Das Schlachthaus als Hauptort des institutionalisierten Zoozids

kts8

Jahrgang 5, Nr. 5, Art. 1, ISSN 2363-6513, Oktober 2018

Das Schlachthaus als Hauptort des institutionalisierten Zoozids (PDF)

Hintergrund: In dieser Ausgabe der Tierautonomie stellen wir der Leserin vier Textquellen vor, die sich mit den Interna der Gewalt gegen Tiere in der Fleischproduktion und im Fleischkonsum befassen. Der erste Artikel von Michael Lebwohl adressiert die Gefahren psychischer Schäden bei Schlachthausarbeitern in Folge insbesondere eines durch die Täterschaft induzierten traumatischen Stresses. Folgend ein Auszug aus Elias Canetti Masse und Macht, in dem das Thema der Gewalt gegen Tiere in unterschiedlicher Form Gegenstand ist und Canetti das Einverleiben und Verdauen als einen im menschlichen Bewusstsein machtrelevanten Vorgang darstellt. Gail Eisnitz ist mit einer Präsentation über die Praktiken von Massentierhaltungsanlagen und Hochleistungsschlachthäusern repräsentiert, sie hat im Rahmen einer Untersuchung zahlreiche Interviews mit Schlachthausarbeitern durchgeführt. Abschließend eine Rezension des Vorsitzenden des Farm Animal Reform Movement, Alex Hershaft, von Gail Eisnitzs Buch Slaughterhouse. Die Investigationsarbeit von Eisnitz hat bis heute an Relevanz nichts verloren.

Schlagworte: Speziesismus, Schlachtbetriebe, Agrarindustrie, Ethik, Zoozid

Alex Herschafts Rezension des 1997 erschienenen Buches Slaughterhouse von Gail Eisnitz, dessen Aussage in unveränderter Weise relevant ist

Alex Herschafts Rezension des 1997 erschienenen Buches Slaughterhouse von Gail Eisnitz, dessen Aussage in unveränderter Weise relevant ist

Gail A. Eisnitz: Slaughterhouse
Eine Rezension von Dr. phil. Alex Hershaft, Vorsitzender von FARM

Slaughterhouse
by Gail A. Eisnitz
Prometheus Books, New York, 1997
310 pp, $29.95 hc

Dieser Text als PDF

Übersetzung aus dem Amerikanischen: Gita Yegane Arani-May. Mit der freundlichen Genehmigung von Dr. phil. Alex Hershaft.

Inmitten unseres protzenden, hedonistischen High-Tech-Lebensstils, zwischen den blendenden Denkmälern der Geschichte, Kunst, Religion und des Kommerzes, sind die “black boxes”. Das sind die biomedizinischen Forschungs-Laboratorien, Fabrik-Farmen und Schlachthäuser – anonyme Gelände, wo die Gesellschaft ihr schmutziges Geschäft der Misshandlung und des Tötens unschuldiger fühlender Lebewesen durchführt.

Dies sind unsere Dachaus, unsere Buchenwalds, unsere Birkenaus. Wie die guten deutschen Bürger, haben wir eine ziemlich genaue Idee über das, was dort geschieht, aber wir wollen keinerlei Überprüfung der Wirklichkeit. Wir rationalisieren, dass die Tötung erledigt werden muss, und dass es human gemacht wird. Wir fürchten uns davor, dass die Wahrheit unsere Sensibilitäten kränken könnte und uns vielleicht dazu zwingen würde, etwas zu tun. Es könnte unser Leben verändern.

Slaughterhouse von Gail Eisnitz von der ‘Humane Farming Association’, ist eine das Innerste zerreißende, ernüchternde und zugleich sorgfältig dokumentierte Aufdeckung von unsäglicher Folter und dem Tod in Amerikas Schlachthäusern. Es sprengt deren allgemeines Image von unklaren Fabriken, die stummes ‘Nutzvieh’ zum sterilen, cellophanverpackten ‘Nahrungsmittel’ in der Fleischauslage machen. Die Angaben von Dutzenden von Schlachthausarbeitern und USDA-Inspektoren ziehen den Vorhang zu abscheulichen Höllenlöchern auf, in denen die letzten Minuten von unschuldigen, fühlenden, intelligenten Pferden, Kühen, Kälbern, Schweinen und Hühnern in endlose Todesqualen gewandelt werden. Und ja, das Buch mag wohl ihr Leben verändern. Hier sind einige ausgewählte Textstellen (Warnung! Das Material das folgt ist stark erschütternd).

Die Todesqualen beginnen wenn die Tiere über lange Distanzen transportiert werden, unter extremen Beengungen und harten Temperaturen. Hier ist ein Bericht von einem Arbeiter der damit beauftragt ist Schweine abzuladen: “Im Winter kommen einige Schweine total an die Seiten des Lasters angefroren rein. Man bindet eine Kette um sie und reißt sie von den Wänden des Lastwagens. Dabei bleibt ein dickes Stück Haut und Fleisch zurück. Sie haben vielleicht noch ein bisschen Leben in sich, aber die Arbeiter werfen sie einfach auf Stapel von toten Tieren. Sie werden sterben, früher oder später.”

Einmal in dem Schlachthaus sind einige Tiere zu verletzt um zu laufen und andere verweigern sich einfach still in ihren Tod zu gehen. Dies ist wie die Arbeiter damit umgehen: “Die bevorzugte Methode einen Krüppel zu behandeln, ist ihn mit einem Bleirohr totzuschlagen bevor er in die ‘chute’ kommt … . Wenn du ein Schwein in der ‘chute’ kriegst, aus dem die Scheiße rausgeprügelt wurde und das einen Herzanfall hat oder sich verweigert sich zu bewegen, nimmst du einen Fleischhaken und hakst ihn in sein Arschloch (After) fest … und oft reißt der Fleischhaken aus dem Arschloch raus. Ich habe Schenkel gesehen die völlig aufgerissen waren. Ich habe auch gesehen wie Därme herauskommen.”

Und hier ist was die Tiere in der Tötungs-Stufe erwartet. Zuerst die Angaben von einem Pferdeschlachthausarbeiter: “Du bewegst dich so schnell, dass du hast keine Zeit hast zu warten, bis ein Pferd ausblutet. Du häutest ihn während er blutet. Manchmal ist die Nase von einem Pferd unten im Blut, bläst Blasen und er erstickt.”

Dann ein anderer Arbeiter, über die Kuhschlachtung: “Oft stellt der Häuter fest, dass eine Kuh immernoch bei Bewusstsein ist wenn er die Seite ihres Kopfes aufschneidet und sie wild zu treten anfängt. Wenn das passiert, … stößt der Häuter ein Messer in das Hinterteil ihres Kopfes um das Rückrad durchzuschneiden.” (Dies lähmt das Tier, aber beendet nicht die Schmerzen des lebendig Gehäutetwerdens.) Und noch ein anderer, über Kälber-Schlachtung: “Um schneller mit ihnen fertig zu werden, stellen wir jeweils acht oder neun von ihnen auf einmal in die ‘knocking box’… Du fängst an zu schießen, die Kälber springen, sie stapeln sich alle aufeinander. Du weißt nicht welche erschossen sind und welche nicht… Sie werden weggehängt, und so fahren sie die Reihe weiter, winden sich und schreien” (um geschlachtet zu werden, während sie bei vollem Bewusstsein sind).

Und über Schweine-Schlachtung: “Wenn das Schwein bei Bewusstsein ist, … braucht es eine lange Zeit für ihn, um auszubluten. Diese Schweine kommen zu dem Erhitzungs-Tank, treffen aufs Wasser und fangen an zu treten und zu schreien … . Da ist ein rotierender Arm der sie runterdrückt. Keine Chance für sie rauszukommen. Ich bin mir nicht sicher ob sie zu Tode verbrühen bevor sie ertrinken, aber sie brauchen ein paar Minuten um mit dem Treten aufzuhören.”

Die Arbeit fordert einen schweren emotionalen Tribut von den Arbeitern. Hier ist der Bericht eines Arbeiters: “Ich habe den Druck und die Frustration von meinem Arbeitsplatz an den Tieren, an meiner Frau, … und an mir selbst abgelassen und stark getrunken.” Dann wird es viel schlimmer: “… ein Tier das dich völlig abnervt, tötest du nicht einfach. Du … zerstörst die Luftröhre, machst, dass es in seinem eigenen Blut ertrinkt, spaltest seine Nase… Ich habe habe sein Auge rausgeschnitten … und dieses Schwein hat einfach geschrien. Einmal habe ich …. das Ende von der Nase von einem Schwein abgeschnitten. Das Schwein ist verrückt geworden, also nahm ich eine Handvoll Salzlake und hab sie in seine Nase gerieben. Jetzt ist das Schwein wirklich ausgeflippt … .”

