Radikale Selbstfürsorge und Tierbefreiung

Die radikale Selbstfürsorge und der Gedanke sozialer Gerechtigkeit verbindet eine lange gemeinsame Geschichte, die zurückgeht bis zur abolitionistischen- und zu der Anti-Sklavereibewegung des späten 18. und des frühen 19. Jahrhunderts. Es gibt ein Zitat von einer schwarzen Frau namens Mrs. Wittington, das, so finde ich, wirklich den Geist dessen erfasst, was die radikale Selbstfürsorge in der Bewegung sozialer Gerechtigkeit bedeutet:

Wir wollen leben und nicht einfach nur so von Tag zu Tag existieren – so wie ihr oder irgendein Mensch es auch will.

Als Tieraktivist_innen können wir diesen Anspruch erweitern auf den Einbeschluss aller Lebewesen. Als Lebewesen wollen wir mit Würde leben, und ich denke, dass wir uns genau dafür einsetzten können – für diese Bedeutung der Würde, nämlich, dass das Leben über die bloße Subsistenz oder das von-Tag-zu-Tag-existieren hinausgeht. Das ist ein zentraler Punkt, und wir sollten dazu imstande sein, dass dies in unserem eigenen individuellen Leben für uns irgendwie fühlbar wird, damit wir das Bewusstsein in unsere aktivistische Arbeit in einer erweitert kreativen und informierten Art und Weise hineintragen können.

Aus: Anastasia Yarbrough: Radikale Selbstfürsorge in Erwägung ziehen: Tierrechte – denn das Leben zählt, https://simorgh.de/about/yarbrough-radikale-selbstfuersorge/.

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Bild: International Bird Rescue Center, http://www.bird-rescue.org/

Anastasia Yarbrough: Radikale Selbstfürsorge in Erwägung ziehen: Tierrechte – denn das Leben zählt.

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Farangis G. Yegane: left: Ma’at above the city; right: Io.

Anastasia Yarbrough

Radikale Selbstfürsorge in Erwägung ziehen: Tierrechte – denn das Leben zählt.

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Eine Präsentation gehalten bei: Neither Man Nor Beast: Patriarchy, Speciesism and Deconstructing Oppressions, eine Webkonferenz organisiert von Animal Liberation Ontario, Kanada, die am 23. Februar 2014 stattgefunden hat. Originaltitel: Contemplating Radical Self-Care: Animal Rights as if Life Matters. Übersetzung: Palang L. Arani-May, mit der freundlichen Genehmigung von Anastasia Yargrough.

Mike: Anastasia ist in den Bereichen: Tierrechte, soziale Gerechtigkeit und Umweltschutz seit über zehn Jahren tätig. Sie ist ein ehemaliges Vorstandsmitglied des Institute for Critical Animal Studies, gegenwärtig Mitglied des beratenden Gremiums des Food Empowerment Project und Fellow beim Centre for Whole Communities. Beruflich arbeitet sie in Ashville, North Carolina, an Projekten zur Förderung des ‚community empowerment’. […]

Anastaia: Hallo allerseits! Ich bin also hier um über die Möglichkeiten der radikalen Selbstfürsorge zu sprechen und der Titel meiner Rede ist: „Die radikale Selbstfürsorge in Erwägung ziehen: Tierrechte – denn das Leben zählt.“ Was mich dazu inspirierte diese Rede hier zu halten oder diese Konversation hier zu führen, darüber, was die radikale Selbstfürsorge für uns als Aktivist_innen bedeuten kann, auch in Hinsicht auf die Gemeinschaftsbildung, ist meine Erfahrung als Aktivistin, und im Speziellen ein Praktikum bei einem Schutzhof/Lebenshof und wie ich dort nach Unterstützung suchte, aber nicht wusste, wie ich in solch einem Raum danach fragen könnte.

Die Kultur des Schutzhofes bestand nicht darin, den Aktivist_innen in Sachen derer gegenseitigen Unterstützung zu helfen – auch nicht damit wir dadurch den Tieren vielleicht besser helfen könnten sich selbst helfen zu können – es war eher so, dass Gefühle überhaupt nicht zählten. Was auch immer du fühlen magst, du musst alles runterschlucken und „tun was für die Tiere zu tun ist, denn deren Leid ist viel größer als dein eigenes“. Dagegen ist nichts einzuwenden. Es ist schwer deine Gedanken zu kommunizieren, wenn dieser Art der Kommunikation einfach kein Raum gegeben wird. […]

Ich komme also aus dieser Richtung. Als ich mehr Aktivist_innen begegnete, die ähnliche Erfahrungen nicht allein in Schutz-/Lebenshöfen machten, sondern allgemein in Tierrechtsräumen, verstärke sich in mir der Eindruck, dass dies doch ein Thema ist, über das wir in den Tierrechten sprechen sollten. Was es also heißt uns selbst zu helfen, so dass wir damit auch anderen helfen können. Vor diesem Hintergrund betrachtet sollte klar werden, was ich hier mir ‚radikaler Selbstfürsorge’ meine.

Die radikale Selbstfürsorge und der Gedanke sozialer Gerechtigkeit verbindet eine lange gemeinsame Geschichte, die zurückgeht bis zur abolitionistischen- und zu der Anti-Sklavereibewegung des späten 18. und des frühen 19. Jahrhunderts. Es gibt ein Zitat von einer schwarzen Frau namens Mrs. Wittington, das, so finde ich, wirklich den Geist dessen erfasst, was die radikale Selbstfürsorge in der Bewegung sozialer Gerechtigkeit bedeutet:

Wir wollen leben, und nicht einfach nur so von Tag zu Tag existieren – so wie ihr oder irgendein Mensch es auch will.

Als Tieraktivist_innen können wir diesen Anspruch erweitern auf den Einbeschluss aller Lebewesen. Als Lebewesen wollen wir mit Würde leben, und ich denke, dass wir uns genau dafür einsetzten können – für diese Bedeutung der Würde, nämlich, dass das Leben über die bloße Subsistenz oder das von-Tag-zu-Tag-existieren hinausgeht. Das ist ein zentraler Punkt, und wir sollten dazu imstande sein, dass dies in unserem eigenen individuellen Leben für uns irgendwie fühlbar wird, damit wir das Bewusstsein in unsere aktivistische Arbeit in einer erweitert kreativen und informierten Art und Weise hineintragen können.

Es gibt noch ein anderes sehr schönes Zitat, und zwar von Helen Howard, das ziemlich bekannt ist und das ich wirklich liebe. Es geht um das Überleben und das glückliche Fortbestehen:

Wir kennen die Probleme und wir sehen sie, weil wir so dicht an ihnen dran leben. Wir wissen, dass wir ein Verantwortungsbewusstsein haben, und wir – einige von uns – haben versucht manche der Ziele, die wir selbst nicht erreichen konnten, der Kindern weiter zu vermitteln. Bin ich der-/diejenige, der/die nach meinem Bruder/meiner Schwester schaut? Ich? Ich muss es sein.

Ich finde dieses Zitat in seiner Bedeutung sehr wichtig, denn eine radikale Selbstfürsorge ist nicht nur eine Grundvoraussetzung zur Verbesserung der eigenen Lebensqualität, sie fördert uns auch als Individuen im Sinne einer aktiven Form der Selbstermächtigung.

In der Tierrechten musste ich mir das selbst beibringen, das sich selbst stark machen, um den Mut zu haben ‚da zu sein’, und ‚da zu sein’ wenn es drauf ankommt. Dessen bedarf sich die Zeit dafür zu nehmen und den Raum dafür zu schaffen, um auch nach mir selbst zu schauen zu können. Und dazu braucht es auch eine Gemeinschaft und eine Kultur, die dies unterstützt.

Eine andere Erweiterung der radikalen Selbstfürsorge existiert heutzutage auch in der Form spiritueller Praktiken, die sich mit den Gedanken sozialer Gerechtigkeit verbinden. Es gibt zahlreiche Organisationen und Gemeinschaften, innerhalb der Bewegungen für soziale Gerechtigkeit, die sich damit auseinandersetzten. Viele unterschiedliche spirituelle Praktiken, wie die Meditation, die Kontemplation, Yoga, Rituale, die auf traditionellen afrikanischen Religionen begründet sind, und andere traditionelle Praktiken, sind zu Werkzeugen der Selbstermächtigung für Einzelne und Gemeinschaften geworden. Ich würde auch so weit gehen, zu sagen, dass die radikale Selbstfürsorge ein Thema ist, das auch insbesondere in der Intersektionalität seinen Platz einnimmt – so wie bei Organisationen wie dem Food Empowerment Project, überhaupt innerhalb der Nahrungsmittelgerechtigkeitsbewegung, und auch in der Arbeit von Aktivistinnen wie Beispielsweise [von der Mitbegründerin des VINE Sanctuary] pattrice jones. Von diesem Punkt aus weitergehend will ich beschreiben, was die radikale Selbstfürsorge für die Tierrechte und für Tierrechtsaktivist_innen ganz spezifisch bedeuten kann.

pattrice jones hat vor vier oder fünf Jahren ihr Buch „Aftershock“ veröffentlicht – ich will es hier jetzt nicht im Detail beschreiben, aber es geht mir um etwas, das in diesem Buch steht, und ich empfehle jedem das Buch einmal zu lesen. Es ist ein optimales Werkzeug für Aktivist_innen, spezifisch für Tierrechtsaktivist_innen, um zu lernen, wie wir uns selbst dabei helfen können traumatische Erlebnisse zu verarbeiten – wie das Bezeugen von Bildern und Szenen der Gewalt, Folter und Verstümmelung oder ausgelöst durch die Arbeit in der Tierrettung. Dies ist harte Arbeit. Und zur emotionalen Unterstützung eignet das Buch ganz hervorragend. pattrice jones schreibt darin, und das gefällt mir sehr gut, dass „umso früher wir lernen, die Zeichen von Stress und Depression in uns selbst und bei anderen zu erkennen, und umso früher wir lernen daraufhin zu reagieren, umso stärker kann unsere Bewegung werden.“ In anderen Worten heißt das, wenn du anderen helfen möchtest, so musst du auch auf dich und deinen eigenen Körper achten.

Ich denke das ist ein sehr schönes Statement, indem nicht allein auf die Bewegung als eine kollektive Intention geschaut wird, sondern auch auf die Bewegung als eine Fähigkeit in unserem eigenen Leben, hinsichtlich dessen, wie wir aus eigener Kraft in unserer Welt navigieren, auf sie reagieren, wie wir uns selbst in unserer Welt behandeln, in den Räumen in denen wir uns befinden. Ich denke das ist eine außerordentlich wichtige Praxis für diese Bewegung, die so wichtig ist, wie die Bewegung selbst.

Ich umreiße dieses Thema hier nur und habe leider keine spezifischen Tipps umd Mittel dafür, wie man sich selbst am besten helfen kann und wie die radikale Selbstfürsorge genau auszusehen hätte. Ich möchte eher eine Konversation über dieses Thema halten, da es bislang nicht diskutiert wurde, und, ich möchte unserer Gemeinschaft einen Anstoß dazu geben, einmal darüber nachzudenken, und vielleicht sogar selbst kreative Ideen zu entwickeln, wie wir uns im Ganzen wirklich selbst schätzen lernen können, so dass dies auch eine gemeinschaftstiftende Wirkung haben kann.

Ich selbst sehe die radikale Selbstfürsorge für die Einzelne oder den Einzelnen als einen stark an die Gemeinschaft gebundenen Prozess. Was bedeutet, dass wir den Raum dazu auch wirklich haben sollten, und dass unsere Gemeinschaften hoffentlich stabil genug sind, damit solch ein Schauen nach-sich-selber dort auch eine entsprechend wichtige Funktionen einnehmen kann, statt bloß unangenehme Pflicht oder was gänzlich vernachlässigenswertes zu sein.

Radikale Selbstfürsorge heißt, dass uns unser Leben soviel bedeutet, dass wir begreifen, dass das Leben an und für sich etwas bedeutet. Leben – so, dass jedes Leben zählt. Die Gemeinschaft spielt in der Formung unseres Lebens eine wichtige Rolle und sie kann diesen Wert in uns stärken. Und, obwohl das ein ganz essentieller Punkt ist, und tatsächlich ein Bedürfnis für solch eine radikale Selbstfürsorge existiert, gehen wir diesen Dingen zumeist aber nicht nach. Es ist für uns Aktivist_innen schwer, hart an der Praxis unserer Prinzipien zu arbeiten, wenn wir keine Gemeinschaft haben, die uns darin unterstützt, und wenn wir niemanden haben, an den wir uns vertrauensvoll wenden können oder wenn wir keinen Raum der Teilhabe finden können.

Die radikale Selbstfürsorge gibt uns aber als Individuen die Stärke dazu, uns selbst helfen zu können, so dass wir damit letztendlich auch den Tieren dabei helfen können, sich zu helfen … . Es ist wirklich schwer „da zu sein“ für jemanden, wenn man selbst so erschöpft ist, dass man noch nicht einmal kooperativ mit den Mitaktivist_innen an Kampagnen arbeiten kann. Wir können keine Outreach-Arbeit machen oder vegane Aufklärungsarbeit betreiben, wenn wir dauerhaft unter Schock stehen bzw. zutiefst belastet sind durch all die Bilder und das ganze negative Feedback, das wir im Bezug auf die unfassbar dramatische Notlage der Tiere durch alle Institutionen hindurch erleben.

Damit also umgehen zu lernen und den Raum und die Zeit für eine radikale Selbstfürsorge als Gemeinschaft zu finden, stärkt uns Schritt für Schritt, als die Individuen die wir sind, damit wir so die Kraft, den Mut und die Würde in uns finden können, um einfach da zu sein und zu sagen: „Nein! Ich stehe hierfür auf und ich habe die Kraft das zu tun und es ist gut so. Ich weiß, dass wir uns in unseren Gemeinschaften gegenseitig unterstützen können und ich vertraue darauf.“

Am Aufbau unserer Gemeinschaft zu arbeiten und füreinander da zu sein, ist ein essentieller Teil der Anti-Oppressionsbewegung. Es ist einfach stressig und entmutigend sich mit Menschen zu umgeben, denen dein Wohl als Mit-Tier vollkommen egal ist. Es ist schwer jegliche Form der Arbeit gut zu vollbringen oder unser Leben zu transformieren, wenn wir ständig von anderen Mit-Aktivist_innen entmutigt werden, denen das alles egal ist oder die eine Haltung vermitteln, als ob es nicht in Ordnung wäre, dich als Mit-Tier zu unterstützen. Das darf nicht der Kanon der Tierrechtskultur sein. Es geht uns darum, den Tieren zu helfen, und solch eine Haltung wäre fatal rigide; es lähmt den Geist in solch einem disfunktionalen oppressiven Raum verfangen zu sein.

Ich stelle mir stattdessen eine vollkommen dynamische, tief-verbundene, sich erweiternde Tierbefreiungsbewegung vor, die Aktivist_innen in allen Räumen ihres Aktivismus unterstützt, gleich wo ihr Eintrittspunkt sich befindet – egal woher sie kommen. Die Leute dort abzuholen, wo sie sich gerade befinden und ihre Präsenz zuzulassen, sie echt und ganz sein lassen, während sie diese harte Arbeit vollbringen … und nicht nur immer mit uns befasst zu sein, während wir andere bei dieser schweren Arbeit gerade mal abwerten. Es ist wirklich eine schwere Arbeit.

Einfach da zu sein, seine Gegenwart zu zeigen und offen und ehrlich auf das zu reagieren, was wir jeweils in einem Moment gerade beobachten und erleben, offen und ehrlich auf den Schmerz zu reagieren und die furchtbaren Dinge die Tieren geschehen zu bezeugen, braucht den Mut mit diesen Gefühlen fertig zu werden. Es zertrümmert deinen Geist, das zu fühlen. Und es ist niemals genug, was du tun kannst. Oder ist es die Kultur in der wir uns befinden, die uns das Gefühl vermittelt, dass nichts genug sein kann, dass du letztendlich selbst nichts tun kannst, und dass deine Gefühle dabei eigentlich nicht zählen?

Ich würde also denken, dass solche eine persönliche Arbeit an einer radikalen Selbstfürsorge respektiert werden sollte, und nicht als sinnlos, als überflüssig oder als dem-Aktivismus-nicht-dienlich abgetan werden sollte – insbesondere dann, wenn es eben um Nichtmenschen und Tierrechte geht. Ich stelle mir unter solch einer radikalen Selbstfürsorge vor, dass Aktivist_innen dann wenn es drauf ankommt, die Energie und die Kraft haben sollten für die Tiere aufzustehen, da unsere Gemeinschaften oder die Tierrechtsgemeinschaften unterstützend und für-das-Leben-sorgetragend und das-Leben-bejahend sind – dann und dort, wo wir in kulturell und ökologisch nachhaltig-denkenden und -funktionierenden Gemeinschaften gedeihen und wachsen können. Gemeinschaften, die durch das eigene Beispiel zeigen, dass wir so leben können, dass alles Leben und jedes Leben zählt.

Ich möchte also diese Hoffnung für die radikale Selbstfürsorge hinausschicken, und hoffe, dass dies eine Konversation darüber anregen kann, so dass wir in solch einem Prozess voneinander lernen und Ideen dafür entwickeln können, wie wir dem Leben in den Tierrechten affirmativer gegenüberstehen können: Unseren eigenen Leben und dem Leben der anderen.

Meine Zusammenfassung für diese Präsentation endete mit der Frage: Wie navigieren wir den Sturm der Oppressionen und überstehen das Ganze in einem gesunden Zustand? Ich fände es gut wenn Ihr Euch mal darüber Gedanken macht, was es heißt „durch den Sturm der Oppressionen zu navigieren“, und, was es heißt dies „gesund zu überstehen“. Was ist Gesundheit? Ich will Euch sagen, was ich darüber denke und möchte diese Konversation gerne im Bezug auf diese beiden Punkte weiterführen. Wenn ich hier von „Gesundheit“ spreche, so meine ich die Gesundheit in einem eher ganzheitlichen Sinne. Du bringst Dein ganzes Selbst mit ein und Du bist gut. Du bist einfach gut! Du bist nicht von Selbstzweifeln zerfressen, Du bist ganz bei der Sache und bist dabei in einem gesunden Zustand – ich meine damit eine Art des Zustands der Entfaltung, ein „Erblühen“. Ich liebe den Begriff eines Zustands der Entfaltung (flourishing condition) und Ihr könnt das wie auch immer interpretieren, ich denke es ist eine schöne Art, das eigene Leben und die eigenen Lebenserfahrungen zu beschreiben – so wie etwa: „ich bin in einem blühenden Zustand!“

Stellt Euch also vor, wie wir, wenn wir in solch einer blühenden Verfassung sind, wie dann unser Bezug verläuft zu uns selbst, zu anderen Menschen, zu anderen Tieren, zur Umwelt und zum Raum im allgemeinen – letztendlich also zu unserer ganzen Gemeinschaft. Die radikale Selbstfürsorge wird dann zum fortwährenden Verhandeln und zum fortwährenden Austausch, als ein Weg dessen, wie wir uns in die Dinge einbringen können und wie wir auch wieder aus ihnen hinaustreten können. Wir können so, in unserer Beziehung zu uns selbst im jeweiligen Augenblick, unseren eigenen Takt finden. Wir sollten in unseren Beziehungen den Mut, die Würde und die Kraft besitzen, offen als „echter“ Mensch kommunizieren zu können – d.h. einfach als derjenige der man ist da zu sein, und nicht das Gefühl haben zu müssen, dass man sich hinter irgendjemandem verstecken oder Selbstzensur betreiben müsse.

Es geht um ein beinahe kompromissloses Mitgefühl, um Offenheit und Authentizität. Stellt Euch als Euer echtes Selbst vor, das Ihr wirklich seid und wie Ihr Eure Beziehung zu anderen Tieren herstellt. Wie Ihr durch sie gewinnt, in jedem Moment, ob in der faktischen Begegnung oder indirekt, durch Erlebnisse und Begebenheiten, die wir über sie untereinander kommunizieren: Nachrichten über sie, Geschichten, die von ihnen handeln oder was auch immer wir von ihnen bezeugen, was wir von ihnen vermittelt bekommen.

Das kommt von ihnen! Und die Gedanken, die ihr habt stammen also auch von ihnen. Die Wichtigkeit dies erkennen und differenziert erleben zu können, ist wichtig. Dabei müssen wir Geduld mit uns selbst dazu haben, eine noch bessere Verbindung einzugehen und noch genauer und tiefgründiger zu schauen, wo all diese unterschiedlichen Wesen denn eigentlich genau herkommen.

Die Geduld mit sich selbst ist sehr wichtig, und die Güte mit sich selbst, denn dies ist auch Teil Deiner Arbeit. Eure Beziehung zu eurer Umwelt und den Räumen, in denen ihr Euch bewegt, beinhaltet die allgemeine Beziehung zum Ort und wie wir mit unserer Umwelt umgehen – ob das in einer veganen Boutique ist oder bei uns zuhause, wir bewegen uns darin, leben darin. Unsere Beziehungen zu unseren Nachbarn, unsere Beziehungen überhaupt, unsere ökologische Beziehung zum Ort, drückt sich in der einen oder anderen Weise aus. Und zwar auf der ganzen Ebene.

Zu all dem als ganzes Wesen einen Bezug herzustellen, ist etwas Entscheidendes, für einen selbst, für die Mitmenschen und für die anderen Tiere, die ebenfalls an diesen Orten leben. Der Bezug muss positiv aufgebaut werden. Man sollte seine nichtmenschlichen Nachbarn eben so kennenlernen, jedes Individuum für sich, und alle und alles wiederum im Bezug zur ganzen Gemeinschaft. Und mit der ganzen Gemeinschaft meine ich wirklich die Interspezies-Gemeinschaft und die ökologische Gemeinschaft, „den Boden auf dem wir gehen“ quasi, so auch die Gemeinschaft, mit der wir vielleicht häufiger zusammen unsere Mahlzeiten teilen.

Übung spielt auch in diesem Zusammenhang eine Rolle, und zwar dabei, wie wir all die verschiedenen Aspekte unseres Lebens (das heißt auch unseres ganz individuellen Lebens) zusammenfügen, und dabei Schritt für Schritt durch diese Monströsität hindurch navigieren. Vielleicht sollte ich hier nicht von Monströsität sprechen, sondern davon, wie wir Unterdrückung navigieren und dabei immernoch uns selbst und unseren Beziehungen treu bleiben, ganz dabei bleiben, die Bodenhaftung nicht verlieren, die Echtheit und eine umfassende Liebe bewahren.

Das klingt vielleicht romantisch wenn ich das so sage, aber ich lerne mit dieser Art der Perspektive jeden Tag etwas darüber hinzu, wie ich in der Welt navigiere und mir dabei selbst als Aktivistin meine Kraft verleihe. Ich denke, dass die radikale Selbstfürsorge bedeutet, zu den Wurzeln des eigenen Ich zu finden und herauszufinden, was es ist, das wir brauchen um die Dinge zu überstehen und damit wir wachsen können. Sich in gegenseitigen, respektvollen, gerechten, liebenden Beziehungen mit anderen zu befinden, ist meiner Meinung nach eine Praxis, die sich von Tag zu Tag entwickelt. Ich denke es hilft, diese Geflechte als Praxis zu behandeln, um sich die Augeblicklichkeit dabei vor Augen zu halten und um dabei immer auch zu sehen, wie ich an jedem gegebenen Tag die Beziehung mit mir selbst und die Beziehung zu den anderen herstelle:

–         Bin ich einfach nur frustriert, bin ich wütend, betreibe ich ungerechtfertigte Anschuldigungen anderer, hab andere Leute satt oder versteh ich einfach nicht worum es gerade geht?
–         Wie stelle ich meinen Bezug zu anderen Tieren her?
–         Mit wem habe ich an diesem Tag in meinem Leben interagiert?
–         Weiß ich überhaupt, was mit den Tieren, mit denen ich in einer Gemeinschaft lebe, los ist?
–         Habe ich ein gutes Verhältnis mit meiner Home Base?
–         Was ist meine Beziehung mit der Umwelt und dem Raum gerade jetzt?
–         In welchem Bezug stehe ich zu dem Ort, an dem ich lebe, und wie gehe ich mit diesem Ort um, wie bewege ich mit an diesem Ort?
–         Wie ist meine Beziehung zur ganzen Gemeinschaft?
–         Fühle ich etwas, stehe ich in Verbindung? Fühle ich die Sonne auf meinem Gesicht?
–         Bin ich in Harmonie mit all meinen Bezugspunkten/Beziehungen?

Diese Art der Fragestellung hilft mir darin, mich zu suchen und zu finden, um mich daran zu erinnern, dass all dies Leben ist, und dass das Leben zählt.

Man kann als Aktivist_in nicht stark, empowered und in seiner Hilfeleistung effektiv sein, wenn man mit seinem Leben nicht im Einklang steht. Ich möchte daher abschließend nochmal diesen Punkt betonen und hoffe, dass wir verstärkt einen Dialog über die Wichtigkeit einer radikalen Selbstfürsorge als Praxis auf der individuellen Ebene, so wie auch auf der Gemeinschaftsebene, führen können. Es geht also um die Praxis der Kultivierung lebensbejahender Werte. Es reicht nicht aus, die Muster von Unterdrückung zu erkennen, dann aber keine Werkzeuge an der Hand zu haben oder keine ausreichende Bodenhaftung zu haben, um diese Problemkomplexe umfassender zu begreifen und in Konsequenz auf sie zu handeln. Ich denke diese Praxis kann uns dabei helfen, mit den konkreten, gegebenen Problemen im jeweiligen Moment in einer lebensbejahenden Art und Weise umzugehen.

Ich möchte meine Rede damit an dieser Stelle enden lassen. Ich denke ich habe genug gesagt. Die Diskussion über dieses Thema scheint mir in Hinsicht auf unsere Gemeinschaft wirklich wichtig. Ich würde daher nun gerne einige Eurer Fragen beantworten. Mike können wir zum Diskussionsmodus wechseln?

Mike: Ja sicher, das war toll. Danke Anastasia!

Frage 1: Hast Du den Eindruck, dass Deine Arbeit als Aktivistin, seitdem Du diese radikale Selbstfürsorge für dich anwendest, einfacher geworden ist? Und welche Phasen waren für Dich die schwierigsten?

Frage 2: Könnte man sagen, dass aktiv und informiert zu sein, an und für sich bereits eine Handlung radikaler Selbstfürsorge ist?

Zu der ersten Frage, ob dies mir emotional bei der Arbeit als Aktivistin geholfen hat, möchte ich sagen: Ja, in einem gewissen Maße hat es das. In dem Sinne, dass ich über die Zeit auf diese Weise mehr Widerstandsfähigkeit entwickelt habe, so dass ich genau darum Bescheid weiß, welche der schwierigen Hauptarbeitsschwerpunkte ich zu einem bestimmten Zeitpunkt angehen will, und dass ich auch den Mut dazu habe, die für mich damit verbundenen Problematiken mit anderen zu besprechen.

In anderer Hinsicht gibt es da schon noch Probleme. Viele Punkte, die ich hier angeschnitten habe, drücken Ziele und Ideale aus und entsprechen nicht so ganz dem, was wirklich geschieht – vor allen Dingen nicht auf der Gemeinschaftsebene.

Ich habe die Kraft einer radikalen Selbstfürsorge leider noch nicht innerhalb von Aktivist_innen-Gruppen erleben können. Und das ist mit der Zeit auch nicht leichter oder besser geworden. Die Aktivist_innen-Gruppen sind imemrnoch vorwiegend ein Raum der Rängeleien und des Konflikts, ohne dass sich jemals dabei vernünftige gemeinsame Lösungen finden würden. Das ist schon ermüdend und stellt eine eher unangenehme Herausforderung dar.

Was die zweite Frage betrifft, ob ich denke, dass Aktivismus und Informiertheit an erster Stelle überhaupt selbst eine Form der radikalen Selbstfürsorge darstellen? Vielleicht. Informiertheit in dem Sinne, dass man fähig ist und den Mut dazu hat, diesen Grad an Grausamkeit zu bezeugen; diese Art der Informiertheit, als eine aktive Form radikaler Selbstfürsorge … ich würde sagen, dass das definitiv ein Akt des vehementen Mitgefühls ist, aus der die radikale Selbstfürsorge lernt. Aber ich würde nicht sagen, dass es an sich schon eine komplette Art radikaler Selbstfürsorge ist. Die radikale Selbstfürsorge orientiert sich mehr an den Verläufen, an Prozessen und bedarf des Feedbacks im Sinne des: „Ich erhalte diese Information von der Welt und nun ist ‚radikale Selbstfürsorge’ das, wie ich darauf reagiere. Gehe ich einen Schritt zurück? Habe ich den Mut an dieser Stelle überhaupt Fragen zu stellen? Und wenn nicht, woraus besteht meine harte Arbeit eigentlich, oder was ist die Arbeit, die ich leisten müsste um mich damit sicherer zu fühlen, stärker, und um besser mit diesen Gefühlen umgehen zu können?“

Mit Gefühlen meine ich, dass wenn ich Handlung ergreifen will, zum Beispiel gegen den illegalen Handel mit wildlebenden Tierarten, aber das Problem ist so riesig und gigantisch, und die Bilder, die ich sehe sind so furchtbar und kaum zu ertragen, und ich höre niemals, dass etwas Gutes geschieht in der Sache – das überrollt einen einfach. Wenn ich dann nicht davon überzeugt bin, dass ich etwas auch von dort aus tun kann, wo ich gerade bin, dann sollte meine harte Arbeit nicht gerade an dieser Stelle zum Einsatz kommen. Der Akt der radikalen Selbstfürsorge ist, zu wissen, immer wieder zu evaluieren und zu re-evaluieren, wo mein Einsatz mich erwartet.

Rassismus und Speziesismus: Sind beide miteinander austauschbar?

Ein Auszug aus:

Anastasia Yarbrough: Weißes Überlegenheitsdenken und das Patriarchat schaden Tieren, Präsentation anlässlich der Sistah Vegan Conference 2013.

Rassismus und Speziesismus: Sind beide miteinander austauschbar?

