Ein Interview mit Syl Ko

kts8

Jahrgang 6, Nr. 1, Art. 1, ISSN 2363-6513, Mai 2019

Ein Interview mit Syl Ko

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Aktivismus im Sinne einer epistemologischen Revolution

Palang: Aph und Du Ihr habt in Eurem Buch Aphro-ism eine sehr umfassende philosophisch-soziologische Herangehensweise an wichtige Fragen nichtmenschlicher und menschlicher Unterdrückung (einschließlich der des natürlichen Raumes) entworfen und formuliert. Diese fundamentale Herangehendweise unterstützt eine, wie Ihr sie bezeichnet, epistemologische Revolution. Wie denkst Du kann jede_r von uns sich selber in Aktion versetzen, in die Diskurse einbringen und sichtbar werden, im Kontext mit den neueren Herangehensweisen, die anscheinend bislang nicht in die derzeitigen vorherrschenden Diskussionsmuster hinein passen? Nicht jede_r fühlt sich imstande, das niederzuschreiben, was er/sie denkt und dennoch haben Einzelne beeindruckende kritische und konstruktive Herangehensweisen … in anderen Worten, ich habe den Eindruck, dass Leute, die einen grundlegenden revolutionären Akt befürworten würden, unsichtbar bleiben, insbesondere in Hinsicht auf die Tierbefreiungsfrage (im Zusammenhang mit den Komplexen „Mensch“ und „Natur“), da die Mehrheit der Tierrechts- und der Tierbefreiungsbewegung weiterhin eine Sichtweise eines Mensch-Tier-Binärs hochhält, und nötige, entscheidende ethische Sprünge und geistige Beweglichlichkeit meidet. Wie können wir der Unsichtbarkeit innerhalb dieser Hauptströmen begegnen oder wie könnten wird erkennbarer werden, anders gesagt, welche Herangehensweisen im Aktivismus denkst Du sind hilfreich, um den Weg einer EPISTEMOLOGISCHEN REVOLUTION zu beschreiten?

Syl: Danke Dir, palang, für Deine beeindruckenden und einsichtsvollen Fragen. Den Lesenden sollte bewusst sein, dass wir hier in zwei verschiedenen Sprachen kommunizieren, so dass sich eventuell einige Übersetzungsfehler ergeben könnten. Ich habe soweit aber keine entdeckt, die die Kernaussagen unserer Konversation verzerren würden. Auch sollte ich im Vorab sagen, dass ich all Deine Fragen in meinem eigenen Sinne beantworten werde, da ich hier für Aph ja nicht sprechen kann. [1] Wie Du in Aphro-ism sehen kannst, teilen wir nicht in allen Punkten eine Meinung, und so sollten meine Aussagen hier nur als stellvertretend für meine eigenen Ansichten im Bezug auf diese Fragen verstanden werden. Und, indem ich dies geklärt habe, sollten wir nun ein wenig über die epistemologische Revolution sprechen. Epistemologie ist ein Begriff der umgangssprachlich kaum verwendet wird, ich möchte daher einen Schritt zurück gehen und kurz das Bild etwas füllen.

Jeder ist zu einem gewissen Grad mit Epistemologien vertraut, selbst wenn er/sie diesen Begriff zuvor niemals gehört oder gebraucht hat. Jeder hat sich zum Beispiel irgendwann einmal gefragt: Woher weiß ich, ob ich nicht gerade träume? Gibt es einen unbezweifelbaren Test, der mir zeigen würde, ob ich wach bin oder träume? Dies ist eine der bekanntesten und bewährtesten epistemologischen Fragen, die jemals gefragt wurde, in prominentester Weise durch den Philosophen René Descartes. Descartes hat diese Frage nicht als eine bloße mentale Übung gestellt. Er versuchte damit die Wissenschaft zu retten! Zu seiner Zeit war die vorherrschende wissenschaftliche Sicht die der Scholastiker, einer Schule von Denkern, die durch die Ideen des Aristoteles beeinflusst waren. Sehr grob gesagt glaubten die Scholastiker, dass eine Erklärung des Verhaltens physikalischer Phänomene – so wie das Herabfallen eines Apfels vom Baume – mehr als das beinhalten würde, was wir heute mit physikalischen Gesetzen bezeichnen würden. Sie dachten, der Apfel verfüge über eine eigene seelenartige Substanz, die den Apfel dazu „bewegen“ würde, auf den Boden zu fallen.

Descartes war zurecht in Sorge über solche Behauptungen. Er glaubte, dass es albern sei zu denken, der Apfel fiele zu Boden, weil er über eine mit einem Willen ausgestattete Seele verfüge, und, was noch weitaus wichtiger war, er war besorgt darüber, dass solch eine Behauptung auf Spekulationen basierte, statt auf etwas Wahrem und Erklärbarem. Die Art der Behauptungen, die die Scholastiker anstellten, waren nicht sicher, und unsichere Behauptungen taugen in den Wissenschaften wenig. (Nebenbei bemerkt, das Wort „Wissenschaft, im Englischen ‚science‘, stammt vom Lateinischen ‚scientia‘, dass eine ‚unbezweifelbare Wahrheit‘ bezeichnet. Die Naturwissenschaften und die Philosophie entstanden als geeintes Projekt.) Wir wollen keine wissenschaftlichen Gesetze auf wackeligen Fundamenten errichten, und zwar aus demselben Grunde nicht, aus dem wir unser eigenes Haus auch nicht auf Sand bauen würden. So machte sich Descartes daran, festzustellen, ob es etwas gäbe, was man wirklich wissen könne und von dem aus man einen Beginn machen könnte. Wenn wir immerhin ein Ding finden würden, von dem wir annehmen könnten, dass es eine wahre und gerechtfertigte Aussage ist, dann könnten wie diesen Fall dazu verwenden, um zu bestimmen, was die Kriterien für wahre und rechtfertigbare Aussagen – Wissen – im generellen sind. Aus diesem Grund begann er damit, die ganz grundsätzliche Behauptung zu hinterfragen, die wir jeden Tag als selbstverständlich voraussetzen. Die Annahme nämlich, dass die normale wahrgenommene Erfahrung auch wirklich wahr ist! [2]

Ein anderes einfaches Beispiel unserer Vertrautheit mit Epistemologie ist folgendes, denkt einfach mal an einen Moment, indem ihr euch mit jemandem in einem Streit befandet und die Person zu euch sagte, naja, das ist deine Meinung! Und ihr antwortetet mit: ist nicht einfach meine Meinung, sondern ich weiß, dass es wahr ist! Hier begegnen wir einem klaren epistemologischen Unterschied, der, trotz der offensichtlichen Uneinigkeit für beide Parteien klar sein sollte: erstens, er existiert ein erkennbarer Unterschied dazwischen, eine Meinung zu haben, und etwas zu wissen, und zweitens, etwas zu wissen ist dem gegenüber überlegen, bloß eine Meinung über etwas zu haben. Jedes Mal wenn du mit dieser Art grundsätzlicher Fragen zu tun hast und mit Diskussionen über die Eigenschaften von Wissen, dann hast du es mit Epistemologie zu tun, selbst wenn allein informell. Ich bemühe mich dies detailliert zu schildern, denn ich möchte damit klarmachen, dass epistemologische Fragen kein sinnloses mental mastrubatives Futter sind. Sie tragen ein ganz besonderes Gewicht, und bildeten die informierenden Grundlagen für die meisten wenn nicht alle großen kognitiven Wandel durch die Menschheitsgeschichte hindurch. Mir ist daher wichtig, das eure Leser_innen verstehen, worum es hierbei geht.

Doch viele Dinge die erfassbar sind, sind in der Tat eigene Fiktionen. Und infolgedessen sind diese Dinge nicht über die Zeit hinweg fixierbar oder statisch. Wir neigen dazu, Realität als das zu erfassen, worüber uns die Naturwissenschaften ihre Informationen liefern. Viele Denker_innen haben in diesem Punkt jedoch eine andere Auffassung. Etwas über die Realität zu wissen oder zu verstehen, lässt sich zusammenfassen als eine Sammlung von Informationen, nicht allein über die physische Welt sondern auch über die soziale Welt, die vollständig fiktional ist, aber, da wir alle an ihr teilnehmen ist sie auch wirklich, jedoch in einer anderen Art und Weise. Einige Denker_innen, insbesondere im Bereich dekolonialer Traditionen, betonen, dass wenn es wahr ist, dass die physische und die soziale Realität in Wirklichkeit zusammen wirken und so zusammen die objektive Welt konstituieren, dann erzeugen unterschiedliche soziale Realitäten innerhalb der gleichen physischen Welt auch andere objektive Welten. Das heißt, Dinge verhalten sich kontingent zur eigenen sozialen Welt. Das heißt auch, dass das, was als eine wahre und gerechtfertigte Auffassung gilt, keiner individuellen, sondern einer kollektiven Leistung geschuldet ist. [3]

Man betrachte das folgende Beispiel. Der Soziologe Ramon Grosfoguel beschreibt in seinem Artikel „The Structure of Knowledge in Westernized Universities: Epistemic Racism/Sexism and the Four Genocides/Epistemicides of the Long 16th Century”, dass innerhalb von Stunden, nach der Ankunft in dem Land, das der Entdecker Christopher Columbus für Indien hielt, dieser schlussfolgerte, dass die indigene Bevölkerung die dort lebte, über keine Religion verfügen könne. [4][5] Columbus kam nicht aus Boshaftigkeit zu dieser Schlussfolgerung; was er stattdessen tat, ist das, was wir alle die ganze Zeit machen: wir denken innerhalb von Begriffen der sozialen Welt, die uns vertraut ist. Innerhalb der sozialen Realität von Columbus (die aus der spezifischen Fiktion seiner eigenen Religion bestand) musste das, was Religion war, in spezifischer Weise erkennbar sein. Zum Beispiel musste Religion wahrscheinlich monotheistisch sein, in Verbindung stehen mit besonderen Ritualen, die man mit Gottesdiensten in Verbindung bringen würde, mit bestimmten Bekleidungsregeln einhergehen und so weiter. Die genaue Konzeption, die Kolumbus im Sinne hatte, war sehr provinziell. Und wenn die Menschen, die er auf dem amerikanischen Kontinent antraf, eine Religion gehabt haben, dann hätte er diese nicht einmal erkannt, außer er hätte sich die Zeit genommen einen internen Zugang zu ihren Praktiken zu erhalten.

Und da ist noch etwas, das erwähnt werden sollte. Weshalb spielte es eine Rolle, ob die indigene Bevölkerung eine Religion hätte oder nicht? In Kolumbus‘ sozialer Welt mussten alle Menschen eine Religion haben, weil alle Menschen eine Seele haben. (Man beachte, dies ist ein anderer, ganz großer epistemologischer Sprung. Aber aus der internen Perspektive, in der Kolumbus‘ Welt funktionierte, war dies völlig logisch.) Vielleicht waren einige der Religionen die falschen Religionen (zu jener Zeit waren das Judentum und der Islam falsche, und das Christentum die richtige Religion), aber Religion musste überall dort erscheinen, wo Menschen sind. Als Kolumbus und seine Leute nun also schlussfolgerten, dass die Menschen, die sie dort antrafen, über keine Religion verfügten, ergab es Sinn und es war dann auch in der Tat logisch, weiter zu schlussfolgern, dass an diesen Menschen irgendetwas nicht-menschliches war. Gemäß seiner sozialen Welt und der Epistemologie, die seine Welt formte, war das eine wahre und gerechtfertigte Annahme. Und wisst ihr, was die erste philosophische Debatte in der „neuen Welt“ war? Ihr werdet es wohl erraten können, es war die Frage, ob man davon ausgehen könne, dass die indigene Bevölkerung eine Seele habe oder ob nicht. In anderen Worten, ob diese Menschen wirklich richtig „menschlich“ waren oder nicht. Und aus diesem Grund war – und das wird wirklich sehr komisch klingen – Kolumbus für seine Zeit sehr progressiv: er ging davon aus, dass jedes Mitglied unserer Spezies zum Christentum konvertiert werden könne, was bedeutet dass er, ungleich vieler seiner Zeitgenossen, der Meinung war, dass alle Menschen richtige „Menschen“ wären. [6]

Grosfoguel verfolgt den unterschwelligen aber zerstörerischen epistemologischen Wechsel, der während dieser Debatten stattfand: Fakten über den eigenen religiösen Glauben oder die Ermangelung dessen, wandelten sich zu Fakten über den Grad der eigenen Menschlichkeit. Seht ihr was hier geschehen ist? Was einst die Haltung gegenüber, sagen wir dem Status des Judaismus oder des Islam im 15. Jahrhundert gewesen war – nämlich das dies „minderwertige“ Religionen wären – ist nun im 16. Jahrhundert die Einstellung, mit der den Menschen begegnet wurde, die diese Religionen praktizierten, nämlich, dass Juden und Muslime im Grade ihres ‚Menschseins‘ minderwertig seien. Grosfoguel bezieht sich auf diesen epistemologischen Wandel als denjenigen, in dem vom theologischen Modus zum anthropologischen Modus gewechselt wurde.

