dem Punkt in der Tat fanatisch.) Ihr könnt erkennen, worin hier das Problem besteht. Das was für Spanien wahr gewesen ist, ist nicht für die indigene Bevölkerung wahr gewesen. Wie der dekoloniale Literaturwissenschaftler Walter Mignolo bemerkt, verstand die indigene Bevölkerung sich gewiss nicht als Untermenschen an dem Tage, an dem Kolumbus mit seinen Leuten eintraf. [7] Ihre Welt, und somit deren Epistemologie, unterschied sich schlichtweg grundsätzlich. Um Völker zu erobern, reicht es nicht allein ihnen das Land zu nehmen. Du musst ihnen dazu auch ihre Sichtweise über die Welt, über sich selbst und über andere unter den Füße wegziehen. Und du misst sicherstellen, dass auch die zukünftigen Generationen dahingehend indoktriniert werden, die Welt, sich selbst und die anderen, so wie du [es willst] zu verstehen und zu sehen. Das ist warum Grosfoguel und so viele andere Gelehrte/Aktivist_innen die immer gegenwärtige Praxis der Bücherverbrennung in der Eroberung von Land und Menschen betonen, die sie als Epistemizid bezeichnen. (Und dazu gehört auch, wie die Philosophin Silvia Federici es beschreibt, die Verbrennung von Frauen, die Wissen eher mündlich statt über Bücher vermittelten, so wurden ihre Körper/ihr Geist als Stätten dieses Wissen verbrannt.) Der Epistemizid geht mit dem Genozid einher. Wenn du kontrollieren kannst, wie ein Volk die Welt und sich selbst (und Dich!) begreift, und du sicherstellen kannst, dass diese Kontrolle in der Zukunft ad infinitum fortgesetzt wird, dann hast du es besiegt. [8]

Wir sind nun in der Lage die Diskussion mit der den allgemeinen Inhalten unseres Buches Aphro-ism zu verbinden, in dem eine mikro-epistemische Revolution dargelegt wird. Wir betonen nicht einfach, dass unterschiedliche Leute in der Diskussion über die Lage nichtmenschlicher Tiere nicht wahrgenommen werden. Das ist ein Erscheinung von Unsichtbarkeit, aber nicht die auf die ich fokussiere. Sondern, es existiert eine Unsichtbarkeit, die in der Konversation über Unsichtbarkeit selber nicht vorkommt. Der ganzen Diskussion über ‚Menschen‘ und ‚Tiere‘, die wir als so selbstverständlich voraussetzen, wenn wir über den Horror dessen sprechen, was nichtmenschlichen Tieren geschieht, geht von einer besonderen Formulierung der Realität aus, die nur auf eine sehr kleine Gruppe von Menschen zutrifft. Nach ihrer Sichtweise werden „Mensch“, „Tier“ und andere verwandte Begriffe, nur im Bezug auf faktisch biologische menschliche Wesen und biologisch nichtmenschliche Wesen verwendet. Bestenfalls sind solche Begriffe zudem noch von einer symbolischen Wichtigkeit. Und so ist, gemäß dieser Weltsicht, die „richtige“ Art und Weise, die Unterdrückung von Tieren und die fortwährende Missachtung von Tierkörpern und -leben zu sehen, allein eine Frage von „Speziesismus“ und davon, dass unsere Spezies ein Überlegenheitsgebaren in Hinsicht auf die eigene Spezies praktiziert.

Für diejenigen von uns aber, die sozial in einer radikal anderen Welt beheimatet sind, bei denen die meisten von uns Geschichten aufweisen, in denen unsere Angehörigen nicht als „Menschen“ sondern eher als „Tiere“ betrachtet wurden/werden, wo wir nicht wirklich als „Menschen“ sondern als „Tiere“ gesehen werden, uns erscheint diese reine biologische Auffassungsweise falsch. Wir wissen, dass Begriffe wie „Mensch“, „Tier“ und damit verbundenen Begriffe, jenseits biologischer Spezifikationen liegen, und dass die moderne Verwendungsweise dieser Begriffe Bestandteile eines globalen Projekts darstellen, das versucht hat zu behaupten, dass das Menschsein in Graden stattfindet. [9] Das heißt, dass wenn wir uns an dem Mainstream der Kritik am Tiermissbrauch beteiligen wollen, wir uns erstmal vorstellen müssen, dass die Welt so wie wir sie kennen, nicht existiert. Wir müssen uns vorstellen, dass wir nicht wüssten, dass als „Mensch“ betrachtet zu werden, selbst für Lebewesen, die Mitglieder der Spezies Homo sapiens sind, moralisch relevant ist. Wir müssen uns vorstellen, dass der Ausschluss vieler Gruppen von Menschen, mit der Bezeichnung „Untermensch“ oder „Unmensch“, in Wirklichkeit nicht so schlimm ist, weil, hey, ein Mensch zu sein ist sowieso nichts Besonderes…und sich an die „Menschheit“ anbiedern zu wollen, ist speziesistisch. Sehr ihr was hier geschieht? Unsere Art die Welt zu betrachten ist völlig unsichtbar, so dass wir das Problem noch nicht einmal mit unseren eigenen Begriffen benennen können, ohne dass jeder gleich in die Offensive geht und fragt, was hat das denn nun mit Tieren zu tun??? Sie fragen das nicht aus Interesse. Sie fragen, weil wir die epistemischen Linien verlassen, die hier gezeichnet wurden, die parallel zu deren Weltsicht verläuft. So wie sie es sehen, kann etwas nicht wahr sein, wenn sie selbst die Welt nicht in dieser Art und Weise verstehen.

Die epistemische Revolution bedeutet dann, diese Unsichtbarkeit als Stätte produktiven Wissens zu begreifen. Das heißt, statt unsere Art die Welt zu verstehen und über sie Bescheid zu wissen, aus Scheu zu verbergen oder zu unterdrücken – und damit auch uns selbst und die anderen in dieser Welt – damit wir in die „normale“ Vorstellung dessen hineinpassen, wie die Dinge verstanden werden sollen und wie etwas getan werden soll, verwenden wir die Unsichtbarkeit um eine Fassung jeglichen Phänomens das uns interessiert zu generieren, um so einen Aspekt der Realität zu vermitteln, den die „normale“ Art Dinge zu tun nicht ermöglicht und den sie nicht in Erscheinung treten lässt. Ich beschreibe diese Art der Unsichtbarkeit daher auch als eine ‚superpower‘. Wir haben den Zugang zu einem Teil der objektiven Welt aufgrund der Position die wir in ihr inne haben, die andere, gleich wie privilegiert sie sind, nicht haben und überhaupt nicht haben können. Wir haben somit etwas neues zu sagen, aufgrund der Art und Weise wie diese Worte – Mensch, Tier, usw. – in der Welt wie wir sie erlebt haben, funktionieren.

Mein Ratschlag ist somit, sich nicht von seiner eigenen Weltsicht zu trennen. [*] Was würde passieren, wenn wir einen Bericht über die Tierfolter und den Tiermord – nämlich unsere Nahrungsmittel/medizinische/Schönheits/usw.-Industrien – erstellen würden, indem wir die Quellen nutzen, die uns zur Hand liegen? Was wäre, wenn wir als schwarze oder braune Menschen, eine Tierethik schaffen würden, die aus unserer Erfahrung entstehen würde, was es bedeutet als Antithese zum menschlichen Ideal („dem Menschen“) zu gelten? Was wäre, wenn wir dem Narrativ des „Menschen“ widerstehen würden, mit dem zusätzlichen Vorteil dessen, dass wir sowieso bereits am weitesten entfernt von dem sind, was in unserer sozialen Welt als „Mensch“ gilt? Wir haben ein sehr anderes Verständnis von den Dingen, um die es sich hier dreht und wir haben den Zugang zur subjektiven Erfahrung des ‚Animalisiertwerdens‘. Was geschieht, wenn wir dies als positive Werkzeuge, nicht allein zu unserer eigenen Befreiung, sondern zur gleichen Zeit auch zur Hilfe einer anderen Gruppe von Lebewesen einsetzen würden, in einer Art und Weise, die sich von dem unterscheidet, was die Mainstreamroute zu bieten hat? Der schwarze Veganismus ist mein Versuch eine Antwort auf diese Fragen zu liefern…(ich kehre in einer späteren Antwort zum schwarzen Veganismus zurück) ich bin mir zugleich aber auch sicher, dass es da auch andere Wege gibt. Mir sind die verschiedenen Leute, die den Veganismus repräsentieren nicht so wichtig, wie die verschiedenen Arten von Veganismus.

Wenn du eine_r der wenigen bist, die sich in einer Position der Mitgliedschaft zur Norm zählen können, dann bist du bei uns willkommen. Am schwarzen Veganismus ist nichts, dass allein schwarzen oder braunen Menschen vorbehalten wäre. [10] Es geht hier nicht um eine Identitätsbewegung. Wir sprechen von „schwarz“ um damit die Struktur anti-schwarzen Rassismus hervorzuheben, da Rasse eine Struktur darstellt und nicht schlichtweg die Hautfarbe oder die Identität. Aber wenn es dir sinnvoll erscheint, bei der Mainstreamweise wie die Dinge gemacht werden zu bleiben, dann ist das ebenso in Ordnung. Die Mainstreamherangehensweise an das Thema Tierunterdrückung ist in Ordnung und gut. Ich hebe nur hervor, dass sie nicht jeden Aspekt dessen umfasst, warum „das Tier“ eine abwertende Vorstellung zum Ausdruck bringt. Es geht darum, den nichtmenschlichen Tieren in dem Sinne zu helfen, dass die Entwicklung von mehr Sichtweisen gefördert wird, die das Ziel verfolgen, weitere Seiten der Tierunterdrückung herauszuarbeiten und somit auch andere Verständnisse von Tierunterdrückung, diejenigen nämlich, die bislang noch nicht sichtbar gemacht wurden. Einige unserer Leser_innen haben die sonderbare Vorstellung, dass wir der Meinung seien, die Leute sollten aufhören Peter Singer zu lesen, oder dass wir Tierverteidiger_innen, die sich auf traditionelleren Wegen befinden, und die für die Erlangung legaler Rechte für nichtmenschliche Tiere kämpfen, etc. , in ein schlechtes Licht rücken wollten. Ich schlage nichts dergleichen vor. Ich habe einen immensen Respekt für jede_n, der/die, welch Mittel auch immer zu seiner/ihrer Verfügung stehen mögen, einsetzt, um das Problem zu adressieren. Wie ich in Aphro-ism betone, müssen wir uns von der Idee verabschieden, dass es nur einen Weg, wie Dinge gemacht werden sollten, gäbe, oder dass wir uns jedes Mal, auf entweder der philosophischen oder der praktischen Ebene, darüber einig sein müssten, was die beste Art ist unseren Mitlebewesen zu helfen. Das Problem erstreckt sich über jeden Bereich unserer Gesellschaft, d.h. wir brauchen also Leute, die an jeder Ecke kämpfen.

Als Aktivist_in „hineinzupassen“ oder nicht

Palang: Pluralität und Empowerment haben viel mit der Emanzipation des Denkens zu tun, das heißt mit der Tatsache, dass wir weder von Intellektuellen, noch von anderen Gruppen von Menschen, die innerhalb unserer Gesellschaften augenscheinlich als Denkeliten betrachtet werden, abhängig sind. Wir allesamt müssen das Denken selber übernehmen und wir stellen die kraftvollste Quelle eines pluralen fruchtbaren Diskurses dar. Eine umfassende Art des Empowerments von uns allen (als Aktivist_innen) scheint in den Strukturen vieler Gruppen und Organisationen aber kaum erwünscht zu sein, immerhin wird einander wenig Raum für eigene Standpunkte, Beobachtungen und Erfahrungen gelassen. Viele Aktivist_innen geben ihre Aktivitäten sogar auf, weil sie den Eindruck haben, dass kaum einer an ihren individuellen Beiträgen interessiert ist. Denkt Du, dass die „klassischen“ Gruppendynamiken (beispielweise das hierarchische Denken) ein Problem im Aktivismus darstellen können, und ergäbe es Deiner Meinung nach Sinn, eigene Wege zu verfolgen, die auch immerhin zum Teil alleine gegangen werden müssen? Und schließlich: ist der individuelle Aktivismus Deiner Ansicht nach gleichermaßen wertvoll, wenn jemand keine konstruktive Basis mir seinen/ihren Mitaktivist_innen finden kann?

Syl: Ich empfehle die eigenen Überzeugungen und Lebensprojekte nicht in Abhängigkeit dazu zu setzen, ob andere sie schätzen oder nicht. Wenn man sich die Geschichte anschaut, so sieht man, dass die meisten weltverändernden Ideen in ihrer Zeit nicht gewürdigt wurden, und dass aber die Leute hinter diesen Ideen einfach weiter machten. Sie glaubten wirklich an das, was sie da taten. Kein Grad and Lächerlichkeit oder Erniedrigung, von gleich welchem ihrer Zeitgenossen oder derjenigen, deren Denken sie versuchten zu verändern, hielt sie auf. Es ist sogar so, dass um so revolutionärer dein Projekt ist und um so mehr potenzial es hat, Dinge wirklich zu verändern, um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass du viele Freunde oder Unterstützer_innen finden wirst. Und das ergibt Sinn. Menschen haben Angst vor Veränderung, selbst diejenigen, die sagen, dass sie die Veränderung wollen. Viele Leute begreifen nicht, dass eine kleine Veränderung die sie wünschen, nicht zustande kommen kann, ohne dass viele große Veränderungen ebenso geschehen müssen, und sie fühlen sich dadurch unbehaglich. Sie tun also so, als würden sie Dinge verändern, wenn in Wirklichkeit alles beim Alten bleibt. Aber natürlich werden diese Leute gefeiert, weil sie es vermieden haben, dass irgendjemand irgendetwas über sich selbst oder deren Welt in Frage stellen müsste. Vor allen haben diese_e Aktivist_innen sich nicht selbst verändert. Jeder kann somit in seiner Bequemlichkeit verharren.

Auch denken die meisten Leute in den gleichen Mustern oder beziehen sich auf die selben Gedanken. Hervorragende Menschen die Veränderung anstoßen, selbst wenn in unauffälliger Weise, tendieren dazu, sich im Denken außerhalb von Schemen zu bewegen. Die meisten Leute empfinden das als merkwürdig oder irrelevant, weil sie es nicht verstehen. Es ist zu anders. Du kannst so tun, als wärst du beeindruckt von dem was jede_r so sagt, so dass du in deren Projekte mit einbezogen wirst. Oder du hast zu akzeptieren, dass du mit aller Wahrscheinlichkeit alleine arbeiten musst, wenn du deine eigenen Gedanken nicht aufgeben willst oder wenn du neue Ideen, jenseits von denen auf die sich deine Gruppe bereits stützt, annehmen willst.

Wenn du wirklich große Veränderungen anstoßen willst und eifrig bemüht darum bist, dann denken Leute vielleicht sogar du seist verrückt. Du kannst dadurch deine Freunde oder deinen Arbeitsplatz verlieren. Du wanderst eventuell sogar ins Gefängnis. Sokrates, den man heute als Beispiel eines großen kritischen Denkers betrachtet, wurde ins Gefängnis gesteckt und zum Tode verurteilt. Es ist in der Tat so: Sokrates war ein krimineller. Weshalb? Weil er „die Jugend verdarb“. Er dachte anders und wollte, dass andere Menschen ihr denken ebenfalls veränderten. Er beeinflusste junge Männer, denen es eigentlich darum gehen sollte, in die Fußstapfen ihrer Väter zu treten um angesehene Laufbahnen zu verfolgen und so zum Wohlstand ihrer Familie beizutragen, und nicht darum, gute Menschen zu sein. Also wurde Sokrates zum Tode verurteilt. Es war im egal. Er hielt einen Vortrag über genau die Dinge, die zu diesen strafrechtlichen Maßnahmen führten während seines Verteidigunsprozesses. Selbst als er in der Todeszelle saß und seinen letzten Tag erwartete, hielt er für seine Schüler Vorträge, die kamen um ihn zu besuchen. Er lehrte tatsächlich bis zu dem Moment als er das Gift zu trinken hatte.

Sokrates hat zu seiner Zeit niemals eine materielle Entlohnungen oder eine positive Anerkennung dafür erhalten, dass er seine Mitbürger unbeirrt dahingehend versuchte zu beeinflussen, ihre Leben im Sinne einer Suche nach dem Guten zu verändern. Sokrates trug jeden Tag die gleiche Kleidung, wurde von allen berühmten Denkern seiner Zeit als Ärgernis empfunden, und außer einer Handvoll Anhängern (dem Äquivalent einer kleinen Gefolgschaft von Studenten im Grundstudium!) existierte niemand, der sich mit seinen Ideen befassen wollte. Sein Projekt war es, Wissen über das Gute zu erlangen und dies wurde ein Merkmal seines besonderen Charakters, und so war ihm sein Ruf, oder die Frage dessen, ob er irgendwo hineinpasst, gleichgültig.

Ich glaube das ist ein nützlicheres Bild von Aktivismus, als das, was gegenwärtig so im Umlauf ist. So wie ich es sehe, sollte Aktivismus – wenn wir das Wort schon gebrauchen müssen – eine Art Leidenschaft dessen sein, ein guter Mensch zu sein, was wenig zu tun hat mit deinem Image, wie andere dich wahrnehmen, ob du dich zu einer Gruppe zählen kannst oder ob du irgendwelche Veränderung, die aus deinen Bemühungen resultieren, bezeugen kannst. Es ist ein autarkes Unterfangen. Alles was du dazu benötigst, ist der Wunsch gut zu sein, und wenn du zulässt, das dies dich bestimmt, dann wird dir zunehmend egaler werden, ob du anerkannt oder respektiert wirst oder ob dir irgendjemand überhaupt zuhört. Das gleiche gilt übrigens auch für das Lebens außerhalb des Aktivismus.

Ich schaue also nicht auf den Output als Kriterium eines guten Aktivismus, gleich ob dieser Output von einer individuellen Person oder von einer Gruppe/Organisation produziert wurde. Selbst wenn ein_e Aktivist_in oder eine Gruppe von Aktivist_innen in einer Mission erfolgreich sind, so kann diese Mission, ohne gute Herzen und Seelen in der Gesellschaft, doch innerhalb von kürzester Zeit wieder in ihr Gegenteil verkehrt werden. Der Nachdruck sollte darauf liegen, dass sichergestellt wird, dass wir auf der richtigen Seite stehen, dass wir die moralische Sensibilität nähren, die für eine bedeutungsvolle Existenz entscheidend ist, und dass wir zulassen, dass diese Energie in die Welt hineinfließt und sie gleichsam formt, gleich welches Resultat dies auch immer hervorbringen mag. Was heute wie ein Fortschritt aussehen mag, kann sich langfristig gesehen als ein Albtraum erweisen und anders herum. Wir wissen nicht was funktionieren wird oder was das Beste ist. Wir können nur aus der guten Intention heraus handeln und es genau an diesem Punkte belassen.

Und wenn du wegen deiner Mission dein ganzes Leben lang als Verlierer_in betrachtet wirst, selbst von den „perfekteren“ Aktivist_innen deiner Zeit, wenngleich du auch keinerlei finanzielle Unterstützung generieren kannst, und wenn auch niemand irgendeine Aufmerksamkeit auf Dich richtet, man sollte sich deswegen nicht schlecht fühlen. Sokrates war auch ein Verlierer. Du bist also in guter Gesellschaft. Bleibt deinem Kurs einfach treu!

Der neue Diskurs selbst in der allgemeinen Öffentlichkeit

Palang: Deine und Aphs Gedanken, Eure Herangehensweise ist tiefgreifend in ihrer ethischen, politischen und sozialen Klarheit, und ihr vollzieht die epistemologische Revolution von der ihr sprecht in der Realität, durch den Diskurs den ihr dabei initiiert. Als Aktivist_in, die von Euren Thesen und Gedanken inspiriert ist, habe ich den Eindruck, dass Eure Ideen von großer Relevanz für den Diskurs mit den Menschen außerhalb der Tierrechts-/Tierbefreiungs- und der veganen Bewegung sind. Könntest Du Dir vorstellen, dass eine Pluralität in der Diskussion über Tierbefreiung usw. in der allgemeinen Öffentlichkeit angestoßen werden kann, unabhängig von den Dynamiken einer ‚Mainstream-Rezeption‘ innerhalb der Tierrechts-/Tierbefreiungs- und veganen Bewegungen selbst? Ist die Bewegung selbst wirklich immer der informierteste und aufgeschlossenste Ort wenn es darum geht, engstirnige Sichtweisen über die Tierheit und die Menschheit zu dekonstruieren?

Syl: Ich bin der festen Überzeugung, dass die mit nichtmenschlichen Tieren zusammenhängenden Diskussionen, insbesondere die ethischen/politischen/sozialen, mit jeder ethischen, politischen und/oder sozialen Diskussion gekoppelt werden können, und somit ist die Frage, ob diese Diskussionen innerhalb eines Raum stattfinden, der explizit nichtmenschlichen Tiere gewidmet ist oder nicht, oder ob selbst-identifizierte „Tierrechtler_innen“ mit diesen Diskussionen einverstanden sind oder nicht, irrelevant. Es geht nicht um sie. Es geht darum, wie wir die Öffentlichkeit in erfolgreicher Weise dazu zu bringen, als erstes anzuerkennen, dass das was Tieren geschieht ein legitimes Problem für die Tiere (und für uns) darstellt, und zweitens, dass die Anerkennung dessen sich in dramatischer Weise in Handlung umsetzen muss, die die Situation verändert unter der Tiere gezwungen sind zu existieren.

Aphro-ism legt dar, dass die Diskussion über Tierbefreiung innerhalb der Grenzen, der durch „die Bewegung“ gesetzten Begriffe, sinnlos ist. Die Bewegung begrenzt sich auf einen kleinen Ausschnitt des weiten Spektrums an Gedanken, die die Misshandlung von Tieren stützen. Das gesamte Denken über die Menschheit und die Tierheit, so sehr es auch auf Konstrukten basiert, befindet sich jedoch im Zentrum jeder gegenwärtigen Form der Tierunterdrückung. Und ebenso ist das Denken, das die Fragen umgibt, die wir normalerweise als die Unterdrückung von Menschen bezeichnen, auch gleichermaßen gegenwärtig in der Unterdrückung von Tieren. All diese Dinge sind miteinander verbunden. Wenn wir also das große Bild jeglicher dieser Unterdrückungsformen verstehen wollen – die in der Tat das gleiche Bild aus unterschiedlichen Perspektiven darstellen – dann ist es vernünftig, wenn wir die Punkte miteinander in Verbindung setzen.

Wir verbinden diese Punkte in Aphro-ism indem wir aufzeigen, dass alles auf die Konstruktion „des Menschen“ hinausläuft. Nicht Menschen aber der Mensch, die angenommene „ideale“ Manifestation dessen, was es heißt ein Mensch zu sein – dessen letzte Iteration, die im Spanien des 16. Jahrhunderts geschaffen wurde. Einige der besten Literatur, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, von der ich den Eindruck habe, dass sie viel für die Seite der Tiere bewirken kann, stammt nicht von Leuten oder aus Bereichen die sich schwerpunktmäßig mit nichtmenschlichen Tieren befassen. Wir müssen uns weiter aus den engen Rahmen hinaus bewegen, wenn wir jemals begreifen wollen, was wirklich geschieht. Es geht um weitaus mehr als allein das Vorurteil auf Grundlage einer Spezieszugehörigkeit. Es geht um etwas Enormes.

Ich finde, dass schwarze Studien und andere Programme ethnischer Studien der Ort sind, an dem ich das meiste Potenzial sehe um die Diskussion zu erweitern. Man muss sich dabei vor Augen halten, dass schwarze und braune Menschen zu dem wurden, was als „Gegenteil“ des Menschseins aufgefasst wurde, man betrachtete sie als Untermenschen. Für eine lange Zeit war dies etwas unsägliches. „Mensch“ zu sein, sollte den Gipfel aller Existenz darstellen, während „Untermensch“ zu sein, dir zum Nachteil gereichte. Aber nach Jahren über Jahren, die wir uns aus der Grube, die man für uns gegraben hatte, hinausschaufelten, hat das weiße westliche Herrschaftsgebiet angefangen seine Kontrolle zu verlieren, vor allem befindet sich der Planet in Gefahr wegen dieses Herrschaftsgebietes und seines Einflussbereichs rund um den Globus. Heute sehe ich es als etwas Gutes, das wir – als schwarze Menschen – so lange dazu gezwungen wurden als Gegensatz zum „Menschsein“ zu verharren. Wir wurden nicht zu ihnen, weil wir nicht sie sein konnten. Wir waren per Definition als Gegenteil aus der Kategorie ausgeschlossen. Wir sind definitionsmäßig anti-Menschen. Es ist also keine Überraschung, dass die spannendsten Sachen, die ein unwahrscheinliches Potential besitzen um unsere Gedanken über Menschen und Tiere und den Widerstand gegenüber dem toxischen Narrativ „des Menschen“ zirkeln zu lassen, aus dieser contra-humanen Psyche stammen. Diejenigen von uns, die auf der Seite der nichtmenschlichen Tiere stehen, sollten ein offenes Denken bewahren und aus dieser Literatur schöpfen, um sie in unsere aktivistische Arbeit einzubeziehen, statt anzunehmen, dass die einzigen Arbeiten, die verwendbar wären, nur diejenigen sind, die explizit nichtmenschliche Tiere benennen oder die aus der Tradition des „menschlichen“ Mainstreams stammen.

Unterdrückung und Geschichte

Palang: Ist das „Problem mit der Menschheit“ eine Konsequenz von Kolonisation, unserer inneren Kolonisation und des weißen Überlegenheitsdenkens? Welche Rolle spielen unterdrückerische Kulturen in der Antike und in der Frühzeit in dem Kontext? In welcher Verbindung steht die weiter zurück datierende Geschichte von Unterdrückung mit dem System weißen Überlegenheitsdenkens, weißer Arroganz und weißer Ignoranz; in anderen Worten können wir unterdrückerische Formen in verschiedenen Kulturen kontextualisieren um verschiedene Mechanismen von Unterdrückung zu verstehen?

Syl: Ist das Problem der Menschheit die Konsequenz von Kolonisation/weißem Überlegenheitsdenken? Ja und nein. Offensichtlich stellte die weiße Kolonisierung nicht den Ausgangspunkt für den Einsatz und den Missbrauch nichtmenschlichen Lebens dar, und auch ist die westliche Kolonisierung nicht für eine besonders ausschließende moralische Auffassung über den Menschen verantwortlich. Jede_r der/die behauptet, dass die westliche Kolonisierung die Unterdrückung von Tieren verursacht hat oder zum ersten Male ein moralisch ausschließendes Denken über ‚den Menschen‘ eingeführt hat, kennt die Geschichte unserer Spezies nicht und sollte sofort aufhören zu reden und sich erstmal ein Geschichtsbuch vornehmen. Er/sie sollte erstmal ein wenig bei Aristoteles nachlesen wenn er/sie mir nicht glaubt … und Aristoteles existierte lange bevor Spanien entschied sein Imperium zu erweitern.

Aber, wie ich es sehe, hat die westliche Kolonisation das Problem der Menschheit determiniert und so auch die Misshandlung nichtmenschlicher Tiere. Wir müssen jetzt ein wenig vorsichtig voranschreiten, da diese Behauptung zu suggerieren scheint, dass ein späteres Ereignis (die westliche Kolonisierung) ein früheres Ereignis (die Unterdrückung nichtmenschlicher Tiere) verursacht hat, was selbstverständlich unmöglich ist. Ich erforsche die Situation der westlichen Kolonisierung nicht um Einstellungen und Handlungsweisen zu erklären und zu interpretieren, die zeitlich vor der westlichen Kolonisierung lagen. Stattdessen möchte ich erklären, dass Einstellungen und Handlungsweisen vor der westlichen Kolonisierung, sich im Zuge der Kolonisation zu drastisch anderen Dingen veränderten, trotz ihrer (oberflächlich betrachteten) identischen Manifestationen.

Eine Verfolgung von Juden und Muslimen fand bereits statt, bevor Kolumbus und seine Leute in Amerika eintrafen. Die folgende Kolonisierung Amerikas, die zu einer epistemologischen Ordnung führte, die die eingeborene Bevölkerung „unter“ dem westlichen europäischen Menschen auf der Skala der Menschseins einordnete, hätte die Verfolgung von Juden und Muslimen nicht verursachen können. Ein späteres Ereignis kann kein früheres verursacht haben. Jedoch die neue epistemologische Ordnung, deren Hauptaufgabe es war, die Menschheit in Ränge einzuteilen, verursachte nun zu determinieren, zu welcher Bedeutung die Verfolgung von Juden und Muslime gelangen würde, und was es bedeuten würde eine Jude oder Moslem zu sein. Das heißt, wie jemand Juden oder Muslime sehen würde, wurde unmittelbar durch das neue Erkenntnissystem, das man in der „neuen Welt“ entwarf, geformt und informiert. Wie ich in meiner Antwort auf Deine erste Frage beantwortet hatte, sah man, nach Angaben von Grosfoguel, die Verfolgung von Juden und Muslimen ursprünglich als eine Frage der Ausübung des falschen Glaubens. Juden und Muslime wurden ermordet, ausgebeutet und aus ihren Heimatländern in fremde Länder vertrieben, wenn sie nicht zum Christentum konvertierten, aufgrund dessen, dass man ihre Religion als Minderwertig erachtete. Doch nach Kolumbus und den Debatten rund im die Menschlichkeit der indigenen Völker, ging es bei den Uneinigkeiten über Religion (oder einer Ermangelung dieser) nicht mehr allein um Theologie. Nun ging es darum, ob du ein „vollständiger“ Mensch bist oder nicht! Natürlich wurden Juden und Muslime immer noch verfolgt, aber nun ging es bei ihrer Verfolgung darum, dass sie Untermenschen aufgrund ihrer Religion seien. Oberflächlich betrachtet sah die Ausbeutung, die Vertreibung und der Mord dieser Gruppen vor und nach der „neuen Welt“ gleich aus. Aber es fanden zwei unterschiedliche Dinge statt. Juden und Muslime waren nun nichtmehr einfach Menschen, die einem falschen Glauben anhingen. Sie waren keine Menschen. Und *das* war nun der Grund für ihre Unterwerfung. Grosfoguel beschreibt diese Ereignisse als einen „Bumerang-Effekt“. Obgleich also diese Geschehnisse, die in der „neuen Welt“ stattfanden, nicht zur Unterdrückung von Juden und Muslimen führten, so bestimmten sie doch, woraus sich deren Unterdrückung zusammensetzen würde und sie determinierten die neue Identität von „Juden“ und „Muslimen“ fortan. Was es hieß ein Jude oder ein Moslem zu sein, würde nach der Eroberung der neuen Welt insgesamt eine ganz andere Geschichte sein.

Und wiederum, indem wie die Geschehnisse in der „neuen Welt“ analysieren, die den Beginn der sozialen Welt die wie geerbt haben darstellen, können wir die Verfolgung von Juden und Muslimen nicht per se, sagen wir des 15. Jahrhunderts, erklären. Das ist ja auch nicht das Ziel der Analyse. Stattdessen hilft uns das Analysieren dieser Geschehnisse, zu erörtern weshalb deren Verfolgung heutzutage sich grundlegend vom 15. Jahrhundert unterscheidet, und somit erhalten wir die Werkzeuge, die wir benötigen, um ihre Verfolgung, den Antisemitismus und Islamophobie generell gesprochen heute zu adressieren. Eine nützliche Unterscheidung ist hier also die der logischen und die der zeitlichen Abfolge oder die der Priorität. Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Unterwerfung einer Gruppe von Lebewesen über die Zeit hinweg, durch die Bedingungen von Unterwerfung, wie sie sie in der davor gelegenen Zeitperiode erlitten haben, beeinflusst ist. Aber das heißt nicht, dass die Unterwerfung einer Gruppe von Lebewesen über eine Zeitspanne hinweg, durch die Logik der Unterwerfung, die sie in einer zuvor gelegenen Zeitperiode prägte, beeinflusst ist.

Hiermit ist auch der Hintergrund für meine Position über den schwarzen Veganismus gegeben, der argumentiert, dass nichtmenschliche Tiere rassifiziert werden, und dass wir ihre Unterordnung als ein rassisches Phänomen begreifen sollten. Wie ich bereits sagte, versuche ich hier keine Erklärung über die Gesamtgeschichte menschlicher Misshandlung nichtmenschlicher Tiere anzugeben. Hierin liegt ein entscheidender Unterschied zwischen der Ethik von der ich spreche, zu Sichtweisen, die Dir mit aller Wahrscheinlichkeit geläufiger sind. Meine Position ist recht heterodox und leider häufig Gegenstand von Missinterpretation. Ich negiere nicht, dass es notwendig ist, die Geschichte menschlichen Missbrauchs nichtmenschlicher Tiere zu betrachten, aber um ihre gegenwärtige Lage zu konzeptualisieren und zur Entwicklung eines Leitplans dessen, wie diese prekäre Situation verlassen werden kann, müssen wir die Tatsache anerkennen, dass ihre Gegenwartssituation Teil der Logik der heutigen modernen Welt ist, die der Logik von Rasse folgt. Alles andere käme einer Verunklarung der Sicht auf ihre Lage im Nebel der Geschichte gleich.

Noch einmal: die Logik der heutigen modernen Welt entsteht mit der Debatte über das Menschsein der indigenen Völker Amerikas und sie konkretisiert sich in dem Moment, in dem afrikanische Sklaven mit in der Situation auftauchen. „Rasse“ wurde „epidermalisiert“, wie Franz Fanon es beschreibt, zugleich ist Rasse grundlegend ein global eingeführtes System, das  Grade an Menschlichkeit unterscheidet, und das sich in der institutionellen Beschaffenheit der Welt wiederspiegelt. Es ist nicht wahr, das Rasse und Rassismus immer existiert hätten. Vorurteile aufgrund von Identität gab es immer und eine Diskriminierung auf solch einer Grundlage ebenfalls, aber Rasse ist eine neue Idee. Sie ist ein sehr spezifisches System, das nicht existierte und nicht existieren hätte können, bevor nicht eine kleine Gruppe von Menschen erklärte, dass sie tatsächlich die ganze Welt beherrschen und in der Form ihres Eigenbildes homogenisieren wollten. Und hierin liegt der Schlüssel: Das Rasse-Denken ist die globale Aufoktroyierung einer lokalen Eigenkonzeption, und um in solch einem Ziel erfolgreich sein zu können, muss das Konzept des ‚Menschseins‘ selbst, zu den eigenen Gunsten kolonialisiert werden.

Was geschieht nun wenn eine recht kleine Gruppe von Menschen erklärt, dass allein sie die wahren Menschen („Menschen“) wären? Zur Beantwortung dieser Frage sind einige Arbeiten von Sylvia Wynter sehr hilfreich und ich stütze mich auf ihre Darlegungen, indem ich Gedanken über das Tier hinzufüge. [11] Es müssen analoge Gruppen existieren, die das verkörpern können, was es bedeutet kein Mensch zu sein, damit das Banner „wahrer Menschlichkeit“ zu einer leeren Doktrin geführt werden kann. Jedoch kein Mensch zu sein ist nicht nicht gleichbedeutend mit dem, ein nichtmenschliches Tier zu sein. Das ist so aus zweierlei Gründen. Als erstes können Nichtmenschen nicht das Versagen „Mensch“ zu sein verkörpern, weil sie an aller erster Stelle gar keine Menschen sind. Sie können daher also niemals die wirklichen Anderen sein. Sie können die demonstrative Rolle, die benötigt wird um den Status „des Menschen“ aufzublähen, nicht erfüllen. Nichtmenschen können im Bestfall nur sekundäre Andere sein. [12]

Was aber noch wichtiger ist, nichtmenschliche Tiere können subjektiv keine Ermangelung des Menschseins erfahren, gleich was dies ist. Nichtmenschliche Tiere sind epistemisch resilient und epistemisch uns gegenüber verschlossen, so dass wir ihre subjektiven Perspektiven insofern nicht überschreiben könnten um sie dahingehen zu programmieren, zu erfühlen, wie es sich anfühlt weniger als ein Mensch zu sein. Wynter beschreibt diesen Aspekt in Fanons Werk, dass die subjektive Erfahrung des Schwarzseins, oder die, ein kolonialisierter Mensch zu sein, genau wegen des Selbsthasses und anderer „autophober“ negativer Beschaffenheiten des internalisierten Rassismus, von zentraler Bedeutung sind, um die Erfindung „des Menschen“ am Platze zu halten. „Der Mensch“ existiert nicht allein parasitär auf der Grundlage der Kategorie des anti-Menschen, sondern insbesondre auf der gefühlten Minderwertigkeit des anti-Menschen. [13]

Das Versagen darin Menschsein zu erlangen muss also in einem anderen menschlichen Wesen verortet werden, dem mit aller Wahrscheinlichkeit das fehlt, über das wahre Menschen („Menschen“) verfügen. Und dies ist der zweite entscheidende Punkt, der den schwarzen Veganismus von gängigen Sichtweisen unterscheidet. Nach meiner Sichtweise bezieht sich das Mensch-Tier-Binär oder der Mensch-Tier-Kluft nicht auf faktische menschliche Wesen und faktische nichtmenschliche Tiere. Nach meiner Auffassung bezieht sich das Mensch-Tier-Binär auf „den Menschen“ und „das Tier“, die allerdings keine biologischen Abstraktionen darstellen, die allgemein „alle Menschen“ und korrespondierend „alle nichtmenschlichen Tiere“ repräsentieren. Wir haben es hier stattdessen mit sozialen Kategorien zu tun, die dafür stehen, was es heißt ein wahrer Mensch („Mensch“) zu sein und was es respektive bedeutet das „Gegenteil“ dessen zu sein. Und wiederum ist das Gegenteil eines wahren Menschen („Menschen“) nicht ein nichtmenschliches Tier, sondern es sind andere Menschen, die Figur „des Anti-Menschen“. [14] „Das Tier“ und der Anti-Mensch sollten also als identische Figuren verstanden werden, was uns zur verblüffenden Erkenntnis dessen führt, das nichtmenschliche Tiere so unsichtbar sind, dass sie nicht einmal die Basis dessen bilden, auf der wir die allgemeine Kategorie „des Tieres“ errichten. Die allgemeine Kategorie „des Tieres“ ist ein Akt des „menschlichen“ Verschwindenlassens.

Viele finden meine Sichtweise empörend. Sie gehen von folgendem aus:

  1. Dass ich versuchen würde, Tiere aus dem Geschehen auszublenden, indem es in meinem Binär nur um Menschen ginge.
  2. Dass ganz gleich auf wen sich „der Mensch“ und „das Tier“ in dem Binär bezieht, „der Mensch“ immer die überlegene Kategorie darstellt, und „das Tier“ immer die unterlegene Kategorie, und dass dies mit der menschlichen Tradition von Speziesismus zu tun hat.
  3. Diese radikale Fassung des Mensch-Tier-Binärs scheint nicht auf die echten nichtmenschlichen Tiere anwendbar zu sein. Sollte es bei einem Standpunkt, der eine Art des Veganismus repräsentiert, nicht um die tatsächlichen nichtmenschlichen Tiere gehen?

Alle diese Einwände sind völlig vernünftig und berühren Teile Deiner Fragen und so sollten wir sie auch adressieren. Ich werde dies aber in einer anderen Reihenfolge tun.

Um anzufangen: die rassische Auffassung vom Mensch-Tier-Binär („der Mensch“/“das Tier“ [oder „der Anti-Mensch“]) kann unmittelbar auf nichtmenschliche Tiere bezogen werden. Es ist wichtig, dass wir ihre Situation einfassen in den Begriffen des allgemeinen Projekts „den Menschen“ zu erfinden, so dass wir dadurch feststellen können, wer sie sind und worin ihr Sein vor der „neuen Welt“ besteht. Wie Manche richtig feststellen (und sich äußern wie oben in Punkt 2 beschrieben), wurden die Gestalten ‚des Menschen‘ und ‚des Tieres‘ historisch nicht einfach als sich voneinander unterscheidend, sondern als Gegensätze positioniert. Es ist also naheliegend, dass wenn wir eine Logik generieren, die rekonfiguriert was der Mensch ist (jetzt „der Mensch“), dann müssen wir auch mit der nötigen Rekonfiguration dessen befasst sein, was das Tier ist (jetzt „das Tier/der Anti-Mensch“). Bevor Kolumbus in den Amerikas eintraf, ist es unmöglich gewesen, die Vielfalt sozialer Welten die existierten – in ihren eigenen Begriffen – zusammenzufassen, die nichtmenschliche Tiere (oder immerhin einige nichtmenschliche Tiere) zu ihren Opfern machten. Wir würden viele von ihnen wahrscheinlich überhaupt niemals verstehen, aufgrund der Tatsache, dass wir über keinen internen Zugang zu ihren Sprachen, ihren Arten Dinge zu erfassen, ihren Glaubenssysteme, Kosmologien, usw. verfügen, und wir somit auch ihre Rituale, die nichtmenschliche Tiere sowie andere Menschen beinhalteten, nicht kennen können. Was wir jedoch sicher sagen können, ist, dass Kolumbus und seine Gefolgsleute immerhin aus einer sozialen Welt stammten, in der nichtmenschliche Tiere als moralisch untergeordnet betrachtet wurden, da man glaubte, dass sie keine Seele hätten. Dies wurde immer wieder deutlich kommuniziert, und, die Schlussfolgerung, die in Hinsicht auf die Ähnlichkeit der Ureinwohner mit Tieren gezogen wurde, leitete sich in der Tat von der Annahme ab, dass Tiere keine Seele hätten und somit auch keine Religion praktizieren könnten. Es stimmt, dass in moralischer Hinsicht eine biologische Trennung zwischen Menschen und allen anderen Tieren getroffen wurde, und das nicht nur in Westeuropa. Einige Autoren würde soweit gehen zu sagen, dass das menschliche moralische Leben entstand als Folge der Selbstbetrachtung des Menschen, indem er sich als anders im Vergleich zu allen anderen Tiere empfand und ein spezifisch menschliches Leben kultivierte. Mein ehemaliger Berater Douglas Maclean umreißt solche einen Punkt in seiner Publikation Is „Being Human“ a Moral Concept? obgleich man davon ausgehen könnte, dass sowohl „Mensch“ als auch „Tier“, beide moralische Konzepte darstellen, so wie dies Cora Diamond vorschlägt oder wie vor kurzem beschrieben von Alice Crary in ihrem wunderbaren Buch Inside Ethics [15] (sie alle sind Philosoph_innen). Wie ich bereits zuvor sagte, ich versuche hier nicht zu verneinen, dass nichtmenschliche Tiere durch die Geschichte unserer Spezies hindurch unterdrückt wurden, und dies anscheinend so lange wie unsere Spezies überhaupt existiert hat.

Was zum Kern des Rasse-Denkens geworden ist, das „Mensch“/“Tier“ (bzw. „Anti-Mensch“)-Binär, hat seine Wurzeln also mit Sicherheit in der biologischen Trennung, die wir zwischen uns zu allen anderen Tiere erfahren, und die durch die meisten menschlichen Systeme moralisch interpretiert wurde. Leute haben recht, wenn sie dies hervorheben. Der schwarze Veganismus jedoch geht davon aus, dass das nur die halbe Geschichte ist. Ich glaube, dass eine Feedback-Scheife dazu geführt hat, dass das „Mensch“/“Tier“ („Anti-Mensch“)-Binär genau die Annahmen erweitert hat, durch die es überhaupt ursprünglich zustande gekommen war.

[Grafik: Schwarzer Veganismus: #1 die biologische Mensch-Tier-Spaltung; #2 die soziale Mensch-Tier-Spaltung]

In anderen Worten, wir denken über Lebewesen – viele davon zugehörig zu unserer eigenen Spezies, und über alle Mitglieder anderer Spezies – durch das Konzept „der Tieres/des Anti-Menschen“. Nichtmenschliche Tiere werden nicht mehr einfach unterdrückt, allein weil sie keine Seele hätten. Sie werde stattdessen zu anderen Arten von Wesen und ihre Unterwerfung wird die einer anderer Art, selbst wenn ihre Unterwerfung sich (oberflächlich betrachtet) immer noch in der gleichen Weise manifestiert wie zuvor.

Wir sind insofern auch an eine Art Begrenzung der Erklärbarkeit gelangt, weil wie soll man die Inhalte einen Konzepts beschreiben? Es ist die gleiche Art erklärerischer Begrenzung auf die du stößt, wenn du irgendein anderes moralisch beladenes Konzept versuchst zu beschreiben, so wie „Mutter“ oder „Haustier“. Es wäre vielleicht möglich, aber das Interview ist wohl nicht der Ort, an dem ich es versuchen sollte!

Stattdessen sage ich einfach: die Abwesenheit nichtmenschlicher Tiere in unserem sozialen und moralischen Denken wird viel erklärbarer wenn ich sie durch die Perspektive des schwarzen Veganismus betrachte. Der schwarze Veganismus verdeutlicht das Binär als ein Prinzip, in dem es tatsächlich um Menschen geht, und verdeutlicht die zwei Pole, die die Präsenz des Menschseins (artikuliert durch seine ideale Manifestation, als „den Menschen“) darstellt und die Desintegration und somit die Abwesenheit des Menschseins, des tatsächlichen Zustands des „Anti-Menschseins“ (artikuliert durch „das Tier“). Der Raum des Anti-Menschen ist der Raum, in dem Moralität seine Struktur und seinen Sinn verliert, da kein Wesen mit ihm verhaftet wird. Das Paradox wird somit unvermeidbar: du benötigst Menschen, die keine „Menschen“ sind, damit diese Konzepte ihr moralisches Gewicht erhalten, in der Art wie sie es heute tun. Wir betrachten nichtmenschliche Tiere durch dieses Paradox hindurch – und die Struktur ihres Seins folgt genau dem Muster des Anti-Menschseins. Wenn Du Dir vor Augen hältst was hier wirklich geschieht, so ist dies wirklich beängstigend. Der schwarze Veganismus verdeutlicht, dass die Situation der nichtmenschlichen Tiere in der Tat noch schlimmer ist, als wir vermuteten, zumindest auf der konzeptuellen Ebene. Unser Handeln legt nicht nur die Annahme zugrunde, dass nichtmenschliche Tiere moralisch unwichtig sind, …. wir machen sie unsichtbar, genau in dem Moment, in dem wir sie als Tiere betrachten.

Zuvor immerhin, in der Welt die unsere gegenwärtige Welt informierte – in der Welt des Kolumbus, waren nichtmenschliche Tiere Lebewesen, die über keine Seele verfügten (oder wenn sie Seelen hätten, dann wären diese „minderwertige“, nichtrationale Seelen). Doch das Erscheinen „des Menschen“ verwandelte Tiere von Wesen, die über keine Seele verfügten, zu Wesen die eigentlich nur ein abgeleitetes Gegenteil „des Menschen“ (**) waren. Wir haben es hier also mit einem monumentalen Wandel zu tun. [16] Nichtmenschliche Tiere wurden in ein Setting hinein katapultiert, in dem es alleine darum ging, Behauptungen über die Beschaffenheit des Menschseins anzustellen. [17] Nichtmenschliche Tiere wurden dadurch *humanisiert*. Davor sah man sie als minderwertige aber als grundlegend verschiedenartige Lebewesen. Nun stellten sie eine Grenze auf der Skala von Menschlichkeit dar. Sie musste nun in unserem Spiel mitspielen. Die Feedback-Schleife übernahm die Information der biologischen Spaltung zwischen Menschen und Tieren, in der Art, in der sie unter moralischen Begriffen verortet war, und filtrierte diese Information durch das „Mensch“/“Tier“ („Anti-Mensch“) -Binär, das es in der „Neuen Welt“ schuf, allein um die beklagenswerte Unterlegenheit und Unsichtbarkeit nichtmenschlicher Tiere in neuer und weitaus tragischerer Weise zu bestärken.

Im Bezug also auf die genannten Einwände im Punkt #1 und #3 sage ich nein, ich versuche hier also nicht nichtmenschliche Tiere aus dem Bild herauszunehmen. Im Gegenteil. Außer wir besprechen die ganz praktischen Dinge, können wir nicht über nichtmenschliche Tiere sprechen, wenn wir nicht zugleich auch über Rasse sprechen. Und wir können nicht über Rasse sprechen, wenn wir nicht auch über nichtmenschliche Tiere sprechen. Ich glaube nicht, dass Antirassismus effektiv mobilisiert wird, wenn wir dabei Milliarden von Lebewesen ausklammern, die wir durch ein rassisches Denken hindurch betrachten. Dies zu tun hieße einen beachtlichen Anteil des Narrativs von Rasse zu ignorieren. Das hieße, wir würden Rasse nicht wirklich analysieren. Der Schwarze (Anti-Mensch) ist die Vorlage, über die wir die moderne Auffassung über das Tier denken können. Wenn wir mit Rassismus umgehen wollen und uns von rassischem Denken befreien wollen, was gleichzusetzen ist mit der Aufhebung dieser sozialen Welt, dann müssen wir alle Bereiche betrachten, in denen ein Rasse-Denken vorherrscht und einer dieser Bereiche liegt direkt vor uns auf unseren Tellern.

Hier verdeutlicht sich auch die besondere Zurkenntnisnahme des Mechanismus, der unserer Gesellschaft gestattet, durch die stattfindende Folter und den Mord an den nichtmenschlichen Tieren, die gewöhnlicherweise zur Nahrungsmittelerzeugung verwendet werden, unberührt zu bleiben. Dieser Mechanismus ist möglich durch genau denselben Mechanismus, der uns gleichgültig gegenüber den fortwährenden Angriffen auf schwarzes oder braunes Leben sein lässt. Die Menschen erkennen nicht, dass ihr Mangel an Bereitschaft, sich in Hinsicht auf nichtmenschliche Tiere zu hinterfragen, ein Zeichen des gigantischen Loches ist, welches das Rassedenken in unsere Seelen eingegraben hat. Wir wissen, dass nichtmenschliche Tiere verletzt werden. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, das sie durch dieses Loch hindurch fallen und ihr Schmerz nicht gefühlt wird. Wir sind tatsächlich unberührt.

Der Veganismus soll sich nicht nur mit den tatsächlichen nicht-menschlichen Tieren befassen, sondern er soll sich auch und insbesondere mit dem Narrativ von Tierlichkeit [animality] auseinandersetzen, das verantwortlich für all das Denken, das wir über alles bilden, was wir als Tier auffassen. Seit dem 16. Jahrhundert wurde das Narrativ von Tierlichkeit (oder eher „Tierlichkeit“) direkt als ein analog zum Narrativ vom Menschsein konstruiert – der Inszenierung des westlichen weißen Mannes als idealer Manifestation des menschlichen Wesens. Die Stapel an Literatur, die sich mit der Situation der Tieres befassen und zugleich aber diese offensichtliche Tatsache übersehen, spricht Bände darüber, wie ignorant die meisten Menschen den weitreichenden Auswirkungen von Rasse gegenüberstehen.

Wie auf praktischer Ebene in neuen Räumen zusammengefunden werden kann

Palang: Der Gewinn durch eine Dekonstruktion der Mensch-Tier-Binäre, im Sinne einer das ganze Spektrum abdeckenden Dekolonisierung, ist so grundlegend, dass vollständig neue Einsichten über Tierlichkeit und Menschlichkeit hinsichtlich aller relevanten Variablen und beeinflussenden Faktoren entstehen können. Denkst Du, dass die Gesellschaft bereits imstande ist, Inseln eines neuen Verständnisses von sozialer Gerechtigkeit zu entwickeln, das alles Nichtmenschsein umfasst, im Sinne einer Dekonstruierung kolonialer Ansprüche und Definitionen. Sind wir bereits imstande, Räume als Menschen zu schaffen, in radikal ‚geklärter‘ Art und Weise, in denen wir das Nichtmenschliche anders einbeziehen und es für seine eigenen – die nichtmenschlichen – kulturellen Kontexte schätzen? Ist die Zeit reif um die Mensch-Tier-Antagonismen zu brechen, und wenn nicht, was hindert uns daran, und was könnte dazu beitragen, die dominanten toxischen Einflüsse von Kolonisation und anderen blockierenden unterdrückerischen Faktoren zu enthebeln?

Syl: Ich denke Teile meiner anderen Antworten beziehen sich auch auf diese Frage. Schwarzer Veganismus ist eine posthumanistische Theorie. In Anlehnung an die Wissenschaftlerin Zakiyyah Iman Jackson, identifiziere ich eine bestimmte Vorstellung des vom Menschen als die schuldige in der Geschichte, nicht aber das Konzept des Menschseins an sich. [18] Wenn irgendetwas, dann hoffe ich das Menschsein zu rehabilitieren, indem ich es von dem Narrativ „des Menschen“ befreie. Daraus folgt auch, dass meine Diagnose der Lage nichtmenschlicher Tiere um 180 Grad anders liegt, als die Diagnosen die wir normalerweise hören. Die gewöhnliche Diagnose lautet, dass wir uns selbst mythologisiert haben auf Grundlage unserer Spezieszugehörigkeit. Diese Mythologisierung ist den „Fakten“ in den Weg geraten, was so viel heißt wie, wir sind alle Tiere und wir sind in keiner Weise etwas Besonderes. Die Neigung besteht also, dass eine Dekonstruktion des Mensch/Tier-Binäres eine Herabsetzung der Menschen zugunsten einer Erhöhung der Tiere bedeuten muss. Das ist weshalb Peter Singer von der „Entheiligung“ des Menschen spricht. Viel davon speist sich natürlich aus einem Hang zu den naturwissenschaftlichen Standpunkten. Wenn du dir die Naturwissenschaften anschaust, dann wird klar, dass Menschen über nichts verfügen, über was nicht immerhin eine andere nichtmenschliche Spezies auch verfügt.

Doch wie ich in meinem Kapitel über „Revaluing the Human as a Way to Revalue the Animal” [‚Eine Neubewertung des Menschen, um zu einer Neubewertung des Tieres zu gelangen‘] erkläre, bin ich von dieser Denkweise nicht wirklich überzeugt. Wenn der Mensch (als biologische Kategorie betrachtet) moralisch gewichtet wurde um das Tier (wiederum die biologisch Kategorie) zu benachteiligen, dann ist die Herabsetzung des Menschen zum Zwecke einer Erhöhung des Tiere nicht das passende Korrektiv. Denn das wäre immer noch binäres Denken, außer dass du das Gewicht auf beiden Seiten angepasst hast. Eine Dekonstruktion des Binäres müsste mehr beinhalten als eine Verlagerung der Gewichte. Eine Dekonstruktion erfordert eine Disambiguierung der moralischen Konnotation des einen Begriffes von dem anderen. Vielleicht meinen sie, sie wollten das Gewicht auf unsere geteilte tierische „Natur“ lenken, wobei ich mir niemals sicher bin, was damit genau gemeint ist.

Es geht weiter. Theoretisch gesprochen könnte man, wenn man das Binär wirklich dekonstruiert, immer noch eine moralisch bedeutsame Auffassung vom Menschen haben … man würde einfach nicht die Tiere dafür benötigen, um dieser Auffassung ihr Gewicht zu verleihen! Familienmitglieder funktionieren in dieser Art und Weise. Ich würde Dinge für meine Schwester machen, die ich für meinen Nachbarn nicht tun würden, aber das bedeutet nicht, dass meine Schwester irgendwelche Fähigkeiten besitzt oder über irgendwelche Eigenschaften verfügt, auf die ich hier reagiere, die mein Nachbar nicht hätte. Allein dass ich sie als meine „Schwester“ auffasse, verleiht ihren Interessen ein moralisches Gewicht. Das heißt, einfach zu sagen sie ist meine Schwester, führt diesen Zustand für mich herbei. Ich muss das nicht weiter erklären und jede_r versteht es. Das heißt aber nicht, dass ich mit meinem Nachbarn machen kann was ich will. Ich habe ihm/ihr gegenüber immer noch ebenso moralische Verpflichtungen gegenüber, nur einer anderen Art. Dies ist ein einfaches Beispiel einer moralisch beladenen Auffassung die vertretbar ist, da sie nicht innerhalb eines Binärs besteht. Wenn sie innerhalb eines Binärs bestehen würde, hieße das, dass die Privilegierung meiner Schwester zu Lasten jedes Individuums käme, das nicht meine Schwester ist (oder aber, was auch immer als das „Gegenteil“ meiner Schwester konstruiert wäre).

Dieses Beispiel verdeutlich eine Unterbrechung in genau der Art und Weise, wie die Mainstream-Tierverteidiger_innen die Kategorie von Spezies begreifen, und der Art wie ich diese Kategorie sehe und wie sie auch in der von mir bevorzugten dekolonialen Literatur beschrieben wird. Mainstream Tierverteidiger_innen ziehen eine Parallele zwischen Spezies und Kategorien wie Rasse und Sex, während hingegen die dekolonialen Denker_innen, auf die ich mich beziehe, die Kategorie von Spezies als eine Kategorie von Familie darstellen. Die ersteren denken, dass eine Parallele zwischen all den Fällen besteht, da sie sagen, dass hier identische Mechanismen am Werke sind. Nämlich, eine moralisch beliebig gewählte Eigenschaft wird dazu bestimmt, eine moralische Relevanz zu besitzen: Rasse, Geschlecht und Spezies, respektive. Diese Parallele funktioniert für viele dekoloniale Denker_innen einer bestimmten Richtung nicht (geschweige denn für die meisten gewöhnlichen Leute!). Was für diese Denker_innen das Schlimme an Rassismus und Sexismus ist, ist dass die Mitglieder der Gemeinschaft nicht als Mitglieder der Gemeinschaft betrachtet werden, wobei die Gemeinschaft die Menschheit ist. Und dies ist allein so, da hier die Kategorie „Mensch“ als ein Begriff von Familie gedacht wird, und so moralisch beladen ist, dass wir dadurch sagen können, weshalb Rassismus und Sexismus etwas Schlechtes sind. Die Gewichtung des Menschseins wird nicht durch das Nachzeichnen einer Eigenschaft oder Fähigkeit, die allein Menschen zuzuschreiben wären, abgeleistet. Es ist nichts, das in den Naturwissenschaften beheimatet wäre. Das Gewicht rührt stattdessen von einem sozialen Aspekt des Realität, der eine Funktion unserer subjektiven Eigenerfahrung damit darstellt, dass wir als eine bestimmte Spezies existieren.

In einem Essay an dem ich seit den letzten zwei Jahren arbeite, spreche ich über diesen Unterschied in Hinsicht auf „Spezies-Objektivismus“ und „Spezies-Subjektivismus“. (Der schwarze Veganismus läuft unter dem spezies-subjektivistischen Label. Ich untersuche ihn als einen „Subspezies Subjektivismus“.) Beide Perspektiven stellen Annahmen über die objektive Welt dar und beide Annahmen beziehen sich auf die Seite der nichtmenschlichen Tiere, doch von verschiedenen Blickwinkeln. Spezies-Objektivist_innen beschreiben das Menschsein, indem sie die Menschen von außen betrachten. Aus dieser Perspektive betrachtet, existiert kein moralisch relevanter Unterschied zwischen uns und beispielweise Fledermäusen. Die Anführung dieser Kategorie ist das Gleiche, wie die Anführung einer Kategorie wie Rasse oder Geschlecht. Um ein alltägliches Beispiel zu gebrauchen, würde diese Methodologie einfach besagen, dass der Mann, den ich meinen „Vater“ nenne schlichtweg ein Mann unter Milliarden ist, und dass an ihm, von einer Außenperspektive her gesehen, nichts wirklich besonderes ist. Oder ein anderes hilfreiches Beispiel wäre, das „Lebendigsein“ einfach als eine feststellende Aussage über die Atmung, einen Herzschlag zu haben und so weiter, zu betrachten.

Spezies-Subjektivist_innen hingegen beschreiben einen Menschen aus der Eigenperspektive des Menschen. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet, unterscheidet sich der Mensch definitiv von der Fledermaus, allein aufgrund der Tatsache, dass er ein Mensch ist und keine Fledermaus. Während es wahr ist, dass mein Vater einer von Milliarden ist, empfinde ich ihm gegenüber anders als im Bezug auf Milliarden andere Männer. …weil er mein Vater ist. Es ist nicht weil ich denke, dass an ihm etwas anders wäre. Und es wäre albern, wenn mich jemand versuchte davon zu überzeugen, dass mein Gefühl im Bezug auf ihn falsch wäre, auf der Grundlage dessen, dass er im Vergleich zu Milliarden anderen Männern auf dieser Welt nichts besonderes ist. Oder, um ein anderes sinnvolles Beispiel anzuführen: „lebendig zu sein“ ist nicht einfach bloß eine Aussage über den Akt des Atmens, darüber ein schlagendes Herz zu haben und so weiter, sondern darüber, eine bestimmte Begeisterung im Leben zu empfinden oder mit Schwung zu leben. (Man könnte also „leben“ aber nicht wirklich lebendig sein.)

Spezies-Objektivismus und Spezies-Subjektivismus unterscheiden sich im Grad der Distanz: die eine Position spricht über eine Welt die weit entfernt liegt, und die andere von eine lokal gelegenen Welt. Da wir zumeist nach Antworten schauen, wie wir unser nahegelegenes Leben meistern können, können wir die spezies-subjektivistische Perspektive nicht als „speziesistisch“ verwerfen, noch sollten wir sie als eine die-Welt-erklärende-Sicht abtun. Es wäre als würde man ein Foto der Erde, das aus der Voyager heraus aufgenommen wurde, verwenden, um eine Busroute zu seinem neuen Job zu finden. Die Voyager wurde nicht entworfen um uns Informationen darüber zu liefern, wie man am besten durch die Innenstadt kommt. Wenn du durch die Innenstadt fahren willst, benötigst du Google Maps stattdessen. Während es nützlich ist, die Perspektive des „blassen blauen Punktes“ der Erde zu haben, wie Carl Sagan das wunderschön formulierte, dürfen wir nicht vergessen, dass wir nicht im Universum herumtreiben und die Welt in dieser Art und Weise verstehen. Unsere Füße sind fest auf der Erde verwurzelt.

Wenn eine Darlegung nicht erkennt, dass die Kategorie der Mitgliedschaft zu einer Spezies auch als ein lokaler, familiärer Begriff funktionieren kann, dann kann solch eine Darlegung keine hinreichende und definitiv keine sehr überzeugende sein. Ich betone den Unterschied zwischen „Mensch/menschlichem Wesen“ und „den Menschen“ im schwarzen Veganismus um diesen dualen Aspekt hervorzuheben. Wir wissen, dass „der Mensch“ eine schlechte Idee ist, den er löscht den Aspekt des Menschseins aus, der ein großes Potential hätte eine positiv bindende Rolle zu spielen. Wir sollten „den Menschen“ aufgegeben, und ich bin in diesem Punkte mit Wynter einig, dass wenn solch eine Meistertat erlangt wäre, wir uns am Horizont eines neuen Modus menschlicher Existenz befinden würden, einer, die nicht eines „Anderen“ bedürfen würde. [19] [20]

Ich glaube nicht, dass Menschen, die aufgrund ihres Menschseins zusammenkommen, in einem Spannungsverhältnis zur Tierbefreiung stehen. Ich denke, dass beide Projekte zusammen laufen. Es tut mir also leid sagen zu müssen, dass ich in dem Punkt nicht mit den Mainstream-Tierbefreier_innen übereinstimme, wie eine Dekonstruktion des Antagonismus zwischen Mitgliedern des Binärs (wie Du das gut bezeichnet hast) aussehen würde, immerhin nicht im Punkte der Logik dessen. Sie arbeiten mit einer tatsächlich anderen Sichtweise auf das moralische Leben insgesamt, eines, das ich als etwas verarmt empfinde. Ich denke wir werden immer eine soziale Auffassung darüber haben, was es bedeutet ein Mensch zu sein, neben der bloßen empirischen Auffassung. Ich glaube die soziale Auffassung dessen ein Mensch zu sein, gleicht einem indexikalischen Zeichen, einer Gruppenbezeichnung eines Namens. Indexikalische Zeichen sind unserer Psychologie ureigen und ich sehe kein in ihnen liegendes oder auf ihnen heraus resultierendes Problem. Wir werden immer eine soziale Auffassung über das Menschsein in moralischer Hinsicht haben können, was aber nicht bedeutet, dass hier ein Mensch-Tier-Binär vorliegen muss, auch bedeutet es nicht, dass wird objektiv betrachtet moralisch bedeutsamer wären. Verschiedene Denker_innen habe die Denkrichtungen in der Tierbefreiung dominiert, und es sind ihre Theorien, durch die wir uns hier in unnötigen Knoten verwirren. Wie der Philosoph Bernard Williams sagte, ist es eines zu behaupten, dass Menschen für das Universum wichtig seien, aber es ist eine andere Sache einfach zu sagen, das Menschen im Bezug aufeinander wichtig sind. [21] Ich frage mich weshalb so wenig Menschen diese Wahrnehmung zulassen.

Jedoch all das steht der Möglichkeit der sofortigen Veränderung auf der praktischen Ebene nicht im Wege, über die wir uns alle, die wir auf der Seite der nichtmenschliche Tiere stehen, einig sein können, selbst wenn wir uns nicht über die dahinter stehende Logik einig sind. Eine_r meiner Freund_innen der/die Stadtplanung studiert macht eine interessante Arbeit, bei der sie sich damit befasst, die Bedürfnisse verschiedener Tiere, die allesamt in der Gemeinde und den benachbarten Gemeinden leben, zu berücksichtigen. Die unabhängige Wissenschaftlerin Sue Donaldson und der Philosoph Will Kymlicka haben vor einigen Jahren das Buch Zoopolis: Eine politische Theorie der Tierrechte veröffentlicht, in dem sie verschiedene Arten von Tieren, die in unterschiedlichen Beziehungen zu uns stehen, betrachten, und diskutieren welche Tiere sich in gerechtfertigter Weise als Bürger_innen qualifizieren könnten, usw. Das Buch ist sehr schön verfasst, kreativ und respektvoll gegenüber all den Myriaden an Unterschieden zwischen uns und verschiedenen Arten von Tieren, ihren Bedürfnissen und ihren potenziellen Beiträgen [zur Gesellschaft, usw.]. Im Bereich des Rechts haben wir hier in den Vereinigten Staaten das Nonhuman Rights Project, das sich aus einer Gruppe engagierter Juristen zusammensetzt, die praktisch die Auffassung von Personenschaft wie sie in der Rechtgebäuden operiert, hinterfragen. Sie haben soweit im Sinne von Schimpansen, Delphinen und Elefanten prozessiert. Was allgemeine Veränderungen in der Lebensweise anbetrifft, so kenne ich viele Leute, die verschiedene Arten von Tieren in ihren Häusern/Wohnungen und Gärten aufgenommen haben um Mikroschutzrefugien [Microsanctuaries] zu schaffen, wie der Aktivist und Autor Justin van Kleeck diese Orte bezeichnet. [22] Das spannendste, dem ich begegnet bin, ist eine Arbeit der Medienwissenschaftlerin Anat Pick, die sich im „veganen Kino“ betätigt. [23] Beim veganen Kino geht es nicht, wie man vielleicht denken möge, um Überzeugungsarbeit um Leute zum Veganwerden zu bewegen. Nein, Pick zeigt den zugrunde liegenden Ethos von Gewalt und Konsum auf, der im Blick des Publikums auf einen Film generell liegt. Sie tritt an den Gedanken des Veganismus aus einer wirklich interessanten, abstrakten Perspektive heran. Du erwähntest in einer Frage, die in diesem Interview nicht aufgeführt ist, den Mangel an guten Arbeiten im Bereich Speziesismus in den Medien. Pick ist eine Person, die eine definitiv interessante Arbeit in diesem Felde leistet. Sie hinterfragt, was es heißt mit nichtmenschlichen Tieren zusammenzuleben (mit nichtmenschlichem Leben generell), betrachtet genau vom Punkte des Blickes aus. All dies sind gute Beispiele für die Art und Weisen in denen wir langsam voranstoßen können, um das Leben mit nichtmenschlichen Tieren in einer nicht-ausbeuterischen und gegenseitig vorteilhaften Weise realisierbar zu machen.

Ich bin mir jedoch nicht sicher, was ich über die schwierigen Fälle sagen soll, in denen wir es mit nichtmenschlichen Tieren, mit denen es schwierig oder gar unmöglich ist zu leben, zu tun haben. Der Fall von Schadnagern verwirrt mich besonders. Die Philosophin Elizabeth Anderson, die sich für einen ethischen Pluralismus ausspricht, wenn es um unterschiedliche Arten von Tieren geht, so wie Donaldsons und Kymlickas politischer Pluralismus, erklärt, dass die Tiere, mit denen wir uns irgendeine Art des Lebens vorstellen können, sowohl als nahe also auch als ferne Nachbarn, ein größeres Gewicht an moralischer Berücksichtigung verdienen, als diejenigen, mit denen wir uns nicht vorstellen können zu leben. [24] Schadnager wären solch ein Beispiel. Lindgren (Johnson), eine der Autorinnen, die ich bereits vorher erwähnte habe, äußerte mir gegenüber kürzlich, dass man für einige Schadnager eine Geburtenkontrolle entwickelt habe, um ihre Populationen in befallenen Gegenden zu verringern. Das ist offensichtlich eine mitfühlsamere Methode mit solch einem Befall umzugehen, sie wirft aber nichtsdestotrotz ein moralisches Dilemma auf. Ich sympathisiere also mit Andersons Argument, dass zwischen Kategorien wie Rasse/Geschlecht und Spezies keine Parallele gezogen werden sollte, da Rasse/Geschlecht Unterschiede kreieren wo keine sind (wir könnten theoretisch alle lernen miteinander in Frieden zu leben), während die Spezieszugehörigkeit einen echten Unterschied nachzeichnet (es ist unwahrscheinlich, dass wir mit jeder anderen Spezies, selbst als ferne Nachbarn, zusammenleben können).

Mit Asterisk gekennzeichneter Inhalt:

[*] Ich würde diesen Rat nicht geben, wenn jemand in eine fremde soziale Welt eintritt. Denn das ist ein anderer Fall. Ich gebe der Rat aber in dem Fall, in dem du in deiner eigenen Welt lebst und deine Sichtweise übersehen oder als minderwertig betrachtet wird aufgrund deiner sozialen Verortung in dieser Welt. Wenn man die Realität sozialer Persönlichkeit  beleuchtet, sollte macht dabei achtsam sein, nicht nur die externen/institutionellen/strukturellen Arten zu betrachten, in denen jemand positioniert ist, sondern auch die subjektive Erfahrung dessen, was es bedeutet in einer bestimmten Art positioniert zu sein.

[**] Man sollte darauf achten, den Prozess, durch den alle nichtmenschliche Tiere verändert betrachtet wurden, nicht mit der Veränderung der spezifischen Rolle, die den Menschenaffen zugesprochen wird, zu verwechseln. Im Mittelalter begann man Affen als Abbild des degenerierten Menschen zu sehen, besonders aufgrund irgendwelcher begangenen Sünden für die jemand bestraft werden müsse (siehe das berühmte Werk De Mundi Universtitate des Philosophen und Dichters Bernardus Silvestris aus dem 12. Jahrhundert). Der Affe spielte bereits die Rolle, die er später in der postdarwinistischen sozialen Vorstellungswelt spielen würde, nur nicht in naturwissenschaftlichen sondern auch in theologischen Begriffen. Sylvia Wynter bespricht die Ikonografie des Affen-als-degenerierten-Menschen in “Unsettling the Coloniality of Being/Power/Truth/Freedom: Towards the Human, After Man, It’s Overrepresenation–An Argument” CR: The New Centennial Review, Volume 3, Number 3, Fall 2003, S. 257-337, das an dieser Stelle eingesehen werden kann: https://law.unimelb.edu.au/__data/assets/pdf_file/0010/2432989/Wynter-2003-Unsettling-the-Coloniality-of-Being.pdf [Stand 24.04.2019]. Die Rolle des Affen ist ein sehr frühes Beispiel der Humanisierung eines bestimmten nichtmenschlichen Tieres. Es sollte beachtet werden, dass ich mich eher auf die Humanisierung nichtmenschlicher Tiere auf Ebene des grundlegenden Konzeptes des ‚Tieres‘ beziehe.

Endnoten:

[1] Siehe Aphs Kapitel “Why Animal Liberation Requires an Epistemological Revolution” und “Creating New Conceptual Architecture: On Afrofuturism, Animality, and Unlearning/Rewriting Ourselves” in Aphro-ism im Bezug auf Aphs eigene Gedanken über das Thema.

[2] Wer seine Meditationen bislang nicht gelesen hat, dem empfehle ich dies dringend zu tun, nun wo ihr wisst um was es ihm ging. Es ist eines meiner Lieblingsbücher.

[3] Ich vereinfache hier, aber an dieser Stelle sollte dies genügen.

[4] Veröffentlicht in Human Architecture: Journal of the Sociology of Self- Knowledge: Vol. 11: Iss.1, Article 8.

[5] Man halte einen Moment lang inne und denke darüber nach. Was für eine Denkweise muss jemand haben, um solch eine Schlussfolgerung zu ziehen, bevor er überhaupt jegliche Interaktion mit dieser Bevölkerung gehabt hat, und zudem ohne die geringsten Hemmungen anzunehmen, dass diesen Land (und seine Bevölkerung) nun zur eigenen freien Verfügung stünde! In dem Kapitel seines berühmten Werkes Sapiens: A Brief History of Mankind schildert der Historiker Noah Yuval Harari die Erkundungsreisen des Admirals Zheng He aus der chinesischen Ming Dynastie, die er im Jahr 1405 antrat und etwa dreißig Jahre später beendete. Eine einzige Armada beförderte in der Tat um die dreißigtausend Leute. Zheng He jedoch besuchte schlichtweg verschiedene Länder, er wollte diese nicht „erobern“. Harari bemerkt, dass die Römer und Perser ebenso die über die technologischen Möglichkeiten verfügt hatten, andere Länder zu erobern, es aber nicht taten. Es lohnt sich ihn an dieser Stelle im vollen Wortlaut zu zitieren: „Daran war nichts besonderes. Das Merkwürdige ist gewesen, dass die frühen modernen Europäer das Fieber befiel, in ferne völlig unbekannte Länder fahren zu müssen, in denen ihnen gänzlich fremde Kulturen begegnen würden, und dass sie dort einen Fuß an Land setzten und umgehend behaupteten: ‚Ich beanspruche diese Territorien für meinen König!‘“ Siehe Seite 291. Ich bin dem Philosophen Martin Gibert zu dank verpflichtet, dass er mich so enthusiastisch dazu ermutigte dieses Buch zu lesen. Siehe auch sein Interview mit dem Autor: https://lamorce.co/dou-vient-la-domination-humaine-entretien-avec-yuval-noah-harari/ [Stand 25.04.2019].

Und: die Ermangelung von jeglichem, das einer Religion ähneln könnte seitens einer Gruppe von Menschen, ist im Prinzip keine. Es kann einfach bedeuten, dass sie über etwas anderes verfügen, das die eigene Welt nicht aufweist. Walter Mignolo bespricht diese philosophische Frage in seinem Kapitel „Philosophy and the Colonial Difference“ in Latin American Philosophy: Currents, issues, Debates, Hg. Mendieta, Eduardo (2003).

[6] Damit soll nicht gesagt sein, dass die christliche Missionsarbeit selbst progressiv sei. Ich kommentiere nur die Denkart von Kolumbus im Vergleich zu seinen Zeitgenossen bezüglich dessen, wie die Vereinigung der Welt hätte aussehen können: „Ich – damit wir eine tiefe Freundschaft aufbauen können, denn ich wusste, dass sie ein Volk waren die durch Liebe viel einfacher befreit und von unserem heiligen Glauben überzeugt werden könnten, als durch Gewalt – ich gab ihnen rote Kappen und Glasperlen, die sie um den Hals tragen konnten und viel anderes von geringem Wert, was ihnen große Freude bereitete und sie so sehr zu unseren Freunden machte, dass es erstaunlich war. [110] und „Sie kennen keine Religion und ich glaube man kann sie sehr einfach zum Christentum konvertieren, denn sie sind sehr intelligent gewesen.“ [119] Siehe Journal of the First Voyage of Columbus in der Wisconsin Historical Society Digital Library and Archives http://www.americanjourneys.org/pdf/AJ-062.pdf [Stand 25.04.2019]. Die gleichzeitige Gegenwart von Schönheit und Schrecken bei diesen ersten Interaktionen zwischen Columbus‘ Gruppe und der eingeborenen Bevölkerung kann kaum verneint werden, wenn man such Auszüge aus seinem Bericht durchliest.

[7] Siehe ihr Kapitel „What does it mean to be Human?” in Sylvia Wynter: On Being Human as Praxis. Hg. Katherine McKittrick. Duke University Press (2015).

[8] Es gibt viele interessante Dinge, die man an dieser Stelle über wesentliche Unterschiede zwischen der Unterwerfung von Menschen und der Unterwerfung nichtmenschlicher Tiere sagen könnte. Meine gute Freundin, die finnische Künstlerin Terike Haapoja, die zusammen mit Laura Gustafsson verantwortlich ist für The Museum of Nonhumanity [ http://www.museumofnonhumanity.org/ Stand 25.04.2019], bemerkte, dass der Widerstand nichtmenschlicher Tiere gegenüber der Unterdrückung durch Menschen, immer stärker sein wird als unsere eigene gegenseitige Unterdrückung, genau aufgrund unserer Unfähigkeit vollständig zu kontrollieren wie sie die Welt betrachten, sich selbst und wie sie uns sehen. Das heißt sie verfügen über eine epistemische Resilienz.

[9] Als der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, Latinos als „Tiere“ bezeichnete, war er keine guter Biologe, sondern er machte eine sozialrelavante Behauptung.

[10] Siehe beispielsweise Lindgren Johnsons Race Matters, Animal Matters: Fugitive Humanism in African America (1840-1930) Routledge (2017). Lindgren und ich sehen ihren Text als auf der Linie des schwarzen Veganismus liegend.

[11] Siehe Wynters Artikel „Towards the Sociogenic Principle: Fanon, The Puzzle of Conscious Experience, of ‘Identity’ and What it’s Like to be ‘Black’” für ihre Diskussion über menschliche Andere: http://coribe.org/PDF/wynter_socio.pdf [Stand 25.03.2019]. Das ist unter anderem auch der beste Artikel, den ich in den letzten zehn Jahren gelesen habe. Ich glaube es ist auch der Artikel, den man lesen muss um Wynters Arbeiten kennenzulernen, denn sie erklärt hier warum Fanon so wichtig ist, und ihre Begeisterung über Fanon und das schwierige Problem des Bewusstseins zu verstehen, versetzt ihre Arbeit, das Gesamtbild dessen, in Perspektive.

[12] Manchmal machen People of Color den Witz, dass es wahrscheinlicher ist, dass nichtmenschliche Tiere moralisch anerkannt werden, bevor sie es werden. Ich glaube nicht, dass das stimmt, doch von einem theoretischen Standpunkt aus gesehen ist es wahr, dass „der Mensch“ die nichtmenschlichen Tiere nicht braucht um das Andere zu konstituieren – er benötigt dazu nur andere Menschen.

[13] Ich borge die Terminologie des „Anti-Menschen“ von der afropessimistischen Tradition, obgleich ich nicht behaupten würde diese Tradition zu repräsentieren.

[14] Eine alternative Sichtweise bietet Claire Jean Kim, die stattdessen davon ausgeht, dass wir den Menschen, das Tier und Schwarzsein als eine Triade eher statt als einem Binär sehen sollten. Ich stimme dem nicht zu, denn ich denke, dass die Herangehensweise der-gesamten-Tradition-des-Einsatzes-von-Tieren mit der Herangehensweise der heutigen-neuen-Welt dadurch zusammengepackt wird, und dass durch die Auflistung von beidem, des Tieres und des Schwarzen, die Redundanz dessen übersehen wird. In anderer Hinsicht entspringt unsere Arbeit aber den gleichen Geiste. Siehe ihren Artikel „Murder and Mattering in Harambe’s House“ in Politics and Animals, Vol.3 (2017).

[15] Siehe Macleans Artikel in Philosophy and Public Policy Quarterly 30 (3/4):16-20 (2010); für Diamond, siehe “Eating Meat and Eating People.” Philosophy, Vol. 53, No. 206 (Oct., 1978), pp. 465-479.; für Crary, siehe Inside Ethics, Harvard University Press (2016).

[16] Wie Mark S. Roberts bemerkt „[ist] das Tiere direkt im Menschen platziert.“ Siehe The Mark of the Beast: Animality and Human Oppression (New Directions in the Human-Animal Bond), Purdie University Press (2008): 20.

[17] Die Evolutionstheorie war bei diesem wesentlichen taxonomischen Wechsel unverzichtbar. Sie war für den Wechsel nicht verantwortlich, jedoch die vorherrschenden Sozialdynamiken stellten sicher, dass sobald Darwin einen überzeugenden Beweis für die Aufhebung eines Unterschiedes zwischen Mensch und Tier liefern würde, die Tiere im Bezug auf Attribute des Menschen eine Rolle spielen würde.

[18] Siehe ihre Veröffentlichung “Animal:  New Directions in the Theorization of Race and Posthumanism”, Feminist Studies 39, no.3 (2013).

[19] Einige unserer Leser_innen meinten, dies würde bedeuten, dass wir uns selbst überhaupt nicht mehr als Menschen bezeichnen sollten. Das denke ich aber überhaupt nicht. Ich finde nur wir sollten aber weder danach streben oder noch von uns selbst als „den Menschen“ denken.

[20] Die Geschichte ist komplizierter als ich sie schildere. Was uns gestattet aus der Schleife eines weiteren, aber gleichermaßen schadvollen „Menschseins“, das sich auf einem Anderen begründet, zu entkommen, ist die Vertrautheit mit dem Gesetz, das unser Bewusstsein steuert, von dem Wynter ausgeht, dass es das soziogenetische Prinzip sei – ihre Interpretation von Fanons Vorstellung von Soziogenität. Sie beschreibt, dass unsere Entdeckung dessen, woraus dieses Gesetz besteht, uns die Kraft gibt es in unserem Sinne zu nutzen, so etwa wie die Entdeckung physikalischer Gesetze. Siehe den Artikel von Wynter, den ich zuvor angeführt habe. Ich werde dieses Thema in dem Interview nicht weiter besprechen, das soziogenetische Prinzip bildet jedoch den Mittelpunkt des Essays, das ich zur Zeit verfasse.

[21] Siehe sein Kapitel “Theory and Prejudice” in Ethics and the Limits of Philosophy. Harvard University Press (1985): 118.

[22] Siehe seinen Text “Microsanctuaries: A Micro-Manifesto”: https://strivingwithsystems.com/2016/08/06/microsanctuaries-a-micro-manifesto/ (Stand 25.04.2019).

[23] ‘Vegan Cinema’, Thinking Veganism in Literature and Culture, ed. by Emelia Quinn and Benjamin Westwood. Oxford: Palgrave, 2018, S. 125-146. Ich danke Lindgren dafür, mich auf Picks Arbeiten vor kurzem aufmerksam gemacht zu haben.

[24] Siehe “Animal Rights and the Values of Nonhuman Life” in C. Sunstein & M. Nussbaum (Eds.), Animal Rights. Oxford: Oxford University Press. (2004a).

Kontakt

Syl Ko kann kontaktiert warden unter ‘sylko [at] protonmail [dot] com’.

Tierautonomie

Herausgeber_in: Gita Yegane Arani, www.simorgh.de – ‚Open Access in der Tier-, Menschen und Erdbefreiung’. Revised 05/2019.

Zitation

Ein Interview mit Syl Ko (2019). TIERAUTONOMIE, 6(2), http://simorgh.de/tierautonomie/JG6_2019_2.pdf.

TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)

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An Interview with Syl Ko

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Jahrgang 6, Nr. 1, Art. 1, ISSN 2363-6513, Februar 2019

An Interview with Syl Ko

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Activism in terms of an epistemological revolution

Palang: You have phrased and drafted a comprehensive philosophical and sociological approach to crucial questions of nonhuman animal and human oppression and the oppression of the natural in Aphro-ism. The fundamental approach supports an, as you call it epistemological revolution. How do you think can each one of us bring ourselves into action and discourse an become visible in context with newer approaches that seem to not be fitting the predominant patterns of the discussions so far? Not everyone feels able to write what she/he thinks and yet the individuals have awesome critical and constructive approaches, in other words I feel people who would endorse a fundamental revolution stay invisible particularly in terms of Animal Liberation (in context with the human and nature complex) since the majority the AR/AL movement still hold up the humanity-animality-binary view by not (yet) making the very epistemological ethical leaps or moves that are necessary. How could we tackle invisibility in these mainstreams or how could we become more distinct, in other words which approaches in activism do you think seem helpful to go the path of an EPISTEMOLOGICAL REVOLUTION?

Syl: Thank you, palang, for your incredible and insightful questions. The reader should be aware that you and I are corresponding in two different languages so there may be a few minor translation errors. I haven’t noticed any that disrupt the core content of our conversation. Also,  I should mention from the start that I’ll address each of your questions on my own behalf as I cannot speak for Aph. (1)  As you can see in Aphro-ism, we don’t agree on a few points, so my words here should be taken to represent only my own views on these matters. With that being said, let’s talk a little about the epistemological revolution.  Epistemology is a word not used in ordinary talk, so I’d like to take a step back and briefly fill out the picture a bit.

Everyone has some familiarity with epistemology even if you’ve never heard or used that word before.  For instance, everyone has wondered at some point:  how do I really know if I’m not dreaming right now?  Is there some infallible test that would tell me whether I am awake or dreaming?  That is one of the most famous and enduring epistemological questions ever asked, most famously by the philosopher Rene Descartes. Descartes did not pose this question as an empty exercise in mental flexing. Rather, he was trying to save science! In his time, the prevailing scientific view was that of the Scholastics, a school of thinkers influenced by Aristotelian thinking. Very crudely put, the Scholastics believed that explaining the behavior of physical phenomena, such as an apple falling to the ground, involved something more than what we now call physical laws. They thought the apple possessed its own soul-like substance that “willed” the apple to the ground.

Descartes was rightly concerned about such claims. He believed it was silly to think the apple moves toward the ground due to its having a willing soul and, more importantly, was concerned that such a claim was grounded in speculation as opposed to something that is true and justifiable. The kind of claims the Scholastics were making were not certain, and uncertain claims make for a bad science. (By the way, the word ‘science’ comes from the Latin ‘scientia,’ which means an indubitable truth. The natural sciences and philosophy emerged as one project.) We don’t want to build scientific laws on shaky foundations for the same reason we don’t want to build our homes on sand. So, Descartes set out to determine whether there was anything one could really ever know and start from there. If we can find at least one thing for which we can say we have true and justified belief, we can use that case to determine what are the criteria for having true and justified beliefs – knowledge- in general. And that is why he started with questioning the very foundational claim we take for granted every day that is the assumption that ordinary, perceptual experience is real! (2)

For another easy example of our familiarity with epistemology, just think of a time you’ve been in a squabble with someone and they told you, well, that’s just your opinion!  And you responded with, it is not just my opinion- I know it to be true! Here we have a clear epistemological distinction being set out that, despite the disagreement at hand, both participants will clearly agree on: first, there is a discernible difference between having an opinion and knowing something and, second, knowing something is superior to merely having an opinion about it. Every time you are dealing with these kinds of fundamental questions and discussions about the very nature of knowledge, you are doing some epistemology, even if only informally. I take great pains to go into these details because I want to impress that epistemological questions are not pointless, mental masturbatory fodder. Rather, they carry immense weight and have informed most, if not all, major cognitive shifts throughout human history.  So, I want your reader to understand why that is.

But many things that can be known are actually fictions of our own making. As a result, they are not fixed or static over time.  We tend to think of reality as that which the natural sciences give us information about. But many thinkers disagree. Understanding or knowing something about reality boils down to gathering information not only about the physical world but also the social world, which is purely fictional but, because we all participate in it, it is also real in a different way. Some thinkers, especially in the decolonial tradition,  stress that if it is true that physical and social reality work together to give us the objective world, then different social realities in the same physical world give us different objective worlds. What is it know something is contingent upon one’s social world. Therefore, what it is for something to be a true and justified belief is not an individual achievement, but a collective one.(3)

Consider the following example. The scholar Ramon Grosfoguel notes in his article “The Structure of Knowledge in Westernized Universities:  Epistemic Racism/ Sexism and the Four Genocides/ Epistemicides of the Long 16th Century”, within hours of arriving at what he thought was India, the explorer Christopher Columbus concluded that the indigenous people living there lacked a religion.(4)(5) Columbus was not evil to draw this conclusion; rather, he did what we do all of the time: we think within the terms of the social world that we know. In Columbus’ social reality (which was a fiction specific to his region), what it was to possess a religion looked a specific way. For instance, religion was probably monotheistic, associated with particular rituals that would call to mind worship, having certain codes of dress, and so on.  The very conception of religion Columbus was working with in general was very provincial. If the people he encountered in the Americas had a religion, he would not have even known it, unless he would have taken the time to gain internal access to their practices.

There’s another thing worth mentioning. Why did it matter whether the indigenous people had a religion? Well, in Columbus’ social world, all humans had a religion because all humans had a soul. (Notice this is another huge epistemological leap. But from the internal perspective of his world’s way of knowing it was completely logical.) Maybe some of the religions were the wrong religions (in those days, Judaism and Islam were wrong religions and Christianity was the right religion) but religion must appear wherever humans appear. So, when Columbus and his team concluded that the people he encountered were without a religion, it made sense- it was truly logical- to draw the further conclusion that there is something not human about these people. According to his social world, and the epistemology that molded it, it was a true and justified belief. Do you know what the very first philosophical debate was in the “new world”? You probably guessed it: whether or not the indigenous people should be thought of as having souls, or, in other words, whether or not they were properly “human.”  For this reason- and this is going to sound strange- Columbus was extremely progressive for his time: he thought anyone in our species could be converted to Christianity, which means that, unlike many of his peers, he thought all humans were properly “human.” (6)

Grosfoguel tracks the subtle but disastrous epistemological shift that occurred during these debates: facts about one’s religious beliefs, or lack thereof, were transformed into facts about the degree of one’s humanity. Do you see what happened there? What was once knowledge about, say, the status of Judaism or Islam in the 15th century- namely, that they are “inferior” religions- now, in the 16th century, was knowledge about the people who practiced those religions– namely, Jews and Muslims are inferior degrees of ‘human.’  He refers to this epistemological shift as one that moves from the theological mode to the anthropological mode.

Thus, for context as to what is an epistemological revolution, here we have the first *epistemological revolution* that occurred in the “new world.” The western European explorers were not merely seeking to conquer land all over the planet. More importantly, they wanted to epistemologically conquer all people in the world. That translates to: what will be true for the indigenous people is what is true for people in Columbus’ world.  (Columbus was explicit about this: he wanted the whole world to practice Christianity. In fact, he was fanatical about it.) You can see why this is a problem. What was true for Spain was not true for the indigenous people. As decolonial scholar Walter Mignolo notes, the indigenous people surely did not understand themselves as subhumans on the day that Columbus and his team arrived.(7) Their world, and so their epistemology, was starkly different. To conquer people, you cannot just take away their land. You must also rip from underneath them their very ways of knowing the world, themselves, and others. And you must ensure that people’s future generations are indoctrinated into your way of understanding and knowing the world, themselves, and others. This is why Grosfoguel and so many other scholars/activists emphasize the always-present practice of book burning in the conquest of lands and people, or, as they call it epistemicide. (And for scholar Silvia Federici, the burning of women, who transmitted knowledge orally rather than through books, so their bodies/minds, as the houses of that knowledge, were burned.) With genocide comes epistemicide. If you can control how a people understand the world and themselves (and you!), and you ensure that control is replicated in the future ad infinitum, you have conquered them.(8)

We’re now in a position to connect the discussion to the general agenda in Aphro-ism in which a micro- epistemic revolution is spelled out. We’re not simply pointing out that different kinds of people are missing in the conversation about what’s happening to nonhuman animals. That is one construal of invisibility, but it is not one I focus on. There is an invisibility missing from the conversation about invisibility. All of this talk about ‘humans’ and ‘animals’ that we take for granted in discussing the horror of what is happening to nonhuman animals assumes a particular formulation of reality that is specific to only a very small group of people. According to their worldview, “human,” “animal,” and related terms are assumed to refer to literally biological human beings and biological nonhuman beings. At most, such terms may have some symbolic import as well. And, so, according to this worldview, the “right” way to understand animal oppression and the constant disregard for animal bodies and lives is simply a matter of “speciesism,” or our species exercising species-supremacy.

But for those of us positioned in the social world radically differently, most of us with histories in which our kin was/are not considered “human” or were/are considered “animals,” in which we are not really considered “human” or are considered “animals,” this mere biological rendering of these terms rings false. We know that terms like “human, “”animal,” and related terms are above and beyond biological specifications and that our modern usage of these terms are internal to a global project that sought to claim human beings exist in degrees.(9) That means, if we want to participate with the mainstream criticism of animal a/buse, we have to pretend the world as we know it does not exist. We have to pretend that we don’t know being considered “human” matters morally even for beings who are members of the species homo sapiens. We have to pretend that outgrouping many groups of human beings as “subhumans” or “nonhuman” is not really that bad because, hey, being “human” isn’t special anyway. . . and appealing to “humanity” is speciesist. Do you see what’s going on here? Our way of understanding the world is completely invisible such that we cannot even discuss this issue in our own terms without everyone taking up arms to ask, what does this have to do with animals??  They are not asking this question out of interest. They are asking because we are stepping outside of the epistemic lines that have been drawn that parallel their worldview. As they see it, if they do not understand the world in such a way, it cannot be true.

The epistemic revolution, then, is taking this invisibility to be a site of productive knowledge. That is, instead of shying away from or suppressing our way of understanding and knowing the world- and ourselves and others in it- to fit in with the “normal” way of understanding and doing things, we use this invisibility to produce an account of whatever phenomenon we’re interested in to convey an aspect of reality that the “normal” way of doing things has not and cannot reveal. That is why I describe this kind of invisibility as a superpower. We have access to a part of the objective world by way of our position in it that others, no matter how privileged, do not and cannot have. So, we have something novel to say because of the way these words- human, animal, etc.,- operate in the world as we have experienced them.

My advice, then, is don’t divorce yourself from your own worldview. (*) What would happen if we constructed an account of animal torture and murder- which is our food/ medical/ beauty/ etc. industries- using the resources at our disposal? What if we, as black and brown people, constructed an animal ethic generated from our experience of being cast as the antithesis of the ideal human, (“the Human”)? What would it look like to resist the narrative of the “Human” with the added advantage that we are already the farthest thing from “Human” there is in our social world? We have a very different understanding of the terms at play here and we have access to the subjective experience of being ‘animalized’. What would happen if we took those as positive tools to not only liberate ourselves but also to lend our aid to another group of beings at the same time in a way different than what the mainstream route can offer? Black Veganism is my way of trying to provide an answer to these kinds of  questions. . . (I return to Black Veganism in a later answer below) but I’m sure there are other approaches too. I don’t care so much about there being different kinds of people representing veganism as much as I care about there being different kinds of veganism.

If you happen to be one of the few that is positioned as a member of the norm, you are welcome to join us. There is nothing about Black Veganism that is exclusive to black or brown people.(10)  It is not an identity movement. We use “Black” to signify the structure of anti-black racism since race is a structure, not a mere skin color or identity. But if it makes sense to you to stick with the mainstream way of doing things, that is fine too. The mainstream grasp of animal oppression is fine and good. I am only pointing out that it does not capture every aspect of why “the Animal” is an inferior notion, and so it helps nonhuman animals to encourage the development of more and more views that aim to highlight other sides of animal oppression, and so other ways of understanding animal oppression, that have not yet been made visible. Some of our readers have the ridiculous idea that we want people to stop reading Peter Singer or that we want to denounce advocates who are going down a more traditional route, such as fighting to gain legal rights for nonhuman animals, etc. I suggest no such thing. I have immense respect for anyone using whatever means at their disposal to address this problem. As I stress in Aphro-ism, we have to get over the idea that there is only one way of doing things or that we will agree every time on either a philosophical or practical level about what is the best way to lend our aid to our fellow beings. This problem stretches across every aspect of our society so we need people fighting from every corner.

How to “fit in” or “not fit in” as an activist

Palang: Plurality and empowerment have a lot to do with the emancipation of thought, i.e. with the fact that we are not dependent on intellectuals or any groups of people who seem to be regarded as thinking elites within our societies. We all need to think for ourselves and we are the most powerful resource for a plural fruitful discourse. Yet a comprehensive empowerment of each one of us (as activists) seems not to be asked for in the structures of many groups and organizations, at least there seems to be little space that people grant each other for standpoints, observations and experiences. Many activists even give up on their activism, because they feel no one is interested their individual contributions. Do you think the “classical” group dynamics (hierarchical thinking, for example) can pose a problem in activism and does it make sense in your point of view to go one’s paths at least partly alone too? And finally: is individual activism equally valuable in your eyes, when someone doesn’t find a constructive basis with fellow activists?

Syl:  I’d advise against basing your beliefs and life projects on whether others value it. If you look at history, most world-changing ideas were not appreciated in their time and the people behind those ideas kept on trucking anyway. They really believed in what they were doing. No amount of derision or humiliation from either their peers or those whose minds they were trying to change could stop them. In fact, the more revolutionary your project is, and the more potential it has to really change things, the less likely you’ll find many friends or supporters. That makes sense. People are scared of change, even those who say they want it. Many people do not realize that one minor change they want cannot occur unless lots of major changes are made too, and that makes them uncomfortable. So, they will make a pretense of making change when really things stay the same. But of course they are celebrated because they didn’t make anyone challenge anything about themselves or their world. Most of all, the activist did not challenge him/herself. Everyone gets to stay comfortable.

Also most people think in the same patterns or they draw on the same ideas. Great people who make change, even in just small ways, tend to think outside the box. Such thinking usually strikes others as weird or irrelevant because they don’t understand it. It’s too different. You can pretend to be excited by what everyone is saying so that you are included in their projects. Or you have to accept that you’ll probably have to work mostly alone if you don’t want to abandon your ideas or if you want to adopt new ideas outside of the ones the group already relies on.

If you want to make big change and you’re zealous about it, people might even think you’re crazy. You could lose your friends or your job. You may even go to jail. Socrates, who is now considered the exemplar of a great critical thinker, was imprisoned and given the death penalty. That’s right: Socrates was a criminal. Why? Because he “corrupted the youth.” He thought in a different way and wanted other people to change how they think too. He influenced young men who were supposed to care about continuing in their father’s footsteps in prestigious careers and adding to their family’s wealth to care instead about being good people. So, Socrates was sentenced to death. He didn’t care. He gave a lecture about the very things that brought about his criminal charges during his defense trial. Even when he was on death row waiting for his final day, he gave lectures to his students who came to visit him. He lectured literally up until he had to drink the poison.

Socrates never received material rewards or positive recognition in his day for relentlessly trying to influence his fellow citizens to change their lives toward the search for the good. Socrates wore the same clothes every day, was considered annoying by all of the eminent thinkers of his time, and with the exception of a handful of followers (the equivalent of a small entourage of undergraduate students!) had no one who wanted to engage with his ideas. His project was to gain knowledge of the good and this became a very of his very character so his reputation or fitting in did not matter to him.

I think that is a more useful image of activism to follow than what we have floating around today. As I see it, activism- if you must use the word-  should be a kind of obsession with trying to be a good person, which has little to with your image, how anyone receives you, or if you belong to a group, or whether you witness any change from your efforts. It is a self-sufficient enterprise. All you need is the desire to be good and if you allow that to consume you, you will not care anymore about whether or not you are recognized, respected, or if anyone listens to you. That goes for life outside of activism as well, by the way.

So, I do not look at the output as what is reflective of good activism, whether that output is from the individual or from a group/organization. Even if an activist or group of activists succeed in accomplishing a mission, without good hearts and souls in society that mission can easily be reversed in  a short amount of time. The emphasis should be on making sure we are right on the inside, nurture the moral sensibility that is vital for a meaningful existence, and allow that energy to flow into and shape the world, whatever that will result in. What may resemble progress now may really be a nightmare in the long-term and vice versa. We don’t know what’s going to work or what is best. We can only operate from good intentions and leave it at that.

And if you’re considered a loser throughout your lifetime because of your mission, even by your more “accomplished” activist peers, you can’t get funding, and no one pays attention to you, don’t feel bad. Socrates was considered a loser too. You’re in good company. Just stay the course!

The new discourse itself in the general public

Palang: Your and Aph’s thoughts, your approach is full of deep insight in ethical, political and social clarity and you are making the epistemical revolution that you speak about reality with the discourse you initiated. As an activist inspired by your theses and thoughts I gather the impression that your ideas bear great relevancy for the discourse with people outside of the Animal Right/Animal Liberation and vegan movement. Could you imagine that a plurality in the discussion about Animal Liberation etc. can be inspired in the general public independent of dynamics of a ‘mainstream reception’ in the AR/AL vegan movements itself? Is the movement itself always really the best informed and most open minded place when it comes to dismantle narrowminded views about animality and humanity?

Syl: I firmly believe discussions surrounding nonhuman animals, particularly ethically/ politically/socially, can be paired with any ethical, political, and/or social discussion, and so whether those discussions occur within a space devoted explicitly to nonhuman animals or whether self-identified “animal advocates” approve of such discussions is irrelevant. This isn’t about them. This is about how do we successfully get the public to, first of all, acknowledge that what animals face is a legitimate problem for animals (and for us), and second, have that acknowledgment somehow dramatically materialize into action that changes the conditions in which animals are forced to exist.

Aphro-ism proposes that discussing animal liberation within the confines of the terms of “the movement” is nonsensical. The movement is focused on a small sliver of the wide range of ideas that sustain animal ab/use. Ideas of humanity and animality, however they are construed, are central to literally every present human oppression. And, in turn, ideas surrounding what we ordinarily take to be human oppressions are present in animal oppression. All of these things are linked. So, it stands to reason that if we want to see the big picture in any of these oppressions, which is really the same picture from different angles, we will need to connect these dots.

The way we connect the dots in Aphro-ism is by showing everything leads to the construction of the Human. Not humans, but the Human, the presumed “ideal” manifestation of what it is to be a human being, its most recent iteration being that invented in 16th century Spain. Some of the best literature I’ve read in the last few years that I think can work on the side of animals is not coming from people or fields focused on nonhuman animals. We must continue branching out of the box if we will ever wrap our minds around what is really going on. It is beyond a mere species prejudice. This is huge.

I think Black Studies and other ethnic studies programs are where I see the most potential in terms of expanding the discussion. You have to remember that black and brown people came to represent the “opposite” of that which is Human, subhumans. For a long time, that was a bad thing. Being “Human” was supposed to be the pinnacle of existence while being “subhuman” was to your disadvantage. But after years and years of clawing our way out of the hole that was dug for us, the white western empire is starting to lose hold of its control, not to mention the planet is in peril because of that empire and its influence across the globe. Now I see it as a good thing that we- as black people- were forced for so long to stand in opposition to the Human. We did not become them because we could not be them. By definition, we were excluded from the category as its contrary. We are by definition already anti-Human. So, it is no surprise that the most exciting stuff coming out that has incredible potential for pivoting our ideas about humans and animals and resisting the toxic narrative of the Human will come from works born from that contra-Human psyche. For those of us on the side of nonhuman animals, we need to keep our minds open and draw on that literature to apply to our advocacy instead of assuming the only works that are applicable are those that explicitly mention nonhuman animals or come from the mainstream “Human” tradition.

Oppression and History

Palang: Is the “problem with humanity” a consequence of colonization and our inner colonization and of white supremacism? What role do oppressive cultures in the antique and ancient times play in context? How does the history of oppression that dates back connect with the system of white supremacy, arrogance and ignorance; in other words can we contextualize oppressive forms in cultures to understand different mechanisms of oppression?

Syl: Is the problem of humanity the consequence of colonization/ white supremacy? Yes and no. Obviously, western colonization did not cause human beings to start using and abusing nonhuman life nor is western colonization responsible for a particularly exclusive moral conception of being human. Anyone who asserts that western colonization caused animal oppression or introduced for the first time a morally exclusive idea of ‘the human’ is completely oblivious to the history of our species and should stop talking immediately and read more history. Go read some Aristotle if you don’t believe me. . . he existed long before Spain decided to expand its empire.

But, as I see it, western colonization did determine the problem of humanity, and so, the a/buse of nonhuman animals. We must tread the water carefully now because this assertion seems to suggest that a later event (western colonization) is bringing about an earlier event (nonhuman animal subjugation), which is impossible. I do not investigate the situation of western colonization for the purpose of explaining or interpreting attitudes and actions that occurred prior to western colonization. Rather, I wish to explain that attitudes and actions prior to western colonization transformed into drastically different things with the onset of colonization, despite their (superficially) identical manifestations.

The persecution of Jews and Muslims occurred before Columbus and his team arrived in the Americas. So, the subsequent colonization of the Americas, which gave rise to an epistemological order that submerged the native “beneath” the western European man on the scale of Humanity could not have caused the persecution of Jews and Muslims. A later event cannot cause a prior event. However, the new epistemological order whose chief operation was to rank degrees of Humanity, in turn, came to determine what the persecution of Jews and Muslims would come to mean and what being a Jew or a Muslim would become. That is, how one would come to understand Jews and Muslims was directly shaped and informed by the new knowledge system being crafted in the “new world.” As I mentioned in my answer to your first question, following Grosfoguel, the persecution of Jews and Muslims was initially understood to be a matter about practicing the wrong faith. Jews and Muslims were murdered, exploited, and pushed from their homes to foreign lands if they did not convert to Christianity because of the presumed inferiority of their religion. But after Columbus and the debates surrounding the Humanity of the indigenous people, disagreements about religion (or the lack therof) were no longer simply about theology. Now, this was about whether or not you were a “full” human!  Of course, Jews and Muslims were still being persecuted but now it was a matter of their being persecuted because they were subhumans on account of their religion. On the surface, the exploitation, expulsion, and murder of these groups looked the same pre- and post- “new world.” But really they were substantially two different things. Jews and Muslims were no longer simply people who practiced the wrong faith. They were not people. And *that* then was the ground for their subjugation. Grosfoguel describes these events as a “boomerang effect.” So, even though the events occurring in the “new world” did not cause the subjugation of Jews and Muslims, they determined what the subjugation of Jews and Muslims consisted in and determined the new identity of “Jew” and “Muslim” moving forward. What it is to be a Jew or a Muslim is, post-new world, to be a different sort of being altogether.

So, again, analyzing the events in the “new world,” which is the starting point of the social world we inherited, cannot explain the persecution of Jews and Muslims, say, in the 15th century per se. That is not the object of the analysis anyway. Rather, analyzing these events helps us glean why their persecution today differs substantially from the 15th century and, thus, gives us the tools we need to address their persecution, and anti-semitism and Islamophobia generally speaking, today. Thus, a useful distinction here is that between logical and temporal order or priority. There is no doubt that the subjugation of a group of beings over time is informed by the conditions of the subjugation they suffered in the prior time period. But that is not to say the subjugation of a group of beings over time is necessarily informed by the logic of the subjugation they incurred in the prior time period.

This sets the stage for my view, Black Veganism, which argues that nonhuman animals are raced and we should understand their subordination as a racial phenomenon. As I said, I am not trying to take stock of the entire history of human beings ab/using nonhuman animals. That is one crucial difference between the ethic I propose and views you’re probably more familiar with, which makes my position quite heterodox and- unfortunately- subject to massive misinterpretation. I don’t deny it is necessary to look at the history of human beings ab/using nonhuman animals, but to conceptualize their current condition and a roadmap leading to an escape from that condition, demands recognizing that their current condition is a property of the logic of the current, modern world, which is the logic of race. To think otherwise is to dilute their condition in the haze of history.

Again, the logic of the current, modern world emerges when the debate about the humanity of the indigenous people in the Americas starts and is concretized when African slaves appear on the scene. Race came to be “epidermalized,” as Franz Fanon puts it, but race is fundamentally a globally instituted system that tracks degrees of Humanity and is necessarily reflected in the institutional makeup of the world. It is not true then that race and racism have always existed. Prejudices based on identity have always existed. Discrimination based on the same has always existed. But race is a novel idea.  Race is a very specific system that did not and could not exist prior to a small group of people declaring they wanted to literally take over the whole planet and homogenize it under their self-image. That is key. Race-thinking is the global foisting of a local self-conception, for in order to succeed at such an aim, one must colonize the very concept of ‘human’ in one’s favor.

Now, what happens when you have a very small group of people declare they are the true humans (“Humans”)? This is where some work by Sylvia Wynter is crucial and I build on her account by adding considerations about the animal. (11) One must have analogous groups that come to embody what it is to fail to be Human, lest the banner of “true humanity” leads to a vacuous doctrine. But to fail to be Human is not to be a nonhuman animal. There are two reasons for this. First, nonhumans cannot successfully embody the failure of the Human to deploy because they are not human beings to begin with. So, they can never be proper Others. They can’t fulfill the demonstrative role needed to puff up the status of the Human. Nonhumans can be, at most, derivative Others. (12)

But more importantly, nonhuman animals cannot subjectively experience a lack of humanity, whatever that is. Again, nonhuman animals are epistemically resilient and epistemically closed to us so we cannot override their subjective perspectives such that we could program them to suffer what it is like to feel less than human. Wynter cleverly homes in on that aspect of Fanon’s work, the subjective experience of being black, or of being a colonized person, precisely because self-hating and other “autophobic”, negative features of internal racism are central to keeping in place the invention of the Human. The Human is parasitic on not just the category of the anti-Human, but especially on the felt inferiority of the anti-Human. (13)

The failure to achieve Humanness, then, must be found in another human being that presumably lacks what true humans (“Humans”) possess. This is the second key point that will distance Black Veganism from ordinary views. On my view, the human-animal binary or divide does not refer to literal human beings and literal nonhuman animals. My position is that the beings in the human-animal binary refer to “The Human” and “The Animal”, which are not biological abstractions that represent, in general, “all humans,” and correspondingly “all nonhuman animals.” Rather, they are social categories that represent what it is to be a “true” human and what it is to be the “opposite” of that, respectively. And, again, the opposite of a true human (“Human”) is not a nonhuman animal but other humans, the figure of “the anti-Human.” (14) So, the the Animal and the anti-Human should be understood as identical figures, which leads us to the astounding revelation that nonhuman animals are so invisible, they do not even form the basis on which we represent the general category of The Animal.  The general category of the Animal is a Human disappearing act.

Many find my view upsetting. They believe:

  1.  I am trying to cut animals out of the scene by making the binary about only  human beings.
  2. Regardless of who “Human” and “Animal” refer to in the binary, that “Human” is the superior category and “Animal” is the inferior category has to do with the human tradition of speciesism.
  3. This racial construal of the human- animal binary seems to have no application to actual nonhuman animals. Shouldn’t an account that purports to be a kind of veganism be *about* actual nonhuman animals?

All of these objections are perfectly reasonable and touch on parts of your questions so they are worth addressing, though I’ll do so out of order.

To begin with, this racial construal of the human-animal binary (the Human/ the Animal (a.k.a anti-Human)) is immediately applicable to non-human animals. It’s important that we frame their struggle within the terms of the general project to invent the Human, so that we can identify who they are and in what their condition consists post- “new world.” As people rightly point out (and set forth in objection #2 immediately above) the figures of ‘the human’ and ‘the animal’ have historically been positioned as not merely different but as contraries, so it stands to reason that if we invent a logic that reconfigures what the human is (now, “the Human”), we must also attend to the necessary reconfiguration of what the animal is (now, “the Animal/ anti-Human.”) Prior to Columbus’s arrival to the Americas, it is impossible to summarize the multitude of social worlds that existed that – under their own terms- made nonhuman animals (or at least some nonhuman animals) their victims. Many of those worlds we may never understand given we do not have internal access to those languages, ways of knowing, belief systems, cosmologies, etc., and so cannot know the rituals that involved nonhuman animals as well as other human beings. However, we can safely say that at least Columbus and his team came from a social world in which nonhuman animals were deemed morally inferior due to the belief that they lacked souls. This was explicitly communicated time and time again and, in fact, the conclusion they drew regarding the native people’s likeness to animals was derived from the premise that animals do not have souls and, so, cannot practice religion. It’s true that there has been a biological separation between human beings and all other animals conceived in moral terms, and not just in western Europe. Some scholars will go so far as to argue that human moral life emerged in virtue of conceiving ourselves as separate from all other animals and cultivating a specifically human life. For instance, my former adviser, Douglas Maclean, makes a point along these lines in his Is “Being Human” a Moral Concept?, though one could think both “human” and “animal” are moral concepts, such as Cora Diamond suggests, or more recently Alice Crary in her wonderful book Inside Ethics. (15) (They are all philosophers.) As I said before, I am not trying to deny the reality that nonhuman animals have been subjugated throughout the history of our species and seemingly for as long as our species has existed.

What was to become the core of race-thinking, the Human/Animal (a.k.a anti-Human) binary, then, certainly owes its roots to the biological separation we experience between us and all other animals that most human systems have interpreted morally. People are right to highlight this. But Black Veganism asserts that that is only one half of the story. I hold that a feedback loop has led the Human/Animal (Anti-Human) binary to amplify the very assumptions that brought it into existence.

In other words, we think of beings- many in our own species and all members of other species- through the concept “the Animal/ anti-Human.” Nonhuman animals are no longer subjugated beings simply because they lack souls. Rather, they have become different kinds of beings and their subjugation is of a different kind, even if their subjugation manifests itself as (superficially) identical to what existed before.

We’ve arrived at a sort of explanatory limit because how does one describe the contents of a concept? It’s the same kind of explanatory wall you hit if you try to describe any other morally loaded concept, such as “mother” or “pet.” I think it can be done but this interview is probably not the place to try!

Instead I’ll just say this: the absence of nonhuman animals in our social and moral imagination makes much more sense to me when I think of it through Black Veganism. Black Veganism presents the binary as a principle that is really about human beings and represents two poles which signify the presence of being human (articulated through its ideal manifestation, “the Human) and the disintegration and thus absence of being human, of literally being anti-Human (articulated through “the Animal.”) So, the space of the anti-Human is the space where morality loses its structure and sense since there is no being there sutured to it. The paradox is indispensable: you need humans who are not Human for these concepts to gain their moral purchase in the way they possess today. We conceive nonhuman animals through that paradox- the very structure of their being is patterned on anti-Humanness. If you think about what’s really going, it’s quite horrifying. Black Veganism reveals that the situation of nonhuman animals is, in fact, worse than we might have thought, at least on the conceptual level. We don’t simply operate on the assumption that nonhuman animals are morally negligible. .. We disappear them the very moment we conceive of them as animals.

Before, at least in the world that informed our current world- Columbus’ world, nonhuman animals were beings that lacked souls (or if they have souls, they have “lower,” non-rational souls). But the emergence of the Human transformed animals from beings that lacked souls to beings that just were essentially a derivative opposite of the Human. (**) So, what we have here is a monumental move.(16) Nonhuman animals were catapulted onto a scene that was invested in making claims about the nature of humanity. (17) Thus, nonhuman animals were *humanized*. Before they were inferior but altogether different beings. Now they came to represent a limit in the scale of humanity.  They were now playing in our game. The feedback loop took the information from the biological divide between human beings and animals conceived in moral terms and filtered that information through the Human/ Animal (anti-Human) binary it helped to create in the “new world”, only to now reinforce the abject inferiority and invisibility of nonhuman animals but in new, and more tragic, terms.

So, to objections #1 and #3, no, I am not trying to cut nonhuman animals out of the picture. On the contrary. Unless we are discussing very practical matters, we cannot talk about nonhuman animals if we do not also talk about race. And we cannot talk about race if we do not talk about nonhuman animals. I do not think anti-racism is effectively mobilized if we leave out billions of beings who we view through racial thinking. To do so is to dismiss a significant portion of the narrative of race. Thus, you are not really analyzing race. The black (anti-Human) is the template through which we think the modern conception of the animal. If we want to tackle racism and rid ourselves of racial thinking, which means disposing of this social world, we have to look at all areas in which race thinking operates, and one of those areas is right there in front of us on our plates.

It also brings to light the stark recognition that the mechanism that allows for our society to remain unperturbed by the widespread torture and murder of nonhuman animals, usually used to make food, is made possible through the very same mechanism that makes us shrug at the persistent assault on black and brown Life and life. People do not realize their unwillingness to challenge themselves about nonhuman animals is a mark of the gigantic hole that race-thinking burrows into our souls. We know that nonhuman animals are being harmed. That’s not the issue. The issue is that they fall through the hole so their pain is not felt. We are literally untouched.

Veganism ought to address not just literal non-human animals, but also and especially the narrative of animality that is responsible for all of the ideas we form about anything we think of as an animal. Since the 16th century, the narrative of animality (or rather, “Animality”) has been directly constructed as an analog to the narrative of Humanity- the propping up of the western white man as the ideal manifestation of a human being. That stacks of literature has been investigating the situation of the animal while overlooking this obvious fact speaks volumes about how oblivious most people are to the far reaches of race.

Ways of coming together practically in new spaces

Palang: The gain of deconstructing the human-nonhuman animal binaries in terms of a full-spectral decolonization will be so fundamental, that a complete new insight about animality and humanity will result in terms of all the relevant variables and influencing factors. Do you think society can already develop islands of new understandings of social justice, involving annonhumanity in terms of dismantling colonial claims and definitions. Can we already built spaces being human in radically ‘clarified’ ways were we includingly encounter nonhumanity differently and appreciatively for their – the nonhuman – cultural contexts? Is the time there for breaking up the human-animal antagonism, if not what hinders us still and what could we contribute to really change the dominant toxicities of colonization and of other blocking oppressive factors?

Syl: I think some parts of my other answers speak to this question. Black Veganism is a post-Humanist theory. Following the work of scholar Zakkiyah Iman Jackson, I identify a particular conception of human to be the culprit in this story, not the concept of human. (18) If anything, I am hoping to recuperate begin human by saving us from the Human narrative. It follows that my diagnosis of the condition of nonhuman animals is 180 degrees away from the kind of diagnosis we’re used to hearing. The ordinary diagnosis is that we have been mythologizing ourselves on the basis of our species. This mythologizing has gotten in the way of the “facts”; namely, we too are animals and we are not special in any way. So, the inclination is that dismantling the human/animal binary must mean deflating the human for the sake of elevating the animal. That’s why Peter Singer talks about “desanctifying” the human. A lot of this is fueled by an appeal to science, of course. If you look at science, humans don’t possess anything at least one other nonhuman species doesn’t also possess.

But, as I argued in my chapter on “Revaluing the Human as a Way to Revalue the Animal,” I’m not convinced by that reasoning. If the human (conceived as a biological category) has been morally weighted to disadvantage the animal (again, as a biological category), then deflating the human in order to elevate the animal is not a suitable corrective. This is still binary thinking, except you’ve adjusted the weight on each side. What it would be to dismantle the binary has to be more than shifting the weights. Dismantling requires disambiguating the moral connotation of one term from the other. Perhaps they mean they want to shift the emphasis to our shared animal “nature,” though I am never sure what such a phrase means.

There’s more. Theoretically speaking if the binary were truly dismantled, you could still have a morally weighted conception of human. . . you just wouldn’t need animals to give that conception its weight! Family terms operate that way. I would do things for my sister that I would not do for my neighbor but it is not because my sister has certain capacities or properties to which I am responding that my neighbor lacks. That I think of her as my “sister” alone lends moral weight to her interests. That is, just saying she is my sister does the work for me. I don’t need to go further and everyone gets it. But that doesn’t mean I can just do what I want to my neighbor. I still have moral obligations to him too, just of a different sort. That is one easy example of a morally loaded conception that is okay since it does not exist within a binary. If it existed within a binary, that would mean my privileging my sister must come at the expense of any one that is not my sister (or rather, whatever is constructed as the “opposite” of my sister).

The example illuminates a disconnect in the very way mainstream advocates understand the category of species and the way I see the category represented in my favorite decolonial literature. Mainstream advocates draw a parallel between species and categories like race and sex whereas the decolonial thinkers I draw on present the category of species as a family category. The former thinks a parallel exists between all of the cases because they think an identical mechanism brings them about. Namely, a morally arbitrary trait is being made to have moral relevance: race, sex, and species, respectively. This parallel doesn’t work for many decolonial thinkers of a certain strand (not to mention most ordinary people!). What makes racism and sexism bad for these thinkers is that members of the community are not considered members of their community, the community being humankind. It is only by thinking of the category ‘human’ as a family term, and so morally loaded,  that we can say what gives racism and sexism its badness. The weight of humanness isn’t derived by tracing a trait or capacity that is exclusive to human beings. It is not a thing you find with the natural sciences. Rather, its weight comes from the aspect of reality that is social, that is a function of our subjectively experiencing ourselves existing as a specific species.

In an essay I’ve been working on for the past two years I elaborate on this difference in terms of “species-objectivism” and “species-subjectivism.” (Black Veganism is under the species-subjectivist label. I explore it as a “subspecies subjectivism.”) Both views are claims about the objective world, and both claims are on the side of nonhuman animals, but from two different vantage points. Species-objectivists sketch out being human by looking at human beings from the outside. From this vantage point, there is no morally relevant difference between us or, say, bats. To invoke this category is no different than to invoke a category like race or sex. To use an everyday example, this methodology would similarly reveal that the man I called my “dad” is actually just one man among billions and there is nothing really distinct about him from an outside perspective. Or another useful example is to consider “being alive” to simply be a statement about breathing, having a beating heart, and so on.

But species-subjectivists describe being human from standing in the shoes of the human. From this vantage point, being human is definitely different than being a bat because you are the human, not a bat. While it is true that my dad is one man among billions, I feel a different sort of way about him than I do the billions of other men. .. because he’s my dad. It’s not because I think there is something different about him. And it would be silly for you to try to convince me I am wrong in my feeling about him based on the fact that there is nothing discernible about him compared to the billions of other men in the world. Or, for another useful example, to “be alive” is not simply a statement about breathing, having a beating heart, and so on but is about having a particular gusto or to live with oompf. (So, one could be “alive” but not really be alive.)

Species-objectivism and species-subjectivism differ in degrees of distance: one is talking about a world that is far and the other is talking about a world that is local. Since we are usually looking for answers as to how to navigate our local lives, we cannot dismiss the species-subjectivist perspective as “speciesist” nor should we dismiss it as a world-guiding view. It would be like looking at the Voyager image of the Earth to figure out a bus route to your new job. The Voyager was not designed to give us information to get around the streets of downtown. If you want to get around downtown, you need to go on Google maps instead.  While it is useful to have the “pale blue dot” perspective of Earth, as Carl Sagan beautifully put it, one must always remember we do not float in the universe and understand the Earth that way. We have our feet planted firmly on Earth.

If an account misses that the category of species membership can function as a local, family term, then it won’t be a good account, and it certainly won’t be very convincing. I emphasize the distinction between “human/ human being” and “Human” in Black Veganism to capture that dual aspect. We know that the Human is a bad idea because it eclipses that aspect of humanness that has great potential to play a positive bonding role. The Human needs to be disposed of and I agree with Wynter that if such a feat can be achieved, we are on the horizon of a new mode of human existence, one that would not require an Other. (19) (20)

I don’t think humans coming together on account of their humanity is in tension with animal liberation. I see the two projects going together. So, I’m afraid I don’t agree with mainstream advocates about what it will look like to dismantle the antagonism between the members of the binary, as you nicely phrased it, at least not the logic of it. They’re working with a really different view of moral life altogether, one I find impoverished. I think we will always have a social conception of what it is to be human along with a bare empirical conception. I believe the social conception of being human is like an indexical marker, a group version of a name. Indexical markers are native to our psychology and I don’t see them as problems in and of themselves. We may always hold the social conception of being human in moral regard and that does not mean there must be a human-animal binary in place, nor does it mean that we have more moral weight objectively speaking. Several thinkers have dominated the direction of thought in animal advocacy and it is their theories that get us twisted into unnecessary knots. As philosopher Bernard Williams said, it’s one thing to say humans are important to the universe but it’s quite another thing to simply say humans are important to each other. (21) I am confused why so few people will grant that sentiment.

But all of that doesn’t get in the way of the possibility of immediate practical change that all of us on the side of nonhuman animals can probably agree on even if we don’t agree on the logic. I have a friend who is studying urban planning doing exciting work in design with a mind on designing the space around the needs of several different kinds of animals that exist in the community and neighboring communities. The independent researcher Sue Donaldson and philosopher Will Kymlicka published Zoopolis: A Political Theory of Animal Rights a few years ago, which considers different kinds of animals positioned in different kinds of relationships with us and discusses which animals could rightfully qualify as citizens, etc. It’s beautiful and creative and respects all of the myriad differences between us and different kinds of animals and their needs and potential contributions. In the legal realm, here in the U.S. we have the Nonhuman Rights Project, which is comprised of a group of dedicated lawyers who literally challenge the conception of personhood operational in the courts. They have argued on behalf of chimpanzees, dolphins, and elephants thus far. In terms of general changes in lifestyle, I know lots of people who welcome different kinds of animals into their homes and yards to create micro-sanctuaries, as the activist and writer Justin van Kleeck describes it. (22)The most exciting thing I’ve come across is work by the scholar Anat Pick, who does work in “vegan cinema.” (23) Contrary to what you might think,  vegan cinema is not propaganda to get people to go vegan. Rather, Pick demonstrates the very ethos of violence and consumption present in an audience’s gaze of a film in general.  So, she is approaching the idea of veganism from a really interesting, abstract perspective. You mentioned in a question not listed in this interview the lack of good work being done on speciesism in the media. Well, Pick is one person definitely doing interesting work in that field. She is challenging what it is to coexist with nonhuman animals (and nonhuman life in general) from the very point of the gaze. All of these are good examples of ways we can slowly push forward to make life with nonhuman animals realizable in a non-exploitative, and mutually beneficial fashion.

However, I’m not sure what to say about difficult cases in which we are dealing with nonhuman animals that are not easy to live with or even impossible to live with. The case of rodents strike me as particularly perplexing. The philosopher Elizabeth Anderson, who promotes an ethical pluralism when it comes to different kinds of animals, much like Donaldson and Kymlicka’s political pluralism, suggests animals with whom we can imagine some sort of life, either together or as close/distant neighbors, deserve heavier moral consideration than those with whom we cannot imagine such a life. (24) Rodents count as one such an example. Lindgren (Johnson), one of the authors I mentioned earlier, recently told me birth control for some rodents has been developed to lower their population in infested areas. That’s obviously a more compassionate method of handling infestation but raises a moral quandary nonetheless. So, I’m sympathetic to Anderson’s argument that a parallel should not be drawn between categories like race/sex and species because race/sex create differences where there are none (theoretically, we could all learn to live in peace with one another) while species membership tracks a real difference (it is not likely that we can live in peace with every other species, even as distant neighbors).

 

Starred content:

(*) I would not give this advice when you are encountering a foreign social world. That is a different case. But I give this advice when you are in your own world and your vantage point is overlooked or inferiorized because of your social location in that world. When highlighting the reality of social positionality, one should be careful to highlight not just the external/ institutional/ structural ways in which one is positioned, but also the subjective experience of what it is to be positioned a certain way.

(**) Be careful not to confuse the process through which all nonhuman animals were changed with the change in the particular role attributed to the ape. In the medieval period, apes came to represent the image of the degenerate human, especially due to committing some sin for which they must be punished  (see the famous De Mundi Universitate by 12th century writer Bernardus Silvestris). The ape already played the role that it would later come to play in the post-Darwin social imagination, except in natural scientific rather than theological terms. Sylvia Wynter discusses the iconography of the ape-as-degenerate-human in “Unsettling the Coloniality of Being/ Power/ Truth/ Freedom: Towards the Human, After Man, It’s Overrepresenation–An Argument” CR: The New Centennial Review, Volume 3, Number 3, Fall 2003, pp. 257-337, which can be found here: https://law.unimelb.edu.au/__data/assets/pdf_file/0010/2432989/Wynter-2003-Unsettling-the-Coloniality-of-Being.pdf. The role of the ape is a very early example of the humanization of a particular nonhuman animal. Note that I focus more on the humanization of nonhuman animals at the level of the very concept of ‘Animal.’

Endnotes:

Endnotes:
(1) See Aph’s chapters “Why Animal Liberation Requires an Epistemological Revolution” and “Creating New Conceptual Architecture: On Afrofuturism, Animality, and Unlearning/ Rewriting Ourselves” in Aphro-ism for Aph’s direct thoughts on the subject.
(2) If you’ve never read his Meditations, I highly recommend doing so now that you know what he was up to. It’s one of my favorite books.
(3) I’m oversimplifying but the oversimplification will suffice.
(4) Published in Human Architecture: Journal of the Sociology of Self- Knowledge: Vol. 11: Iss.1, Article 8.
(5) Just stop for a moment and think about that. Think about what kind of mindset one must have to draw such a conclusion before having any substantive interactions with this population and, further, to then assume with no qualms that now this land (and these people) are yours for the picking! In a chapter of his popular Sapiens: A Brief History of Humankind, the historian Noah Yuval Harari recounts the exploratory voyages of Admiral Zheng He of the Chinese Ming dynasty, which started in 1405 and ended around thirty years later. In fact, one of the armadas carried around thirty thousand people. Yet, Zheng He merely visited different countries, he did not attempt to “conquer” them. Harari notes that the Romans and the Persians too had the technological ability to attempt to conquer foreign lands but did not do so. It’s worth quoting him in full: “There was nothing peculiar about that. The oddity is that early modern Europeans caught a fever that drove them to sail to distant and completely unknown lands full of alien cultures, take one step on to their beaches, and immediately declare, ‘I claim all these territories for my king!’” See page 291. I have to thank philosopher Martin Gibert for enthusiastically encouraging me to read this book. See his interview with the author: https://lamorce.co/dou-vient-la-domination-humaine-entretien-avec-yuval-noah-harari/

Also: the lack of anything resembling religion among a group of people is not a lack in general. It may just mean they have something else that your own world does not have. Walter Mignolo argues this point about philosophy in his chapter “Philosophy and the Colonial Difference” in Latin American Philosophy: Currents, Issues, Debates, ed. Mendieta, Eduardo (2003).
(6) That’s not to say Christian missionary itself is progressive. I am just commenting on Columbus’ mindset compared to his peers regarding what the unification of the globe could look like: “I, that we might form great friendship, for I knew that they were a people who could be more easily freed and converted to our holy faith by love than by force, gave to some of them red caps, and glass beads to put round their necks and many other things of little value, which gave them great pleasure, and made them so much our friends that it was a marvel to see. (110) and “They do not know any religion, and I believe they could easily be converted to Christianity, for they were very intelligent. “ (119) See Journal of the First Voyage of Columbus from the Wisconsin Historical Society Digital Library and Archives here: http://www.americanjourneys.org/pdf/AJ-062.pdf. The simultaneous presence of beauty and horror in these first interactions between Columbus’ team and the native people cannot be denied when reading excerpts from his journal.
(7) See his chapter “What does it mean to be Human?” in Sylvia Wynter: On Being Human as Praxis. Ed. Katherine McKittrick.Duke University Press (2015)
(8) There are lots of interesting things to say here about one major difference between the subjugation of human beings and the subjugation of nonhuman animals. My good friend, the Finnish artist Terike Haapoja, who, along with Laura Gustafsson, is responsible for The Museum of Nonhumanity, noted that nonhuman animal resistance to human subjugation might always be stronger than our own subjugation to one another precisely due to our inability to exhaustively control how they perceive the world, themselves, and their perception of us. That is, they have epistemic resilience.
(9) When U.S. President Trump described Latinos as “animals,” he was not being a good biologist. He was making a social claim.
(10) For instance, see Lindgren Johnson’s Race Matter, Animal Matters: Fugitive Humanism in African America (1840-1930) Routledge (2017). Lindgren and I consider her text to be in line with the spirit of Black Veganism.
(11) See Wynter’s article “Towards the Sociogenic Principle: Fanon, The Puzzle of Conscious Experience, of “Identity” and What it’s Like to be “Black”” for her discussion on human Others: http://coribe.org/PDF/wynter_socio.pdf. By the way, this is the greatest article I’ve read in the past ten years. I think this is the article to read if you want to get into Wynter because she explains why Fanon is so important and understanding her obsession with Fanon and the hard problem of consciousness puts her work, big picture, into perspective.
(12) Occasionally people of color joke that it is more likely that nonhuman animals will be morally recognized before they are. I don’t think that’s correct but from a theoretical standpoint it is true that the Human doesn’t need nonhuman animals to constitute its Other- it needs only other human beings to do so.
(13) I borrow the terminology of the ‘anti-Human’ from the Afropessimist tradition, though I don’t claim to represent the tradition.
(14) For an alternative view, see Claire Jean Kim, who argues instead that we should think of the Human, Animal, and Black as a triad instead of a binary. I don’t agree because I think this is forcing the entire-tradition-of-using-animals approach with the current-modern-world approach, and so overlooks the redundancy in listing the Animal and the Black. Otherwise, though, our work is in the same spirit. See her article “Murder and Mattering in Harambe’s House” in Politics and Animals, Vol 3. (2017).
(15) For Maclean’s article, see Philosophy and Public Policy Quarterly 30 (3/4):16-20 (2010); For Diamond see “Eating Meat and Eating People.” Philosophy, Vol. 53, No. 206 (Oct., 1978), pp. 465-479.; For Crary see Inside Ethics, Harvard University Press (2016).
(16) As Mark S. Roberts notes, “the animal is placed squarely within the human.” See his The Mark of the Beast: Animality and Human Oppression (New Directions in the Human-Animal Bond), Purdue University Press (2008): 20.
(17) The theory of evolution was indispensable to this major taxonomic shift. The theory of evolution was not responsible for the shift, but the governing social dynamics guaranteed that once Darwin gave compelling evidence to collapse the distinction of human and animal, animals would play a role in establishing a point about humans.
(18) See her “Animal: New Directions in the Theorization of Race and Posthumanism.” Feminist Studies 39, no.3 (2013)
(19) Some of our readers assumed this means we should stop referring to ourselves as humans. I don’t think that at all. I just meant I don’t think we should strive to be or think of ourselves as “Human.”
(20) The story is more complicated than how I put it. What will allow us to escape the loop of yet another but new an equally harmful “Human” premised on an Other is familiarity with the law that governs our consciousness, which she believes is the sociogenic principle, her interpretation of Fanon’s notion of sociogeny. She argues that our discovering what this law is gives us the power to use it to our advantage, much like discovery of physical laws. See the article I cited earlier by Wynter. I will not discuss the matter further in this interview, but the sociogenic principle is the heart of my essay in progress.
(21) See his chapter “Theory and Prejudice” in Ethics and the Limits of Philosophy. Harvard University Press (1985): 118.
(22) See his “Microsanctuaries: A Micro-Manifesto”: https://strivingwithsystems.com/2016/08/06/microsanctuaries-a-micro-manifesto/
(23) ‘Vegan Cinema’, Thinking Veganism in Literature and Culture, ed. by Emelia Quinn and Benjamin Westwood. Oxford: Palgrave, 2018, pp. 125-146. I’m grateful to Lindgren for bringing Pick’s work to my attention recently.
(24) See “Animal Rights and the Values of Nonhuman Life.” in C. Sunstein & M. Nussbaum (Eds.), Animal Rights. Oxford: Oxford University Press. (2004a)

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Syl Ko can be contacted at ‘sylko [at] protonmail [dot] com’.

Tierautonomie

Editor-in-chief: Gita Yegane Arani, www.simorgh.de – ‚Open Access in der Tier-, Menschen und Erdbefreiung’. Revised 02/2019.

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An Interview with Syl Ko (2019). TIERAUTONOMIE, 6(1), http://simorgh.de/tierautonomie/JG6_2019_1.pdf.

TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)

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Michael Lebwohl: Ein Aufruf zum Handeln: Psychische Schäden bei Schlachthausarbeitern

Ein Aufruf zum Handeln: Psychische Schäden bei Schlachthausarbeitern

Michael Lebwohl*

Original veröffentlicht im Yale Global Health Review (2016), https://yaleglobalhealthreview.com/2016/01/25/a-call-to-action-psychological-harm-in-slaughterhouse-workers/ , Stand 14.10.2018. Übersetzung: Gita Yegane Arani, mit der freundlichen Genehmigung des Verfassers.

„Unten in der Blutgrube sagen sie, dass der Geruch von Blut dich aggressiv macht. Und das tut er auch. Du kriegst die Einstellung, dass wenn das Schwein dich tritt, du es ihm heimzahlen wirst. Du wirst das Schwein zwar sowieso töten, aber das reicht nicht; es muss leiden. Wenn das Schwein zu dir kommt denkst du, oh gut, dieses Vieh mach ich fertig.“ [1] Diese Worte stammen nicht von jemandem, den die Gesellschaft als mental gesund einstufen würde. Jedoch sind aber traurigerweise genau dies die Worte, die eine Gruppe von Arbeitern repräsentieren, die wir in allen zivilisierten Nationen rund um den Globus vorfinden: es sind die Worte eines Schlachthausarbeiters. In den USA alleine arbeiten über siebzigtausend Arbeiter in der Schlachtung [2] und sie sehen sich jeden Tag der Aufgabe gegenübergestellt einige hundert Tiere stündlich zu töten [3]. Diese Arbeiter üben einen Job aus, der diese Menschen durch das, was dieser Job beinhaltet, dem Risiko aussetzt psychische Störungen und einen pathologischen Sadismus zu entwickeln.

Dieses Risiko resultiert aus einer Kombination mehrerer Faktoren der Schlachthausarbeit, wovon einer die stressvolle Umgebung ist, die der Schlachtungsprozess mit sich bringt. Ein großer Anteil dieses Stresses kommt von den auffallend häufigen Verletzungsfällen unter den Arbeitern. Schlachthäuser weisen Verletzungsraten von 20 auf 100 Arbeiter auf. Eine Proportion, die zwar stetig abnimmt, was aber immernoch nichts daran ändert, dass die Fleischverarbeitung die bei weitem gefährlichste Arbeit in den USA darstellt. [3] Diese monströse Rate rührt vor allem von den alltäglichen Gefahrenquellen, wie wir sie insbesondere in den Schlachtbetrieben selbst vorfinden, hier hinein spielen sich wiederholende Bewegungen und schweres Heben. Ein beachtlicher Teil des Stresses stammt zudem von unvorhersehbaren Gefahren, die zu den Ursachen schwerwiegenderen täglichen Stresses zählen. Die Interaktion der Arbeiter mit lebenden angstvollen Tieren, die sich wehren und die unter Kontrolle gehalten werden, beinhaltet, dass jede Minute dieser Arbeit grundsätzlich mit Gefahren einhergeht.

Die Arbeiter, die dabei am meisten gefährdet sind, sind die, die zur Gruppe der „Sticker“ [wörtl. „Abstecher“] zählen. Das sind die Arbeiter, die die Hälse der Tiere aufschneiden, damit sie ausbluten. Theoretisch müssen alle Tiere, außer ‚Geflügel‘, zur Schlachtung betäubt werden bevor sie ausbluten, und dies geschieht zumeist mit einem Bolzenschussgerät oder mittels eines starken elektrischen Schocks. In vielen Betrieben wird die Betäubung aber kaum erzielt. Oft manipulieren Vorarbeiter an den Einstellungen der Bolzenschussgeräte oder an den Elektroschockpistolen um eine ‚bessere Fleischqualität‘ zu erhalten und stellen die Ablaufrate der Schlachtungsreihe auf ein noch schnelleres Tempo, wodurch die Tiere bei vollem Bewusstsein, sich am Band bewegend, zu den Abstechern katapultiert werden. Die Abstecher müssen dann mit der Gefahr umgehen von den großen angstvollen Tieren getreten zu werden. Die Situation wird dann noch gefährlicher und damit noch stressvoller, da der Abstecher das scharfe Messer hält, mit dem er den Tieren dann die Schnittverletzung zufügt. Diese Messer setzen den Arbeiter, in Kombination mit den tretenden Tieren, dem erhöhten Risiko von Verletzungen aus, rangierend von Schnittverletzungen mit kosmetischen Folgen bis hin zu qualvoll tödlichen Folgen. [1, 4]

Die Gefahren der Schlachthausarbeit sind selbstverständlich nicht ohne ihresgleichen. Es gibt zahlreiche Industriejobs bei denen die Gefahrenpotenziale Stress für den Arbeiter verursachen. Die Schlachthausarbeit ist jedoch einmalig innerhalb der großen Industrien, aufgrund der Gewalt, die diesem Job innewohnt. Bislang sind sehr wenige wirklich wissenschaftliche Versuche unternommen worden zu quantifizieren, welche Effekte diese Gewalt auf die Gesundheit und das Verhalten von Schlachthausarbeitern hat. Eine bekannte Studie, die in der Hinsicht unternommen wurde, hat sich mit den Kriminalitätsraten in Gemeinden befasst, in denen sich ein Schlachtbetrieb befindet, indem sie diesen Faktor als Maßstab für psychologische Gesundheit festlegte. Die Studie verwendete dazu Daten des FBI [den FBI Uniform Crime Report] zusammen mit Daten aus der US-Volkszählung, und untersuchte dabei, wie die Kriminalitätsraten sich geändert haben, in Abhängigkeit davon, welche neuen Industrien sich in einer Gegend ansiedelten. Die Studie hat dazu die Daten von über fünfhundert Landkreisen zwischen den Jahren 1994 und 2002 erhoben und dann die Auswirkungen von Schlachtbetrieben auf die Kriminalitätsrate mit denen anderer Industrien vergleichen. Die Industrien, die sie zum Vergleich heranzogen waren hinsichtlich anderer möglicherweise krimialitätsrelevanten Faktoren identisch (wie die Demographie der Arbeiter, das Potenzial sozialer Disorganisationsgefahren und der Effekt auf die Arbeitslosigkeit in den umliegenden Gebieten). Die Schlachtbetriebe übertrafen alle anderen Industrien in ihren Auswirkungen auf die Kriminalitätsrate. Sie wiesen nicht nur einen größeren Zuwachs in der allgemeinen Kriminalität auf, sondern beunruhigenderweise auch einen überproportionalen Zuwachs an Gewaltverbrechen und Sexualstraftaten. [5]

Die Autoren dieser Kriminalitätsstudie leiteten daraus ab, dass der Grund für diesen Zuwachs ein „Überlaufeffekt“ [spillover] in der Psyche der Schlachthausarbeiter war – eine Erklärung die durch die Sozialtheorie und anekdotische Beweise gestützt wird [6] Dies lässt sich auch erkennen in den Aussagen eines Arbeiters darüber, wie die langen Schichten in der Schlachtung von „Nutz“-tieren seine Sichtweise und Behandlungsweise von Mitarbeitern beeinflusst hat:

„Ich stelle mir vor wie ich meinen Vorarbeiter kopfüber aufhängen und seine Kehle durchschneiden würde. Ich erinnere mich wie ich in das Büro ging und den anderen Angestellten sagte, dass ich keinerlei Problem damit hätte einen anderen abzuknallen – wenn du mir in die Quere kommst, dann knall ich dich einfach ab.“ [1]

Sozialtheoretiker beschreiben solch ein Verhalten als eine „Progression“ von der Gewalt gegen Tiere zur Gewalt gegen Menschen [6] Jedoch unterscheidet sich diese Progression von der typischen Variante, wie sie von der soziologischen und psychologischen Literatur beschrieben wird. Der Großteil relevanter Literatur befasst sich mit der Gewalt gegen Tiere, wenn sie einem Menschenmord [6] oder häuslicher Gewalt [7] vorausgeht, als Fälle bei denen bereits eine mentale Prädisposition zur Gewaltbereitschaft besteht und wobei Tiere als bequeme Opfer für Aggressionen dienen, als ein relativ ‚problemloser‘ erster Schritt, bevor die Täter sich ihren menschlichen Zielen zuwenden. In Schlachthäusern besteht eine Prädisposition zur Gewaltbereitschaft nicht zwingendermaßen, aber das Töten von Tieren kann einen vergleichbaren Effekt haben, bei dem ohne Prädisposition, so wie in den Fällen bei denen eine Prädisposition besteht, die Handlung ein erster Schritt ist, der die Arbeiter desensibilisiert und sie dadurch bereit macht ähnliche Gewalt in einem weiteren Schritt Menschen gegenüber auszuüben.

Psychologisch gesprochen kann man diese Desensibilisierung auch durch den Mechanismus der „Verdopplung“ [doubling] erklären, bei dem der Mensch sich dazu bewogen fühlt ein zweites Ich zu entwickeln, ein gutes Ich und ein schlechtes. [8] Dieser Coping-Mechanismus wurde insbesondere im Falle der Naziärzte untersucht, einer Situation, die vergleichbar sein kann zur institutionalisierten und notwendigerweise empathielosen Tötung von Tieren in den Schlachtbetrieben. [8] Die Schaffung und die Illusion des eigenen moralischen Charakters als „gut“ während man zugleich ein anderes Selbst hat, das mechanisch jeden Tag stundenlang Leben beenden kann, stellt nicht alleine eine weitere Quelle des psychologischen Stresses von Arbeitern dar, sondern hierbei sind die Arbeiter auch dem Risiko ausgesetzt, dass ihr pathologisch empathieloses arbeitendes Selbst in ihr Gemeinschaftsleben mit hineinrutschen kann. Dies ist eine andere Erklärung für den Überlaufeffekt, den wir im Denken von Schachthausarbeitern und in deren Gemeinschaftsleben vorfinden.

Eine Kombination dieser mentalen Akrobatik und dieser Stressoren trägt zu psychologischen Störungen bei, und kann eine Art des posttraumatischen Belastungssyndroms hervorrufen, die als Tat-induzierter traumatischer Stress, engl. perpetration-induced traumatic stress oder PITS, bezeichnet wird. [8] Ungleich vieler Formen der traumatischen Stressbelastungen bei denen die Betroffenen das Opfer einer traumatischen Situation gewesen sind, sind PITS-Betroffene „herbeiführende“ oder „verursachende Teilnehmende“ (engl. causal participants) einer traumatischen Situation, [9] In anderen Worten: sie sind der direkte Grund für die Traumatisierung eines Anderen. Das Leben mit dem Wissen um die eigenen Taten und Handlungen verursacht Symptome, die denen des Opfers eines Traumas ähneln: Drogenmissbrauch, Angststörungen, Depression und eine Entkopplung von der Realität. [8] Und wiederum haben Untersuchungen dieses psychologischen Phänomens die Gruppe der Schlachthausarbeiter größtenteils ausgelassen, aber sie haben sich mit dem Thema in analogen Bevölkerungsgruppen befasst, vor allem mit Nazis und Scharfrichtern. [8] Man kann aber, ohne sich der formalen Untersuchung zuzuwenden, davon ausgehen, dass die Symptome (und Ursachen) von PITS sich problemlos mit den Aussagen von Schlachthausarbeitern über deren Erfahrungen decken:

„‘Und dann erreicht man einen Punkt an dem man sich nur noch in einem Tagtraumstadium befinden. Wo du über alles andere nachdenken kannst und immer noch deinen Job machen kannst. Du bist emotional tot.‘ […] Viele Kerle bei Morell [einem großen Schlachthausbetrieb] trinken und nehmen Drogen um mit ihren Problemen fertig zu werden. Einige von ihnen Misshandeln ihre Partner, weil sie die Gefühle die sie quälen einfach nicht los werden. Sie verlassen die Arbeit mit dieser Einstellung und gehen dann zur nächsten Kneipe um dort alles zu vergessen.“ [1]

Diese Geschichten erinnern an die von Kriegsveteranen und an Überlebende von Katastrophen, die an Stressstörungen leiden. Die Notwendigkeit sich von der Realität zu entkoppelt um mit der Arbeit weiterzumachen, führt die Menschen dazu einen Weg einzuschlagen, den manche als „pathologisch“ bezeichnen würden. Gegenwärtig ist die Arbeit in den Schlachthäusern noch immer eine notwendiges Übel [10] in der amerikanischen Gesellschaft, und genau deshalb sollte das Thema mehr akademische Aufmerksamkeit als bislang erhalten. Eine beachtliche Menge an theoretischen und anekdotischen Beweisen liegt dem Gedanken zugrunde, dass die Arbeit in Schlachtbetrieben mental schädlich ist. Doch ohne harte empirische quantitative Nachweise zur Untermauerung dieser Annahmen kann nur wenig unternommen werden um die Situation zu verbessern. Studien, die sich in Verbesserungen der Bedingungen zum Schutze der Arbeiter niederschlagen würden, sind insbesondere deshalb notwendig, da Schlachthausarbeiter allgemein aus Demographien stammen, die Schwierigkeiten damit haben, ihre eigenen Rechte zu vertreten oder damit, sich aus solch grundlegend schädigenden Arbeitsbedingungen herauszubewegen. [3] Das kontinuierliche Versagen darin, dieses Thema zur Kenntnis zu nehmen und zu adressieren, bedeutet eine nicht entschuldbare Gefahr für die individuelle Gesundheit solcher Arbeiter und für die Gesundheit der Gemeinschaften in denen sie leben.

Verweise und Anmerkungen

* Education Yale University, New Haven, CT August 2013 – May 2017 Bachelor of Arts in Chemistry with Distinction in the Major, cum laude

  1. Eisnitz, G.A. (1997). Slaughterhouse: The Shocking Story of Greed, Neglect, and Inhumane Treatment Inside the U.S. Meat Industry. Amherst, NY: Prometheus Books.
  2. Occupational Employment and Wages: Slaughterers and Meat Packers. (2013). Bureau of Labor Statistics, 51-3023, https://www.bls.gov/oes/current/oes513023.htm , Stand 14.10.2018.
  3. Worrall, M.S. (2005). Meatpacking Safety: Is OSHA Enforcement Adequate? Drake Journal of Agricultural Law, 9, 310-312.
  4. Cleeland, N. (2002). Need for Speed Has Workers Seething. Los Angeles Times, http://articles.latimes.com/2002/jun/19/business/fi-speedup19 , Stand 14.10.2018.
  5. Fitzgerald, A.J., Linda K., & Thomas D. (2009). Slaughterhouses and Increased Crime Rates: An Empirical Analysis of the Spillover From ‘The Jungle’ Into the Surrounding Community. Organization & Environment 22(2), 1. doi: 10.1177/1086026609338164.
  6. Beirne, P. (2004). From Animal Abuse to Interhuman Violence? A Critical Review of the Progression Thesis. Society & Animals, 12(1), 1.
  7. Ascione, F.R., Claudia V. W., and David S.W. (n.d.). Animal Welfare and Domestic Violence. National Online Resource Center on Violence Against Women, https://web.archive.org/web/20150918225429/http://www.vawnet.org/Assoc_Files_VAWnet/AnimalWelfareDV.pdf , Stand 14.10.2018.
  8. Dillard, J. (2008). A Slaughterhouse Nightmare: Psychological Harm Suffered by Slaughterhouse Employees and the Possibility of Redress through Legal Reform. Georgetown Journal on Poverty Law & Policy, 15(2), 398.
  9. MacNair, R. (2002). Perpetration-Induced Traumatic Stress: The Psychological Consequences of Killing. Lincoln, NE: Praeger/Greenwood.
  10. Anmerkung des Übersetzers: Die Formulierung, dass die institutionalisierte Tötung von nichtmenschlichen Tieren für die Lebensmittelindustrie ein „notwendiges Übel“ ist, würden wir in der Form nicht unterstützen, sondern hier andere Argumentationsstränge anführen, um pazifistische, nichtspeziesistische Alternativwege einzufordern.

In: Das Schlachthaus als Hauptort des institutionalisierten Zoozids (2018). Hrsg. G. Yegane Arani, TIERAUTONOMIE, 5(5), S.2, http://simorgh.de/tierautonomie/JG5_2018_5.pdf.

 

Ein Gespräch mit Zülal Kalkandelen über zentrale Elemente des Tierbefreiungsaktivismus.

kts8

Jahrgang 5, Nr. 4, Art. 1, ISSN 2363-6513, Oktober 2018

Ein Gespräch mit Zülal Kalkandelen über zentrale Elemente des Tierbefreiungsaktivismus.

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Hintergrund: Zülal Kalkandelen ist eine prominente Journalistin, Autorin und vegane Tierbefreiungsaktivistin in der Türkei in Istanbul. Die vegane Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung in der Türkei ist beeindruckend groß und aktiv. Dies scheint uns „erstaunlich“ weil wir im Ausland so wenig von ihren Strategien, ihren Herangehensweisen, ihren Erfolgen und von den Problemen hören, denen die Aktivist_innen dort ausgesetzt sind, inmitten einer Situation, die stetig Probleme in Hinsicht auf die eigenen, ganz grundsätzlichen Menschenrechte mit sich bringen kann. Zülal leitet zur Zeit eine Kampagne gegen Pferdekutschen, dies Thema diskutierte sie auch in der säkularen türkischen Tageszeitung Cumhuriyet, für die sie regelmäßig als Kolumnistin schreibt [1].

Schlagworte: Interview, Zülal Kalkandelen, Tierbefreiungsaktivismus, Antispeziesismus, Turkei

TIERAUTONOMIE, Jg. 5 (2018), Heft 4.

Ein Gespräch mit Zülal Kalkandelen über zentrale Elemente des Tierbefreiungsaktivismus.

Buch-Aktivismus

Tierautonomie: Du hast vor kurzem Dein erstes Buch über Tierbefreiung veröffentlicht. In einer vorherigen Buchpublikation, die Du gemeinsam mit dem veganen anarchistischen Autoren Can Başkent verfasst hast, sprecht Ihr über die politische Bedeutsamkeit des Veganismus. Kannst Du uns etwas zu beiden Publikation sagen? Was sind die Hauptthemen die Du dort besprichst?

Zülal Kalkandelen: Das Buch mit dem Titel „Veganismus: Ethik, Politik und Kampf“ [Veganizm: Ahlakı, Siyaseti ve Mücadelesi] haben wir 2013 als E-Book herausgebracht. Es ist das erste Buch über Veganismus, das auf Türkisch erschienen ist. Can Başkent und ich wollten die Fragen beantworten, die Veganer_innen und Nichtveganer_innen im täglichen Leben zum Thema Veganismus so in Sinn kommen könnten. Gleichzeitig wollten wir Leute an die ethische Seite des Veganismus heranführen, in einer Zeit, in der der Veganismus in den Medien hier soweit nur als eine Ernährungsweise dargestellt wurde. Es ist ein sehr leicht lesbarer Text den wir in der Dialogform verfasst haben, bei der zwei Autor_innen, die beide langzeitige Veganer_innen sind, in verschiedenerlei Punkten zwei unterschiedliche Herangehensweisen an das Thema mitbringen. Bis heute haben mir viele Leute gesagt, dass dieses Buch sie dabei angeregt hat ihren eigenen Weg zu finden.

Mein Buch „Die vegane Revolution und die Tierbefreiung“ [Vegan Devrimi ve Hayvan Özgürlüğü], das ich dieses Jahr veröffentlicht habe, ist die soweit umfassendste Studie, die in der Türkei zu diesen Themenkomplexen erschienen ist. Ich betrachte darin, in welcher Art sich der Feminismus, die Umweltbewegung und der Marxismus mit der Tierrechtsproblematik auseinandersetzen und leite daraus meine intertextuelle Kritik ab. Im weiteren habe ich für das Buch einige Interviews mit ein paar prominenten Veganer_innen geführt. Ich sprach mit dem Musiker Moby, mit dem Musiker und Musikjournalisten John Robb, dem Mitbegründer des North American Animal Liebration Front Press Office Dr. Jerry Vlasak, dem japanischen Multi-Instrumentalisten und Komponisten Keiji Haino und dem veganen Präsidentschaftskandidaten der Humane Party in den USA Clifton Roberts, und ich versuchte dabei unterschiedliche Standpunkte und Sichtweisen im Bezug auf den Veganismus und den Tierrechtsaktivismus zu reflektieren.

Veganizm: Ahlakı, Siyaseti ve Mücadelesi; Veganismus: Ethik, Politik und Kampf (2013)

Vegan Devrimi ve Hayvan Özgürlüğü; Die Vegan Revolution und die Tierbefreiung (2018)

Tierautonomie: Dein Tierrechtsaktivismus ist erstaunlich effektiv, Du erreichst ein großes Spektrum an Rezipienten und erhältst viel Feedback. Kannst Du uns einen Tipp geben, wie ein Neuling seine/ihre eigenen Stärken und seine/ihre eigenen Wege im Aktivismus am besten entdecken kann? Was denkst Du macht Deinen Aktivismus so erfolgreich?

Zülal Kalkandelen: Ich befasse mich genau mit diesem Thema im letzten Kapitel meines neuen Buches. Es gibt unterschiedliche Herangehensweisen im Aktivismus. Auf der einen Seite gibt es Leute, die sich für einen langsamen stetigen Wandel einsetzen um ihr Ziel zu erreichen, und es gibt diejenigen, die ganz eindeutig sagen, dass wir den Tierbefreiungsgedanken voraussetzen, gleich vom Beginn an, und dass es richtig ist, dies der Gesellschaft kompromisslos zu vermitteln. Ich gehöre eher zu der zweiten Gruppe. Vor allem betone ich, dass der Veganismus und der Tierrechtsaktivismus unbedingt miteinander Hand in Hand gehen müssen und dass alle Aktivist_innen vegan sein müssen. Wichtig ist, den Aktivismus auf den Straßen nicht allein auf das Verteilen von Flugis zu beschränken, sondern den öffentlichen Rahmen dafür zu nutzen die Tatsachen zu zeigen, die hinter verschlossenen Türen stattfinden. Ich halte die Cube of Truth [2] Demo für eine sehr effektive Form des Protests. Es ist unbedingt notwendig die Medien, einschließlich der sozialen Medien, aktiv zu nutzen und wahrheitsgemäße Informationen zu teilen. Tierbefreiungsaktionen sind notwendig – auch um die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, dass die Befreiung von fühlenden Lebewesen, die gefoltert werden und denen ihre Lebensrechte aberkannt werden, ein Recht ist. Dies sollte uns vollkommen bewusst sein und zu diesem Bewusstsein sollten wir unumstößlich stehen. Die wissenschaftlichen Beweise, die unsere Argumente stützen, nützen uns in unserem Kampf. Uns muss auch bewusst sein, dass Dinge, die von allen zwar als Wahrheit anerkannt werden, in Wirklichkeit aber nicht unbedingt wahr sein müssen; in anderen Worten wir dürfen dem Druck der Mehrheit niemals nachgeben. Das Wichtigste ist, dass wir unsere Ziele niemals aus dem Auge verlieren, dass wir Geduld haben und dass wir unseren Mut nicht verlieren.

Hoffnungen auf den Undergroundmusikaktivismus

Tierautonomie: Außer Deiner journalistischen Arbeit, hostest Du auch das Radioprogramm Veganlogic. Musik und Kunst spielen politisch relevante Rollen. Denkst Du, dass Betrachtungsweisen, die nichtmenschliche Belange mit einbeziehen (d.h tierbefreiungsunterstützende Standpunkte) in Zukunft mehr Raum in der unabhängigen Musik- und Kunstszene finden werden?

Zülal Kalkandelen: Ich musste meine Radioshow im April beenden, da die Pflege eines Familienangehörigen nötig wurde. Selbstverständlich ist Musik ein sehr wichtiges Werkzeug zur Lenkung von Aufmerksamkeit auf soziale Themen. Ich habe viele Sendungen gebracht, in denen ich auf Songs über Tierrechte fokussierte. Man kann heutzutage nicht gerade behaupten, dass es eine Masse solcher Songs gibt. Das Thema ist fast ein Tabu. Selbst vegane Musiker_innen thematisieren Tierrechte in ihren Liedern eher selten. Es gibt diese Art der Bands allerdings in der Anarchopunk- und der Hardcore-Szene. Die Bands reflektieren in ihrer Musik Haltungen, die den Umweltschutz und die Tierrechte verteidigen, sowie Haltungen gegen Faschismus, Kapitalismus, gegen Autoritätssysteme, Sexismus und Homophobie. Dazu braucht es ein politisches Bewusstsein, dass sich entschieden gegen das System stellt. Du musst dich heutzutage von kommerziellen Erwartungen befreien können, um solch eine Musik zu machen. Denn diese Musik ist das Gegenteil von populär. Ich hoffe es wird davon mehr in der Zukunft geben, aber ich denke diese Musik wird immer ihren Platz in der Independent-Szene, in den Minderheits- und Undergroundströmungen beibehalten.

Eine ethische Revolution für die Menschheit

Tierautonomie: Alle Formen der Unterdrückung sind miteinander verbunden, aber jede weist ihre einmaligen und ihre spezifisch tragischen Eigenschaften auf, so wie etwa im Speziesismus das: „Lebensmittel sein“, das „an erster Stelle in biologistischen Begriffen definiert werden“, das „problemlos in der Ästhetik und der Kunst objektifiziert werden“ beispielsweise. Wie können wir die Spezifik der Unterdrückung nichtmenschlicher Tiere diskutieren, in diesem Sinne, und dabei aber auch zeitgleich das breitere Spektrum der Verbindungen verschiedener unterdrückerischer Systeme (Rassismus, Sexismus, Klassismus, Ableismus, …) mit im Auge behalten?

Zülal Kalkandelen: Es ist bewiesen, dass Tiere ebenso Gefühle haben, und die Menschheit muss daraufhin tun was notwendig ist. Wir müssen den Speziesismus hinterfragen, der dem Menschen eine Überlegenheitsstellung zuweist, und den Karnismus, bei dem die einen Tiere geschützt werden während die anderen geschlachtet werden, und, wir müssen den Status der Tiere als Individuen durchsetzen sowie deren Rechte zu leben ohne menschlicher Gewalt ausgeliefert zu sein. Dies stellt für die Menschheit eine ethische Revolution dar. Es ist speziesistisch zu denken, das Leben des einen fühlenden Wesens sei weniger Wert als das eines anderen. Solch ein Denken basiert auf den gleichen Fundamenten wie der Rassismus, der zwischen den Menschen als „Rassen“ unterscheidet und dem Sexismus, der qualifizierende Unterschiede zwischen Geschlechtern vornimmt. Das Schlachten von Tieren basiert auf einer anthropozentrischen Denkweise. Und genauso liegt hier der Grund, weshalb wir die Freiheit von Menschen, Tieren und der Erde im gleichen Zuge verteidigen. Wenn der ganze Planet ein gigantisches Schlachthaus für Tiere ist, wie können wir dann jemals erwarten, dass wir hier Frieden erleben würden? Die Menschheit muss sich dieser Wahrheit stellen. Es macht keinen Sinn sich konservativ an eine Vergangenheit zu klammern und diese auch noch zur Rechtfertigung der Fortsetzung von Ausbeutung anzuführen. Wenn alles immer weiter gehen würde wie gehabt, dann wäre weder die Sklaverei abgeschafft worden noch wären Frauenrechte jemals vereidigt worden. Um gegen alle Formen von Diskriminierung in gleicher Weise zu sein, müssen wir betonen, dass alle Lebewesen das Recht haben zu leben, ohne irgendeiner Form der Ausbeutung oder der Diskriminierung ausgesetzt zu sein. Die Diskriminierung von Tieren kann genauso wenig akzeptiert und hingenommen werden wie die Diskriminierung wegen „Rasse“, Religion, Weltanschauung, Geschlecht.

Umwelt- und Tierbelange gehen Hand in Hand

Tierautonomie: Glaubst Du wir können den Schutz der Umwelt (einschließlich des Lebensraumschutzes, Raum für Schutzrefugien in jeglicher Größe, Stichwort „Microsanctuary“) und die Tierrechte in einer eindeutigeren Weise miteinander verbinden? Und zwar so, dass die Beziehung zwischen der „Natur“ und den nichtmenschlichen Tieren als essentiell anerkannt wird, und dass wir somit den Schutz der Natur in die Tierrechte mit einbetten. Es ginge also auch darum, die Umwelt somit aus dem ihr zumeist zugeordneten Status herauszuheben, in dem sie betrachtet wird als „etwas, das als eine lebende Ressource zu dienen hat, für die Zwecke und den Nutzen menschlicher Interessen“?

Zülal Kalkandelen: Die „Nutztier“-Industrie ist die Industrie, die den Planeten am stärksten schädigt. Wenn die Tierrechte nicht in dem Umweltschutz mit einbezogen werden, dann hat der Kampf keine Chancen auf Erfolg. Du kannst kein_e Umweltschützer_in sein und gleichzeitig die Industrie unterstützen, die am stärksten für die Umweltkatastrophen verantwortlich ist. Wenn ich fragen würde, was ist das größte Umweltproblem in unserem Zeitalter, würde jeder wahrscheinlich sagen der Klimawandel und die globale Erwärmung. 13% der globalen Treibhausgasemissionen stammen von sämtlichen Transportfahrzeugen (einschließlich aller Land-, See-, Luft- und Schienenfahrzeuge). 51% werden verursacht durch die Tierzucht und ihre Subindustrien … eine pflanzliche Ernährungsweise reduziert den CO2-Fußabdruck um 50%. Im Amazonasgebiet wird eine Fläche Regenwald in der Größe eines Fußballfeldes jede Sekunde gerodet, und solch eine Fläche dieser Größe wird zerstört um gerade mal 250 Harburger herzustellen. Die Fleisch- und die Milchindustrien verwenden 1/3 der Wasserressourcen der Erde. 1/3 des Erdreichs verwüstet aufgrund der „Nutztier“-haltung. 45% fruchtbarer Landflächen werden für die „Nutztier“-haltung verwendet. Nach Aussage einer Untersuchung, die vom World Wildlife Fund durchgeführt wurde, sind 60% des Verlusts an biologischer Diversität der Fleischproduktion geschuldet. All dies zeigt, dass die Tierindustrie der wesentliche Grund für das Artensterben sind, für Totzonen in den Ozeanen, die Verschmutzung von Gewässern, den Verlust natürlicher Lebensräume und den Klimawandel. Die Menschen können diese wissenschaftlichen Daten nicht noch länger ignorieren. Die Natur hat ihre rote Flagge schon vor langer Zeit gehisst. Es muss anerkannt werden, dass die Welt nur ganz ist mit den Bäumen, mit den Tieren und mit Menschen.

Das grundsätzlichste Recht im Kampf um Tierrechte ist das Recht auf Leben

Tierautonomie: Tierrechte sind in jedem Teil der Erde und in jeder Ebene unserer Gesellschaften gleichermaßen relevant und der Speziesismus betrifft alle nichtmenschlichen Tiere in der einen oder anderen Art und Weise. Der Tierrechtsaktivismus scheint jedoch in mehrfacher Form gespalten zu sein. Wir haben zum Beispiel den Schutz wildlebender Tierarten auf der einen Seite und die Tierrechtsbewegung zum Rechte von sog. Farmtieren auf der anderen. Zur gleichen Zeit wird der Diskurs sehr von westzentrischen Sichtweisen über die Herangehensweise an Tierthemen dominiert. Denkst Du die Tierrechtsbewegung könnte in der Tat universeller und pluralistischer werden, um so der allgemeinen Situation die-Tiere-global-betreffender, speziesistischer Destruktivität entgegenzutreten?

Zülal Kalkandelen: Traurigerweise hindert die Spaltung im Tierrechtsaktivismus die Bewegung an mehr Effizienz. Wenn wir auf die eine Gruppe Tiere fokussieren und andere Tiere dabei ignorieren, hindern wir dadurch die Entwicklung eines gesellschaftlichen Bewusstseins für ein ganzheitliches Recht auf Leben. Um die zerstörerischen Effekte des Speziesismus zu eliminieren, müssen wir jegliche Ausbeutung, und zwar aller Tiere ohne jeden Unterschied ablehnen. Menschen die mit „Haustieren“ leben oder die sogar in einem Tierheim arbeiten, und die dann nachhause gehen, sich ihr Lammfleisch zubereiten und es vertilgen, sind einfach nicht nachvollziehbar. Leute in der Tierrechtsbewegung müssen vegan sein. Ansonsten könnte jede_r in dieser Welt seine eigene Art ausbeuterischen Verhaltens weiter nach außen hin rechtfertigen. Es ist deshalb so wichtig den Veganismus zu verbreiten. Das grundsätzliche Recht im Kampf um Tierrechte ist das Recht auf Leben. Was dabei wichtig ist, ist sicherzustellen, dass die vegane Bewegung auf einer ethischen Grundlage verbreitet wird und sie in die Tierrechtsbewegung zu integrieren. Und das ist genau das, was ich versuche zu tun.

Anmerkungen

[1] Wir haben zwei weitere relevante Quellen, die sich mit der veganen Tierrechts- und Tierbefreiungsbewegung in der Türkei befassen, vorgestellt, siehe:

Vegan Türkiye über intersektionalen veganen Outreach und die Rechte der Nichtmenschen, 2014, https://simorgh.de/about/vegan-turkiye-ueber-intersektionalen-veganen-outreach-und-tierrechte/ , Stand 12.10.2018.

Wir haben Can Başkent über Schnittstellen zwischen Atheismus und Tierrechten befragt, TIERAUTONOMIE, Jg. 1 (2014), Heft 3,  https://simorgh.de/about/wir-haben-can-baskent-ueber-schnittstellen-zwischen-atheismus-und-tierrechten-befragt/ , Stand 12.10.2018.

[2] Die Cube of Truth-Demonstrationen wurden von der Gruppe ‘Anonymous for the Voiceless’ im Jahr 2016 ins Leben gerufen und wurden seither von Tierrechtsaktivist_innen weltweit übernommen und verschiedenerorts durchgeführt, siehe https://www.anonymousforthevoiceless.org/ , Stand 12.10.2018.

Links

Zülal Kalkandelen auf Twitter: https://twitter.com/veganzulal

Seite: http://www.zulalkalkandelen.com

Die Tierrechtsgruppe die Zülal begründet hat: https://twitter.com/bhhtoplulugu

Tierautonomie

Herausgeber: www.simorgh.de – ‚Open Access in der Tier-, Menschen- und Erdbefreiung’. Revised 10/2018.

Zitation

Ein Gespräch mit Zülal Kalkandelen über zentrale Elemente des Tierbefreiungsaktivismus (2018). TIERAUTONOMIE, 5(4), http://simorgh.de/tierautonomie/JG5_2018_4.pdf..

TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)

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A talk with Zülal Kalkandelen about key elements of animal liberation activism

kts8

Jahrgang 5, Nr. 3, Art. 1, ISSN 2363-6513, Oktober 2018

A talk with Zülal Kalkandelen about key elements of animal liberation activism.

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Background: Zülal Kalkandelen is a prominent journalist, author and vegan animal liberation activist in Istanbul, Turkey. The vegan animal rights and animal liberation movement in Turkey is astonishingly large and active. This is “astonishing” because we hear too little abroad about their strategies, their approaches, their successes and the problems activists in Turkey face amidst a general situation of constant threats of losing their basic human rights. Zülal currently runs a campaign against horse carriages, she featured the topic recently in the the secular Turkish Newspaper Cumhuriyet, for whom she writes as a columnist [1].

Tags: interview, Zülal Kalkandelen, animal liberation activism, anti-speciesism, Turkey

TIERAUTONOMIE, Jg. 5 (2018), Heft 3.

A talk with Zülal Kalkandelen about key elements of animal liberation activism.

Book-Activism

Tierautonomie: You recently published your first major piece on animal liberation, in a previous publication that you co-authored with the vegan anarchist author Can Başkent you talked about the political importance of veganism, can you tell us about both publications? What are your primary concerns?

Zülal Kalkandelen: The book titled “Veganism: Ethics, Politics and Struggle” [Veganizm: Ahlakı, Siyaseti ve Mücadelesi] was published as an e-book in 2013. It is the first veganism book published in Turkish. With Can Başkent, we wrote it to answer the questions that can come to the minds of vegans and non-vegans in daily life. At the same time, we also wanted to introduce the ethical stance of veganism at a time when veganism was reflected in the media only as a diet. It is an easily readable text in interview/conversation format where two writers who both live a vegan life for a long time have different approaches to the subject at some points. Until this day, many people expressed that this book has guided them. I can say that it has functioned well in these terms.

My book titled “Vegan Revolution and Animal Liberation” [Vegan Devrimi ve Hayvan Özgürlüğü], published this year, is the most extensive copyrighted study in Turkey in this area. I assessed feminism, environmentalism and Marxism based on their approach to animal rights, and developed an intertextual criticism. There are also special interviews I made with leading/popular vegans in the book. I talked with musician Moby, musician and music writer John Robb, co-founder of North America Animal Liberation Front Press Officer Dr. Jerry Vlasak, experimental noise composer Keiji Haino and first vegan presidential candidate of the USA Clifton Roberts, and tried to reflect different points of view in terms of veganism and animal rights activism.

Veganizm: Ahlakı, Siyaseti ve Mücadelesi; Veganism: Ethics, Politics and Struggle (2013)

Vegan Devrimi ve Hayvan Özgürlüğü; Vegan Revolution and Animal Liberation (2018)

Tierautonomie: Your activism for Animal Rights is stunningly effective, you have a great outreach, a broad spectrum of recipients and a lot of active feedback. Is there any advice you could give someone for empowering them to become their own masters within their own paths of activism? What makes activism effective do you think?

Zülal Kalkandelen: I focused on this subject in the last chapter of my book published this year. There are different approaches in activism. While there are people who defend gradual progress to the objective, there are also people who clearly state the animal liberation idea we defend from the start and think it is right to express this to the society without any compromise. I am closer to the second group.

Above all, I emphasize that veganism and animal rights activism must absolutely be together and all activists must primarily live as a vegan. It is essential to avoid limiting street activism only to handing out leaflets and instead, to use it actively in order to expose the truths hidden from the society. I encourage the Cube of Truth [2] demonstration which is a significantly effective type of protest.

It is important to use media and social media actively and to share correct information. Animal liberation acts are required to attract attention that liberation of sensitive beings who are tortured and who are wanted to be deprived of their right to live, is a right. These must be planned very carefully. Activism is effective, because we are right. We must be aware of this and stand tall by holding our ground. The scientific facts that allow us to express our arguments in a non-disprovable way also support us. We must know that the things accepted by everyone may not be true at all times, and we must not give in to majority pressure. Above all, it is essential to be determined, patient and brave.

Hopes for underground music activism

Tierautonomie: Apart from your journalistic work you also run the radio program Veganlogic. Music and arts play politically relevant roles. Do you think views that imply nonhuman concerns (animal-liberation-supportive-standpoints) can find more space in the independent music and arts scenes in the future?

Zülal Kalkandelen: I had to end my radio show on April due to a health problem in my family. Of course, music is a very important tool to draw attention to social issues. I hosted many shows consisting of songs focused on animal rights. Today, it is not possible to say that songs that deal with this issue are too many. This subject is almost a taboo. Even a few vegan musicians bring animal rights forward.

However, there are these kinds of bands in anarcho-punk, hardcore-punk scene. They reflect the opinions defending environmentalism and animal rights in their music as well as a stance against fascism, capitalism, authority, sexism and homophobia. This requires an anti-system political stance.

Today, you have to free yourself from commercial expectations in order to make such music. Because it is the opposite of what is popular. I hope it increases in the future, but I think, it will always have its place in independent music scene, minority and underground veins.

An ethical revolution for humanity

Tierautonomie: All forms of oppression are connected, but each one has its unique and specific tragic features, such as in speciesism: “being food”, “being primarily classified in ‘biologistical’ terms”, “being readily objectified in aesthetics and arts” for instance. How can we discuss the specifics of nonhuman animal oppression, in that sense, while keeping the broader connections of different oppressive systems (racism, sexism, classism, ableism, …) in perspective?

Zülal Kalkandelen: It is proven that animals have feelings too, and humanity must do what is necessary. We must question speciesism which attributes superiority to humans and carnism which defends on protecting one animal while slaughtering another one, and must bring forward individuality status of animals as well as their right to live without being subject to violence. This is an ethical revolution for humanity.

It is speciesism to think that life of a sensitive being is less valuable than the others. This based on the same foundation with racism based on discrimination among human races and sexism based on discrimination among sexes. Slaughtering animals is based on this anthropocentric idea. This is the reason why we defend human, animal and earth freedom at the same time. If the whole planet is an enormous slaughterhouse for animals, how can people hope for peace here? Humanity must face this truth.

There is no reasonable use of holding on to the past conservatively and making it an excuse for continuing the exploitation. If all things would continue the same way, neither slavery would be abolished nor women’s rights would be defended. In order to be against all discrimination the same way, we must emphasize that all creatures have the right to live without being subject to any kinds of exploitation or discrimination. Discrimination against animals cannot be accepted similar to discrimination based on race, religion, sect, sex.

Environmental and animal concerns go hand in hand

Tierautonomie: Do you think we can combine environmental protection (including habitat protection, space to live, space for sanctuaries + microsanctuaries) and animal rights more explicitly, in a way that recognizes the relation between ‘nature’ and nonhuman animals as essential, and embed the protection-of-nature into animal rights, and lift the environment thus out of the attributed status of something like: ‘having to serve as a living resource that ought to serve human interests’?

Zülal Kalkandelen: Livestock industry is the industry that does the planet most harm. If animal rights are not included in environmental protection, this struggle does not have the chance to be successful. You cannot be an environmentalist if you support the industry that causes environmental disasters most.

If I asked what is the biggest environmental problem in this age we live, probably everyone would say climate change and global warming. 13% of global greenhouse gas emissions comes from all transportation vehicles (including all land, sea, air and rail vehicles). 51% is caused by animal husbandry industry and its sub-industries… vegetative diet decreases carbon footprint by 50%.

A rainforest area with the size of a football field in Amazon is destructed every second. Animal husbandry industry is responsible of 91% of this, and an area of this size is only destructed to produce 250 hamburgers. Meat and dairy industries use 1/3 of the water on earth. 1/3 of the soil becomes desert due to animal husbandry. 45% of the earth’s soil is used for animal husbandry.

According to a research conducted by World Wildlife Fund, 60% of biological diversity loss in the world is caused by meat. All of these reveal that animal industry is the essential reason of extinction of species, dead zones in oceans, pollution in waters, loss of natural habitats and climate change. People cannot continue ignoring these scientific data for a long time. The nature raised its red flag long ago. It must be accepted that the earth is whole with its trees, animals and humans.

The most basic right in the animal rights struggle in the right to live

Tierautonomie: Animal rights is equally relevant in every part of the world and in each layer of societies, and speciesism is affecting all nonhumans animals in one or the other way. Yet animal rights activism seems split in various ways. We have for instance the protection of wildlife on one hand and the farm animal rights movements on the other. At the same time the discourse seems to be dominated by West-centric views on framing nonhuman animal issues. Do you think the animal rights movement could become more universal and more pluralistic, in order to face the overall situation of speciesist destructivity affecting nonhumans globally?

Zülal Kalkandelen: Unfortunately, the division in animal rights activism prevents the movement from being more effective. Focusing on a group of animals while ignoring others prevents the development of a struggle in the society for holistic right to live. In order to eliminate the destructive effect of speciesism, we must reject all exploitation towards all animals without any discrimination.

It is not possible to understand a person who has pets or works at an animal shelter to go home, cook lamb meat and eat it. It is essential for the people within animal rights movement to be vegan. Otherwise, everyone in this world would continue to justify their own exploitation. Therefore, it is important to spread veganism.

The most basic right in animal rights struggle is the right to live. Because, you cannot defend any right of a sentient being you do not keep alive. What is necessary to do is to ensure that the vegan movement is spread on an ethical basis and to integrate it with animal rights movement. This is what I am trying to do.

Notes

[1] We have presented two other relevant sources dedicated to the vegan, animal rights and animal liberation movement in Turkey. See:

Vegan Türkiye about intersectional vegan outreach and Nonhuman Animal Rights, 2014, http://www.simorgh.de/objects/vegan-turkiye-about-intersectional-vegan-outreach-and-nonhuman-animal-rights/ , accessed 02.10.2018.

We asked Can Başkent about the interfaces of Atheism and Animal Rights, 2014, http://www.simorgh.de/objects/we-asked-can-baskent-about-the-interfaces-of-atheism-and-animal-rights/ , accessed 02.10.2018.

[2] The Cube of Truth protests were initiated by ‘Anonymous for the Voiceless’ and have gained attention in the many places globally where they are being carried out, see https://www.anonymousforthevoiceless.org/ , accessed 02.10.2018.

Links

Zülal Kalkandelen on Twitter: https://twitter.com/veganzulal

Site: http://www.zulalkalkandelen.com

Activist group founded by Zülal: https://twitter.com/bhhtoplulugu

Tierautonomie

Editor-in-chief: Gita Yegane Arani, www.simorgh.de – ‚Open Access in der Tier-, Menschen- und Erdbefreiung’. Revised 10/2018.

Citation

A talk with Zülal Kalkandelen about key elements of animal liberation activism (2018). TIERAUTONOMIE, 5(3), http://simorgh.de/tierautonomie/JG5_2018_3.pdf.

TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)

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Corey Lee Wrenn: Kann Reiten vegan sein?

Corey Lee Wrenn: Kann Reiten vegan sein?

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Can horseback riding be vegan? Ein Artikel von Corey Lee Wrenn veröffentlich im Examiner.com am 10. April 2012, http://www.examiner.com/article/can-horseback-riding-be-vegan , nicht mehr online. Übersetzung: Palang LY mit der freundlichen Genehmigung von Dr. Wrenn.

Ein Interview auf der Tierrechtsseite ARZone mit der Pferde-„Rehabilitatorin“ Kim Hollingsworth hat kürzlich auf meiner Facebookseite ‚The Academic Vegan Abolitionist’ (1) zu einer interessanten Diskussion geführt. In diesem Interview verteidigt Hollingsworth das Reiten, solange das Pferd sich nicht verweigert und das Reiten nicht als „störend“ empfindet. Während ich immer dachte das sei ein typisch welfaristischer (2) Standpunkt, scheint es aber interssanterweise so, dass das Reiten, wenn es dem Bedarf des Tieres an sozialer Interaktion und Bewegung dient, von einer ganzen Anzahl von Abolitionisten akzeptiert wird, einschließlich von Gary Francione und anderen bekannten abolitionistischen Aktivisten.

Das Argument dabei ist, dass manche Pferde, die seit ihrer Geburt ja darauf konditioniert wären einen Reiter zu dulden und nun von der Interaktion mit dem Mensch anhängig sind, das Berittenwerden für ihre emotionale und physische Gesundheit tatsächlich bräuchten. Pferde könnten depressiv werden, unbeweglich und sogar ihr Futter verweigern, wenn ihnen die Interaktion mit dem Menschen, an die die Pferde sich bereits gewöhnt hätten, wieder plötzlich entzogen wird.

Dieses Argument ist typisch für die vielen unlösbaren ethischen Rätsel, die durch die grundlegend problematische Einrichtung der Domestizierung produziert wurden. Wir schaffen das Problem und ringen dann nach Lösungen, wie ethische Entscheidungen getroffen werden könnten in einem System das bereits in inhärenter Weise ungerecht ist. Beispielsweise haben manche Katzen Schwierigkeiten damit, mit einer angereicherten veganen Ernährung physisch-gesundheitlich klarzukommen und so müssen wir die traugrige Entscheidung treffen, sie mit dem Fleisch anderer nichtmenschlicher Tiere zu füttern. Viele Veganer müssen mit dieser Entscheidung leben, wobei manche tatsächlich vorschlugen, dass man Katzen einschläfern müsse, damit die Ausbeutung von Nichtmenschen, die wegen ihres Fleisches ausgezogen werden, nicht weitergeführt wird, und damit wir ihren Status als Besitz nicht untermauern indem wir die Tiere als „Haustiere“ halten. Ich sehe darin keine Lösung. Ich bin der Meinung, dass es genug ist, dass wir als Menschen vegan sind, und dass wir in Richtung einer Beendigung der Nutzung von Tieren als Lebensmittel, sowohl für Menschen als auch für „Haustiere“ und gegen die Domestizierung arbeiten sollten. Haben wir einmal eine kritische Menge veganer Menschen erreicht, dann werden diese Situationen verschwinden, da die Strukturen die sie bedingen damit auch verschwinden.

Das gleiche betrifft auch das Leben mit angenommenen Pferden – wenn wir eine kritische Menge veganer Menschen erreicht haben, dann würde damit die Pferdezucht abnehmen und wir wären nicht mehr länger dazu gezwungen schwierige Entscheidungen treffen zu müssen, die sich mitunter mit unseren nicht-spezisitischen Werten nicht vereinbaren lassen.

Zu diesem Zeitpunkt kann ich nicht sagen, dass ich das Reiten von Pferden unter irgendwelchen Umständen befürworten könnte. Pferde, als eine Gruppe genommen, weisen eine Vielzahl von möglichen „Fehlverhaltensweisen“ auf, die ziemlich klar signalisieren, dass das Pferd nicht beritten werden will. Zum Beispiel begegnen viele Pferde dem Zaumzeug ablehnend, buckeln und blähen ihren Bauch [beim Satteln] so auf, dass der Sattelgurt später zu locker sitzt. Und natürlich bedeutet der ganze Prozess des „Zureitens“ des Pferdes (im Englischen fachsprachlich „breaking a horse“), im Vorgang der ‚Domestizierung’, dass diese Tiere dazu gezwungen und konditioniert werden, ihre Ausbeutung zu akzeptieren.

Zudem unterscheidet sich der Glaube, dass Pferde einen Vorteil und Spaß an ihrer Ausbeutung hätten kaum von einer Argumentation die behauptet, Sklaven hätten irgendeinen Vorteil von ihrer Versklavung gehabt (vor der Abschaffung der Sklaverei argumentierten viele [ihrer Befürworter], dass die Sklaven auf den Plantagen doch zufriedene Leben führen würden, vergleichsweise zu ihrer vorherigen „barbarischen“ Existenz in Afrika), oder dass Frauen gerne an pornografischen Darstellungen teilhaben und einen Vorteil dadurch genössen, sie gerne bei Hooters (3) Kellnern oder die Hauptarbeit beim Großziehen der Kinder, der Hausarbeit und dem Kochen erledigen würden. Wir müssen unter die Oberfläche blicken und die Auswirkungen von Unterdrückung erkennen – und damit auch die Internalisierung dieser Unterdrückung – die letzendlich solche Haltungen prägt.

Wichtig ist zu sehen, dass es verschiedene Alternativen gibt wie man ein Pferd froh und gesund halten kann – ein adäquater Lebensraum, Freunde auf der Weide (andere Pferde, Ziegen, usw.) und Spielzeuge helfen. Pferde-„halter“ [‚guardians’] können mit Pferden auch lange Spaziergänge machen. Wildlebende Pferde benötigen definitiv keinen Menschen auf ihrem Rücken um eine zureichende Anregung zu erhalten, und es gibt keinen Grund dafür anzunhemen, dass sich dies bei einem domestizierten Pferd anders verhalten würde. In der Tat gibt es viele Pferde-„besitzer“ die ihre Pferde niemals reiten und die die Tiere ausschließlich wegen ihrer Schönheit oder aus Gefährtenschaftsgründen halten.

Eine anderer Bedenkenspunkt ist der, dass wir doch offensichtlich auch nicht meinen wir müssten andere große Tiere, die wir „halten“ [die wir bei uns aufnehmen, ‚adopt’] oder gerettet haben, „reiten“ – keiner behauptet, dass Rinder, Elefanten, Llamas usw. zu ihrem Vorteil beritten werden müssten. Auch setzen wir kleinere Nichtmenschen, die wir als Gefährten halten – wie Katzen und Kaninchen zum Beispiel – auch nicht vergleichbaren Trainingserwartungen aus. Im Endeffekt kann man sagen, wir stellen Erwartungen an Pferde. Wir reiten sie, weil wir es können. Katzen sind da zum Streicheln, Pferde zum Reiten. Unsere Beziehung mit ihnen hat als eine zwischen Reiter und Packtier / als Herr und Diener für Tausende von Jahren existiert. Das Pferd, das als ein williger, feuriger, loyaler Gefährte dargestellt wurde, ist lange ein wichtiges Symbol in der menschlichen Kultur gewesen. Unsere soziale Konstruktion des Pferdes ist so durch die willkürlichen Entscheidungen geformt, die wir für den Grad und das Maß dessen treffen, wieviel menschliche Einmischung sie brauchen und wünschen. Wie in so vielen anderen oppressiven Situationen ziehen wir es vor anzunehmen, dass es ihnen nichts ausmacht, dass sie es brauchen oder es ihnen sogar gefällt von uns benutzt zu werden. Keiner würde dasselbe behaupten, wenn wir über menschliche Opfer von Ausbeutung sprechen würden. Wäre es beispielsweise akzeptabel die Mitglieder einer Minderheitsgruppe zu satteln und sie uns herumtragen zu lassen zum Zwecke ihres körperlichen Wohlbefindens. Es gibt dafür mit Sicherheit weniger kompromittierende Alternativen.

Doch kann eine lebenslang erfahrene Ausbeutung bedeuten, dass manche Pferde oder andere domestizierte Tiere eine schwere Zeit damit erleben sich daran zu gewöhnen, dass das Leben wie sie es [einst] kannten sich [mit einem Male] verändert hat. Daher sage ich nicht, dass es unsere Pflicht gegenüber domistizierten Pferden wäre, allen menschlichen Kontakt zurückzufahren, sondern ich meine, dass unsere Interaktionen dahingehend verändert werden sollten, dass den emotionalen und physischen Bedürfnisse der Pferde Rechnung getragen wird, ohne ihnen dabei unsere spezisistischen Forderungen aufzuzwängen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Pferdepsychologen, die so viel Ziet damit verbringen Pferde für den menschlichen Gebrauch zu „rehabilitieren“, ihre Herangehensweise rekonfigurieren könnten und damit beginnen könnten Pferde in die Richtung zu rehabilitiereen, dass sie mit Menschen in einer egalitaristischeren Weise leben könnten.

Gleich welche Einstellung man hegt über das Reiten von Pferden, die es angeblich für ihr Wohlergehen bräuchten, es ist niemals in Ordnung die Pferdeindustrie zu unterstützen, Pferdeveranstaltungen (z.B. Dressur, Rennen oder Rodeos), Streichelzoos, Kutschfahrten, Trailreiten, usw. Jede Situation, in der ein Pferd als Besitz betrachtet wird, ihre Existenz darauf reduziert wird dem Menschen zu dienen und in der ihre „Besitzer“ sie als Güter behandeln, ist speziesistisch, und wir sollten dies ohne Umschweife ablehnen. Auf der anderen Seite brauchen tausende Pferde ein Zuhause. Hier zum Beispiel im Roanoke Valley sind zahllose Pferderettungseinrichtungen. Wir dürfen genausowenig mit der Zucht und dem Kauf von Pferden zu tun haben, wie mit der Zucht und der Kauf von Katzen oder Hunden.

Während dieser Artikel zu keinen letztendlichen Schlussfolgerungen kommt, dringe ich meine veganen Leser, die Pferde angenommen haben oder planen in Zukunft anzunehmen, darauf, über weniger speziesistische Alternativen zum Reiten nachzudenken. Währenddessen wäre es für unsere Bewegung auch förderlich auf die Erfahrungen von Experten zurückzugreifen, die eine größere pferdepsychologische und -biologische Kenntnis haben, um damit die weniger oppressive Alternativen zu erkunden.

Anmerkungen:

(1) A.d.Ü. diese Facebookgruppe existiert nicht mehr.

(2) A.d.Ü. der Welfalismus bezeichnet im Tierschutz eine „Verbesserung“ von Tierhaltungsbedingungen in den Agrarindustrien, ohne einen rechtlich veränderten Status der Tiere mit Hinsicht auf deren Rechte auf Leben, Freiheit usw. einzufordern.

(3) A.d.Ü. Hooters ist eine amerikanischen Gastronomiekette, die bewußt mit dem „sex appeal“ bevorzugt junger Kellnerinnen wirbt.

Abschließende Anmerkung des Übersetzers: die von der Autorin beschriebene Idee einiger Abolitionisten, Tiere zu töten, weil sie nicht als Haustiere leben sollen, ist natürlich extrem und würde eigentlich einer kritischeren und strärker distanzierten Diskussion bedürfe.

Insekten, unsere und ihre Kultur. Ein Interview mit Inox Kapell.

kts8

Jahrgang 5, Nr. 2, Art. 1, ISSN 2363-6513, April 2018

Insekten, unsere und ihre Kultur. Ein Interview mit Inox Kapell.

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Einleitend: Inox Kapell ist ein berliner bildender Künstler, Musiker und Entomologe. Aus der Biologie her kommend hat er mit aufgespießten Insekten zwar leider kein völlig fundamentales Problem, doch inzwischen, so lesen wir auf seinen Seiten, sammelt er keine lebenden Tiere mehr, „nur ab und zu ein totes Exemplar zu dokumentarischen Zwecken oder für die Kunst.“ [2]

Was Inox Kapells Arbeit für uns so interessant macht ist, dass es als Künstler und Entomologe die Insekten als eine ganzheitliche Welt konstituierend begreift, so spricht er beispielsweise von den Insekten als demokratisch sich organisierenden Lebewesen. Und mittels künstlerischer Darstellung lässt sich solch eine umfassendere Sichtweise auf die Invertebraten noch ganz anders ausdrücken, als allein über biologische Beobachtungs- und Erfassungsmodelle tierlichen Lebens.

Unsere Gesellschaft richtet sich immer noch zumeist nach denjenigen Auffassungen über Nichtmenschen, die ihnen aus den Naturwissenschaften übermittelt werden. Langsam beginnt die Gesellschaft sich aber von weniger humanzentrischen Perspektiven her mit Nichtmenschen und dem natürlichen Raum auseinanderzusetzen.

Die Kunst als Medium der Beobachtung, Reflexion und des gestaltenden Ausdrucks, kann in Verbindung mit einer interessierten Empathie gegenüber Nichtmenschen und ihren Lebenswelten, auf ihre Weise erweiterte Verständnisse darlegen. Unsere zeitgenössische Kunst ist gegenwärtig oftmals noch speziesistisch, indem sie sich tierlicher Körperlichkeit und dem Tiersein in einer weitgehend objektifizierenden Art und Weise annähert. So werden häufig taxonomische Präparate verwendet, die Narrative nichtmenschlicher Perspektiven bleiben sekundarisiert. Eine künstlerische Annäherung an das Tiersein kann aber auch auf gleicher Augenhöhe mit den anderen Lebenswelten stattfinden. Genau hierin liegt eine besondere Freiheitsmöglichkeit schöpferischer Kreativität.

Bei Inox Kapell ist ein künstlerisch-entomologischer Grenzgang zu beobachten, bei dem sich der Rezipient aus dem rein anthropozentrischen Konzeptualisieren der Welt herausbewegen kann und anarchischer Phantasie Raum geschaffen wird, in der tierliches Anderssein Gestalt annimmt und einen unmissverständlichen Platz einnimmt, jenseits einer Dominierung durch Zeitgeist und anthropozän-erstarrter menschlicher Hybris.

Wir haben Inox im Rahmen seiner Arbeit auf Schloss Freudenberg in Wiesbaden besucht. Das Schloss und der Schlossgarten als museumspädagogisches Kunstprojekt, das ein Kollektivwerk darstellt und das sich als ein im-fortwähenden-Prozess befindendes Gesamtkunstwerk verstehen lässt, verfolgt insbesondere auch einen Ansatz, der die Gedankenwelten von Maria Montessori, bis Rudolf Steiner, Hugo Kükelhaus und Josef Beuys (und Weiteren) umgreift [3]. Die Verbindung von Sinneswahrnehmung und Kunst mit der natürlichen Umwelt, bildet dort den inhaltlichen Schwerpunkt kreativen Schaffens und künstlerischer Didaktik.

Schlagworte: Interview, Inox Kapell, Insekten, Invertebraten, Entomologie, Kunst, Post-Anthropozentrismus

TIERAUTONOMIE, Jg. 5 (2018), Heft 2.

Insekten, unsere und ihre Kultur. Ein Interview mit Inox Kapell.

Eine Übersicht über Aspekte des Insektenlebens von Inox Kapell. [1]

Mikrosensationalismus und taxonomische Sammlung

Tierautonomie: Insekten, die in Dekoartikeln eingebaut werden, wie lebende Käfer als Broschen und Ameisen in Uhren [1]. Was denkst Du, warum einige Menschen so etwas kaufen und manche andere so etwas als ‚witzig’ oder ‚okay’ tolerieren?

Inox Kapell: Ja, da wird so eine menschliche Reaktion angeregt. Wenn man so will, wie ‚Schock und spannend und interessant und farbenfroh oder komische Gestalt die eingegossen ist’. Dann kann man das auch noch kaufen, weil es ja sicher ist. Das hast du dann ja gegossen. Die Insekten sind meistens, wenn sie von der Industrie kommen, gezüchtet dafür. Ganz viele. Das ist sehr traurig. Wenn man dann überlegt, da ist ne ganze Industrie, z.B. in Thailand. Da gibt es eine ganze Industrie, die diese Rosenkäfer züchtet. Ich weiß nicht genau, ob sie sie dann direkt umbringen, ob sie sie sogar lebendig eingießen oder sterben lassen. Das weiß ich nicht. Aber ich glaube, dass der Umgang da nicht so gut ist. Also, allein zu züchten deswegen ist doof. Es gibt auch das andere, das sind Wildfänge, also dass man wild fängt und dann eingießt.

Tierautonomie: Wenn man die Tiere lebendig oder als Teile von Objekten – als Objekt – verwendet?

Inox Kapell: Ja es gibt ja auch diese Wanderausstellungen. Das ist auch ganz fürchterlich. Die Züchter sind eigentlich nur interessiert am fertigen Käfer oder an dem, was er dann wird wenn er geschlüpft ist, dass man dann verkaufen kann. Es ist eigentlich immer was wie ‚Aliens’, einfach interessant weil fremd, und das ist mit Spinnen auch so, weil sie so anders sind als wir.

Tierautonomie: Du selbst sammelst nur noch ausschließlich von selbst gestorbene Insekten. Könnte es eine Entomologie geben, die nur noch bereits existierende Präparate verwendet oder mit der Beobachtung der Tiere im natürlichen Lebensraum auskommt?

Inox Kapell: Genau, ich sammel nur tote, auf der Wiese. Ich nehm dann das Tablett und die Schönen werden dann zu Ringen oder zu Broschen … .

Tierautonomie: und für die Entomologie?

Inox Kapell: Sie werden Aufgespießt und die werden ja auch geklebt. Also ganz kleine Insekten werden aufgeklebt auf Papier. Sie werden umgebracht und dann aufgeklebt, weil dann sind die Beine noch beweglich, dann kann man sie schön gestalten, in die Form bringen, weil wenn ein Käfer stirbt, dann zieht es sich zusammen. Das heißt aber, wenn er dann gestorben ist, kannst du ihn noch auseinandernehmen. Das ist wie auch beim Menschen. Der kriegt ja auch eine Leichenstarre und dann kannst du ihn nicht mehr bewegen. Bei Insekten ist das ähnlich.

Also es gibt auf jeden Fall Familien, da muss man Präparate haben. Familien von Käfern z.B. oder Familien von Insekten, weil die so selten sind, und an einem lebenden Insekt – das hält nicht still, bei dem kannst du dann nicht die Fühler, die Glieder, die Beingliederungen, die Gelenke oder die Tarsen zählen. Das ist alles ganz wichtig, das kannst du bei einem lebenden dann nicht, und da ist natürlich ein Biologe geschult drauf das das schnell zu machen, ins Reagenzglas und umbringen, tot. Das ist ganz normal, das ist seit sagen wir mal 100 Jahren normal, das man das so macht. Da ist auch scheißegal, ob es dann weniger davon gibt, sondern da gehts dann darum, ist das ne neue Art? Und da gehts dann auch darum, dass sich Studenten auch einen Namen machen wollen. Es gibt aber ganz viele Insektenarten da muss man das nicht, weil, die kannst du so erkennen. Gibts auch.

Ein Miteinander von Insekt und Mensch zum ersten Mal entdecken

Tierautonomie: Kann man über Gedankenwellen oder -impulse, Gestik, Verhalten und aber auch das Einrichten von geschützten Lebensräumen und Kleinstbiotopen, usw. – also über eine eigene Art der ganzheitlichen Interaktion – mit Insekten in einen reziproken kommunikativen Akt treten?

Inox Kapell: Ja, das Wichtigste dabei ist, dass man es zulassen kann, dass man auf so ne Ebene kommt, wie es bei anderen Haustieren oder bei anderen Tieren überhaupt schneller der Fall ist, weil sie, domestiziert, schon lange beim Menschen leben oder eine ganz andere Prägung da ist. Wie wenn bei einem Kind eine Katze da liegt, dann erzählen die Eltern ja: ‚Katzen sind so und so’ und ja die Katze ist wuschelig, das ist beim Menschen dann natürlich ein ganz anderer Umgang.

Wenn jetzt das Menschenkind zum Beispiel bei einem Imker sieht – der ja schon grundsätzlich einen Zugang zu Insekten hat, nämlich zu den Bienen – dann ist das für ein Kind schon mal ein ganz anderer Zugang. Es kann dann schneller lernen, dass erstmal zu den Bienen, aber vielleicht dann aber auch zu den anderen Insekten, ein Zugang möglich ist. Weil der Imker-Onkel, oder wer auch immer das dann macht, schon diesen Zugang erfahren hat. Und wenn der dann noch weiter geht und vielleicht Anthroposoph ist bzw. ein anthroposophisches Denken hat, dann sieht der die Bienen auch nicht nur als Honigbringer, sondern auch als Bestäuber und eben auch als Freund des Menschen. Weil das passiert automatisch, wenn du zum Beispiel mal ne ganze Gruppe auf deiner Hand hast, eine Biene auf deiner Hand komplett sitzt oder es gibt diese Bilder von Imkern, deren ganzen Gesicht bedeckt ist mit Bienen. Dann kennen die deinen Geruch, das Bienenvolk kennt deinen Geruch und dann hast du einen anderen Zugang. Dann werden die dich auch nicht mehr stechen.

Und wenn das ein Kind sieht – ich sag jetzt mal Kind, weil beim Kind ist noch so viel möglich – dann kann das Kind, so wie ich selber mal so ein Kind war, sich dabei entwickeln. Und dann merkt es vielleicht, was noch alles möglich ist. Und genau dann passieren Dinge, die eben viele erzählen, die sie erleben mit ihren normalen Haustieren – mit Hunden, Katzen sowieso, Meerschweinchen, Hamstern, Schildkröten – die auch möglich sind beim Insekt.

Zum Beispiel, jetzt sitzen hier zwei Fliegen. Und jetzt ist die Frage: warum sitzen sie hier und nicht dort, dort oder da? Und für mich ist das, über meine jahrelange Erfahrung, über dieses Jahrelange Leben mit Insekten, heute schon so [wenn sie um mich herum sind], als wenn sie wüssten, dass ich von ihnen erzähle. Ich kann mir das nicht anders erklären. Ich meine über Hunde und Katzen wird nicht so viel geredet, da wir dann immer so: ‚ah du bist ein süßer Hund’ oder ‚du bist einer süße Katze’ oder ‚komm mal her’ und so … .

Tierautonomie: Also wir machen das auch, dass wir mit den Insekten bei uns im Haus z.B. auch reden.

Inox Kapell:  Ja in eine andere Dimension geht das. Das können wir noch gar nicht wissen, was da alles passiert. Auf jeden Fall passiert da was. Und das macht ja auch was mit dir.

Tierautonomie: Ja, dieser Zugang. Das ist ja auch immer das Experimentieren in der Kommunikation mit einem anderen Lebewesen, ein soziales Annäherungsexperimentieren.

Inox Kapell: Genau. Und es geht auch um Schwingungen, also man strahlt ja was aus sozusagen, man schwingt ja, da schwingt ja was, wer weiß was da passiert! Ich ruf dann irgendein Tier und das kommt dann. Das passiert mir auch bei Führungen, gerade wenn jetzt zum Beispiel der Frühling dann anfängt und die Tiere noch rar sind. Dann steh ich da mal – wie ein Ritual mache ich das dann – und ruf ein Tier und dann kommt das Tier. Und ich glaube das ist einfach über Jahrzehnte so entstanden.

Tierautonomie: Und das heißt ja auch nicht, dass so ein Tier nicht auch mal stechen kann oder beißen kann, das gehört ja auch mit dazu … .

Inox Kapell: Genau, das gehört dazu.

Perspektiven, Beobachtungen

Tierautonomie: Ich glaube manche Menschen sehen Insekten als so eine Art Kleinstroboter und nicht wirklich als fühlende Wesen. Warum sollte ein Lebewesen mit Außenskelett nicht ebenso komplettes fühlendes Lebewesen in seiner eigenen Art sein?

Inox Kapell: Auch da gibt es ja Aufklärung. Also, es gibt einfach wenig Menschen, die so Erlebnisse haben können, dass sie sagen ‚ja’ – das wird dann immer in andere Ecken gepackt. [Ein Insekt fliegt weg vom Tisch] Ja, es musste da jetzt weg fliegen, weil ich da jetzt drauf gehaun habe [an einer anderen Stelle, indirekt, nicht absichtlich auf den Tisch]. Insekten reagieren, glaube ich, sehr feinfühlig auf alles was sie umgibt. Das können wir nicht wirklich nachvollziehen, weil wir ja auch nicht eine Millionen Mal so stark riechen wie wir riechen, wie ein Insekt riecht. Für ein Insekt ist jetzt vielleicht hier in der Luft alles voller Spuren von irgendwelchen Stoffen, Kaffee, Zucker, Blut … und das beeinflusst das Insekt. Deshalb fliegt es eben so, deshalb fliegt es vielleicht merkwürdig für uns, weil wir uns anders bewegen. Und das Fremde wird immer gesehen als fremd. Und so ein Insekt, was ja nicht schreien kann, nicht reden kann, was auch noch stechen kann – und wo dann auch noch das ganze andere menschliche Gedenke dazu kommt, was oft ja gar nicht stimmt – das ist dann automatisch ein ‚Roboter’. Weil, das ist ja irgendwie klar und das ist auch ein Schutzmechanismus. Das heißt aber gar nichts.

Tierautonomie: Canetti hat das ja auch mal beschrieben, dass die Insekten in so einer anderer Lebenswelt sind, in einer anderen Dimension sind, dass der Mensch sie dann dadurch ganz leicht fälschlicherweise abwertet.

Inox Kapell: Fabre musst Du unbedingt erwähren, Jean-Henri Fabre. Der ist ein großes Vorbild für mich, weil, er hat vor hundert Jahren schon sein Haus geöffnet für Insekten. Er hatte Terrarien, und zwar hatte er ein Ameisennest in einem Terrarium, das Terrarium war aber oben auf, das heißt die Ameisen konnten raus und liefen dann überall rum. Sammelten sich aber in dem Terrarium. Das Nest war also nicht eingegrenzt und trotzdem beobachtbar. Fabre hat über Insekten ganz viele Kinderbücher geschrieben, die aber in Europa nicht bekannt sind, bis in die 1950er Jahre vielleicht schon, aber danach nicht mehr. In Japan sind seine Bücher aber Bestseller.

Räume wahrnehmen, Plätze schaffen

Tierautonomie: Wie kann man selber in unterschiedlicher Weise Lebensräume für Insekten schaffen? Mit, beziehungsweise aber auch ohne eigenen Garten?

Inox Kapell: Du kannst ganz klein anfangen. Wenn man sich vorstellt es gibt Ameisennester, die leben in einer Eichel, ein Ameisennest in einer Eichel. Auf deinem Balkon kannst du schon richtige Biotope schaffen, weil, viele Insekten sind nur wenig sichtbar, also viele Insekten sind ja auch klein.

Tierautonomie: Aber wichtig ist dann, dass man immer schöne Pflanzen fest da hat, so einen Mini-Dschungel.

Inox Kapell: Am besten heimische Pflanzen – muss nicht sein aber ist besser, weil du kannst ja auch einfach irgendwo hingehen, wo ein guter Garten ist und nimmst dir da die Erde und dann beobachtest du mal was passiert. Du gießt das ein bisschen, da ist auch genug Samen drin und Sonne hast du auch. So habe ich das auch als Kind gemacht.

Tierautonomie: Also auch die Pflanzen, die man hier auch oft als Unkraut bezeichnet, gerade auch die stehen lassen, weil die Insekten sich da auch zuhause fühlen.

Inox Kapell: Genau, Unkraut gibts nicht, das ist so wie Ungeziefer. Wenn wir jetzt diese Fliege da beschimpfen würden als Ungeziefer. Wie wichtig die Stubenfliege aber für uns Menschen ist. Die tanzen da auch noch so schön im Licht. Da kannst Du davon ausgehen, dass sie sich richtig gefreut haben, dass man das gerade gesagt hat. Also ich glaub ja an sowas. Nur dass wir das eigentlich nicht wahrnehmen, weil wir ja nicht in diese Dimensionen gucken können.

Tierautonomie: Ja ich denke auch das ist eine soziale Interspezies-Interaktion.

Inox Kapell: Ich will es jetzt auch nicht zu weit treiben damit, aber da ist auf jeden Fall ganz stark was vorhanden. Bei den meisten Menschen ist gar kein Bewusstsein entwickelt. Wir reden von Intelligenz: so, was ist Intelligenz? Nachhaltig denkend? Ist das der Mensch? Fragezeichen! Was bilden wir uns eigentlich ein, uns fehlt die Demut, das Mitgefühl. Hätten wir das, dann würde sich vieles auch sofort ändern.

Tierautonomie: Oder bei der Intelligenz ist ja auch die Frage, in welchem Rahmen ist was intelligent. In einem Land empfindet man vielleicht das eine als intelligent, in nem anderen Kontext ist das und das intelligent.

Inox Kapell: Genau, weil ne ganz andere Natur da herrscht usw.

Graswurzelpolitische Kunst

Tierautonomie: Stichwort ökologische Balance im Mikro- und Makrokosmos: Kunst kann ökopolitisch sein, wenn sie die Gesellschaft und den einzelnen Menschen dazu anregt, mehr Aufmerksamkeit und Respekt zu entwickeln für die wichtige und meist übersehene, komplexe Lebenswelt der Insekten. Im Bezug auf Bienen ist uns unsere Mit-Existenz mit der Insektenwelt, durch deren gefährdeten Status, inzwischen mehr ins Bewusstsein gerückt. Mit Deiner Kunst triffst Du auch eine graswurzel-ökopolitische Aussage, die sich gegen Pestizide, gegen die Zerstörung von Lebensräumen richtet, ohne dass man Dir aber vorwerfen würde, das wärest moralinsauer.

Inox Kapell: Wenn man Menschen hat, die da mit dem Gefühl arbeiten, da kommst du automatisch auf ne andere Ebene, wenn du mit diesem Gefühl arbeitest. Das glaub ich schon. Das ist meine Erfahrung. Wenn ich zu Kindern geh und den Kindern erzähle: ‚Guckt mal die Bienen, wie die sozial zueinander sind, wie die sich gegenseitig helfen, unterstützen, wie die sich füttern. Ja und jetzt überlegt mal, wie es wäre wenn wir das auch so machen würden’ – und schon machts klick.

Tierautonomie: Ja, dass man auch nicht immer so einen Schnitt macht und das ganz anders beurteilt, bei den Tieren oder Kleinstlebewesen, als bei den Menschen. Sondern dass man einfach mal guckt: ‚vergleicht das doch mal, lasst das doch mal zu, ohne es weiter zu bewerten’.

Inox Kapell: Genau. Und die haben auch ne Brutpflege. Die menschlichen Worte sind oft ganz doof. Brutpflege, dass würden wir ja nicht sagen zu unserem Kleinkind: ‚Das ist eine Brutpflege’ wenn wir ein Baby haben. Aber das nennen wir bei den Tieren so. Das ist eigentlich dämlich. Das ist aber das, was auch durch Prägungen entstanden ist, nämlich damit man die Tiere dann auch besser ausbeuten kann. Heute ist es ganz schlimm, weil heute hat  das, was du isst, kein Aussehen mehr von dem, wo es herkommt. Das macht es leichter [die Ausbeutung].

Tierautonomie: Ja, diese Reduzierung dann immer auf das Futtersuchverhalten oder die Brunft usw. Alles was Tiere anbetrifft wird dann immer eingegrenzt auf so gewisse Schwerpunkte, die für uns dann von Interesse sind.

Inox Kapell: Und die Kunst allgemein … ich glaube es liegt immer an dem Künstler.

Tierautonomie: Also da hat man eigentlich schon eine Möglichkeit ganz andere Zugänge zu schaffen.

Inox Kapell: Dass ein Künstler auch Visionär ist und eigentlich auch in der Pflicht steht, dem Volk was Gutes zu tun, dass er auch eine Meinung hat – das Politische, das haben viele vergessen.

Tierautonomie: Genau. Ich glaube Brecht hat auch mal gesagt, dass Künstler die Gesellschaft nicht nur spiegeln, sondern auch formen, mitgestalten sollten.

Inox Kapell: Ganz genau.

Tierautonomie: Also insofern auch so was Graswurzelpolitisches.

Inox Kapell: Genau, also ein Bodenanfang.

Wie sieht die Kunst den Künstler und dessen Sicht auf nichtmenschliche Tiere?

Tierautonomie: Wenn Du Kunst im Bezug auf Insekten machst, sind die Insekten für Dich dabei etwas rein Symbolisches? Sind sie sozusagen ‚Kunst-Nutzlebewesen’ für Dich? Es wird immer wieder von Kunstkritikern behauptet, dass viele Künstler nichtmenschliche Tiere in ihrer Kunst allein in einer symbolischen oder letztendlich metaphorischen Art und Weise verkörpert haben oder einsetzen, aber nicht um ihrer selbst willen. Kann man als Künstler auch einen ganz direkten Bezug zu Nichtmenschen haben, indem diese anderen Lebewesen nicht bloß als ästhetische „Medien“ dargestellt und portraitiert werden?

Inox Kapell: Ich glaub schon, dass das möglich ist. Das ist vielleicht eine sehr schöne Forschungsfrage fast, also das dahin zu wirken. Aber so Zeitgeist ist ja gerade ein anderer. Doch es bildet sich ja im Zeitgeist, der so stark ist jetzt, so einförmig, da bildet sich automatisch wieder Anderes. Also es gibt immer auch was, wo etwas im Sterben ist, ist auch schon das neue Leben, das kommt schon wieder, es ist schon da. Und das ist bei uns auch so.

Und jetzt könnt ihr mal da hoch gucken. Jetzt seht ihr da oben so eine Ameiseninstallation […]. Es ist eine Darstellung von etwas fast Feindlichem. Es geht aber darum, sich die Ameisen mal richtig anzugucken. Das passiert bei Kindern dann auch, wenn die hier sitzen [im Museumscafé]. Wenn du hier sitzt und Kaffee trinkst und dann da hoch guckst, da bist du erst mal so ‚Hu’?! Und dann macht es aber auch, dass man sich es dann anguckt und genauer anguckt.

Ameisengestalten an der Decke im Museumscafé.

 Tierautonomie: Also, dass man diese Tiere dann erstmal zeigt, es sind ja künstliche Figuren, die in einem Kontext als agierende Wesen dargestellt werden, um dadurch den Zugang zu den echten Lebewesen zu schaffen, um diese mit in den Raum und ins Denken mit einzubringen.

Inox Kapell: Und wenn du dann auch noch einen Menschen hast, der die Menschen nimmt und auf die Wiese bringt, dann ist natürlich was passiert!

Tierautonomie: Ohne den Tieren aber auch was anzutun. Ohne da einzugreifen, sondern einfach nur beobachten.

Inox Kapell: Einfach nur beobachten. Genau. Das ist ne Kunst und das ist auch wie eine Entschleunigung. Es ist eigentlich auch was Schönes für die Gesellschaft, weil du, sobald du dich da irgendwo hinhockst da draußen, und einfach mal auf ne Stelle guckst und dann läuft da was durchs Bild, dann ist das fast wie eine Meditation – für mich persönlich. Ich hab es auch auch von vielen anderen gehört, dass ich sie dahin bewogen habe, das zu tun und es wurde eine Art Meditation für sie. Also wie eine Entschleunigung, so ich zieh mich zurück, ich hab gerade viel im Kopf, jetzt geh ich einfach zum Ameisennest, setzt mich mal daneben und … .

Tierautonomie: Du lebst das ja auch wirklich vor. Wenn jemand Interesse hat und sieht, ‚oh da ist jemand, der einem so etwas tatsächlich auch vorlebt’, man sieht, man kann etwas auch so machen, dieser Weg ist gangbar.

Sehen, denken, handeln

Inox Kapell: Ja, genau. Es gibt in Filmen – und das ist ja auch ein großes Problem – im Film ist ja alles da, jede Idee wird zum Film, jede Lebensgeschichte, wenn sie interessant ist, wird zu einem Film. So, und dann guckt man das im Film, und ‚ah ja, hm hm’. Das muss alles wieder ins Leben rein, das muss alles wieder in die Realität. Es ist traurig, so was kann was bewirken, aber du kannst auch drin stecken bleiben, in dem: ‚ich habs ja gesehen, ich habs gesehen, das muss ich ja selber nicht tun.’ Und das ist genau der Schritt, den brauchen wir gerade. Es ist soviel Kraft da, aber es muss wieder dazu führen, dass wir uns bewegen, wir müssen handeln. Wir handeln nicht nur für uns, wir handeln auch für die anderen, für die Kinder, für die neuen Generationen, für die Umwelt. Und da kann Kunst schon viel machen. [Inox macht an dieser Stelle einen kleinen Exkurs zu Beuys und seinen lehrenden Tätigkeiten.] Es ist immer wichtig, wenn Du Menschen hast die die Dinge tun, die Dinge leben. Dann kannst du vieles besser verstehen. Rudolf Steiner hat ja auch immer gesagt, ich schreibe keine Bücher, ich halte Vorträge und zeichne meine Grafiken und nach jedem Vortrag könnt ihr mich fragen. Das ist mir lieber als ein Buch zu schreiben, das hier Fragezeichen hinterlässt und niemand kann sie beantworten. Also halte ich lieber tausend Vorträge und nach dem Vortrag sag ich: jetzt fragt mich und ich kann es direkt beantworten, dann versteht man es auch.

Tierautonomie: Eher sokratisch also.

Inox Kapell: Ganz genau und so ist es fast wieder schamanisch und indianisch, deswegen nannte sich auch Beuys dann irgendwann Schamane, weil er eben auch das tat. Er hat sich versammelt mit seinen Studenten und hat erzählt und dann war da Diskussion, dann konnt man reden. Daraus ist ja dann sowas entstanden wie die Grünen, wir brauchen ne Partei, die was ändert.

Tierautonomie: Das ist dann wirklich lebensverändernd.

Inox Kapell: [Inox schildert kurz einige Überlappungen von Kunst und der Punkbewegung in den frühen achzigern.] Das sind diese Beispiele von Bewegungen, wie sie entstehen. Sieh entstehen ja meist nur durch zwei, drei, vier, fünf Leute. Und das bräuchten wir mal wieder. Auch zu dem Thema.

Tierautonomie: Und dabei auch die Vernetzung und den Austausch mit Leute aus andern Ländern.

Inox Kapell: Genau. Aber da wird noch viel festgehalten an Altem. Ja und je länger du festhältst … du musst loslassen. Loslassen ist ein großes Thema. Je länger du festhältst, umso schwerer wird das Loslassen. Es fühlt sich dann so hart an, wenn auf einmal das Auto nicht mehr anspringt, wenn das Haus nicht mehr bezahlbar ist, weil du es ja eingeredet bekommst: wenn du kein Geld mehr verdienst, dann landest du auf der Straße. Es ist ja gar nicht alles so.

Tierautonomie: Genau, da muss man Öffnungen schaffen, damit man in diesem System nicht gleich einem Circulus vitiosus gefangen ist. Da muss man Aufbrüche schaffen.

Inox Kapell: Genau, und das macht man ja erstmal für sich selbst. Und wenn du dann sagen kannst, es hat funktioniert, dann können es andere auch angehen.

In der Welt Sein

Tierautonomie: Du sagst Insekten sind Musiker und Künstler. Eine ganz wichtige Aussage wie wir finden. Meinst Du das in ihrer Bedeutung für den Menschen alleine oder in ihrer Bedeutung an und für sich, für ihre Umwelt und für die Welt? (Das ist vielleicht eine suggestive Frage.)

Inox Kapell: Ja, auch für die Welt und auch für die Welt der Insekten. Weil, ich kanns ja nicht beweisen, aber ich glaube auch, dass in so einem Ameisennest, wenn man sich das mal anguckt, wie kunstvoll das gestaltet ist, allein die Klimaanlagen, wie kunstvoll die da sind bei unterschiedlichen Ameisenarten oder auch die Gebäude, die sie bauen – die die ja auch betrachten irgendwo.

Tierautonomie: Ja, dass die auch ihre Erlebniswelt haben.

Inox Kapell: Ja genau … weil das ja hat einen Sinn.

Tierautonomie: Ja, aber das ist merkwürdig, dass der Mensch da so einen totalen Cut macht zwischen „Mensch ist kulturschaffend, ist Geisteswesen und Tier ist das nicht“.

Inox Kapell: Genau, aber das ist jetzt der zivilisierte kapitalistisch denkende Mensch. Gehen wir jetzt zu den Indianern, zu den Urvölkern, da isses, gabs oder gibts immernoch auch das andere Verhalten, das mit der Natur. Und da seh ich so Bilder vor mir: kleine indigene Kinder mit großen Stabheuschrecken auf der Schulter oder mit ganz großen Schmetterlingen auch auf der Schulter oder auf der Hand, fast sprechend miteinander. Ja, also solche Bilder gibt es auch. Das liegt einfach daran, dass da der Zusammenhang, der Zugang – das alles ist da noch viel stärker vorhanden, zu dem Planeten auf dem wir leben, Planet Erde.