► Rasse und Spezies sind willkürliche Unterscheidungen die ungefähr in der gleichen Zeit im europäischen Denken entstanden. Beide sind geleitet von phänotypischen Unterscheidungen aber tragen das Gewicht und die Legitimität als seien sie biologisch verwurzelt, und biologisch wird oft gleichgesetzt mit etwas „Fixiertem.“ In der Biologie wird die biologische Speziesdefinition oft als die ultimative Speziesdefinition begriffen. Wenn Gruppen erwiesenermaßen aus Individuen bestehen, die reproduktionstaugliche Nachkommen erzeugen können, dann sind sie eine echte Spezies. Im Freien oder in den Laboratorien ist diese primäre Definition meistens schwer zu testen, so werden noch andere Definitionen als akzeptabler Ersatz verstanden, die auf den morphologischen und phylogenetischen Unterschieden zwischen Gruppen basieren. Doch was die morphologischen und phylogenetischen Speziesdefinitionen tun, ist, dass sie die Kennzeichnungen von Spezies so willkürlich machen, wie das auch in der Rassentheorie handhabe ist. Für beide geht es im Wesentlichen hierum, dass: wenn du ein bisschen anders aussiehst, Dinge ein wenig anders tust, genetisch etwas variierst und sogar auch noch in einer anderer Region als dem Ort der Vergleichsbasis lebst, dann reicht das dazu, deine Gruppe als eine eigene Spezies zu kennzeichnen (und historisch wurde Rasse und Spezies in austauschbarer Weise eingesetzt), bis ein anderer „Experte“ vorbeikommt und etwas anderes behauptet.

► In meiner Erfahrung ist das, was wir als Tierrechtsaktivist_Innen häufig als Speziesismus kennzeichnen, zumeist nichts anderes als Rassismus, Sexismus und Ableismus der gegen Tiere gerichtet ist. Tier-Agrarkutlur, Aquakultur, Laborversuche mit Tieren, die Haustierhaltung und auch die kommerzielle- und die Freizeitjagd benötigen die Unterdrückung spezifischer Spezies um dadurch bestimmen menschlichen Gruppen einen Vorteil zu verschaffen. Doch die Argumente, die angebracht werden um diese Spezies in der Unterdrückung zu halten, sind nicht so sehr speziesistisch wie sie rassistisch, sexistisch und/oder abelistisch sind. Während Hunde als eine Spezies zur kommerziellen Zucht anvisiert werden, sind es die Hunderassen (die man ansonsten auch als „Züchtungen“ bezeichnet), die als Rechtfertigung und Anreiz zur Fortsetzung der selektiven Nachzucht und zur reproduktiven Kontrolle von Hunden dienen. Und es sind die Rassen, die in einigen Ländern einen Hund dazu prädestinieren getötet zu werden, nur weil er/sie als eine bestimmte Rasse geboren wurde. Ökofeministische Tierrechtsaktivistinnen haben seit Jahren schon betont, dass der Sexismus eine wesentliche treibende Kraft in der Unterdrückung von Tieren in den Agrarindustrien sind, insbesondere der Milch und Eierindustrie, die nicht existieren würden wenn die weibliche Gebärfähigkeit dabei nicht ausgebeutet werden könnte. Selbst Tierrechtsaktivist_Innen spielen in die Fallen des Abelismus hinein, indem sie sozial-kognitive Fähigkeiten von Tieren betonen, in ihrem verzweifelten Versuch Leute dazu zu bewegen, über Tiere einmal nachzudenken. Die Fähigkeiten von Tier-Individuen und Spezies mögen vielleicht den Grund bieten, mit dem wir versuchen zu rechtfertigen wie wir Tiere behandeln. Sobald wir Aktivist_Innen aber einmal dazu imstande sind, das Sozial-Kognitive dort und dann zu erkennen wo es erscheint, dann sollte es doch leichter werden zu begreifen, womit wir hier wirklich arbeiten.

Die ganze Präsentation können Sie hier im PDF Format lesen: http://simorgh.de/yarbrough/yarbrough_weisssein_patriarchat_tiere.pdf

Anastasia Yarbrough ist in beratender und aktivistischer Form in der Tierrechtsarbeit tätig, http://animalvisions.wordpress.comhttp://inneractivism.com.

Anastasia Yarbrough: Weißes Überlegenheitsdenken und das Patriarchat schaden Tieren

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Weißes Überlegenheitsdenken und das Patriarchat schaden Tieren

Anastasia Yarbrough, http://animalvisions.wordpress.com/http://inneractivism.com/

Dieser Text als PDF (Link öffnet sich in einem neuen Fenster)

Eine Präsentation von Anastasia Yarbrough anlässlich der ersten Sistah Vegan Konferenz, die am 14. September als Webkonferenz, organisiert von Dr. Amie Breeze Harper, stattfand. Siehe dazu: http://simorgh.de/niceswine/tag/sistah-vegan. Übersetzung: Palang LY, mit der freundlichen Genehmigung von A. Yarbrough.

In dieser Präsentation geht es um die Narrative, die wir über die Unterdrückung von Tieren weitervermitteln. Als Tierrechtaktivist_Innen steht uns die Möglichkeit zu, in unseren Schilderungen tiefer zu gehen und uns nicht allein auf die Tokenisierung der Kämpfe farbiger Menschen und Frauen zu verlassen. Auch müssen wir keine Tokenisierung von Tieren als romantischen Symbolen, die der menschlichen Identität dienlich sein sollen, betreiben. Stattdessen können wir über den tatsächlichen Kampf reden, den Tiere durchfechten müssen, und wir können über ihre Leben sprechen, so gut wir das eben nur können. Wir können ans Licht befördern genau wie sie mit den Bemühungen um Freiheit usw. anderer, menschlicher Gruppen in Verbindung stehen, und zwar indem wir die Geschichten derjenigen Kräfte (und der Identitätsgruppen, die hinter diesen Kräften stecken) schildern, die das Ganze letztendlich miteinander verbinden.

I. Wer ich bin?

Mein Name ist Anastasia Yargrough. Ich arbeite als facilitator consultant, community educator und bin nebenbei auch Musikerin. Ich arbeite nunmehr seit 15 Jahren im tierschützerischen Bereich, und zuletzt, seit etwa 5 Jahren, bin ich im als Sprecherin und organisatorisch in der Tierbefreiungsbewegung aktiv. Ich war im Vorstand des Institute for Critical Animal Studies und bin gegenwärtig im Beirat des Food Empowerment Projects.

Bedanken möchte ich mich ganz besonders bei A. Breeze Harper, die diese Online-Konferenz ermöglicht hat. Bei Adam Weitzenfeld und pattrice jones dafür, dass sie wunderbare inspirierende Gelehrte/Aktivist_Innen sind, die sich auch als gute Zuhörer erwiesen haben wenn es um die Themen ging, mit denen ich mich zurzeit auseinandersetze. Und mein Dank gilt auch all den Aktivist_Innen dort draußen, die sich für eine totale Befreiung einsetzen, selbst unter den enorm schwierigen herrschenden Bedingungen.

II. Warum ich spezifisch über weißes Überlegenheitsdenken und das Patriarchat spreche?

► Diese alles durchdringenden und miteinander verwobenen Kräfte stellen in der Tierrechtsbewegung eine tragende Säule dar. Die TR-Bewegung ist auf die eurozentrischen Länder konzentriert und innerhalb dieser Länder ist die Mehrheit ihrer Mitglieder weiß und die Mehrzahl ihrer Führungspersönlichkeiten besteht aus weißen Männern. Folge dessen ist eine Tendenz zum Eurozentrismus, was die ideologische Grundlage für Fragen der Mensch-Tier-Beziehung anbetrifft. Auch ist es nicht selten, tierschützerischen und veganen Kampagnen zu begegnen, die ein europäisches Ideal vermitteln (beispielsweise die Kampagne gegen das Hunde-Essen in China). Der Eurozentrismus macht es Menschen, die nicht weiß sind, schwer zu meinen sie hätten einen Platz innerhalb der Bewegung, insbesondere auch dann wenn deren Tierethik nicht unbedingt dem vorherrschenden „Mainstream“ der Bewegung entspricht. Der Einfluss des Patriarchats wiederum wird besonders dann sichtbar, wenn wir betrachten, dass die Mehrheit der Bewegung zwar aus weiblichen Aktivistinnen besteht, dennoch aber 50% der Führungskräfte in den großen aktiven Tierschutz-Nonprofits allesamt männlichen Geschlechts sind. Wenn es bei den großen Veranstaltungen und Tagungen der Bewegung, wie beispielsweise bei der National Conference in Washington DC, nicht möglich ist diese Themen ernsthaft anzusprechen, und solche Themen sogar als trivial und als nicht wesentlich zur Stärkung der Bewegung abgetan werden, dann haben wir ernsthaft ein Problem.