Und, um somit zu dem Kontext zurückzukehren im Bezug auf das, was eine epistemologische Revolution ist, haben wir hier die erste *epistemologische Revolution*, die in der „neuen Welt“ stattfand. Den westlichen europäischen Erforschern ging es nicht einfach nur darum, Land auf dem ganzen Planeten zu besetzen. Noch weitaus wichtiger war ihnen, alle Völker in der Welt epistemologisch zu erobern. Das übersetzt sich zu: was für die indigenen Völker wahr zu sein hat, ist das, was für die Menschen in Kolumbus‘ Welt wahr ist. (Kolumbus hat in dieser Hinsicht kein Blatt vor den Mund genommen: er wollte, dass die ganze Welt christlich würde. Er war in dem Punkt in der Tat fanatisch.) Ihr könnt erkennen, worin hier das Problem besteht. Das was für Spanien wahr gewesen ist, ist nicht für die indigene Bevölkerung wahr gewesen. Wie der dekoloniale Literaturwissenschaftler Walter Mignolo bemerkt, verstand die indigene Bevölkerung sich gewiss nicht als Untermenschen an dem Tage, an dem Kolumbus mit seinen Leuten eintraf. [7] Ihre Welt, und somit deren Epistemologie, unterschied sich schlichtweg grundsätzlich. Um Völker zu erobern, reicht es nicht allein ihnen das Land zu nehmen. Du musst ihnen dazu auch ihre Sichtweise über die Welt, über sich selbst und über andere unter den Füße wegziehen. Und du misst sicherstellen, dass auch die zukünftigen Generationen dahingehend indoktriniert werden, die Welt, sich selbst und die anderen, so wie du [es willst] zu verstehen und zu sehen. Das ist warum Grosfoguel und so viele andere Gelehrte/Aktivist_innen die immer gegenwärtige Praxis der Bücherverbrennung in der Eroberung von Land und Menschen betonen, die sie als Epistemizid bezeichnen. (Und dazu gehört auch, wie die Philosophin Silvia Federici es beschreibt, die Verbrennung von Frauen, die Wissen eher mündlich statt über Bücher vermittelten, so wurden ihre Körper/ihr Geist als Stätten dieses Wissen verbrannt.) Der Epistemizid geht mit dem Genozid einher. Wenn du kontrollieren kannst, wie ein Volk die Welt und sich selbst (und Dich!) begreift, und du sicherstellen kannst, dass diese Kontrolle in der Zukunft ad infinitum fortgesetzt wird, dann hast du es besiegt. [8]

Wir sind nun in der Lage die Diskussion mit der den allgemeinen Inhalten unseres Buches Aphro-ism zu verbinden, in dem eine mikro-epistemische Revolution dargelegt wird. Wir betonen nicht einfach, dass unterschiedliche Leute in der Diskussion über die Lage nichtmenschlicher Tiere nicht wahrgenommen werden. Das ist ein Erscheinung von Unsichtbarkeit, aber nicht die auf die ich fokussiere. Sondern, es existiert eine Unsichtbarkeit, die in der Konversation über Unsichtbarkeit selber nicht vorkommt. Der ganzen Diskussion über ‚Menschen‘ und ‚Tiere‘, die wir als so selbstverständlich voraussetzen, wenn wir über den Horror dessen sprechen, was nichtmenschlichen Tieren geschieht, geht von einer besonderen Formulierung der Realität aus, die nur auf eine sehr kleine Gruppe von Menschen zutrifft. Nach ihrer Sichtweise werden „Mensch“, „Tier“ und andere verwandte Begriffe, nur im Bezug auf faktisch biologische menschliche Wesen und biologisch nichtmenschliche Wesen verwendet. Bestenfalls sind solche Begriffe zudem noch von einer symbolischen Wichtigkeit. Und so ist, gemäß dieser Weltsicht, die „richtige“ Art und Weise, die Unterdrückung von Tieren und die fortwährende Missachtung von Tierkörpern und -leben zu sehen, allein eine Frage von „Speziesismus“ und davon, dass unsere Spezies ein Überlegenheitsgebaren in Hinsicht auf die eigene Spezies praktiziert.

Für diejenigen von uns aber, die sozial in einer radikal anderen Welt beheimatet sind, bei denen die meisten von uns Geschichten aufweisen, in denen unsere Angehörigen nicht als „Menschen“ sondern eher als „Tiere“ betrachtet wurden/werden, wo wir nicht wirklich als „Menschen“ sondern als „Tiere“ gesehen werden, uns erscheint diese reine biologische Auffassungsweise falsch. Wir wissen, dass Begriffe wie „Mensch“, „Tier“ und damit verbundenen Begriffe, jenseits biologischer Spezifikationen liegen, und dass die moderne Verwendungsweise dieser Begriffe Bestandteile eines globalen Projekts darstellen, das versucht hat zu behaupten, dass das Menschsein in Graden stattfindet. [9] Das heißt, dass wenn wir uns an dem Mainstream der Kritik am Tiermissbrauch beteiligen wollen, wir uns erstmal vorstellen müssen, dass die Welt so wie wir sie kennen, nicht existiert. Wir müssen uns vorstellen, dass wir nicht wüssten, dass als „Mensch“ betrachtet zu werden, selbst für Lebewesen, die Mitglieder der Spezies Homo sapiens sind, moralisch relevant ist. Wir müssen uns vorstellen, dass der Ausschluss vieler Gruppen von Menschen, mit der Bezeichnung „Untermensch“ oder „Unmensch“, in Wirklichkeit nicht so schlimm ist, weil, hey, ein Mensch zu sein ist sowieso nichts Besonderes…und sich an die „Menschheit“ anbiedern zu wollen, ist speziesistisch. Sehr ihr was hier geschieht? Unsere Art die Welt zu betrachten ist völlig unsichtbar, so dass wir das Problem noch nicht einmal mit unseren eigenen Begriffen benennen können, ohne dass jeder gleich in die Offensive geht und fragt, was hat das denn nun mit Tieren zu tun??? Sie fragen das nicht aus Interesse. Sie fragen, weil wir die epistemischen Linien verlassen, die hier gezeichnet wurden, die parallel zu deren Weltsicht verläuft. So wie sie es sehen, kann etwas nicht wahr sein, wenn sie selbst die Welt nicht in dieser Art und Weise verstehen.

Die epistemische Revolution bedeutet dann, diese Unsichtbarkeit als Stätte produktiven Wissens zu begreifen. Das heißt, statt unsere Art die Welt zu verstehen und über sie Bescheid zu wissen, aus Scheu zu verbergen oder zu unterdrücken – und damit auch uns selbst und die anderen in dieser Welt – damit wir in die „normale“ Vorstellung dessen hineinpassen, wie die Dinge verstanden werden sollen und wie etwas getan werden soll, verwenden wir die Unsichtbarkeit um eine Fassung jeglichen Phänomens das uns interessiert zu generieren, um so einen Aspekt der Realität zu vermitteln, den die „normale“ Art Dinge zu tun nicht ermöglicht und den sie nicht in Erscheinung treten lässt. Ich beschreibe diese Art der Unsichtbarkeit daher auch als eine ‚superpower‘. Wir haben den Zugang zu einem Teil der objektiven Welt aufgrund der Position die wir in ihr inne haben, die andere, gleich wie privilegiert sie sind, nicht haben und überhaupt nicht haben können. Wir haben somit etwas neues zu sagen, aufgrund der Art und Weise wie diese Worte – Mensch, Tier, usw. – in der Welt wie wir sie erlebt haben, funktionieren.

Mein Ratschlag ist somit, sich nicht von seiner eigenen Weltsicht zu trennen. [*] Was würde passieren, wenn wir einen Bericht über die Tierfolter und den Tiermord – nämlich unsere Nahrungsmittel/medizinische/Schönheits/usw.-Industrien – erstellen würden, indem wir die Quellen nutzen, die uns zur Hand liegen? Was wäre, wenn wir als schwarze oder braune Menschen, eine Tierethik schaffen würden, die aus unserer Erfahrung entstehen würde, was es bedeutet als Antithese zum menschlichen Ideal („dem Menschen“) zu gelten? Was wäre, wenn wir dem Narrativ des „Menschen“ widerstehen würden, mit dem zusätzlichen Vorteil dessen, dass wir sowieso bereits am weitesten entfernt von dem sind, was in unserer sozialen Welt als „Mensch“ gilt? Wir haben ein sehr anderes Verständnis von den Dingen, um die es sich hier dreht und wir haben den Zugang zur subjektiven Erfahrung des ‚Animalisiertwerdens‘. Was geschieht, wenn wir dies als positive Werkzeuge, nicht allein zu unserer eigenen Befreiung, sondern zur gleichen Zeit auch zur Hilfe einer anderen Gruppe von Lebewesen einsetzen würden, in einer Art und Weise, die sich von dem unterscheidet, was die Mainstreamroute zu bieten hat? Der schwarze Veganismus ist mein Versuch eine Antwort auf diese Fragen zu liefern…(ich kehre in einer späteren Antwort zum schwarzen Veganismus zurück) ich bin mir zugleich aber auch sicher, dass es da auch andere Wege gibt. Mir sind die verschiedenen Leute, die den Veganismus repräsentieren nicht so wichtig, wie die verschiedenen Arten von Veganismus.

Wenn du eine_r der wenigen bist, die sich in einer Position der Mitgliedschaft zur Norm zählen können, dann bist du bei uns willkommen. Am schwarzen Veganismus ist nichts, dass allein schwarzen oder braunen Menschen vorbehalten wäre. [10] Es geht hier nicht um eine Identitätsbewegung. Wir sprechen von „schwarz“ um damit die Struktur anti-schwarzen Rassismus hervorzuheben, da Rasse eine Struktur darstellt und nicht schlichtweg die Hautfarbe oder die Identität. Aber wenn es dir sinnvoll erscheint, bei der Mainstreamweise wie die Dinge gemacht werden zu bleiben, dann ist das ebenso in Ordnung. Die Mainstreamherangehensweise an das Thema Tierunterdrückung ist in Ordnung und gut. Ich hebe nur hervor, dass sie nicht jeden Aspekt dessen umfasst, warum „das Tier“ eine abwertende Vorstellung zum Ausdruck bringt. Es geht darum, den nichtmenschlichen Tieren in dem Sinne zu helfen, dass die Entwicklung von mehr Sichtweisen gefördert wird, die das Ziel verfolgen, weitere Seiten der Tierunterdrückung herauszuarbeiten und somit auch andere Verständnisse von Tierunterdrückung, diejenigen nämlich, die bislang noch nicht sichtbar gemacht wurden. Einige unserer Leser_innen haben die sonderbare Vorstellung, dass wir der Meinung seien, die Leute sollten aufhören Peter Singer zu lesen, oder dass wir Tierverteidiger_innen, die sich auf traditionelleren Wegen befinden, und die für die Erlangung legaler Rechte für nichtmenschliche Tiere kämpfen, etc. , in ein schlechtes Licht rücken wollten. Ich schlage nichts dergleichen vor. Ich habe einen immensen Respekt für jede_n, der/die, welch Mittel auch immer zu seiner/ihrer Verfügung stehen mögen, einsetzt, um das Problem zu adressieren. Wie ich in Aphro-ism betone, müssen wir uns von der Idee verabschieden, dass es nur einen Weg, wie Dinge gemacht werden sollten, gäbe, oder dass wir uns jedes Mal, auf entweder der philosophischen oder der praktischen Ebene, darüber einig sein müssten, was die beste Art ist unseren Mitlebewesen zu helfen. Das Problem erstreckt sich über jeden Bereich unserer Gesellschaft, d.h. wir brauchen also Leute, die an jeder Ecke kämpfen.

Als Aktivist_in „hineinzupassen“ oder nicht

Palang: Pluralität und Empowerment haben viel mit der Emanzipation des Denkens zu tun, das heißt mit der Tatsache, dass wir weder von Intellektuellen, noch von anderen Gruppen von Menschen, die innerhalb unserer Gesellschaften augenscheinlich als Denkeliten betrachtet werden, abhängig sind. Wir allesamt müssen das Denken selber übernehmen und wir stellen die kraftvollste Quelle eines pluralen fruchtbaren Diskurses dar. Eine umfassende Art des Empowerments von uns allen (als Aktivist_innen) scheint in den Strukturen vieler Gruppen und Organisationen aber kaum erwünscht zu sein, immerhin wird einander wenig Raum für eigene Standpunkte, Beobachtungen und Erfahrungen gelassen. Viele Aktivist_innen geben ihre Aktivitäten sogar auf, weil sie den Eindruck haben, dass kaum einer an ihren individuellen Beiträgen interessiert ist. Denkt Du, dass die „klassischen“ Gruppendynamiken (beispielweise das hierarchische Denken) ein Problem im Aktivismus darstellen können, und ergäbe es Deiner Meinung nach Sinn, eigene Wege zu verfolgen, die auch immerhin zum Teil alleine gegangen werden müssen? Und schließlich: ist der individuelle Aktivismus Deiner Ansicht nach gleichermaßen wertvoll, wenn jemand keine konstruktive Basis mir seinen/ihren Mitaktivist_innen finden kann?

Syl: Ich empfehle die eigenen Überzeugungen und Lebensprojekte nicht in Abhängigkeit dazu zu setzen, ob andere sie schätzen oder nicht. Wenn man sich die Geschichte anschaut, so sieht man, dass die meisten weltverändernden Ideen in ihrer Zeit nicht gewürdigt wurden, und dass aber die Leute hinter diesen Ideen einfach weiter machten. Sie glaubten wirklich an das, was sie da taten. Kein Grad and Lächerlichkeit oder Erniedrigung, von gleich welchem ihrer Zeitgenossen oder derjenigen, deren Denken sie versuchten zu verändern, hielt sie auf. Es ist sogar so, dass um so revolutionärer dein Projekt ist und um so mehr potenzial es hat, Dinge wirklich zu verändern, um so geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass du viele Freunde oder Unterstützer_innen finden wirst. Und das ergibt Sinn. Menschen haben Angst vor Veränderung, selbst diejenigen, die sagen, dass sie die Veränderung wollen. Viele Leute begreifen nicht, dass eine kleine Veränderung die sie wünschen, nicht zustande kommen kann, ohne dass viele große Veränderungen ebenso geschehen müssen, und sie fühlen sich dadurch unbehaglich. Sie tun also so, als würden sie Dinge verändern, wenn in Wirklichkeit alles beim Alten bleibt. Aber natürlich werden diese Leute gefeiert, weil sie es vermieden haben, dass irgendjemand irgendetwas über sich selbst oder deren Welt in Frage stellen müsste. Vor allen haben diese_e Aktivist_innen sich nicht selbst verändert. Jeder kann somit in seiner Bequemlichkeit verharren.

Auch denken die meisten Leute in den gleichen Mustern oder beziehen sich auf die selben Gedanken. Hervorragende Menschen die Veränderung anstoßen, selbst wenn in unauffälliger Weise, tendieren dazu, sich im Denken außerhalb von Schemen zu bewegen. Die meisten Leute empfinden das als merkwürdig oder irrelevant, weil sie es nicht verstehen. Es ist zu anders. Du kannst so tun, als wärst du beeindruckt von dem was jede_r so sagt, so dass du in deren Projekte mit einbezogen wirst. Oder du hast zu akzeptieren, dass du mit aller Wahrscheinlichkeit alleine arbeiten musst, wenn du deine eigenen Gedanken nicht aufgeben willst oder wenn du neue Ideen, jenseits von denen auf die sich deine Gruppe bereits stützt, annehmen willst.

Wenn du wirklich große Veränderungen anstoßen willst und eifrig bemüht darum bist, dann denken Leute vielleicht sogar du seist verrückt. Du kannst dadurch deine Freunde oder deinen Arbeitsplatz verlieren. Du wanderst eventuell sogar ins Gefängnis. Sokrates, den man heute als Beispiel eines großen kritischen Denkers betrachtet, wurde ins Gefängnis gesteckt und zum Tode verurteilt. Es ist in der Tat so: Sokrates war ein krimineller. Weshalb? Weil er „die Jugend verdarb“. Er dachte anders und wollte, dass andere Menschen ihr denken ebenfalls veränderten. Er beeinflusste junge Männer, denen es eigentlich darum gehen sollte, in die Fußstapfen ihrer Väter zu treten um angesehene Laufbahnen zu verfolgen und so zum Wohlstand ihrer Familie beizutragen, und nicht darum, gute Menschen zu sein. Also wurde Sokrates zum Tode verurteilt. Es war im egal. Er hielt einen Vortrag über genau die Dinge, die zu diesen strafrechtlichen Maßnahmen führten während seines Verteidigunsprozesses. Selbst als er in der Todeszelle saß und seinen letzten Tag erwartete, hielt er für seine Schüler Vorträge, die kamen um ihn zu besuchen. Er lehrte tatsächlich bis zu dem Moment als er das Gift zu trinken hatte.

Sokrates hat zu seiner Zeit niemals eine materielle Entlohnungen oder eine positive Anerkennung dafür erhalten, dass er seine Mitbürger unbeirrt dahingehend versuchte zu beeinflussen, ihre Leben im Sinne einer Suche nach dem Guten zu verändern. Sokrates trug jeden Tag die gleiche Kleidung, wurde von allen berühmten Denkern seiner Zeit als Ärgernis empfunden, und außer einer Handvoll Anhängern (dem Äquivalent einer kleinen Gefolgschaft von Studenten im Grundstudium!) existierte niemand, der sich mit seinen Ideen befassen wollte. Sein Projekt war es, Wissen über das Gute zu erlangen und dies wurde ein Merkmal seines besonderen Charakters, und so war ihm sein Ruf, oder die Frage dessen, ob er irgendwo hineinpasst, gleichgültig.

Ich glaube das ist ein nützlicheres Bild von Aktivismus, als das, was gegenwärtig so im Umlauf ist. So wie ich es sehe, sollte Aktivismus – wenn wir das Wort schon gebrauchen müssen – eine Art Leidenschaft dessen sein, ein guter Mensch zu sein, was wenig zu tun hat mit deinem Image, wie andere dich wahrnehmen, ob du dich zu einer Gruppe zählen kannst oder ob du irgendwelche Veränderung, die aus deinen Bemühungen resultieren, bezeugen kannst. Es ist ein autarkes Unterfangen. Alles was du dazu benötigst, ist der Wunsch gut zu sein, und wenn du zulässt, das dies dich bestimmt, dann wird dir zunehmend egaler werden, ob du anerkannt oder respektiert wirst oder ob dir irgendjemand überhaupt zuhört. Das gleiche gilt übrigens auch für das Lebens außerhalb des Aktivismus.

Ich schaue also nicht auf den Output als Kriterium eines guten Aktivismus, gleich ob dieser Output von einer individuellen Person oder von einer Gruppe/Organisation produziert wurde. Selbst wenn ein_e Aktivist_in oder eine Gruppe von Aktivist_innen in einer Mission erfolgreich sind, so kann diese Mission, ohne gute Herzen und Seelen in der Gesellschaft, doch innerhalb von kürzester Zeit wieder in ihr Gegenteil verkehrt werden. Der Nachdruck sollte darauf liegen, dass sichergestellt wird, dass wir auf der richtigen Seite stehen, dass wir die moralische Sensibilität nähren, die für eine bedeutungsvolle Existenz entscheidend ist, und dass wir zulassen, dass diese Energie in die Welt hineinfließt und sie gleichsam formt, gleich welches Resultat dies auch immer hervorbringen mag. Was heute wie ein Fortschritt aussehen mag, kann sich langfristig gesehen als ein Albtraum erweisen und anders herum. Wir wissen nicht was funktionieren wird oder was das Beste ist. Wir können nur aus der guten Intention heraus handeln und es genau an diesem Punkte belassen.

Und wenn du wegen deiner Mission dein ganzes Leben lang als Verlierer_in betrachtet wirst, selbst von den „perfekteren“ Aktivist_innen deiner Zeit, wenngleich du auch keinerlei finanzielle Unterstützung generieren kannst, und wenn auch niemand irgendeine Aufmerksamkeit auf Dich richtet, man sollte sich deswegen nicht schlecht fühlen. Sokrates war auch ein Verlierer. Du bist also in guter Gesellschaft. Bleibt deinem Kurs einfach treu!

Der neue Diskurs selbst in der allgemeinen Öffentlichkeit

Palang: Deine und Aphs Gedanken, Eure Herangehensweise ist tiefgreifend in ihrer ethischen, politischen und sozialen Klarheit, und ihr vollzieht die epistemologische Revolution von der ihr sprecht in der Realität, durch den Diskurs den ihr dabei initiiert. Als Aktivist_in, die von Euren Thesen und Gedanken inspiriert ist, habe ich den Eindruck, dass Eure Ideen von großer Relevanz für den Diskurs mit den Menschen außerhalb der Tierrechts-/Tierbefreiungs- und der veganen Bewegung sind. Könntest Du Dir vorstellen, dass eine Pluralität in der Diskussion über Tierbefreiung usw. in der allgemeinen Öffentlichkeit angestoßen werden kann, unabhängig von den Dynamiken einer ‚Mainstream-Rezeption‘ innerhalb der Tierrechts-/Tierbefreiungs- und veganen Bewegungen selbst? Ist die Bewegung selbst wirklich immer der informierteste und aufgeschlossenste Ort wenn es darum geht, engstirnige Sichtweisen über die Tierheit und die Menschheit zu dekonstruieren?

Syl: Ich bin der festen Überzeugung, dass die mit nichtmenschlichen Tieren zusammenhängenden Diskussionen, insbesondere die ethischen/politischen/sozialen, mit jeder ethischen, politischen und/oder sozialen Diskussion gekoppelt werden können, und somit ist die Frage, ob diese Diskussionen innerhalb eines Raum stattfinden, der explizit nichtmenschlichen Tiere gewidmet ist oder nicht, oder ob selbst-identifizierte „Tierrechtler_innen“ mit diesen Diskussionen einverstanden sind oder nicht, irrelevant. Es geht nicht um sie. Es geht darum, wie wir die Öffentlichkeit in erfolgreicher Weise dazu zu bringen, als erstes anzuerkennen, dass das was Tieren geschieht ein legitimes Problem für die Tiere (und für uns) darstellt, und zweitens, dass die Anerkennung dessen sich in dramatischer Weise in Handlung umsetzen muss, die die Situation verändert unter der Tiere gezwungen sind zu existieren.

Aphro-ism legt dar, dass die Diskussion über Tierbefreiung innerhalb der Grenzen, der durch „die Bewegung“ gesetzten Begriffe, sinnlos ist. Die Bewegung begrenzt sich auf einen kleinen Ausschnitt des weiten Spektrums an Gedanken, die die Misshandlung von Tieren stützen. Das gesamte Denken über die Menschheit und die Tierheit, so sehr es auch auf Konstrukten basiert, befindet sich jedoch im Zentrum jeder gegenwärtigen Form der Tierunterdrückung. Und ebenso ist das Denken, das die Fragen umgibt, die wir normalerweise als die Unterdrückung von Menschen bezeichnen, auch gleichermaßen gegenwärtig in der Unterdrückung von Tieren. All diese Dinge sind miteinander verbunden. Wenn wir also das große Bild jeglicher dieser Unterdrückungsformen verstehen wollen – die in der Tat das gleiche Bild aus unterschiedlichen Perspektiven darstellen – dann ist es vernünftig, wenn wir die Punkte miteinander in Verbindung setzen.

Wir verbinden diese Punkte in Aphro-ism indem wir aufzeigen, dass alles auf die Konstruktion „des Menschen“ hinausläuft. Nicht Menschen aber der Mensch, die angenommene „ideale“ Manifestation dessen, was es heißt ein Mensch zu sein – dessen letzte Iteration, die im Spanien des 16. Jahrhunderts geschaffen wurde. Einige der besten Literatur, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, von der ich den Eindruck habe, dass sie viel für die Seite der Tiere bewirken kann, stammt nicht von Leuten oder aus Bereichen die sich schwerpunktmäßig mit nichtmenschlichen Tieren befassen. Wir müssen uns weiter aus den engen Rahmen hinaus bewegen, wenn wir jemals begreifen wollen, was wirklich geschieht. Es geht um weitaus mehr als allein das Vorurteil auf Grundlage einer Spezieszugehörigkeit. Es geht um etwas Enormes.

Ich finde, dass schwarze Studien und andere Programme ethnischer Studien der Ort sind, an dem ich das meiste Potenzial sehe um die Diskussion zu erweitern. Man muss sich dabei vor Augen halten, dass schwarze und braune Menschen zu dem wurden, was als „Gegenteil“ des Menschseins aufgefasst wurde, man betrachtete sie als Untermenschen. Für eine lange Zeit war dies etwas unsägliches. „Mensch“ zu sein, sollte den Gipfel aller Existenz darstellen, während „Untermensch“ zu sein, dir zum Nachteil gereichte. Aber nach Jahren über Jahren, die wir uns aus der Grube, die man für uns gegraben hatte, hinausschaufelten, hat das weiße westliche Herrschaftsgebiet angefangen seine Kontrolle zu verlieren, vor allem befindet sich der Planet in Gefahr wegen dieses Herrschaftsgebietes und seines Einflussbereichs rund um den Globus. Heute sehe ich es als etwas Gutes, das wir – als schwarze Menschen – so lange dazu gezwungen wurden als Gegensatz zum „Menschsein“ zu verharren. Wir wurden nicht zu ihnen, weil wir nicht sie sein konnten. Wir waren per Definition als Gegenteil aus der Kategorie ausgeschlossen. Wir sind definitionsmäßig anti-Menschen. Es ist also keine Überraschung, dass die spannendsten Sachen, die ein unwahrscheinliches Potential besitzen um unsere Gedanken über Menschen und Tiere und den Widerstand gegenüber dem toxischen Narrativ „des Menschen“ zirkeln zu lassen, aus dieser contra-humanen Psyche stammen. Diejenigen von uns, die auf der Seite der nichtmenschlichen Tiere stehen, sollten ein offenes Denken bewahren und aus dieser Literatur schöpfen, um sie in unsere aktivistische Arbeit einzubeziehen, statt anzunehmen, dass die einzigen Arbeiten, die verwendbar wären, nur diejenigen sind, die explizit nichtmenschliche Tiere benennen oder die aus der Tradition des „menschlichen“ Mainstreams stammen.

Unterdrückung und Geschichte

Palang: Ist das „Problem mit der Menschheit“ eine Konsequenz von Kolonisation, unserer inneren Kolonisation und des weißen Überlegenheitsdenkens? Welche Rolle spielen unterdrückerische Kulturen in der Antike und in der Frühzeit in dem Kontext? In welcher Verbindung steht die weiter zurück datierende Geschichte von Unterdrückung mit dem System weißen Überlegenheitsdenkens, weißer Arroganz und weißer Ignoranz; in anderen Worten können wir unterdrückerische Formen in verschiedenen Kulturen kontextualisieren um verschiedene Mechanismen von Unterdrückung zu verstehen?

Syl: Ist das Problem der Menschheit die Konsequenz von Kolonisation/weißem Überlegenheitsdenken? Ja und nein. Offensichtlich stellte die weiße Kolonisierung nicht den Ausgangspunkt für den Einsatz und den Missbrauch nichtmenschlichen Lebens dar, und auch ist die westliche Kolonisierung nicht für eine besonders ausschließende moralische Auffassung über den Menschen verantwortlich. Jede_r der/die behauptet, dass die westliche Kolonisierung die Unterdrückung von Tieren verursacht hat oder zum ersten Male ein moralisch ausschließendes Denken über ‚den Menschen‘ eingeführt hat, kennt die Geschichte unserer Spezies nicht und sollte sofort aufhören zu reden und sich erstmal ein Geschichtsbuch vornehmen. Er/sie sollte erstmal ein wenig bei Aristoteles nachlesen wenn er/sie mir nicht glaubt … und Aristoteles existierte lange bevor Spanien entschied sein Imperium zu erweitern.

Aber, wie ich es sehe, hat die westliche Kolonisation das Problem der Menschheit determiniert und so auch die Misshandlung nichtmenschlicher Tiere. Wir müssen jetzt ein wenig vorsichtig voranschreiten, da diese Behauptung zu suggerieren scheint, dass ein späteres Ereignis (die westliche Kolonisierung) ein früheres Ereignis (die Unterdrückung nichtmenschlicher Tiere) verursacht hat, was selbstverständlich unmöglich ist. Ich erforsche die Situation der westlichen Kolonisierung nicht um Einstellungen und Handlungsweisen zu erklären und zu interpretieren, die zeitlich vor der westlichen Kolonisierung lagen. Stattdessen möchte ich erklären, dass Einstellungen und Handlungsweisen vor der westlichen Kolonisierung, sich im Zuge der Kolonisation zu drastisch anderen Dingen veränderten, trotz ihrer (oberflächlich betrachteten) identischen Manifestationen.

Eine Verfolgung von Juden und Muslimen fand bereits statt, bevor Kolumbus und seine Leute in Amerika eintrafen. Die folgende Kolonisierung Amerikas, die zu einer epistemologischen Ordnung führte, die die eingeborene Bevölkerung „unter“ dem westlichen europäischen Menschen auf der Skala der Menschseins einordnete, hätte die Verfolgung von Juden und Muslimen nicht verursachen können. Ein späteres Ereignis kann kein früheres verursacht haben. Jedoch die neue epistemologische Ordnung, deren Hauptaufgabe es war, die Menschheit in Ränge einzuteilen, verursachte nun zu determinieren, zu welcher Bedeutung die Verfolgung von Juden und Muslime gelangen würde, und was es bedeuten würde eine Jude oder Moslem zu sein. Das heißt, wie jemand Juden oder Muslime sehen würde, wurde unmittelbar durch das neue Erkenntnissystem, das man in der „neuen Welt“ entwarf, geformt und informiert. Wie ich in meiner Antwort auf Deine erste Frage beantwortet hatte, sah man, nach Angaben von Grosfoguel, die Verfolgung von Juden und Muslimen ursprünglich als eine Frage der Ausübung des falschen Glaubens. Juden und Muslime wurden ermordet, ausgebeutet und aus ihren Heimatländern in fremde Länder vertrieben, wenn sie nicht zum Christentum konvertierten, aufgrund dessen, dass man ihre Religion als Minderwertig erachtete. Doch nach Kolumbus und den Debatten rund im die Menschlichkeit der indigenen Völker, ging es bei den Uneinigkeiten über Religion (oder einer Ermangelung dieser) nicht mehr allein um Theologie. Nun ging es darum, ob du ein „vollständiger“ Mensch bist oder nicht! Natürlich wurden Juden und Muslime immer noch verfolgt, aber nun ging es bei ihrer Verfolgung darum, dass sie Untermenschen aufgrund ihrer Religion seien. Oberflächlich betrachtet sah die Ausbeutung, die Vertreibung und der Mord dieser Gruppen vor und nach der „neuen Welt“ gleich aus. Aber es fanden zwei unterschiedliche Dinge statt. Juden und Muslime waren nun nichtmehr einfach Menschen, die einem falschen Glauben anhingen. Sie waren keine Menschen. Und *das* war nun der Grund für ihre Unterwerfung. Grosfoguel beschreibt diese Ereignisse als einen „Bumerang-Effekt“. Obgleich also diese Geschehnisse, die in der „neuen Welt“ stattfanden, nicht zur Unterdrückung von Juden und Muslimen führten, so bestimmten sie doch, woraus sich deren Unterdrückung zusammensetzen würde und sie determinierten die neue Identität von „Juden“ und „Muslimen“ fortan. Was es hieß ein Jude oder ein Moslem zu sein, würde nach der Eroberung der neuen Welt insgesamt eine ganz andere Geschichte sein.

Und wiederum, indem wie die Geschehnisse in der „neuen Welt“ analysieren, die den Beginn der sozialen Welt die wie geerbt haben darstellen, können wir die Verfolgung von Juden und Muslimen nicht per se, sagen wir des 15. Jahrhunderts, erklären. Das ist ja auch nicht das Ziel der Analyse. Stattdessen hilft uns das Analysieren dieser Geschehnisse, zu erörtern weshalb deren Verfolgung heutzutage sich grundlegend vom 15. Jahrhundert unterscheidet, und somit erhalten wir die Werkzeuge, die wir benötigen, um ihre Verfolgung, den Antisemitismus und Islamophobie generell gesprochen heute zu adressieren. Eine nützliche Unterscheidung ist hier also die der logischen und die der zeitlichen Abfolge oder die der Priorität. Es besteht kein Zweifel darüber, dass die Unterwerfung einer Gruppe von Lebewesen über die Zeit hinweg, durch die Bedingungen von Unterwerfung, wie sie sie in der davor gelegenen Zeitperiode erlitten haben, beeinflusst ist. Aber das heißt nicht, dass die Unterwerfung einer Gruppe von Lebewesen über eine Zeitspanne hinweg, durch die Logik der Unterwerfung, die sie in einer zuvor gelegenen Zeitperiode prägte, beeinflusst ist.

Hiermit ist auch der Hintergrund für meine Position über den schwarzen Veganismus gegeben, der argumentiert, dass nichtmenschliche Tiere rassifiziert werden, und dass wir ihre Unterordnung als ein rassisches Phänomen begreifen sollten. Wie ich bereits sagte, versuche ich hier keine Erklärung über die Gesamtgeschichte menschlicher Misshandlung nichtmenschlicher Tiere anzugeben. Hierin liegt ein entscheidender Unterschied zwischen der Ethik von der ich spreche, zu Sichtweisen, die Dir mit aller Wahrscheinlichkeit geläufiger sind. Meine Position ist recht heterodox und leider häufig Gegenstand von Missinterpretation. Ich negiere nicht, dass es notwendig ist, die Geschichte menschlichen Missbrauchs nichtmenschlicher Tiere zu betrachten, aber um ihre gegenwärtige Lage zu konzeptualisieren und zur Entwicklung eines Leitplans dessen, wie diese prekäre Situation verlassen werden kann, müssen wir die Tatsache anerkennen, dass ihre Gegenwartssituation Teil der Logik der heutigen modernen Welt ist, die der Logik von Rasse folgt. Alles andere käme einer Verunklarung der Sicht auf ihre Lage im Nebel der Geschichte gleich.

Noch einmal: die Logik der heutigen modernen Welt entsteht mit der Debatte über das Menschsein der indigenen Völker Amerikas und sie konkretisiert sich in dem Moment, in dem afrikanische Sklaven mit in der Situation auftauchen. „Rasse“ wurde „epidermalisiert“, wie Franz Fanon es beschreibt, zugleich ist Rasse grundlegend ein global eingeführtes System, das  Grade an Menschlichkeit unterscheidet, und das sich in der institutionellen Beschaffenheit der Welt wiederspiegelt. Es ist nicht wahr, das Rasse und Rassismus immer existiert hätten. Vorurteile aufgrund von Identität gab es immer und eine Diskriminierung auf solch einer Grundlage ebenfalls, aber Rasse ist eine neue Idee. Sie ist ein sehr spezifisches System, das nicht existierte und nicht existieren hätte können, bevor nicht eine kleine Gruppe von Menschen erklärte, dass sie tatsächlich die ganze Welt beherrschen und in der Form ihres Eigenbildes homogenisieren wollten. Und hierin liegt der Schlüssel: Das Rasse-Denken ist die globale Aufoktroyierung einer lokalen Eigenkonzeption, und um in solch einem Ziel erfolgreich sein zu können, muss das Konzept des ‚Menschseins‘ selbst, zu den eigenen Gunsten kolonialisiert werden.

Was geschieht nun wenn eine recht kleine Gruppe von Menschen erklärt, dass allein sie die wahren Menschen („Menschen“) wären? Zur Beantwortung dieser Frage sind einige Arbeiten von Sylvia Wynter sehr hilfreich und ich stütze mich auf ihre Darlegungen, indem ich Gedanken über das Tier hinzufüge. [11] Es müssen analoge Gruppen existieren, die das verkörpern können, was es bedeutet kein Mensch zu sein, damit das Banner „wahrer Menschlichkeit“ zu einer leeren Doktrin geführt werden kann. Jedoch kein Mensch zu sein ist nicht nicht gleichbedeutend mit dem, ein nichtmenschliches Tier zu sein. Das ist so aus zweierlei Gründen. Als erstes können Nichtmenschen nicht das Versagen „Mensch“ zu sein verkörpern, weil sie an aller erster Stelle gar keine Menschen sind. Sie können daher also niemals die wirklichen Anderen sein. Sie können die demonstrative Rolle, die benötigt wird um den Status „des Menschen“ aufzublähen, nicht erfüllen. Nichtmenschen können im Bestfall nur sekundäre Andere sein. [12]

Was aber noch wichtiger ist, nichtmenschliche Tiere können subjektiv keine Ermangelung des Menschseins erfahren, gleich was dies ist. Nichtmenschliche Tiere sind epistemisch resilient und epistemisch uns gegenüber verschlossen, so dass wir ihre subjektiven Perspektiven insofern nicht überschreiben könnten um sie dahingehen zu programmieren, zu erfühlen, wie es sich anfühlt weniger als ein Mensch zu sein. Wynter beschreibt diesen Aspekt in Fanons Werk, dass die subjektive Erfahrung des Schwarzseins, oder die, ein kolonialisierter Mensch zu sein, genau wegen des Selbsthasses und anderer „autophober“ negativer Beschaffenheiten des internalisierten Rassismus, von zentraler Bedeutung sind, um die Erfindung „des Menschen“ am Platze zu halten. „Der Mensch“ existiert nicht allein parasitär auf der Grundlage der Kategorie des anti-Menschen, sondern insbesondre auf der gefühlten Minderwertigkeit des anti-Menschen. [13]

Das Versagen darin Menschsein zu erlangen muss also in einem anderen menschlichen Wesen verortet werden, dem mit aller Wahrscheinlichkeit das fehlt, über das wahre Menschen („Menschen“) verfügen. Und dies ist der zweite entscheidende Punkt, der den schwarzen Veganismus von gängigen Sichtweisen unterscheidet. Nach meiner Sichtweise bezieht sich das Mensch-Tier-Binär oder der Mensch-Tier-Kluft nicht auf faktische menschliche Wesen und faktische nichtmenschliche Tiere. Nach meiner Auffassung bezieht sich das Mensch-Tier-Binär auf „den Menschen“ und „das Tier“, die allerdings keine biologischen Abstraktionen darstellen, die allgemein „alle Menschen“ und korrespondierend „alle nichtmenschlichen Tiere“ repräsentieren. Wir haben es hier stattdessen mit sozialen Kategorien zu tun, die dafür stehen, was es heißt ein wahrer Mensch („Mensch“) zu sein und was es respektive bedeutet das „Gegenteil“ dessen zu sein. Und wiederum ist das Gegenteil eines wahren Menschen („Menschen“) nicht ein nichtmenschliches Tier, sondern es sind andere Menschen, die Figur „des Anti-Menschen“. [14] „Das Tier“ und der Anti-Mensch sollten also als identische Figuren verstanden werden, was uns zur verblüffenden Erkenntnis dessen führt, das nichtmenschliche Tiere so unsichtbar sind, dass sie nicht einmal die Basis dessen bilden, auf der wir die allgemeine Kategorie „des Tieres“ errichten. Die allgemeine Kategorie „des Tieres“ ist ein Akt des „menschlichen“ Verschwindenlassens.

Viele finden meine Sichtweise empörend. Sie gehen von folgendem aus:

  1. Dass ich versuchen würde, Tiere aus dem Geschehen auszublenden, indem es in meinem Binär nur um Menschen ginge.
  2. Dass ganz gleich auf wen sich „der Mensch“ und „das Tier“ in dem Binär bezieht, „der Mensch“ immer die überlegene Kategorie darstellt, und „das Tier“ immer die unterlegene Kategorie, und dass dies mit der menschlichen Tradition von Speziesismus zu tun hat.
  3. Diese radikale Fassung des Mensch-Tier-Binärs scheint nicht auf die echten nichtmenschlichen Tiere anwendbar zu sein. Sollte es bei einem Standpunkt, der eine Art des Veganismus repräsentiert, nicht um die tatsächlichen nichtmenschlichen Tiere gehen?

Alle diese Einwände sind völlig vernünftig und berühren Teile Deiner Fragen und so sollten wir sie auch adressieren. Ich werde dies aber in einer anderen Reihenfolge tun.

Um anzufangen: die rassische Auffassung vom Mensch-Tier-Binär („der Mensch“/“das Tier“ [oder „der Anti-Mensch“]) kann unmittelbar auf nichtmenschliche Tiere bezogen werden. Es ist wichtig, dass wir ihre Situation einfassen in den Begriffen des allgemeinen Projekts „den Menschen“ zu erfinden, so dass wir dadurch feststellen können, wer sie sind und worin ihr Sein vor der „neuen Welt“ besteht. Wie Manche richtig feststellen (und sich äußern wie oben in Punkt 2 beschrieben), wurden die Gestalten ‚des Menschen‘ und ‚des Tieres‘ historisch nicht einfach als sich voneinander unterscheidend, sondern als Gegensätze positioniert. Es ist also naheliegend, dass wenn wir eine Logik generieren, die rekonfiguriert was der Mensch ist (jetzt „der Mensch“), dann müssen wir auch mit der nötigen Rekonfiguration dessen befasst sein, was das Tier ist (jetzt „das Tier/der Anti-Mensch“). Bevor Kolumbus in den Amerikas eintraf, ist es unmöglich gewesen, die Vielfalt sozialer Welten die existierten – in ihren eigenen Begriffen – zusammenzufassen, die nichtmenschliche Tiere (oder immerhin einige nichtmenschliche Tiere) zu ihren Opfern machten. Wir würden viele von ihnen wahrscheinlich überhaupt niemals verstehen, aufgrund der Tatsache, dass wir über keinen internen Zugang zu ihren Sprachen, ihren Arten Dinge zu erfassen, ihren Glaubenssysteme, Kosmologien, usw. verfügen, und wir somit auch ihre Rituale, die nichtmenschliche Tiere sowie andere Menschen beinhalteten, nicht kennen können. Was wir jedoch sicher sagen können, ist, dass Kolumbus und seine Gefolgsleute immerhin aus einer sozialen Welt stammten, in der nichtmenschliche Tiere als moralisch untergeordnet betrachtet wurden, da man glaubte, dass sie keine Seele hätten. Dies wurde immer wieder deutlich kommuniziert, und, die Schlussfolgerung, die in Hinsicht auf die Ähnlichkeit der Ureinwohner mit Tieren gezogen wurde, leitete sich in der Tat von der Annahme ab, dass Tiere keine Seele hätten und somit auch keine Religion praktizieren könnten. Es stimmt, dass in moralischer Hinsicht eine biologische Trennung zwischen Menschen und allen anderen Tieren getroffen wurde, und das nicht nur in Westeuropa. Einige Autoren würde soweit gehen zu sagen, dass das menschliche moralische Leben entstand als Folge der Selbstbetrachtung des Menschen, indem er sich als anders im Vergleich zu allen anderen Tiere empfand und ein spezifisch menschliches Leben kultivierte. Mein ehemaliger Berater Douglas Maclean umreißt solche einen Punkt in seiner Publikation Is „Being Human“ a Moral Concept? obgleich man davon ausgehen könnte, dass sowohl „Mensch“ als auch „Tier“, beide moralische Konzepte darstellen, so wie dies Cora Diamond vorschlägt oder wie vor kurzem beschrieben von Alice Crary in ihrem wunderbaren Buch Inside Ethics [15] (sie alle sind Philosoph_innen). Wie ich bereits zuvor sagte, ich versuche hier nicht zu verneinen, dass nichtmenschliche Tiere durch die Geschichte unserer Spezies hindurch unterdrückt wurden, und dies anscheinend so lange wie unsere Spezies überhaupt existiert hat.

Was zum Kern des Rasse-Denkens geworden ist, das „Mensch“/“Tier“ (bzw. „Anti-Mensch“)-Binär, hat seine Wurzeln also mit Sicherheit in der biologischen Trennung, die wir zwischen uns zu allen anderen Tiere erfahren, und die durch die meisten menschlichen Systeme moralisch interpretiert wurde. Leute haben recht, wenn sie dies hervorheben. Der schwarze Veganismus jedoch geht davon aus, dass das nur die halbe Geschichte ist. Ich glaube, dass eine Feedback-Scheife dazu geführt hat, dass das „Mensch“/“Tier“ („Anti-Mensch“)-Binär genau die Annahmen erweitert hat, durch die es überhaupt ursprünglich zustande gekommen war.

[Grafik: Schwarzer Veganismus: #1 die biologische Mensch-Tier-Spaltung; #2 die soziale Mensch-Tier-Spaltung]

In anderen Worten, wir denken über Lebewesen – viele davon zugehörig zu unserer eigenen Spezies, und über alle Mitglieder anderer Spezies – durch das Konzept „der Tieres/des Anti-Menschen“. Nichtmenschliche Tiere werden nicht mehr einfach unterdrückt, allein weil sie keine Seele hätten. Sie werde stattdessen zu anderen Arten von Wesen und ihre Unterwerfung wird die einer anderer Art, selbst wenn ihre Unterwerfung sich (oberflächlich betrachtet) immer noch in der gleichen Weise manifestiert wie zuvor.

Wir sind insofern auch an eine Art Begrenzung der Erklärbarkeit gelangt, weil wie soll man die Inhalte einen Konzepts beschreiben? Es ist die gleiche Art erklärerischer Begrenzung auf die du stößt, wenn du irgendein anderes moralisch beladenes Konzept versuchst zu beschreiben, so wie „Mutter“ oder „Haustier“. Es wäre vielleicht möglich, aber das Interview ist wohl nicht der Ort, an dem ich es versuchen sollte!

Stattdessen sage ich einfach: die Abwesenheit nichtmenschlicher Tiere in unserem sozialen und moralischen Denken wird viel erklärbarer wenn ich sie durch die Perspektive des schwarzen Veganismus betrachte. Der schwarze Veganismus verdeutlicht das Binär als ein Prinzip, in dem es tatsächlich um Menschen geht, und verdeutlicht die zwei Pole, die die Präsenz des Menschseins (artikuliert durch seine ideale Manifestation, als „den Menschen“) darstellt und die Desintegration und somit die Abwesenheit des Menschseins, des tatsächlichen Zustands des „Anti-Menschseins“ (artikuliert durch „das Tier“). Der Raum des Anti-Menschen ist der Raum, in dem Moralität seine Struktur und seinen Sinn verliert, da kein Wesen mit ihm verhaftet wird. Das Paradox wird somit unvermeidbar: du benötigst Menschen, die keine „Menschen“ sind, damit diese Konzepte ihr moralisches Gewicht erhalten, in der Art wie sie es heute tun. Wir betrachten nichtmenschliche Tiere durch dieses Paradox hindurch – und die Struktur ihres Seins folgt genau dem Muster des Anti-Menschseins. Wenn Du Dir vor Augen hältst was hier wirklich geschieht, so ist dies wirklich beängstigend. Der schwarze Veganismus verdeutlicht, dass die Situation der nichtmenschlichen Tiere in der Tat noch schlimmer ist, als wir vermuteten, zumindest auf der konzeptuellen Ebene. Unser Handeln legt nicht nur die Annahme zugrunde, dass nichtmenschliche Tiere moralisch unwichtig sind, …. wir machen sie unsichtbar, genau in dem Moment, in dem wir sie als Tiere betrachten.

Zuvor immerhin, in der Welt die unsere gegenwärtige Welt informierte – in der Welt des Kolumbus, waren nichtmenschliche Tiere Lebewesen, die über keine Seele verfügten (oder wenn sie Seelen hätten, dann wären diese „minderwertige“, nichtrationale Seelen). Doch das Erscheinen „des Menschen“ verwandelte Tiere von Wesen, die über keine Seele verfügten, zu Wesen die eigentlich nur ein abgeleitetes Gegenteil „des Menschen“ (**) waren. Wir haben es hier also mit einem monumentalen Wandel zu tun. [16] Nichtmenschliche Tiere wurden in ein Setting hinein katapultiert, in dem es alleine darum ging, Behauptungen über die Beschaffenheit des Menschseins anzustellen. [17] Nichtmenschliche Tiere wurden dadurch *humanisiert*. Davor sah man sie als minderwertige aber als grundlegend verschiedenartige Lebewesen. Nun stellten sie eine Grenze auf der Skala von Menschlichkeit dar. Sie musste nun in unserem Spiel mitspielen. Die Feedback-Schleife übernahm die Information der biologischen Spaltung zwischen Menschen und Tieren, in der Art, in der sie unter moralischen Begriffen verortet war, und filtrierte diese Information durch das „Mensch“/“Tier“ („Anti-Mensch“) -Binär, das es in der „Neuen Welt“ schuf, allein um die beklagenswerte Unterlegenheit und Unsichtbarkeit nichtmenschlicher Tiere in neuer und weitaus tragischerer Weise zu bestärken.

Im Bezug also auf die genannten Einwände im Punkt #1 und #3 sage ich nein, ich versuche hier also nicht nichtmenschliche Tiere aus dem Bild herauszunehmen. Im Gegenteil. Außer wir besprechen die ganz praktischen Dinge, können wir nicht über nichtmenschliche Tiere sprechen, wenn wir nicht zugleich auch über Rasse sprechen. Und wir können nicht über Rasse sprechen, wenn wir nicht auch über nichtmenschliche Tiere sprechen. Ich glaube nicht, dass Antirassismus effektiv mobilisiert wird, wenn wir dabei Milliarden von Lebewesen ausklammern, die wir durch ein rassisches Denken hindurch betrachten. Dies zu tun hieße einen beachtlichen Anteil des Narrativs von Rasse zu ignorieren. Das hieße, wir würden Rasse nicht wirklich analysieren. Der Schwarze (Anti-Mensch) ist die Vorlage, über die wir die moderne Auffassung über das Tier denken können. Wenn wir mit Rassismus umgehen wollen und uns von rassischem Denken befreien wollen, was gleichzusetzen ist mit der Aufhebung dieser sozialen Welt, dann müssen wir alle Bereiche betrachten, in denen ein Rasse-Denken vorherrscht und einer dieser Bereiche liegt direkt vor uns auf unseren Tellern.

Hier verdeutlicht sich auch die besondere Zurkenntnisnahme des Mechanismus, der unserer Gesellschaft gestattet, durch die stattfindende Folter und den Mord an den nichtmenschlichen Tieren, die gewöhnlicherweise zur Nahrungsmittelerzeugung verwendet werden, unberührt zu bleiben. Dieser Mechanismus ist möglich durch genau denselben Mechanismus, der uns gleichgültig gegenüber den fortwährenden Angriffen auf schwarzes oder braunes Leben sein lässt. Die Menschen erkennen nicht, dass ihr Mangel an Bereitschaft, sich in Hinsicht auf nichtmenschliche Tiere zu hinterfragen, ein Zeichen des gigantischen Loches ist, welches das Rassedenken in unsere Seelen eingegraben hat. Wir wissen, dass nichtmenschliche Tiere verletzt werden. Das ist nicht das Problem. Das Problem ist, das sie durch dieses Loch hindurch fallen und ihr Schmerz nicht gefühlt wird. Wir sind tatsächlich unberührt.

Der Veganismus soll sich nicht nur mit den tatsächlichen nicht-menschlichen Tieren befassen, sondern er soll sich auch und insbesondere mit dem Narrativ von Tierlichkeit [animality] auseinandersetzen, das verantwortlich für all das Denken, das wir über alles bilden, was wir als Tier auffassen. Seit dem 16. Jahrhundert wurde das Narrativ von Tierlichkeit (oder eher „Tierlichkeit“) direkt als ein analog zum Narrativ vom Menschsein konstruiert – der Inszenierung des westlichen weißen Mannes als idealer Manifestation des menschlichen Wesens. Die Stapel an Literatur, die sich mit der Situation der Tieres befassen und zugleich aber diese offensichtliche Tatsache übersehen, spricht Bände darüber, wie ignorant die meisten Menschen den weitreichenden Auswirkungen von Rasse gegenüberstehen.

Wie auf praktischer Ebene in neuen Räumen zusammengefunden werden kann

Palang: Der Gewinn durch eine Dekonstruktion der Mensch-Tier-Binäre, im Sinne einer das ganze Spektrum abdeckenden Dekolonisierung, ist so grundlegend, dass vollständig neue Einsichten über Tierlichkeit und Menschlichkeit hinsichtlich aller relevanten Variablen und beeinflussenden Faktoren entstehen können. Denkst Du, dass die Gesellschaft bereits imstande ist, Inseln eines neuen Verständnisses von sozialer Gerechtigkeit zu entwickeln, das alles Nichtmenschsein umfasst, im Sinne einer Dekonstruierung kolonialer Ansprüche und Definitionen. Sind wir bereits imstande, Räume als Menschen zu schaffen, in radikal ‚geklärter‘ Art und Weise, in denen wir das Nichtmenschliche anders einbeziehen und es für seine eigenen – die nichtmenschlichen – kulturellen Kontexte schätzen? Ist die Zeit reif um die Mensch-Tier-Antagonismen zu brechen, und wenn nicht, was hindert uns daran, und was könnte dazu beitragen, die dominanten toxischen Einflüsse von Kolonisation und anderen blockierenden unterdrückerischen Faktoren zu enthebeln?

Syl: Ich denke Teile meiner anderen Antworten beziehen sich auch auf diese Frage. Schwarzer Veganismus ist eine posthumanistische Theorie. In Anlehnung an die Wissenschaftlerin Zakiyyah Iman Jackson, identifiziere ich eine bestimmte Vorstellung des vom Menschen als die schuldige in der Geschichte, nicht aber das Konzept des Menschseins an sich. [18] Wenn irgendetwas, dann hoffe ich das Menschsein zu rehabilitieren, indem ich es von dem Narrativ „des Menschen“ befreie. Daraus folgt auch, dass meine Diagnose der Lage nichtmenschlicher Tiere um 180 Grad anders liegt, als die Diagnosen die wir normalerweise hören. Die gewöhnliche Diagnose lautet, dass wir uns selbst mythologisiert haben auf Grundlage unserer Spezieszugehörigkeit. Diese Mythologisierung ist den „Fakten“ in den Weg geraten, was so viel heißt wie, wir sind alle Tiere und wir sind in keiner Weise etwas Besonderes. Die Neigung besteht also, dass eine Dekonstruktion des Mensch/Tier-Binäres eine Herabsetzung der Menschen zugunsten einer Erhöhung der Tiere bedeuten muss. Das ist weshalb Peter Singer von der „Entheiligung“ des Menschen spricht. Viel davon speist sich natürlich aus einem Hang zu den naturwissenschaftlichen Standpunkten. Wenn du dir die Naturwissenschaften anschaust, dann wird klar, dass Menschen über nichts verfügen, über was nicht immerhin eine andere nichtmenschliche Spezies auch verfügt.

Doch wie ich in meinem Kapitel über „Revaluing the Human as a Way to Revalue the Animal” [‚Eine Neubewertung des Menschen, um zu einer Neubewertung des Tieres zu gelangen‘] erkläre, bin ich von dieser Denkweise nicht wirklich überzeugt. Wenn der Mensch (als biologische Kategorie betrachtet) moralisch gewichtet wurde um das Tier (wiederum die biologisch Kategorie) zu benachteiligen, dann ist die Herabsetzung des Menschen zum Zwecke einer Erhöhung des Tiere nicht das passende Korrektiv. Denn das wäre immer noch binäres Denken, außer dass du das Gewicht auf beiden Seiten angepasst hast. Eine Dekonstruktion des Binäres müsste mehr beinhalten als eine Verlagerung der Gewichte. Eine Dekonstruktion erfordert eine Disambiguierung der moralischen Konnotation des einen Begriffes von dem anderen. Vielleicht meinen sie, sie wollten das Gewicht auf unsere geteilte tierische „Natur“ lenken, wobei ich mir niemals sicher bin, was damit genau gemeint ist.

Es geht weiter. Theoretisch gesprochen könnte man, wenn man das Binär wirklich dekonstruiert, immer noch eine moralisch bedeutsame Auffassung vom Menschen haben … man würde einfach nicht die Tiere dafür benötigen, um dieser Auffassung ihr Gewicht zu verleihen! Familienmitglieder funktionieren in dieser Art und Weise. Ich würde Dinge für meine Schwester machen, die ich für meinen Nachbarn nicht tun würden, aber das bedeutet nicht, dass meine Schwester irgendwelche Fähigkeiten besitzt oder über irgendwelche Eigenschaften verfügt, auf die ich hier reagiere, die mein Nachbar nicht hätte. Allein dass ich sie als meine „Schwester“ auffasse, verleiht ihren Interessen ein moralisches Gewicht. Das heißt, einfach zu sagen sie ist meine Schwester, führt diesen Zustand für mich herbei. Ich muss das nicht weiter erklären und jede_r versteht es. Das heißt aber nicht, dass ich mit meinem Nachbarn machen kann was ich will. Ich habe ihm/ihr gegenüber immer noch ebenso moralische Verpflichtungen gegenüber, nur einer anderen Art. Dies ist ein einfaches Beispiel einer moralisch beladenen Auffassung die vertretbar ist, da sie nicht innerhalb eines Binärs besteht. Wenn sie innerhalb eines Binärs bestehen würde, hieße das, dass die Privilegierung meiner Schwester zu Lasten jedes Individuums käme, das nicht meine Schwester ist (oder aber, was auch immer als das „Gegenteil“ meiner Schwester konstruiert wäre).

Dieses Beispiel verdeutlich eine Unterbrechung in genau der Art und Weise, wie die Mainstream-Tierverteidiger_innen die Kategorie von Spezies begreifen, und der Art wie ich diese Kategorie sehe und wie sie auch in der von mir bevorzugten dekolonialen Literatur beschrieben wird. Mainstream Tierverteidiger_innen ziehen eine Parallele zwischen Spezies und Kategorien wie Rasse und Sex, während hingegen die dekolonialen Denker_innen, auf die ich mich beziehe, die Kategorie von Spezies als eine Kategorie von Familie darstellen. Die ersteren denken, dass eine Parallele zwischen all den Fällen besteht, da sie sagen, dass hier identische Mechanismen am Werke sind. Nämlich, eine moralisch beliebig gewählte Eigenschaft wird dazu bestimmt, eine moralische Relevanz zu besitzen: Rasse, Geschlecht und Spezies, respektive. Diese Parallele funktioniert für viele dekoloniale Denker_innen einer bestimmten Richtung nicht (geschweige denn für die meisten gewöhnlichen Leute!). Was für diese Denker_innen das Schlimme an Rassismus und Sexismus ist, ist dass die Mitglieder der Gemeinschaft nicht als Mitglieder der Gemeinschaft betrachtet werden, wobei die Gemeinschaft die Menschheit ist. Und dies ist allein so, da hier die Kategorie „Mensch“ als ein Begriff von Familie gedacht wird, und so moralisch beladen ist, dass wir dadurch sagen können, weshalb Rassismus und Sexismus etwas Schlechtes sind. Die Gewichtung des Menschseins wird nicht durch das Nachzeichnen einer Eigenschaft oder Fähigkeit, die allein Menschen zuzuschreiben wären, abgeleistet. Es ist nichts, das in den Naturwissenschaften beheimatet wäre. Das Gewicht rührt stattdessen von einem sozialen Aspekt des Realität, der eine Funktion unserer subjektiven Eigenerfahrung damit darstellt, dass wir als eine bestimmte Spezies existieren.

In einem Essay an dem ich seit den letzten zwei Jahren arbeite, spreche ich über diesen Unterschied in Hinsicht auf „Spezies-Objektivismus“ und „Spezies-Subjektivismus“. (Der schwarze Veganismus läuft unter dem spezies-subjektivistischen Label. Ich untersuche ihn als einen „Subspezies Subjektivismus“.) Beide Perspektiven stellen Annahmen über die objektive Welt dar und beide Annahmen beziehen sich auf die Seite der nichtmenschlichen Tiere, doch von verschiedenen Blickwinkeln. Spezies-Objektivist_innen beschreiben das Menschsein, indem sie die Menschen von außen betrachten. Aus dieser Perspektive betrachtet, existiert kein moralisch relevanter Unterschied zwischen uns und beispielweise Fledermäusen. Die Anführung dieser Kategorie ist das Gleiche, wie die Anführung einer Kategorie wie Rasse oder Geschlecht. Um ein alltägliches Beispiel zu gebrauchen, würde diese Methodologie einfach besagen, dass der Mann, den ich meinen „Vater“ nenne schlichtweg ein Mann unter Milliarden ist, und dass an ihm, von einer Außenperspektive her gesehen, nichts wirklich besonderes ist. Oder ein anderes hilfreiches Beispiel wäre, das „Lebendigsein“ einfach als eine feststellende Aussage über die Atmung, einen Herzschlag zu haben und so weiter, zu betrachten.