Sicherheit ist ein wesentliches Problem für Arbeiter, die scharfe Instrumente bedienen, während sie auf einem Boden stehen der glitschig von den Blutmassen ist, umgeben von bei Bewusstsein seienden Tieren, die um ihr Leben treten, und unter dem Druck einer beschleunigenden Schlachtungsreihe. Tatsächlich ziehen sich 36 Prozent ernsthafte Verletzungen zu, was ihre Arbeit zu der gefährlichsten Amerikas macht. Arbeiter, die Behindert sind und solche die sich über Arbeitsbedingungen beschweren, werden gefeuert und häufig ersetzt durch nicht-registrierte Ausländer. Vor ein paar Jahren kamen 25 Arbeiter bei einem Feuer in einem Hühnerschlachthaus in Hamlet, North Carolina, ums Leben, weil die Betriebsleitung die Notausgänge verschlossen hatte um Diebstahl zu verhindern.

Hier ist der Bericht eines Arbeiters: “Die Bedingungen sind sehr gefährlich und Arbeiter sind für die Maschinen nicht gut ausgebildet. Eine Maschine hat eine schwirrende Klinge, in der sich die Leute verfangen. Arbeiter verlieren Finger. Die Brust von einer Frau hat sich in ihr verfangen und wurde abgerissen. Einer anderen ihr T-Shirt hat sich verfangen und ihr Gesicht wurde in sie hineingezogen.”

Obwohl Slaughterhouse auf ‘animal cruelty’ (Tierquälerei) und die Sicherheit der Arbeiter fokussiert, geht es auch die Fragen betreffend der Gesundheit von Konsumenten und in diesem Zug das Versagen des ‘federal inspection systems’ an. Die ergreifende Schilderung von der Mutter eines Kindes, das einen Hamburger gegessen hatte, der kontaminiert war mit E. coli, beschreibt: “Nach Briannes zweiter Not-Operation ließen die Chirurgen sie offen von ihrem Sternum bis zu ihrem Schambereich um ihren geschwollenen Organen Platz zu lassen sich auszudehnen, und so zu verhindern, dass sie sonst ihre Haut zerreißen würden … . Ihr Herz … blutete aus jeder Pore. Die Gifte brachten Briannes Leber und Bauchspeicheldüse zum Stillstand. Eine Insulin-Infusion wurde angebracht. Mehrere Male verfärbte ihre Haut sich wochenlang schwarz. Sie hatte eine Anschwellung des Gehirns, die die Neurologen nicht behandeln konnten … . Sie sagten uns, dass Brianne im Grunde Hirntod war.”

Slaughterhouse hat einige Schwachstellen. In einem Versuch die Zeitabfolge der Untersuchung zu reflektieren, leidet die Darstellung an schwacher Strukturierung und teilweise überflüssigen Einzelheiten. Aber dies ist so etwa, wie die Aussagen über meine Holocaust-Erlebnisse wegen meines polnischen Akzentes zu kritisieren. Das Hauptproblem steht nicht im Zusammenhang mit dem Inhalt des Buches, sondern mit dem Cover-Design des Verlegers. Der Titel und die geköpften Kadaver, die abgebildet sind auf dem Schutzumschlag, stellen in effektiver Weise sicher, dass das Buch nicht von einer breiten Leserschaft gelesen wird, und dass die schockierende Aussage darinnen nicht raus zur konsumierenden Öffentlichkeit durchdringen wird.

Und dies ist bedauernswert. Weil die zahllosen Tiere, deren Todesqualen das Buch so plastisch dokumentiert, verdienen, dass ihre Geschichte erzählt wird. Und weil Slaughterhouse das stärkste Argument für fleischloses Essen ist, das ich jemals gelesen habe. Eisnitz’s schließender Kommentar “Nun wissen Sie es, und Sie können helfen diese Gräueltaten zu beenden” sollte eine starke Warnung sein. Nach 25 Jahren der Arbeit über Farmtier-Fragen und der Leitung zahlreicher Demonstrationen gegen Schlachthäuser hat es mich tief betroffen gemacht. In der Tat hat das Lesen von Slaughterhouse mein Leben verändert.

A.d.Ü.: Die Neuauflagen des Buches verwenden ein anderes Coverdesign – nicht mehr das mit den aufgehängten Leibern.

Personen die dabei helfen möchten diese Information an die allgemeine Öffentlichkeit zu bringen, sollten FARM und die HFA kontaktieren. Falls notwendig, übernehmen wir genre die Kontaktaufnahme gerne für Sie.