► Die große Mehrheit von Tierrechtsorganisationen und ihrer Sprecher_Innen vergleichen die moderne Tierrechtsbewegung und zitieren Beispiele aus der antirassistischen und der antisexistischen Bewegung in den USA, ohne wirklich zu verstehen wie Rassismus und Sexismus in Amerika eigentlich funktionieren. Sie nehmen einfach an, dass sie es wüssten, weil sie sich als Aktivist_Innen für eine gleichermaßen unterdrückte Gruppe (die diverse Vielzahl von Lebewesen, die wir gemeinhin subsumierend als „Tiere“ bezeichnen) einsetzen.

◌ Bei der Nationalen Tierrechtskonferenz von 2013 in Washington DC, sagte Norm Phelps [ein bekannter Tierrechtsautor in den USA] in der eröffnenden Plenarversammlung zu den Teilnehmer_Innen, dass die Tierrechtsaktivist_Innen heute die Frederick Douglasse und Harriet Tubmans unserer Zeit sind. Nathan Runkle [der Sprecher der Organisation Mercy for Animals] sagte bei derselben Versammlung, dass die Tierrechtsbewegung der nächste evolutionäre Schritt sei im Vorwärtskommen sozialer Gerechtigkeitsbewegungen; die Tierrechte seien die neue große soziale Gerechtigkeitsbewegung.

► Dieses sich vollständig auf die Lektionen der Kämpfe aus der antirassistischen und den antisexistischen Menschenrechtsbewegungen der Vergangenheit verlassen, ist an sich in keinerlei Hinsicht ein Problem. Beide Bewegungen sind Teile unseres Erbes und wir kommen nicht umhin im Schatten ihrer Geschichte weiterzumachen. Nicht zuletzt sind die hervorragenden Persönlichkeiten dieser Bewegungen unsere Vorfahren und einflussreiche Pioniere für die Bemühungen weltweit um soziale Gerechtigkeit und in Umweltschutzbelangen gewesen. Doch wenn Führungspersönlichkeiten innerhalb der Tierrechtsbewegung bequeme Analysen betreiben, um sie als einen Hebel einzusetzen zur fortgeschrittenen Legitimierung der Tierrechtsbewegung, dann dient das unserer Bewegung nicht, und der entscheidende Punkt wird hier einfach verpasst. Es gibt einen Grund weshalb die Kämpfe der Farbigen, der Frauen und der Tiere sich ähnlich genug sehen, dass der Vergleich zulässig ist. Und diese Gemeinsamkeit liegt in der Verbindung, die gegeben ist durch die systemischen Kräfte, die ihrer aller Unterdrückung nährt und am Fortbestehen erhält. Ein weiterer Redner könnte einmal eine Analyse von jeglichem Winkel innerhalb dieser Matrix betreiben. Heute fokussiere ich auf die Punkte weißen Überlegenheitsdenkens und Patriarchat.

III. Wie weißes Überlegenheitsdenken und das Patriarchat Tiere in direkter Weise betreffen.

► Die gleichen Kräften, unterschiedliche Gruppen.

◌ Das weiße Überlegenheitsdenken und das Patriarchat (die ich von hier ab als „weißes Patriarchat“ bezeichnen werde) wurden von Theoretikern aus den Bereichen kritischer Rassenstudien und respektive des Feminismus in den USA seit mehreren Jahrzehnten untersucht. Farbige Menschen mussten sich mit dem Weißsein und Frauen mit dem Patriarchat detailliert auseinandersetzen um überleben zu können. Das Weißsein und das Patriarchat werden kollektiv begriffen als Konstrukte sozialer Identitäten, die sich strukturell über die Zeit hinweg verstärken. Das bedeutet, dass ihre initiale Erschaffung beabsichtigt war, und dass Menschen sich zur Annahme der Identitäten aus freien Stücken entschieden haben. In einer neueren Studie über die Theorie des Privilegs durch den Anarchist Federation’s Women Caucus (den Frauenausschuss der Anarchistischen Föderation) wurde betont, dass Identitätsgruppen wie Männer und Weiße nicht wirklich ihr Privileg aufgeben können, gleich wie sehr Individuen dieser Gruppen das auch möchten. Sie sind in diese Identitäten hineingeboren, in diesen Identitätsgruppen großgezogen worden und sie sind eingetaucht in ein System, aus dem sie nicht aussteigen können oder in dem sie sich überhaupt dazu entscheiden könnten, nicht mehr von diesem zu profitieren. „Du bist für das System, das dir dein Privileg erteilt nicht verantwortlich, nur dafür, wie du darauf reagierst.“ bell hooks hat das weiße Patriarchat häufig assoziiert mit Akten des Terrorismus (nämlich der Sklaverei, der Vergewaltigung, der Folter und den Mord) gerichtet spezifisch gegen schwarze Menschen und schwarze Frauen. Diese Akte des Terrorismus – Sklaverei, Vergewaltigung, Folter und Mord – sind auch das, was auch wir in der Tierrechtsbewegung versuchen wollen abzuschaffen. Es ist keinerlei Überraschung, dass diese Akte allesamt aus dem gleichen System entwachsen. Wie können wir in einer Gesellschaft leben, in der all das geschieht, ohne dass es uns überhaupt etwas ausmacht? Nun ja, zum einen macht sich das weiße Patriarchat nicht sichtbar. Wie irgendein anderes Konstrukt einer sozialen Identität, die ein sozioökonomisches System auf der Basis der Ausbeutung der schwächeren und verletzlicheren Individuen und Gemeinschaften erhält, indem es diejenigen marginalisiert, die den Status quo des „Mainstreams“ stören, in dem systematische Gewalt zum Vorteil privilegierter Gruppen begangen wird, in dem die Gedanken, Körper, Räume und die Reproduktion anderer Gruppen dominiert wird, so ist das weiße Patriarchat eine Institution, die es schafft all dies aufrecht zu halten während es selbst unsichtbar bleibt. Wir müssen uns in ganz bewusster Weise darum bemühen es sichtbar zu machen. In der Tierrechtsbewegung haben wir, wenn wir über die Unterdrückung der Tiere durch Menschen sprechen, Gelegenheiten um weißes Überlegenheitsdenken und das Patriarchat hinter der Ausbeutung, der Dominierung, der Reproduktionskontrolle, der Marginalisierung und der systematischen Tötung sichtbar zu machen. Wir können die Tokenisierung von Tieren als Maskottchen, die tatsächlich dem Zwecke ihrer Ausbeutung und Ermordung dient, benennen. Wir können auf die Tötungen von Tieren, in den Tierheimen und halbwilder und verwilderter Tiere, als Schuldzuweisung auf das Opfer hinweisen. Wir können darüber sprechen, wie wildlebende Tiere marginalisiert werden durch den Verlust ihres Habitats, verursacht durch die Agrarkultur und den sich ausdehnenden Städtebau, und wie „invasive/schädliche“ Spezies ein bequemes Ziel der Schuldzuweisung werden, wobei bei ihnen tatsächlich weder Hauptgrund und –ursache zu suchen sind. Wir können die Reproduktionskontrolle, die Zwangszucht, genetische Manipulation und die in die Sexualität eingreifende Gewalt sichtbar machen, die Institutionen am Leben erhalten wie die Tierversuchslaboratorien, die Tiere involvierende Agrarkultur, die Haustierhaltung, Zoos und Aquarien, Jagdreviere, Aquakultur und die Unterhaltungsindustrien die Tiere einbeschließen. Die Tokenisierung, die Schuldzuweisung auf das Opfer, die Marginalisierung und die Reproduktionskontrolle, sind die Grundpfeiler des weißen Patriarchats. Innerhalb des weißen Überlegenheitsdenkens in Amerika tendiert der Mainstream dazu, sich mit Tieren und farbigen Menschen dann zu identifizieren, wenn sie tot oder auf eine Fast-Unsichtbarkeit reduziert sind. Dadurch wird die Illusion erzeugt, dass wir diese Gruppen tatsächlich respektieren, indem wir sie romantisieren, und die, die sie in Wirklichkeit sind, für uns in unserer Vorstellungswelt in der Weise passend für unsere eigene Identität modulieren, nun wo unsere Vorfahren und Zeitgenossen sie bereits als eine Bedrohung außer Kraft gesetzt haben. Ein wesentlicher Grundpfeiler des weißen Patriarchats ist aber auch die Frage der Bürgerschaft. Die einzig legitimen Stimmen sind diejenigen, die „echte Bürger“ der Gruppe darstellen. Und in der Tierrechtsbewegung stellt dies ein enormes Hindernis dar in den Bemühungen um eine Bewirkung der Anerkennung der Interessen von Tieren durch die Gesellschaft.

►Das weiße Patriarchat als treibende Kraft in Tierverteidigungskampagnen.

◌ Die Kampagnen von PETA sind berüchtigt wegen ihrer rassistischen und sexistischen Komponenten. Ich werde hier nicht weiter in die Einzelheiten gehen, da eine andere Sprecherin bei dieser Konferenz ihre Analyse der Organisation PETA vorstellen wird. PETA sind jedenfalls ein sehr offensichtliches Beispiel für das weiße Patriarchat als treibende Kraft hinter ihren Zielen und Strategien. Nicht allein in den Öffentlichkeitsstunts der Organisation, sondern auch in ihren Politiken und Praktiken, die Tiere in ganz unmittelbarer Weise anbetreffen. PETA hat eine Geschichte zu verzeichnen, in denen sie mehr ihrer vermeintlich geretteten Hunde und Katzen getötet haben, als sie an ein neues Zuhause vermittelten. Nathan Winograd hat PETA seit Jahren wegen ihrer desaströsen Tierheimunterbringungspraktiken und Vorgehensweisen kritisiert. PETAs Unterstützer_Innen haben daraufhin entgegnet, dass Winograd nicht erwähnt habe, wie viele Tiere man aus den Gefahren, die für sie in überfüllten Tierheimen drohten, extra herausadoptiert habe, und dass es besser für diese Tiere sei einen „gnadenvollen“ Tod zu erleiden, als ein Leben in einen Tierheim zu verbringen, oder was noch schlimmer sei, als ein Leben ohne ein echtes Zuhause. Was mir dies sagt ist, dass für PETA die beste Art einer ethischen Beziehung zu Tieren, auf die wir unter PETAs Richtlinien hoffen könnten, diejenige ist mit toten Tiere, da es ja keine Möglichkeit gibt, alle diese Tiere unter einer kompletten institutionellen Kontrolle zu halten, und es dann effizienter wäre die Tiere einfach zu töten um sich dann auf die Schulter zu klopfen, dass man ja das richtige getan habe, denn man weiß ja schließlich auch genau, was das Beste ist. Das ist weißes Patriarchat.

◌ Verdeckte Nachforschungen bildeten die wesentliche Taktik zur Aufdeckung einiger der schlimmsten Gewaltakte gegen Tiere. Was oft nicht betont wird in solchen Ermittlungen von Tiermissbrauch in Fabrik-Farmen oder bei Kampagnen gegen den Hundekampf oder gegen Hahnenkämpfe oder bei Aufdeckungen des illegalen Handels mit wildlebenden Tierarten, sind die rassifizierten Komponenten die bei diesen Gräueltaten mitschwingen. Die große Mehrzahl derjeniger Menschen, die die niederen Arbeiten verrichten und die illegalen Taten begehen, denen wir immer wieder in den Nachrichten begegnen, und auf die der Zorn und die Empörung der Aktivist_Innen niederprasselt, sind farbige Menschen.

◦ Fremdarbeiter aus Ländern wie Mexiko und Guatemala machen ein Fünftel der Arbeiterschaft in den Agrarindustrien aus. Sie haben typischerweise keinen High School Abschluss und ihre Optionen bei der Arbeitssuche sind daher gering, auch haben sie normalerweise wenig in der Leitung dieser Farmbetriebe zu sagen. Sie sind einfach Hände – oft die blutigen Hände – die 10 bis 12-stündige Schichtdienste verrichten. Der US-amerikanische Imperialismus und Rassismus stößt sie in Jobs wie diese, wo die Möglichkeiten der Wahl dessen, wie man seine Einkünfte bestreitet, gering sind. Sie werden häufiger wegen Grausamkeit gegen Tiere belangt als die Betreiber der Farmen, die die echten Profite aus der Sache schlagen. Und Tierverteidigungsorganisation wissen das, wenn sie Klagen erheben; sie versuchen einfach jeden „Erfolg“, gleich welchen, zu erlangen, wenn er denn nur erlangbar ist. Zum Schluss hilft das den Tieren weder in der Gegenwart noch in der Zukunft, denn es erlaubt es den Shareholdern einer Verantwortlichkeit aus dem Weg zu gehen. Es erlaubt den Geschäftsbetreibern die Sündenbockfunktion den verarmten und oft analphabetischen Wanderarbeitern zuzuschieben, die kaum juristischen Schutz haben, und es sendet eine für die Öffentlichkeit irreführende Botschaft aus, dass man was gegen die „schlimmen Typen“ getan habe, wobei sie in Wirklichkeit einfach nur durch andere Immigranten gleichen Hintergrunds ausgetauscht werden, die dann ebenso den Verstand verlieren werden, mit der Gewalt, die sie stundenlang täglich ausführen müssen.

◦ Hundekämpfe sind so alt wie die zivilisierte Welt selbst. Und Hahnenkämpfe begannen in Europa etwa um das 15. Jahrhundert herum aufzutauchen. Beide dieser Blutsportarten zählten gewöhnlicherweise zu den Aktivitäten wohlhabender Landbesitzer, Handeltreibender und Aristokraten; in anderen Worten: Leute die Geld hatten. Heute werden diese Blutsportarten mit armen farbigen Menschen in Verbindung gebracht. So sehen die Kampagnen gegen diese grausamen Bräuche oft aus wie eine spezifische Strafung Farbiger, nun wo weiße Menschen der Mittel- und Oberschicht kulturell „jenseits“ von solch einem Barbarismus stehen.

