Ist Reiten vegan?

Über Speziesismen sprechen – wir tun genau das > Gruppe Messel.

Der Reitsport – überraschenderweise unter uns Veganern ein umstrittenes Thema, bei dem man sich nicht einig wird ob ‘ethisch vertretbar’ oder nicht. Man würde denken, nee, wer glaubt denn, dass ein Pferd gerne eine Stück Metal im Mund hat – wer will denn behaupten ein Pferdemund sei nicht so sensibel, dass das im Mindesten störend und das Gezerre an den Zügeln im Mindesten schmerzhaft sein muss.

Hinzukommt der Reitsport ist eine Industrie. Es stimmt nicht so ganz wenn Leute meinen, Pferde würden besser behandelt als sog. andere “Nutztiere”. Nach außen macht es den Anschein, aber unterm Strich werden Pferde auch als potenziell ‘essbar’ klassifiziert. Das heißt, auch wenn es ein Skandal ist, dass Pferdefleisch “ungewollt” in Fertiggerichten landet, so wird ihr Fleisch allgemein aber doch auf dem Markt gehandelt. Wer’s nicht glaubt, der sollte einfach mal z.B. Fohlenfleisch googlen oder auch hier kann man sich einen ersten Eindruck vom Thema Pferd als Fleischlieferant machen; wenn einem das Ganze nicht schon vorher bekannt und bewusst gewesen ist.

Jedes Pferd, jeder Esel in der BRD hat einen sog. Equidenpass. Dort ist das Tier als “Schlachtpferd” oder “Nicht-Schlachtpferd” gekennzeichnet. Der Halter entscheidet also, ob das Tier für die Schlachtung bestimmt werden soll.

Das Schicksal der Pferdes wird so also im vorhinein festgelegt, und außer jemand rettet das Tier, wird dieses Tier wenn es als Schlachttier deklariert wird, egal wie sehr wir alle glauben möchten Pferde seien “begünstigt”, zum Schluss zur Gaumenfreude und zum Lebensmittel herabreduziert. Entscheidet sich der Pferdehalter um, oder das Tier wechselt seinen Besitzer und kommt in bessere Hände, dann kann der Status vom Schlachtpferd jederzeit auf Nicht-Schlachtpferd geändert werden. Ist der Status einmal als Nicht-Schlachtpferd festgelegt im Equidenpass, dann darf er allerdings nicht mehr zum Status Schlachtpferd geändert werden. (Info dazu)

Der Handel mit Fleisch und Tieren findet selbstverständlich Europaweit statt – wer genau will kontrollieren wie und wo die Tiere getötet und die Tierkörper verarbeitet werden?

Die Industrien auch rund um das Pferd dürfen aus dem veganen Fokus nicht wegfallen weil wir übersehen wie “das Pferd als Reittier” und “das Pferd als (zumindest potenzieller) Fleischliefertant” eben genau eine besondere Problematik dieser Tiere kennzeichnet.

Unsere vegane Erfahrung zeigt uns doch, dass man die Probleme benennen muss um  Menschen die Funktionsweisen vom Speziesismus ins Bewusstsein zu rücken. Reitsport und Pferdehaltung bringen ganz eigene Probleme mit sich, die durch den kulturellen Mythos um Pferd und Reiter irgendwie immer wieder verdeckt werden.

Dann ist da aber noch ein anderes Problem mit dem wir es bei der Pferdehaltung zu tun haben: Einschläfern oder Bolzenschuss. Diese Entscheidung ist tatsächlich eine, die Pferde- oder Eselhalter treffen, wenn sie mit der Frage des Ablebens ihres Tieres konfrontiert sind.

So ist das Problem rund um die Pferdehaltung und den Reitsport nicht nur das, ob es wirklich tierfreundlich ist ein Pferd zu bereiten, sondern die Tragik liegt in der Praxis der Tierhaltung. Denn was geschieht mit den Tieren ganz konkret, mit jedem einzelnen dieser schönen und sensiblen Tierindividuen. Wie und wo kommt ein ganz spezifisches Tier zur Welt, wie und wo lebt es ganz genau und wie und wo stirbt es.