Spezies-Subjektivist_innen hingegen beschreiben einen Menschen aus der Eigenperspektive des Menschen. Von diesem Blickwinkel aus betrachtet, unterscheidet sich der Mensch definitiv von der Fledermaus, allein aufgrund der Tatsache, dass er ein Mensch ist und keine Fledermaus. Während es wahr ist, dass mein Vater einer von Milliarden ist, empfinde ich ihm gegenüber anders als im Bezug auf Milliarden andere Männer. …weil er mein Vater ist. Es ist nicht weil ich denke, dass an ihm etwas anders wäre. Und es wäre albern, wenn mich jemand versuchte davon zu überzeugen, dass mein Gefühl im Bezug auf ihn falsch wäre, auf der Grundlage dessen, dass er im Vergleich zu Milliarden anderen Männern auf dieser Welt nichts besonderes ist. Oder, um ein anderes sinnvolles Beispiel anzuführen: „lebendig zu sein“ ist nicht einfach bloß eine Aussage über den Akt des Atmens, darüber ein schlagendes Herz zu haben und so weiter, sondern darüber, eine bestimmte Begeisterung im Leben zu empfinden oder mit Schwung zu leben. (Man könnte also „leben“ aber nicht wirklich lebendig sein.)

Spezies-Objektivismus und Spezies-Subjektivismus unterscheiden sich im Grad der Distanz: die eine Position spricht über eine Welt die weit entfernt liegt, und die andere von eine lokal gelegenen Welt. Da wir zumeist nach Antworten schauen, wie wir unser nahegelegenes Leben meistern können, können wir die spezies-subjektivistische Perspektive nicht als „speziesistisch“ verwerfen, noch sollten wir sie als eine die-Welt-erklärende-Sicht abtun. Es wäre als würde man ein Foto der Erde, das aus der Voyager heraus aufgenommen wurde, verwenden, um eine Busroute zu seinem neuen Job zu finden. Die Voyager wurde nicht entworfen um uns Informationen darüber zu liefern, wie man am besten durch die Innenstadt kommt. Wenn du durch die Innenstadt fahren willst, benötigst du Google Maps stattdessen. Während es nützlich ist, die Perspektive des „blassen blauen Punktes“ der Erde zu haben, wie Carl Sagan das wunderschön formulierte, dürfen wir nicht vergessen, dass wir nicht im Universum herumtreiben und die Welt in dieser Art und Weise verstehen. Unsere Füße sind fest auf der Erde verwurzelt.

Wenn eine Darlegung nicht erkennt, dass die Kategorie der Mitgliedschaft zu einer Spezies auch als ein lokaler, familiärer Begriff funktionieren kann, dann kann solch eine Darlegung keine hinreichende und definitiv keine sehr überzeugende sein. Ich betone den Unterschied zwischen „Mensch/menschlichem Wesen“ und „den Menschen“ im schwarzen Veganismus um diesen dualen Aspekt hervorzuheben. Wir wissen, dass „der Mensch“ eine schlechte Idee ist, den er löscht den Aspekt des Menschseins aus, der ein großes Potential hätte eine positiv bindende Rolle zu spielen. Wir sollten „den Menschen“ aufgegeben, und ich bin in diesem Punkte mit Wynter einig, dass wenn solch eine Meistertat erlangt wäre, wir uns am Horizont eines neuen Modus menschlicher Existenz befinden würden, einer, die nicht eines „Anderen“ bedürfen würde. [19] [20]

Ich glaube nicht, dass Menschen, die aufgrund ihres Menschseins zusammenkommen, in einem Spannungsverhältnis zur Tierbefreiung stehen. Ich denke, dass beide Projekte zusammen laufen. Es tut mir also leid sagen zu müssen, dass ich in dem Punkt nicht mit den Mainstream-Tierbefreier_innen übereinstimme, wie eine Dekonstruktion des Antagonismus zwischen Mitgliedern des Binärs (wie Du das gut bezeichnet hast) aussehen würde, immerhin nicht im Punkte der Logik dessen. Sie arbeiten mit einer tatsächlich anderen Sichtweise auf das moralische Leben insgesamt, eines, das ich als etwas verarmt empfinde. Ich denke wir werden immer eine soziale Auffassung darüber haben, was es bedeutet ein Mensch zu sein, neben der bloßen empirischen Auffassung. Ich glaube die soziale Auffassung dessen ein Mensch zu sein, gleicht einem indexikalischen Zeichen, einer Gruppenbezeichnung eines Namens. Indexikalische Zeichen sind unserer Psychologie ureigen und ich sehe kein in ihnen liegendes oder auf ihnen heraus resultierendes Problem. Wir werden immer eine soziale Auffassung über das Menschsein in moralischer Hinsicht haben können, was aber nicht bedeutet, dass hier ein Mensch-Tier-Binär vorliegen muss, auch bedeutet es nicht, dass wird objektiv betrachtet moralisch bedeutsamer wären. Verschiedene Denker_innen habe die Denkrichtungen in der Tierbefreiung dominiert, und es sind ihre Theorien, durch die wir uns hier in unnötigen Knoten verwirren. Wie der Philosoph Bernard Williams sagte, ist es eines zu behaupten, dass Menschen für das Universum wichtig seien, aber es ist eine andere Sache einfach zu sagen, das Menschen im Bezug aufeinander wichtig sind. [21] Ich frage mich weshalb so wenig Menschen diese Wahrnehmung zulassen.

Jedoch all das steht der Möglichkeit der sofortigen Veränderung auf der praktischen Ebene nicht im Wege, über die wir uns alle, die wir auf der Seite der nichtmenschliche Tiere stehen, einig sein können, selbst wenn wir uns nicht über die dahinter stehende Logik einig sind. Eine_r meiner Freund_innen der/die Stadtplanung studiert macht eine interessante Arbeit, bei der sie sich damit befasst, die Bedürfnisse verschiedener Tiere, die allesamt in der Gemeinde und den benachbarten Gemeinden leben, zu berücksichtigen. Die unabhängige Wissenschaftlerin Sue Donaldson und der Philosoph Will Kymlicka haben vor einigen Jahren das Buch Zoopolis: Eine politische Theorie der Tierrechte veröffentlicht, in dem sie verschiedene Arten von Tieren, die in unterschiedlichen Beziehungen zu uns stehen, betrachten, und diskutieren welche Tiere sich in gerechtfertigter Weise als Bürger_innen qualifizieren könnten, usw. Das Buch ist sehr schön verfasst, kreativ und respektvoll gegenüber all den Myriaden an Unterschieden zwischen uns und verschiedenen Arten von Tieren, ihren Bedürfnissen und ihren potenziellen Beiträgen [zur Gesellschaft, usw.]. Im Bereich des Rechts haben wir hier in den Vereinigten Staaten das Nonhuman Rights Project, das sich aus einer Gruppe engagierter Juristen zusammensetzt, die praktisch die Auffassung von Personenschaft wie sie in der Rechtgebäuden operiert, hinterfragen. Sie haben soweit im Sinne von Schimpansen, Delphinen und Elefanten prozessiert. Was allgemeine Veränderungen in der Lebensweise anbetrifft, so kenne ich viele Leute, die verschiedene Arten von Tieren in ihren Häusern/Wohnungen und Gärten aufgenommen haben um Mikroschutzrefugien [Microsanctuaries] zu schaffen, wie der Aktivist und Autor Justin van Kleeck diese Orte bezeichnet. [22] Das spannendste, dem ich begegnet bin, ist eine Arbeit der Medienwissenschaftlerin Anat Pick, die sich im „veganen Kino“ betätigt. [23] Beim veganen Kino geht es nicht, wie man vielleicht denken möge, um Überzeugungsarbeit um Leute zum Veganwerden zu bewegen. Nein, Pick zeigt den zugrunde liegenden Ethos von Gewalt und Konsum auf, der im Blick des Publikums auf einen Film generell liegt. Sie tritt an den Gedanken des Veganismus aus einer wirklich interessanten, abstrakten Perspektive heran. Du erwähntest in einer Frage, die in diesem Interview nicht aufgeführt ist, den Mangel an guten Arbeiten im Bereich Speziesismus in den Medien. Pick ist eine Person, die eine definitiv interessante Arbeit in diesem Felde leistet. Sie hinterfragt, was es heißt mit nichtmenschlichen Tieren zusammenzuleben (mit nichtmenschlichem Leben generell), betrachtet genau vom Punkte des Blickes aus. All dies sind gute Beispiele für die Art und Weisen in denen wir langsam voranstoßen können, um das Leben mit nichtmenschlichen Tieren in einer nicht-ausbeuterischen und gegenseitig vorteilhaften Weise realisierbar zu machen.

Ich bin mir jedoch nicht sicher, was ich über die schwierigen Fälle sagen soll, in denen wir es mit nichtmenschlichen Tieren, mit denen es schwierig oder gar unmöglich ist zu leben, zu tun haben. Der Fall von Schadnagern verwirrt mich besonders. Die Philosophin Elizabeth Anderson, die sich für einen ethischen Pluralismus ausspricht, wenn es um unterschiedliche Arten von Tieren geht, so wie Donaldsons und Kymlickas politischer Pluralismus, erklärt, dass die Tiere, mit denen wir uns irgendeine Art des Lebens vorstellen können, sowohl als nahe also auch als ferne Nachbarn, ein größeres Gewicht an moralischer Berücksichtigung verdienen, als diejenigen, mit denen wir uns nicht vorstellen können zu leben. [24] Schadnager wären solch ein Beispiel. Lindgren (Johnson), eine der Autorinnen, die ich bereits vorher erwähnte habe, äußerte mir gegenüber kürzlich, dass man für einige Schadnager eine Geburtenkontrolle entwickelt habe, um ihre Populationen in befallenen Gegenden zu verringern. Das ist offensichtlich eine mitfühlsamere Methode mit solch einem Befall umzugehen, sie wirft aber nichtsdestotrotz ein moralisches Dilemma auf. Ich sympathisiere also mit Andersons Argument, dass zwischen Kategorien wie Rasse/Geschlecht und Spezies keine Parallele gezogen werden sollte, da Rasse/Geschlecht Unterschiede kreieren wo keine sind (wir könnten theoretisch alle lernen miteinander in Frieden zu leben), während die Spezieszugehörigkeit einen echten Unterschied nachzeichnet (es ist unwahrscheinlich, dass wir mit jeder anderen Spezies, selbst als ferne Nachbarn, zusammenleben können).

Mit Asterisk gekennzeichneter Inhalt:

[*] Ich würde diesen Rat nicht geben, wenn jemand in eine fremde soziale Welt eintritt. Denn das ist ein anderer Fall. Ich gebe der Rat aber in dem Fall, in dem du in deiner eigenen Welt lebst und deine Sichtweise übersehen oder als minderwertig betrachtet wird aufgrund deiner sozialen Verortung in dieser Welt. Wenn man die Realität sozialer Persönlichkeit  beleuchtet, sollte macht dabei achtsam sein, nicht nur die externen/institutionellen/strukturellen Arten zu betrachten, in denen jemand positioniert ist, sondern auch die subjektive Erfahrung dessen, was es bedeutet in einer bestimmten Art positioniert zu sein.

[**] Man sollte darauf achten, den Prozess, durch den alle nichtmenschliche Tiere verändert betrachtet wurden, nicht mit der Veränderung der spezifischen Rolle, die den Menschenaffen zugesprochen wird, zu verwechseln. Im Mittelalter begann man Affen als Abbild des degenerierten Menschen zu sehen, besonders aufgrund irgendwelcher begangenen Sünden für die jemand bestraft werden müsse (siehe das berühmte Werk De Mundi Universtitate des Philosophen und Dichters Bernardus Silvestris aus dem 12. Jahrhundert). Der Affe spielte bereits die Rolle, die er später in der postdarwinistischen sozialen Vorstellungswelt spielen würde, nur nicht in naturwissenschaftlichen sondern auch in theologischen Begriffen. Sylvia Wynter bespricht die Ikonografie des Affen-als-degenerierten-Menschen in “Unsettling the Coloniality of Being/Power/Truth/Freedom: Towards the Human, After Man, It’s Overrepresenation–An Argument” CR: The New Centennial Review, Volume 3, Number 3, Fall 2003, S. 257-337, das an dieser Stelle eingesehen werden kann: https://law.unimelb.edu.au/__data/assets/pdf_file/0010/2432989/Wynter-2003-Unsettling-the-Coloniality-of-Being.pdf [Stand 24.04.2019]. Die Rolle des Affen ist ein sehr frühes Beispiel der Humanisierung eines bestimmten nichtmenschlichen Tieres. Es sollte beachtet werden, dass ich mich eher auf die Humanisierung nichtmenschlicher Tiere auf Ebene des grundlegenden Konzeptes des ‚Tieres‘ beziehe.