◦ Der illegale Handel wildlebender Tierarten ist ein Thema, das nicht allein die Tierverteidigungsbewegung beschäftigt, dieses Thema ist auch bestimmend in Bereichen umweltschützerischer Tätigkeiten. Kampagnen und Berichte betonen die Prozentzahl des illegalen Handels, so dass man sich auf CITES und damit auf juristische und politische Richtlinien berufen kann. Soweit hat das allerdings keinen besonders großen Unterschied erbracht, was die Anzahl von Tieren, lebend oder tot, anbetrifft, die aus ihrem gebürtigen Land oder Wasser herausgeschmuggelt werden. Die Gegenden wo die meisten dieser Aktivitäten stattfinden, liegen in Südostasien und in Subsahara-Afrika. Nachrichtenmedien, Dokumentationen und Kampagnen fokussieren zumeist extensiv auf die Seite der „Wilderei“ im Handel mit wildlebenden Tierarten, die ausschließlich von den farbigen Menschen in den Regionen betrieben wird. Obgleich das Geschäft des Handels wildlebender Tierarten Teile großer krimineller Syndikate bildet, sind die Leute, die wir überall in Bildern und in den Nachrichtenartikeln sehen, diejenigen mit wenig Ressourcen und mit weniger Sagen in den großen Syndikaten – Leute die einfach ausgetauscht werden können, die man einfach zu Sündenböcken machen kann. Es ist weitaus schwieriger die wohlhabenden Konsumenten von Produkten aus wilden Tieren sichtbar zu machen, und es ist schwieriger Reiche in Frage zu stellen, Jagdsitze in Privatbesitz, die vom Geschäft mit dem Handel „exotischer“ Tierarten profitieren, es ist schwieriger amerikanische und europäische Privatinvestoren von Milizen und kriminellen Syndikaten in diesen Regionen anzugreifen, also tut es auch niemand. Es ist weitaus einfacher, arme farbige Menschen zur Verantwortung zu ziehen, die die tatsächliche Gewalt und die tatsächliche Straftat begehen, denn das sind die Plakatkriminellen, und das weiße Überlegenheitsdenken und der Kolonialismus können ungehindert weitermachen, unbemerkt, in ihren systemerhaltenden Funktionen.

◦ Rassismus, Klassismus und Kolonialismus treiben farbige Menschen dazu, sich übermäßig auf die Ausbeutung von Tieren zu verlassen, und weil sie nicht den Schutz durch Wohlstand und Weißsein genießen, tragen diese Leute die Last der Konsequenzen, während die Schwergewichte in Sachen Ermöglichung, ihr Geschäft weiter und wie gehabt betreiben können.

IV. Rassismus und Speziesismus: Sind beide miteinander austauschbar?

► Rasse und Spezies sind willkürliche Unterscheidungen die ungefähr in der gleichen Zeit im europäischen Denken entstanden. Beide sind geleitet von phänotypischen Unterscheidungen aber tragen das Gewicht und die Legitimität als seien sie biologisch verwurzelt, und biologisch wird oft gleichgesetzt mit etwas „Fixiertem.“ In der Biologie wird die biologische Speziesdefinition oft als die ultimative Speziesdefinition begriffen. Wenn Gruppen erwiesenermaßen aus Individuen bestehen, die reproduktionstaugliche Nachkommen erzeugen können, dann sind sie eine echte Spezies. Im Freien oder in den Laboratorien ist diese primäre Definition meistens schwer zu testen, so werden noch andere Definitionen als akzeptabler Ersatz verstanden, die auf den morphologischen und phylogenetischen Unterschieden zwischen Gruppen basieren. Doch was die morphologischen und phylogenetischen Speziesdefinitionen tun, ist, dass sie die Kennzeichnungen von Spezies so willkürlich machen, wie das auch in der Rassentheorie handhabe ist. Für beide geht es im Wesentlichen hierum, dass: wenn du ein bisschen anders aussiehst, Dinge ein wenig anders tust, genetisch etwas variierst und sogar auch noch in einer anderer Region als dem Ort der Vergleichsbasis lebst, dann reicht das dazu, deine Gruppe als eine eigene Spezies zu kennzeichnen (und historisch wurde Rasse und Spezies in austauschbarer Weise eingesetzt), bis ein anderer „Experte“ vorbeikommt und etwas anderes behauptet.

► In meiner Erfahrung ist das, was wir als Tierrechtsaktivist_Innen häufig als Speziesismus kennzeichnen, zumeist nichts anderes als Rassismus, Sexismus und Ableismus der gegen Tiere gerichtet ist. Tier-Agrarkutlur, Aquakultur, Laborversuche mit Tieren, die Haustierhaltung und auch die kommerzielle- und die Freizeitjagd benötigen die Unterdrückung spezifischer Spezies um dadurch bestimmen menschlichen Gruppen einen Vorteil zu verschaffen. Doch die Argumente, die angebracht werden um diese Spezies in der Unterdrückung zu halten, sind nicht so sehr speziesistisch wie sie rassistisch, sexistisch und/oder abelistisch sind. Während Hunde als eine Spezies zur kommerziellen Zucht anvisiert werden, sind es die Hunderassen (die man ansonsten auch als „Züchtungen“ bezeichnet), die als Rechtfertigung und Anreiz zur Fortsetzung der selektiven Nachzucht und zur reproduktiven Kontrolle von Hunden dienen. Und es sind die Rassen, die in einigen Ländern einen Hund dazu prädestinieren getötet zu werden, nur weil er/sie als eine bestimmte Rasse geboren wurde. Ökofeministische Tierrechtsaktivistinnen haben seit Jahren schon betont, dass der Sexismus eine wesentliche treibende Kraft in der Unterdrückung von Tieren in den Agrarindustrien sind, insbesondere der Milch und Eierindustrie, die nicht existieren würden wenn die weibliche Gebärfähigkeit dabei nicht ausgebeutet werden könnte. Selbst Tierrechtsaktivist_Innen spielen in die Fallen des Abelismus hinein, indem sie sozial-kognitive Fähigkeiten von Tieren betonen, in ihrem verzweifelten Versuch Leute dazu zu bewegen, über Tiere einmal nachzudenken. Die Fähigkeiten von Tier-Individuen und Spezies mögen vielleicht den Grund bieten, mit dem wir versuchen zu rechtfertigen wie wir Tiere behandeln. Sobald wir Aktivist_Innen aber einmal dazu imstande sind, das Sozial-Kognitive dort und dann zu erkennen wo es erscheint, dann sollte es doch leichter werden zu begreifen, womit wir hier wirklich arbeiten.

V. Schlussfolgerung

► Das weiße Überlegenheitsdenken und das Patriarchat sichtbar zu machen, ist wichtig um die Unterdrückung von Tieren sichtbar zu machen. Oft stecken diese hinter den Gräueltaten die gegen Tiere begangen werde, wogegen wir schließlich kämpfen.

► Das weiße Überlegenheitsdenken und das Patriarchat beeinflussen die Ziele der Bewegung und der angewendeten Strategien. Wir können evaluieren, wie unsere Ziele und Strategien weitervermittelt werden, und indem wir die Intention hegen diese Kräfte sichtbar zu machen, anzuerkennen was wirklich los ist, indem wir uns unsere eigene Rolle in all dem bewusst machen, können wir die Verantwortung für eingeschlagene Richtungen in der Bewegung übernehmen.

► Nun wo andere Aktivist_Innen Analysen über den Abelismus, Heterosexismus, Cissexismus und Queerness mit einbeziehen, haben wir die Möglichkeit, dass die Tierrechte sich zu einer echten Pioniersfront der intersektionalen Bewegung entwickeln können. Schaffen wir es diese Herausforderung anzunehmen?

Weitere Beispiele weißen Patriarchalismusses:

„Ich hab ihm gerade einen Nasenring angebracht … , so dass er nicht mehr bei seiner Mutter saugt. Er braucht es einfach nicht mehr … . Er wird sich dran gewöhnen. Wir haben es mit den anderen Kälbern auch so gemacht. An dem Ring sind nur einige Zacken, und das ist damit es die Kuh an ihrem Euter stört wenn er versucht zu saugen, sie wird ihn dann wegtreten … . Tja, das ist halt noch so eine weitere spaßige Sache, die du so auf einer Farm machen kannst.“

http://www.youtube.com/watch?v=mOMYfrFKHyE&feature=youtu.be

Malerei: © Farangis G. Yegane

(Eventuelle typografische Korrekturen werden noch vorgenommen.)

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