Insekten sind Bodengestalter und Baumgärtner

Tierautonomie: Es gibt bislang keine wirkliche Lobby für die Insektenwelt – als nichtmenschliche Tiere die sie sind, z.B. nehmen sich Tierrechtler ihrer Problematik bislang kaum an, weil selbst in den Tierrechten zumeist immer noch eine hierarchisierende Unterscheidung in „komplexere“ und „weniger komplexe“ Lebensformen betrieben wird, da wird immer noch von einem mensch-zentrierten Bild ausgehen im Bezug auf Wichtigkeit und Relevanz von Leben. Verstehst Du Deine Botschaft auch als eine Art Kritik an der ‚Hierarchisierung von tierischem Leben’ – sprich Homo sapiens = ganz oben und Invertebraten = ganz unten? Das würde zumindest auch beweisen, dass tieretisches Denken nicht unbedingt immer nur aus den Ecken stammt, von denen man es erwarten würde.

Inox Kapell: Das steht jetzt nicht so im Vordergrund bei mir, aber ich glaube das passiert dann automatisch. Ich kann durchaus ne Biene oder ne Ameise in ihrem sozialen Verhalten – also was ich jetzt selber erfahren habe über die ganze Zeit, kann ich das durchaus vergleichen mit dem Verhalten von Säugetieren. Und da komm ich auch dahin, dass ich sage, wenn man das jetzt hierarchisch sieht, dann müsste die Biene auch ganz oben sein und die Ameise auch und auch die Termite und auch die Wespe und die Hummel.

Tierautnomie: Also das würdest Du klar so postulieren, das könntest Du als Entomologe völlig unterschreiben?

Inox Kapell: Ja, auch in ner Abgrenzung zu andern Völkern, also das machen ja auch die Löwen oder die Wölfe und so weiter … auch Ameisen haben Wächter, auch Ameisen haben Kundschafter, das ist alles bei Säugetieren auch der Fall. Nur es ist vielleicht alles ein bisschen einfacher – das weiss ich ja nicht mal, weil ich das ja nur beobachte und weil die Tiere natürlich kleiner sind und alles was kleiner ist, wird immer weniger beachtet. Wir haben ja noch nicht mal gemerkt oder wissen ja heute noch nicht mal richtig … wir sagen ja es ist ne Darmflora und es ist eigentlich ne Darmfauna. Es sind ja Tiere, die in uns sind. Wir wollen das gar nicht wissen. Da hat der Mensch irgendwo ne Schramme. Ich kanns jetzt nicht anders sagen, weil ich das jetzt nicht so hart fühle, aber ich kann das nachvollziehen. Ich bin ja auch so aufgewachsen, drumrum sind ja auch alle heute ängstlich und haben dieses Denken. Und das Kleine ist immer das, das man einfach ausstellen und niedermachen kann.

Tieautonomie: Genau, man kann das leicht zerdrücken und zertreten, es ist verletzlich. Wir sind ja in einer mächtigen Position.

Inox Kapell: Und auch die Angst. Einmal gehört die Insekten, da gibt es Stechende dabei, oh ja, dann ist das schon der Feind, ‚ja also wenn das mich sticht’.

Tierautonomie: Oder wenn es mich auch nicht anlächelt, dann weiß ich nicht, was denkt ‚es’ überhaupt.

Inox Kapell: Genau, weil lächelnde Gesichter sind bei Insekten nicht so ausgeprägt.

Tierautonomie: Ne, und ‚das’ ist nicht so kuschelig.

Inox Kapell: Und das auch nicht, obwohl viele Insekten ja auch viele Haare haben, aber es sind ja fast alles Sinnesorgane.

Tierautonomie: Es sind sehr autonome Lebewesen, es gibt ja auch viel mehr Insekten, glaube ich, als es andere Tierlebewesen überhaupt gibt?

Inox Kapell: Ja, die Biomasse der Ameisen ist stärker als die aller Menschen zusammen. Also wenn du alle Mensch auf ne Waage tun würdest, auf die eine Seite, die Ameisen auf die andere, dann wiegen die Ameisen mehr als alle Menschen zusammen. Und da ist dann auch für mich klar, welch ein wichtiges Element eigentlich Insekten sind, also außer Feuer, Erde, Wasser, Luft, sind die Insekten eigentlich ein Element, weil aller Boden ist durchwoben von Chitinen, Proteinen, Eiweißstoffen, von allem eben, was die Insekten auch zurückgeben in die Erde, wenn sie sterben.

Tierautonomie: Die Gemeinschaft der Insekten ist also völlig untrennbar von der Natur, von der intakten Natur.

Inox Kapell: Ganz genau, und wir sind jetzt, genau jetzt zum ersten Mal menschheitstechnisch oder überhaupt, evolutionstechnisch vielleicht – ich meine vor 130 Millionen Jahren ist da mal ein Komet … das weiß man jetzt nicht, was es genau bewirkt hat – aber heute sind wir genau an so Punkten, wo jetzt die Insekten sehr stark sterben und wir die Folgen spüren werden. Wir haben schon Länder, da ist es schon soweit, da gibts schon ganz viele Vergiftungen, da ist schon alles Wüste sozusagen. In Amerika, die Japaner, die Chinesen haben riesen Probleme. Am Kirschblütenfest hat mans dann gemerkt, dass die Kirsche leidet, die Bienen sterben, ‚wir müssen das mit dem Finger machen, wir wollen dieses Blütenfest, das ist unsere Tradition’. Ja dann merkt der Mensch plötzlich, ‚ach so, die Biene ist ausgestorben, oh. Ja wie kann das denn passiert sein … .’

Tierautonomie: Völlig beängstigende Vorstellung.

Inox Kapell: Und es ist nicht nur die Biene, die bestäubt, sondern auch die ganzen Hummelarten, also vielleicht nicht ganz so stark oder konzentriert wie die Honigbiene, aber die tun das auch, und Wespen auch, aber eher zufällig. Ja Hummeln sind ja auch echte Bienen, gehören ja dazu zu den Bienen. Die machen das also alle. Und alle anderen Insekten, wie Schmetterlinge oder Ameisen, Käfer, die machen das eher zufällig, passiert aber auch. Und das Bestäuben ist eine wichtige Sache, die Bodengestaltung ist zum Beispiel eine andere und was weiß ich was da noch … so zum Beispiel Wasservorrat [bei den Bäumen] … .

Tierautonomie: Das ist ja wirklich auch eine gesamte Kultur, ne ganze Kulturlandschaft zwischen Fauna und Flora.

Inox Kapell: Regenwürmer sind so, so wichtig. Die siehst Du nirgendwo mehr. Wir machen Regenwurmführungen hier, da laufen wir nur rum und zeigen die Arbeit der Regenwürmer, dass die gerade mit ihrem Mund das Laub verarbeiten. Und die Kinder denken, ja das Laub fällt und dann vergammelt das. Nein, wenn es vergammeln würde, würde es überall stinken. Also das ist ein richtiger Prozess, dass das wieder Erboden wird. Wenn die das Laub nun alles rausziehen aus den Kulturwäldern, dann bildet sich nichts Neues. Und wenn wir uns in der Stadt die Bäume angucken, wie die da wachsen, da haben die gerade noch so viel drumrum, alles andere ist betoniert, die werden einfach … . Ich hab schon ne Performance gemacht bei umgehackten Bäumen, weil, die sind alle von innen verrottet. Die Städte werden alle irgendwann völlig uninteressant sein, vielleicht auf den Dächern wird sich was abspielen, aber den Beton muss man rausreißen … um Bäume zu pflanzen … . Es ist ganz furchtbar, das tun wir einfach so.

Tierautonomie: Ja und es wird kaum ein Bewusstsein dafür geschaffen und wenn, immer nur in Hinsicht auf die Nützlichkeit für den Menschen. aber nicht für die Natur selber.

Inox Kapell: Genau, und irgendwann haben wir auch in Deutschland, dass alles gleich aussieht.

Tierautonomie: Bodenversieglung.

Inox Kapell: Bodenversieglung, ja genau, und dann sind solche Wiesen wie hier die totalen Oasen.

Den Freiraum der Insekten in der Natur achten lernen, Anstöße vermitteln

Tierautonomie: Auf welcher Grundlage könnten Menschen akzeptieren, dass Insekten nicht nur wegen ihrer Nützlichkeit für die Menschen wichtig sind, sondern dass sie an und für sich eine besondere Rolle in der Welt einnehmen, indem sie selbst weltgestaltend und Lebensräume gestaltend sind?

Inox Kapell: Also ich geh jetzt mal wieder davon aus, dass, am meisten präge ich ja Kinder und Jugendliche, und wenn ich mit denen arbeite, dann passiert auch immer was, also ich mach Insektenmusicals, Theaterstücke, ich mach Hörspiele, usw. und das auch mit Kindern. Ich erarbeite Dinge, die die Kinder dann mit nachhause nehmen können, also, ob das dann kleine Insektenhotels sind oder Insektenhotels an deren Schulen oder ob das „nur“ Insektenführungen sind – „nur“  – da lernst Du auch was. Alles was Du mit denen machst, hat da auf jeden Fall ne Wirkung. Ansonsten ist ja in der Gesellschaft gerade ein großes Sterben in der Natur [Thema], und das ist natürlich auch wie ein: ja da leuchtet ja schon was, da kommt ja was zurück. Also wenn Du merkst ‚oh ich hab ja jetzt gerade gehört die Bienen sterben und es gibt schon diese Pflanze nicht mehr’ und so – dann macht das was bei Dir. Das kann dann weiterführen, je nachdem. Wie in einer Matrix sag ich jetzt mal wieder, weil viele sind ja nun mal ganz stark in ihrer Matrix, wie da gehandelt wird. Und da sind wir eigentlich – jeder ist da gefragt, jeder kann da handeln, jeder kann was erzählen. Der das natürlich mit Leidenschaft macht, ist der, der dann eher gehört wird, wie der Wissenschaftler, der halt nur sagt ‚Insekten haben sechs Beine, die haben ein Ausscheidungsorgan und sie haben Facettenaugen, die können fliegen und die machen auch das und das’ und das alles auch noch mit wissenschaftlichen Wörtern; da kommt nichts an. Das tolle bei Beuys war auch seine Sprache, weil, er konnte auf der einen Seite natürlich akademisch reden, aber er konnte auf der anderen Seite auch sehr einfach sprechen und dadurch hat er viele Menschen erreicht und das ist eben die Kunst.

Tierautonomie: Also auch das kreative, lebendige Kommunizieren, dass man z.B. nicht nur ne Petition weiterschickt, sondern auch noch ein paar eigene Gedanken dazu ausdrückt.

Inox Kapell: Genau, damit man es versteht … und so ist das eben mit den ganzen Insektenthemen auch. Also Hauptthema ist ja die Biene gerade, weil die Biene ja einfach so wichtig ist, nicht nur zur Bestäubung von Obst und Gemüse, sondern auch von Baumarten.

Tierautonomie: Ja und das ist ja brutal, was man mit Bienen in der Züchtung macht, dass man den Königinnen die Flügel abschneidet oder künstliche Besamung [5]. Das wissen viele Leute garnicht, was sich da hinter den Kulissen so abspielt.

Inox Kapell: das macht ein Demeter-Imker nicht, ein anthroposophischer Imker, wie wir ihn hier auf dem Schloss haben, macht das null, der ist da ganz anders drauf. Aber die Langnese, die ganzen großen Marken, das sind einfach Fabriken, das ist wie Massentierhaltung.

Tierautonomie: Wie auch bei den Seidenraupen [6].

Inox Kapell: Ganz genau.

Kreativ für Insekten Dinge schaffen

Tierautonomie: Kann Kunst nicht-anthropozentrisch sein, auch wenn der Kunstbetrachter ein Mensch ist. Anders gesagt, könntest Du Kunst für Insekten machen?

Inox Kapell: Ja, mach ich. Ich zeig es Euch wenn ihr wollt, hinten auf der Wiese gibt es Insektenhotels. Das ist Kunst für Insekten.

Tierautonomie: Das ist nicht einfach nur so lieblos, wie die Insektenhotels, die beim Gartenbedarf angeboten werden?

Inox Kapell: Also die in den Bauhäusern kaufbaren Insektenhotels, die sind häufig imprägniert, das ist gar nicht erforscht … [nach dem Motto] ‚so sehen also Insektenhotels aus, also dann machen wir die mal nach, da bohren wir ein paar Löcher rein’, das Holz ist häufig imprägniert, das heißt Du stellst das auf und da kommen gar keine Insekten rein. Das gibts nämlich auch, da ist im Kopf nur: ‚ich will mit nem Insektenhotel Geld verdienen, wie bau ich denn eins’, trotzdem werden sie gekauft, Da gibts noch dieses blöde – ja die Deutschen sind auch manchmal zu sarkastisch find ich – diese Hornbach-Werbung, da ist doch dieser Typ da im Garten und da fährt so einer mit nem Insektenhotel durch und dann: ‚muss denn das jetzt sein’ oder irgendsowat. Und ich hab mich so gefreut, ich denk irgendwie müsst man eigentlich dazu schreiben: ‚yeah endlich wieder Insekten, die an mir mal vorbei fahren’. Aber es ist wieder dieses ‚äh – da hat er ja recht wenn er sich beschwert, weil Insekten sind einfach scheiße’.

Tierautonomie: Ja genau.

Inox Kapell: Die kann man im Hotel haben, aber mehr nicht. Die Insektenhotel-Idee ist eigentlich ein Naturklassenzimmer zu machen, also das ist neben dem Gedanken ‚ich will dass Insekten gefördert werden’, auch dieses ‚ich guck sie mir dann an’. Das ist zum Beispiel die Vermittlung, die ich an Schulen mache. Wir bauen jetzt nicht nur nen Insektenhotel damit ihr dann dort eine Bestäubung habt, weil ihr habt nen Obstgarten und so, sondern ihr habt ein Naturklassenzimmer, ihr müsst jetzt nicht da in den Wald fahren mit dem Bus … .

Tierautonomie: Vielen Dank für das Gespräch lieber Inox!

Wir gingen dann hinaus zu den hinteren Wiesen des Schlossparks, die ein wahres Ökotop sind. Inox zeigte uns irre kunstvolle Insektenhotels, viel behüteten Lebensraum für die kleinen Invertebraten. Die Wiesen liegen direkt an einem Teil des Gartens, der eher einem Mischwaldstück gleicht … und siehe da die ganze Wiese war belebt von Insektendiversität!

In unseren Händen: Ordungsamt et la Politesse: Ameisen und Politik, Album von Inox Kapell und Pater Rene von Döll, ein Release von 2017. [7]

Verweise

[1] Inox Kapell, Grafik Quelle: http://www.schlossfreudenberg.de/typo3temp/dbgallery/75c0a73a5f.jpg , Stand 20.04.2018.

[2] Inox liebt die Insekten, http://www.inoxkapell.de/insekt.htm , Stand 20.04.2018.

[3] Schloss Freudenberg, Der U(h)rzeigerSinn, https://www.schlossfreudenberg.de/wir-ueber-uns/freudenberger-ursprung/vorbilder-und-anregung.html , Stand 20.04.2018.

[4] Voctorie Jaggard: Meet the Makech, the Bedazzled Beetles Worn as Living Jewelry. Käfer als Broschen: Der Artikel beschreibt die Herstellung von mit Gold und Edelsteinen verzierten Käfern, die bereits seit Jahrtausenden als lebendiger Schmuck getragen worden sein. http://www.smithsonianmag.com/smithsonian-institution/meet-makech-bedazzled-beetles-worn-living-jewelry-180955081/?no-ist, Stand 21.04.2018. Dass nicht alles, was von indigenen Kulturen stammt, automatisch eine sozialere Einstellung zu nichtmenschlich-tierlichen Lebewesen beinhaltet, beschreibt Noske (1997) aus anthropologischer Sicht. Speziesismus und Anthropozentrismus bestimmen auch in indigenen Kulturen oftmals die Mensch-Tier-Beziehung, vgl. Barbara Noske, Speziesismus, Anthropozentrismus und Nichtwestliche Kulturen, http://simorgh.de/noske/noske_3-15.pdf , Stand 21.04.2018. Und Ameisen in Uhren, Stephen Messenger, New Watch Holds Little Live Animals Captive On Your Wristhttps://www.thedodo.com/watch-holds-captive-ants-1057364913.html , Stand 21.04.2018.

[5] Die Informationen sind in zwei Features aus ‚The Vegan’ (1992) über die Honigbiene von Amanda Rofe zu finden: Die Honigbiene http://www.simorgh.de/vegan/bienen_v_S92.pdf , die Honigbiene II http://www.simorgh.de/vegan/bienen_v_H92.pdf , Stand 22.04.2018.

[6] Informationen über die Seidenproduktion sind nachlesbar z.B. in diesem Artikel vom ‚The Vegan’, von Robin Webb: Seidener Faden: Seidenraupentod (1990), http://www.simorgh.de/vegan/bombyx_S90.pdf , Stand 22.04.2018.

[7] Ordungsamt et la Politesse, Ameisen und Politik, Hafenschlamm Rekords, 2017, http://www.cargo-records.de/de/item/116671/katalog_art.75.html , Stand 22.04.2018.

Auswahl, Links zum Künstler

Die Webseite von Inox Kapell http://www.inoxkapell.de/
Schloss Freudenberg: https://www.schlossfreudenberg.de

Videos:
Pipinox Konfetti im Sinn: https://www.youtube.com/watch?v=lIzq-av0yhU , Stand 22.04.2018.
Phänomenica: https://www.youtube.com/watch?v=PsurclD9zuY , Stand 22.04.2018.
Arte Sendung über Insekten und Inox: http://cinema.arte.tv/de/artikel/zoom-insekten-im-kurzfilm , Stand 22.04.2018.

Artikel:
Im Universum von Inox Kapell: https://merkurist.de/wiesbaden/insektenforscher-im-universum-von-inox-kapell_dXI , Stand 22.04.2018.

Musik:
APJIK – berlinberlinberlin: https://soundcloud.com/laurent-rauner/apjik-berlin-please-validate-your-ticket , Stand 22.04.2018.
Love Dimension: https://www.youtube.com/watch?v=zkJY0hWLBg4 , Stand 22.04.2018.

Das Interview führte
Palang LY Prenzel, www.simorgh.de – ‚Open Access in der Tier-, Menschen- und Erdbefreiung’. Revised 4/2018.

Zitation
Tierautonomie Interview mit Inox Kapell (2018). Insekten, unsere und ihre Kultur. TIERAUTONOMIE, 5(2), http://simorgh.de/tierautonomie/JG5_2018_2.pdf.

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TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)

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Nivea Mullings: Rassismus und Speziesismus im Zeitalter von Black Lives Matter konfrontieren

Rassismus und Speziesismus im Zeitalter von Black Lives Matter konfrontieren

Nivea Mullings

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Originaltitel: Confronting Racism & Speciesism In The Age of Black Lives Matter, http://www.blackvegandiaries.com/blog/confronting-racism-speciesism-in-the-age-of-black-lives-matter , Stand 12.04.2018. Übersetzung: Gita Yegane Arani, mit der freundlichen Genehmigung der Verfasserin.

In den letzten paar Monaten seitdem ich vegan bin, habe ich erkannt, dass beides, sowohl schwarz als auch vegan zu sein, bedeutet einen sehr einmaligen sozialen Raum einzunehmen. Ehrlich gesagt kann das ein sehr frustrierender, angst-erzeugender Ort sein, an dem man sich dabei befindet. Schwarz zu sein bedeutet auf der einen Seite, rassistischen Diskriminierungen auf zahlreichen Ebenen ausgesetzt zu sein. Das ist ein Punkt, den ich nicht bereit bin als Streitfrage zu behandeln, denn es ist einfach eine Tatsache. Es ist meine gelebte Erfahrung und es ist die gelebte Erfahrung derer, die ich liebe und zahlloser schwarzer Menschen auf der ganzen Welt. Dies wurde analysiert, erforscht, ist Studiengegenstand und darüber wurde und wird immer wieder geschrieben. Ich betrachte also jedes Argument, das dem widerspricht, als eine willkürliche Ignoranz, die von einem tiefen Mangel an Empathie zeugt.

Es ist emotional belastend immer wieder klar zu stellen, dass mein Leben etwas bedeutet. Es ist schmerzvoll, gleichzeitig schier endlose Reihen von Menschen zu betrauern, die durch die inhärent rassistischen Systeme unseres Landes zu Opfern werden, während du im gleichen Moment dazu gezwungen bist, die Existenz eben dieser Systeme an aller erster Stelle überhaupt zu beweisen. So etwas nagt an dir, jeden Tag in Angst zu leben, dass du oder jemand den du liebst der Nächste sein könnte. Aus diesen Gefühlen ist die Black Lives Matter Bewegung entstanden. Sie ist ein notwendiger Protestaufruf angesichts massenhafter Inhaftierungen, der Anwendung systemisch-institutioneller Gewalt, bewusster Vernachlässigung und sinnloser Tode. Wenn Leute dem nun entgegenhalten „Nein, es sind nicht nur die Leben Schwarzer, die zählen, sondern ALLE Leben zählen“ ist es sehr schwer nicht wütend zu werden. Denn lasst uns ehrlich sein, das ist eine leere, beschränkte, willkürlich ignorante und mitgefühlslose Reaktion auf einen versichernden Nachdruck auf den Wert des Lebens Schwarzer. Um ehrlich zu sein, es ist es ein Schlag ins Gesicht.

Wenn ich dieser Haltung in der veganen Bewegung begegne, dann fühle ich mich schlichtweg zornig, tief frustriert, verärgert und verletzt. Und es sind nicht einfach die zahllosen Tiermemes mit „All Lives Matter“, mit denen sich jemand umgibt – es ist die anti-schwarze Gesinnung, aus dem dieser Satz plötzlich herrührte. Es ist die Tatsache, dass die Leute die diese Memes posten, auch glauben, dass Schwarze Menschen eigentlich über nichts herumheulen, und dass die wahren Opfer die armen, hilflosen Tiere sind, denen wegen der Nahrungsmittelproduktion und dem Profit Gewalt angetan wird.

Das ist eine direkte Zurückweisung und Verurteilung einer Bewegung, die aus einer Situation echter Unterdrückung entstand, und diese Reaktion verblüfft mich. Es erstaunt mich, dass es Menschen gibt, die dir die Funktionsweisen der Systeme, die Gewalt gegen Tiere ausüben, genaustens erklären können, die aber keine zwei Schritte weiter denken können um zu erkennen, wie genau dieselben Systeme auch das Leben von Menschen anbetrifft. Weitaus schlimmer, eine echte Kenntnis der Geschichte zeigt, dass diese Systeme, die barbarische Art und Weise, mit der Tiere zur Generierung von Profit behandelt werden, an den Körpern meiner Vorfahren perfektioniert wurden.

Tatsächlich wurden versklavte Frauen dazu gezwungen, weitere Sklaven für den Sklavenhalter zu gebären. Die Körper meiner Vorfahren wurden benutzt, misshandelt und man hat sich ihrer entledigt, alles unter Berücksichtigung dessen, wie viel Ernte und somit wie viel Geld man durch ihre Arbeit generieren konnte. Es ist witzig, denn viele vegane Mainstreamorganisationen wie PETA, sind sich dieser Geschichte sehr bewusst, denn sie verwenden die Vergleiche um ihre Argumente zu stützen, weshalb Menschen – und insbesondere farbige Menschen/People of Color – vegan werden sollten. Doch hier ist das Problem: Genau sie sollten diese Vergleiche nicht machen. [1]

Es gibt einen Grund, warum Schwarze Menschen immer noch sehr empfindlich darauf reagieren, mit Tieren verglichen zu werden. Zum einen, ist der direkte Vergleich mit Affen [2] eine besonders furchtbare Art gewesen, mit der Rassisten uns entmenschlichen wollten. Aber mehr noch als das, entgegen dem was viele Amerikaner gerne glauben wollen, existieren die Verheerungen von Sklaverei nicht einfach in einer fernen Vergangenheit, die keinerlei Folgen für unsere Gegenwart hätten. Wir sehen die Spuren in unserem Masseninhaftierungssystem, wir sehen sie jedes Mal, wenn ein unbewaffneter Mann, eine Frau oder ein Kind von Staatsdienern getötet werden, die eigentlich bezahlt werden, um Menschen zu schützen. Und selbst wenn wir nicht immernoch gegen rassistische Diskriminierungen an unseren Schulen, unseren Arbeitsplätzen, bei der Wohnungssuche, in den Banken und innerhalb so vieler Bereichen unseres Lebens kämpfen müssten – der Schmerz, das Leid und das Trauma, das von unseren Vorfahren durchgemacht wurde, ist tatsächlich in unsere DNA übergegangen. [3]

Wir sehen auch wie es den Leuten ganz egal ist, wie sie uns klarmachen, dass sie mehr Mitgefühl bei dem Tod von Tieren empfinden, als bei dem Tod Schwarzer Menschen. Wir haben mehr Empörung beim Tod von Harambe bezeugen dürfen, als beim Tod der siebenjährigen Aiyana Stanley-Jones oder beim zwölfjährigen Tamir Rice. Ungeachtet von Videobeweisen, findet Gerechtigkeit beim Tod unbewaffneter Bürger – deren einziges Verbrechen es war dem falschen Polizisten über den Weg gelaufen zu sein – ganz selten satt. Wir trauern seit Jahrhunderten, und unsere Trauer geht immer weiter.

Gleichzeitig wäre es unaufrichtig einfach zu behaupten, dass die Vergleiche nicht berechtigt wären. Denn es ist wahr, so wie es Firmen gibt, die auf großen Geldbergen sitzen, die sie durch die Zwangsversklavung Schwarzer Menschen erworben haben, so sind da die Unternehmen, die das Geld sammeln unter dem Gebrauch derselben Taktiken und der gleichen Art der inhumanen Behandlung im Bezug auf Tiere. Das erste Mal, als ich hörte wie Kühe zwangsgeschwängert werden, musste ich sofort an das Buch „Killing The Black Body“ der Juraprofessorin Dorothy Roberts denken, in dem sie schreibt:

„Einige Sklavenbesitzer praktizierten auch Sklavenzucht, indem sie Sklaven, die sie als ‚erste Güte’ einstuften, zwangen sich gemeinsam fortzupflanzen, in der Hoffnung, dass diese besonders geeignete Kinder für die Arbeit oder für den Verkauf produzieren würden.“

Auch schreibt sie,

„Da eine gebärfähige Frau für ihren Herren mehr Wert hatte, wurden diese Frauen seltener an einen neuen Besitzer verkauft … Frauen die keine Kinder bekommen konnten, wurden hingegen häufig verkauft – oder schlimmeres. Sklavenbesitzer, die sich über den Verlust ihrer Investition ärgerten, rächten sich auf grausame physische und psychische Weise an ihren unfruchtbaren weiblichen Sklaven.“

Dieser gründlich recherchierte, ergreifende Text beschreibt weiter wie Schwarze Körper, und dabei insbesondere weibliche Schwarze Körper, immer wieder staatlicher Kontrolle ausgeliefert waren, durch erzwungene und auferlegte Geburtenkontrolle, die erzwungene Trennung von ihren Kindern und weiteres. Als Schwarze Frau weiß ich, was mein Körper und die anderen Körper Schwarzer Frauen vor mir für dieses Land bedeutet haben. Es ist eine erschreckende Geschichte der Ausbeutung, der Gewalt und der Ausübung von Kontrolle.

Aber unter Berücksichtigung all des Gesagten, muss ich doch auch sagen, ich fühlte mich wirklich zutiefst erschüttert, als ich das erste Mal ein Video sah, in dem eine Kuh verzweifelt ihren neugeborenen Jungen hinterherläuft, die Abtransportiert wurden zum Schlachthof. Ich fühle mich völlig angewidert von der Vorstellung, dass Kühe zur Produktion von Milch fortwährend künstlich besamt werden, da logischerweise nur die Kühe, die gerade ein Junges geboren haben, Milch produzieren. Wenn ich die magenumdrehenden beengten, unhygienischen Zustände sehe, in den denen die Tiere vor ihrer Schlachtung gehalten werden, kann ich mir nicht nur nicht vorstellen sie als Nahrungsmittel zu verzehren, sondern ich bin auch zornig darüber, dass sie überhaupt so behandelt werden. Es fühlt sich für mich als völlig entgegengesetzt zu meinen Werten an, diese Art des systemischen Umgangs mit marginalisierten menschlichen Bevölkerungsgruppen zu verurteilen und gleichzeitig so etwas zu unterstützen, allein damit ich Speck essen kann.

Zu sagen, dass mich das veganwerden verändert hätte ist ein Understatement, denn auch ich habe einst gedacht, dass Tiere unter mir stünden und ich habe wenig Aufmerksamkeit auf die Schrecken der heutigen Tieragrarkultur gelenkt. Aber nun habe ich bereits zu viel gesehen und ich weiß zu viel. Mein Bauchgefühl, Vergleiche zwischen der Behandlung von Tieren und der historischen und kontinuierlichen Misshandlung meiner eigenen Leute zu machen, rührt nicht aus einem Winkel der Entmenschlichung oder der Verharmlosung. Es rührt aus einem Raum echter Empathie für andere Lebewesen, die ganz genauso imstande sind Angst, Schmerz und Verzweiflung zu empfinden. Es rührt aus einem Wissen über die inhumanen Systeme, die mit Körpern handeln, mit menschlichen sowie mit tierlichen Körpern gleichermaßen, zum alleinigen Zweck der Generierung unternehmerischer Profite. Der Vergleich steht, weil das System uns damals wie heute wie Tiere behandelt und weil keine dieser Formen von Gewalt okay sind.

Schlussfolgernd muss ich sagen, dass wenn PETA und andere bekannte vegane Organisationen und Personen sich das Leid von Schwarzen, von nordamerikanischen Indianern und anderen historisch unterdrückten Menschen dienlich machen, um so ihre Agenda voranzutreiben (und so ehrenwert wie dies sein mag, aber eine Agenda bleibt eine Agenda), fühlt sich das ausbeuterisch und respektlos an, weil es nicht die Konsequenz eines echten Mitgefühls darstellt. Der Quelle dieses Mitgefühls für Tiere läuft auf Kosten von Menschen, die immernoch jeden Tag darum zu kämpfen haben, dass ihr Leben überhaupt etwas zählt. Sowas kann kein Fundament für einen echten Fortschritt darstellen, sondern es ist eine Weiterführung der Minimierung unseres Schmerzes. So etwas ist fehlgeleitet und scheinheilig. Wenn das Ziel ist, dass Menschen ihr Mitgefühl auf andere Spezies erweitern, dann sollte man erstmal versuchen, für seine eigenen Mitmenschen etwas Mitgefühl zu entwickeln.

Links:

[1] A.d.Ü.: Koch Socha diskutiert in ihrem Text: Die “gefürchteten Vergleiche” und der Speziesismus: eine Ausgleichung der Leidenshierarchie , http://simorgh.de/socha/socha_the_dreaded_comparisons_and_speciesism.pdf , genau diese Problematik, dass die eigene Position in der Anwendung von Vergleichen und der Beschreibung von Parallelen glaubwürdig begründet werden muss. Werden Vergleiche eher als Mittel zum Zweck eingebracht, ist weder der Diskussion um Gerechtigkeit innerhalb der menschlichen Gesellschaft noch den Nichtmenschen in ihrer Problematik damit gedient, Ursachen bleiben unsichtbar, usw.

[2] Rachel Herron: Michelle Obama Says Racist Attacks Like Being Called an Ape ‘Cut the Deepest’ as First Lady, https://www.bet.com/news/national/2017/07/26/michelle-obama-speaks-on-being-a-black-first-lady.html , Stand 17.04.2018.

[3] Lincoln Anthony Blades: Trauma From Slavery Can Actually Be Passed Down Through Your Genes , https://www.teenvogue.com/story/slavery-trauma-inherited-genetics , Stand 17.04.2018.

Rev. 17.04.2018