Endnoten:

[1] Siehe Aphs Kapitel “Why Animal Liberation Requires an Epistemological Revolution” und “Creating New Conceptual Architecture: On Afrofuturism, Animality, and Unlearning/Rewriting Ourselves” in Aphro-ism im Bezug auf Aphs eigene Gedanken über das Thema.

[2] Wer seine Meditationen bislang nicht gelesen hat, dem empfehle ich dies dringend zu tun, nun wo ihr wisst um was es ihm ging. Es ist eines meiner Lieblingsbücher.

[3] Ich vereinfache hier, aber an dieser Stelle sollte dies genügen.

[4] Veröffentlicht in Human Architecture: Journal of the Sociology of Self- Knowledge: Vol. 11: Iss.1, Article 8.

[5] Man halte einen Moment lang inne und denke darüber nach. Was für eine Denkweise muss jemand haben, um solch eine Schlussfolgerung zu ziehen, bevor er überhaupt jegliche Interaktion mit dieser Bevölkerung gehabt hat, und zudem ohne die geringsten Hemmungen anzunehmen, dass diesen Land (und seine Bevölkerung) nun zur eigenen freien Verfügung stünde! In dem Kapitel seines berühmten Werkes Sapiens: A Brief History of Mankind schildert der Historiker Noah Yuval Harari die Erkundungsreisen des Admirals Zheng He aus der chinesischen Ming Dynastie, die er im Jahr 1405 antrat und etwa dreißig Jahre später beendete. Eine einzige Armada beförderte in der Tat um die dreißigtausend Leute. Zheng He jedoch besuchte schlichtweg verschiedene Länder, er wollte diese nicht „erobern“. Harari bemerkt, dass die Römer und Perser ebenso die über die technologischen Möglichkeiten verfügt hatten, andere Länder zu erobern, es aber nicht taten. Es lohnt sich ihn an dieser Stelle im vollen Wortlaut zu zitieren: „Daran war nichts besonderes. Das Merkwürdige ist gewesen, dass die frühen modernen Europäer das Fieber befiel, in ferne völlig unbekannte Länder fahren zu müssen, in denen ihnen gänzlich fremde Kulturen begegnen würden, und dass sie dort einen Fuß an Land setzten und umgehend behaupteten: ‚Ich beanspruche diese Territorien für meinen König!‘“ Siehe Seite 291. Ich bin dem Philosophen Martin Gibert zu dank verpflichtet, dass er mich so enthusiastisch dazu ermutigte dieses Buch zu lesen. Siehe auch sein Interview mit dem Autor: https://lamorce.co/dou-vient-la-domination-humaine-entretien-avec-yuval-noah-harari/ [Stand 25.04.2019].

Und: die Ermangelung von jeglichem, das einer Religion ähneln könnte seitens einer Gruppe von Menschen, ist im Prinzip keine. Es kann einfach bedeuten, dass sie über etwas anderes verfügen, das die eigene Welt nicht aufweist. Walter Mignolo bespricht diese philosophische Frage in seinem Kapitel „Philosophy and the Colonial Difference“ in Latin American Philosophy: Currents, issues, Debates, Hg. Mendieta, Eduardo (2003).

[6] Damit soll nicht gesagt sein, dass die christliche Missionsarbeit selbst progressiv sei. Ich kommentiere nur die Denkart von Kolumbus im Vergleich zu seinen Zeitgenossen bezüglich dessen, wie die Vereinigung der Welt hätte aussehen können: „Ich – damit wir eine tiefe Freundschaft aufbauen können, denn ich wusste, dass sie ein Volk waren die durch Liebe viel einfacher befreit und von unserem heiligen Glauben überzeugt werden könnten, als durch Gewalt – ich gab ihnen rote Kappen und Glasperlen, die sie um den Hals tragen konnten und viel anderes von geringem Wert, was ihnen große Freude bereitete und sie so sehr zu unseren Freunden machte, dass es erstaunlich war. [110] und „Sie kennen keine Religion und ich glaube man kann sie sehr einfach zum Christentum konvertieren, denn sie sind sehr intelligent gewesen.“ [119] Siehe Journal of the First Voyage of Columbus in der Wisconsin Historical Society Digital Library and Archives http://www.americanjourneys.org/pdf/AJ-062.pdf [Stand 25.04.2019]. Die gleichzeitige Gegenwart von Schönheit und Schrecken bei diesen ersten Interaktionen zwischen Columbus‘ Gruppe und der eingeborenen Bevölkerung kann kaum verneint werden, wenn man such Auszüge aus seinem Bericht durchliest.

[7] Siehe ihr Kapitel „What does it mean to be Human?” in Sylvia Wynter: On Being Human as Praxis. Hg. Katherine McKittrick. Duke University Press (2015).

[8] Es gibt viele interessante Dinge, die man an dieser Stelle über wesentliche Unterschiede zwischen der Unterwerfung von Menschen und der Unterwerfung nichtmenschlicher Tiere sagen könnte. Meine gute Freundin, die finnische Künstlerin Terike Haapoja, die zusammen mit Laura Gustafsson verantwortlich ist für The Museum of Nonhumanity [ http://www.museumofnonhumanity.org/ Stand 25.04.2019], bemerkte, dass der Widerstand nichtmenschlicher Tiere gegenüber der Unterdrückung durch Menschen, immer stärker sein wird als unsere eigene gegenseitige Unterdrückung, genau aufgrund unserer Unfähigkeit vollständig zu kontrollieren wie sie die Welt betrachten, sich selbst und wie sie uns sehen. Das heißt sie verfügen über eine epistemische Resilienz.

[9] Als der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, Latinos als „Tiere“ bezeichnete, war er keine guter Biologe, sondern er machte eine sozialrelavante Behauptung.

[10] Siehe beispielsweise Lindgren Johnsons Race Matters, Animal Matters: Fugitive Humanism in African America (1840-1930) Routledge (2017). Lindgren und ich sehen ihren Text als auf der Linie des schwarzen Veganismus liegend.

[11] Siehe Wynters Artikel „Towards the Sociogenic Principle: Fanon, The Puzzle of Conscious Experience, of ‘Identity’ and What it’s Like to be ‘Black’” für ihre Diskussion über menschliche Andere: http://coribe.org/PDF/wynter_socio.pdf [Stand 25.03.2019]. Das ist unter anderem auch der beste Artikel, den ich in den letzten zehn Jahren gelesen habe. Ich glaube es ist auch der Artikel, den man lesen muss um Wynters Arbeiten kennenzulernen, denn sie erklärt hier warum Fanon so wichtig ist, und ihre Begeisterung über Fanon und das schwierige Problem des Bewusstseins zu verstehen, versetzt ihre Arbeit, das Gesamtbild dessen, in Perspektive.

[12] Manchmal machen People of Color den Witz, dass es wahrscheinlicher ist, dass nichtmenschliche Tiere moralisch anerkannt werden, bevor sie es werden. Ich glaube nicht, dass das stimmt, doch von einem theoretischen Standpunkt aus gesehen ist es wahr, dass „der Mensch“ die nichtmenschlichen Tiere nicht braucht um das Andere zu konstituieren – er benötigt dazu nur andere Menschen.

[13] Ich borge die Terminologie des „Anti-Menschen“ von der afropessimistischen Tradition, obgleich ich nicht behaupten würde diese Tradition zu repräsentieren.

[14] Eine alternative Sichtweise bietet Claire Jean Kim, die stattdessen davon ausgeht, dass wir den Menschen, das Tier und Schwarzsein als eine Triade eher statt als einem Binär sehen sollten. Ich stimme dem nicht zu, denn ich denke, dass die Herangehensweise der-gesamten-Tradition-des-Einsatzes-von-Tieren mit der Herangehensweise der heutigen-neuen-Welt dadurch zusammengepackt wird, und dass durch die Auflistung von beidem, des Tieres und des Schwarzen, die Redundanz dessen übersehen wird. In anderer Hinsicht entspringt unsere Arbeit aber den gleichen Geiste. Siehe ihren Artikel „Murder and Mattering in Harambe’s House“ in Politics and Animals, Vol.3 (2017).

[15] Siehe Macleans Artikel in Philosophy and Public Policy Quarterly 30 (3/4):16-20 (2010); für Diamond, siehe “Eating Meat and Eating People.” Philosophy, Vol. 53, No. 206 (Oct., 1978), pp. 465-479.; für Crary, siehe Inside Ethics, Harvard University Press (2016).

[16] Wie Mark S. Roberts bemerkt „[ist] das Tiere direkt im Menschen platziert.“ Siehe The Mark of the Beast: Animality and Human Oppression (New Directions in the Human-Animal Bond), Purdie University Press (2008): 20.

[17] Die Evolutionstheorie war bei diesem wesentlichen taxonomischen Wechsel unverzichtbar. Sie war für den Wechsel nicht verantwortlich, jedoch die vorherrschenden Sozialdynamiken stellten sicher, dass sobald Darwin einen überzeugenden Beweis für die Aufhebung eines Unterschiedes zwischen Mensch und Tier liefern würde, die Tiere im Bezug auf Attribute des Menschen eine Rolle spielen würde.

[18] Siehe ihre Veröffentlichung “Animal:  New Directions in the Theorization of Race and Posthumanism”, Feminist Studies 39, no.3 (2013).

[19] Einige unserer Leser_innen meinten, dies würde bedeuten, dass wir uns selbst überhaupt nicht mehr als Menschen bezeichnen sollten. Das denke ich aber überhaupt nicht. Ich finde nur wir sollten aber weder danach streben oder noch von uns selbst als „den Menschen“ denken.

[20] Die Geschichte ist komplizierter als ich sie schildere. Was uns gestattet aus der Schleife eines weiteren, aber gleichermaßen schadvollen „Menschseins“, das sich auf einem Anderen begründet, zu entkommen, ist die Vertrautheit mit dem Gesetz, das unser Bewusstsein steuert, von dem Wynter ausgeht, dass es das soziogenetische Prinzip sei – ihre Interpretation von Fanons Vorstellung von Soziogenität. Sie beschreibt, dass unsere Entdeckung dessen, woraus dieses Gesetz besteht, uns die Kraft gibt es in unserem Sinne zu nutzen, so etwa wie die Entdeckung physikalischer Gesetze. Siehe den Artikel von Wynter, den ich zuvor angeführt habe. Ich werde dieses Thema in dem Interview nicht weiter besprechen, das soziogenetische Prinzip bildet jedoch den Mittelpunkt des Essays, das ich zur Zeit verfasse.

[21] Siehe sein Kapitel “Theory and Prejudice” in Ethics and the Limits of Philosophy. Harvard University Press (1985): 118.

[22] Siehe seinen Text “Microsanctuaries: A Micro-Manifesto”: https://strivingwithsystems.com/2016/08/06/microsanctuaries-a-micro-manifesto/ (Stand 25.04.2019).

[23] ‘Vegan Cinema’, Thinking Veganism in Literature and Culture, ed. by Emelia Quinn and Benjamin Westwood. Oxford: Palgrave, 2018, S. 125-146. Ich danke Lindgren dafür, mich auf Picks Arbeiten vor kurzem aufmerksam gemacht zu haben.

[24] Siehe “Animal Rights and the Values of Nonhuman Life” in C. Sunstein & M. Nussbaum (Eds.), Animal Rights. Oxford: Oxford University Press. (2004a).

Kontakt

Syl Ko kann kontaktiert warden unter ‘sylko [at] protonmail [dot] com’.

Tierautonomie

Herausgeber_in: Gita Yegane Arani, www.simorgh.de – ‚Open Access in der Tier-, Menschen und Erdbefreiung’. Revised 05/2019.

Zitation

Ein Interview mit Syl Ko (2019). TIERAUTONOMIE, 6(2), http://simorgh.de/tierautonomie/JG6_2019_2.pdf.

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