Manche sagen, die Tiere seien ja so domestiziert, sie bräuchten das Leben in den Händen ihrer Halter. Corey Wrenn, die sich zu den Abolitionisten zählt, sagt, dass andere Abolitionisten tatsächlich bezüglich Pferde dieser Meinung wären, sogar der Frontmann der Abolitionisten Gary Francione meine Pferde müssten beritten werden um gesund zu bleiben, was einen überraschen mag. Wrenn selbst vertritt diese Haltung nicht. Sie sagt es gäbe bessere Wege, die sich mit dem Gedanken des Veganismus auch weitaus besser vereinbaren lassen, wie man ein Pferd halten kann damit es genügend Auslauf hat. Soziale Interaktion mit anderen Pferden sei ohnehin viel wichtiger für die Tiere als die Interaktion mit dem Menschen (Reiter). Man könne genauso lange Spaziergänge mit dem Pferd machen. Ein echt veganer Standpunkt! Denn, der Veganismus schließt doch jede Form der Unterwerfung von Tieren aus, und die Behauptung Domestiziertheit würde zu einem Mangel an Freiheitsstreben im Tierindividuum führen, wurde eigentlich schon oft wiederlegt und ist aus reiner Vernunftssicht auch nicht wirklich nachvollziehbar. Man beobachte die Tiere einfach einmal ohne Vorbehalt.

Die Vegan Society beantwortet die Frage darauf, ob Reiten vegan ist, knapp aber vernünftig. So gibt sie an:

Schwierige Fragen. Haus- und Arbeitstiere.

Frage: Sind Veganer gegen Pferderennen und das Reiten?

Antwort: Veganer sind gegen alle Formen der Ausbeutung von Tieren. Jede Situation muss genauestens betrachtet werden, ob Ausbeutung in dem jeweiligen Fall gegeben ist. Die meisten Veganer sind gegen den Gebrauch von Zaumzeug (Trensen) und Ledersatteln. (die Info)

Am besten gefällt mir wie die vegane Dichterin Butterfly Katz die Frage in einem kürzlich von ihr geposteten FAQ über den Veganismus beantwortet, sie führt die Frage und die Antwort folgendermaßen an:

“Ich bin vegan, aber ich besitze und reite ein Pferd mit Zaumzeug und einem Ledersattel.” Ist das vegan?

Der Ledersattel disqualifiziert Dich von vornherein. Lass das Pferd entscheiden ob Du jemand bist der die Ausbeutung und Nutzbarmachung von Tieren wirklich weitestgehend vermeidet. Gebrauchst Du das Pferd zur eigenen Unterhaltung und für Deinen eigenen Spaß? Kann es wirklich vegan sein dem Pferd eine Trense in den Mund zu schieben? Ist es vegan, die Haut eines anderen Tieres auf den Rücken eines Pferdes zu schnallen? Ich kann mir vorstellen, dass es Ausnahmen geben mag in denen ein Pferd damit einverstanden ist, dass ein Mensch auf seinem Rücken sitzt, ohne oder mit einem synthetischen Sattel. Pferde zu retten und mit Pferden Freundschaft zu schließen ist auf jeden Fall vegan. Wir können mit ihnen zusammen laufen, Seite an Seite, und können sie dorthin führen, wo sie frei auf dem Felde herumgaloppieren können, statt sie zu reiten. Auch wenn um dieses Thema viele Diskussionen geführt werden, so ist meine Meinung dazu, dass das Reiten von Pferden, Eseln oder Kamelen oder eine Kutschfahrt, in der Tat unvegane Handlungen sind. (Link zur Info)

Aber um nochmal an das schwerwiegendste Problem zu erinnern, in dem das Ganze schließlich seinen Ausdruck der Ausbeutung subsumarum findet: die Pferdehalter dürfen entscheiden, ob das Pferd zu Schlachter kommt und ob es mit dem Bolzenschuss getötet wird. Dieser Umstand allein sollte uns Veganer dazu veranlassen die Problematik der Pferdehaltung und des Reitsports mit ganz oben auf die Liste tierausbeuterischer Industrien zu setzen. Pferderennen, Pferdespringen, Military-Reiten und Dressur sind hier natürlich mit einbeschlossen, diese Themen werden bereits diskutiert, müssten aber noch stärkere Beachtung finden (eine Info dazu z.B. hier auf Englisch).

Nein, reiten ist nicht vegan. Vergiss das Wunschdenken von einer tierliebhaberischen Idylle – die Pferde sind Gefangene einer Freizeitindustrie und stehen mit einem Fuß beim Abdecker oder auch im Schlachthof.

Hier geht es auch nicht darum, ob Pferde nun domestiziert sind oder nicht. Der Pferdefleischskandal sollte unser Augenmerk auf die verflixte Funktionsweise dieser speziesistischer Industrien lenken: Der Spezisismus hat viele Gesichter, und manchmal sogar auch welche, die nach außen erst gar nicht so schlimm erscheinen.

@germanvegan

alle Links Stand 06.09.2017.

Die Krone der Schöpfung: Der Mensch ziert sich mit dem Nichtmenschen auf seiner Krone. Der Nichtmensch steht aber über ihm.

Eine pflanzlich-basierende Lebensweise, Infos von der Vegan Society, GB auf Deutsch dazu findet Ihr bei dem veganen bunten Hund hier bei uns: