In der Tiefe des Meeres sind Tierrechte ebenso wichtig

In der Tiefe des Meeres sind Tierrechte ebenso wichtig, die Problematiken des Ökozids und des Faunazids sind allgegenwärtig

Bilder: Der Blaue Planet (2) – “Leuchtende Tiefsee”, Ein Film von Orla Doherty; Pfannkuchen-Tintenfisch; Glaskopffisch.

Die meisten von uns schauen sich gerne die faszinierende Welt der Art nichtmenschlicher (nm-)Tiere an, die uns wenig bekannt sind und die wunderschön und exotisch anmuten. Uns fasziniert die nm-Tierwelt. Und trotz aller Berührtheit und Bewunderung für diese Welt, nehmen wir kaum oder aber oftmals in hilfloser Form wahr, dass der Lebensraum für diese Tiere schwindet und wie das etwas mit uns allen zu tun hat und wo die Tierwelt ein geschlossenes Ökosystem trägt, nämlich unsere Welt, und zwar die nicht-hierarchisch/herrschaftlich-anthropozentrische Welt der ‘Natur’ selbst.

Tierrechtler und Natur… Als Untergruppe blenden – man staune – selbst viele Tierrechtler die Dichte dieses Lebensgefüges aus. So hat die niederländische Anthropologin und Tierethikerin Barbara Noske diese interne Ausblendung der Zusammenhänge zwischen Tierrechten und Ökologie innerhalb der Tierrechtsbewegung bereits m Jahr 2004 kritisiert [Barbara Noske: Zwei Bewegungen und die Mensch-Tier Kontinuität: Positionen, Annahmen, Widersprüche, http://simorgh.de/noske/noske_22-33.pdf], die Tierrechtler nähmen die Tiere aus der Kontextualität mit der natürlichen Umwelt heraus, und dass vice versa die Umweltbewegung, die Tiere und deren Rechte (die wir zu wahren hätten) im Kontext mit dem natürlichen Lebensraum, kaum als Gegenstand der Auseinandersetzung betrachteten.

Individuen … Die Frage, welche Tiere im natürlichen Ökosystem auf der Wünschenswert-Skala ganz oben und welche ganz unten stehen  und welche genau weshalb in die Rolle von „Nutzlebewesen“ gerückt werden und wurden, stellt sich nicht wenn wir die Schönheiten der Natur beobachten und bewundern wollen. Sobald diese Tiere jedoch erforscht oder in jeglicher Weise in den menschlichen Raum hineingezogen werden, geraten diese Individuen (die sie sind) in die Maschinerie speziesistischer Betrachtungen und Kategorisierungen hinein und sind schlagartig verloren. Und ein Tier, für das wir eben noch begeistert geschwärmt haben, weil es solch ein „Wunder der Natur“ ist, und bei dem wir eben gerade noch ganz starke Empathie empfunden haben, schrumpft zu dem Repräsentanten eines Spezies. Wie mit dieser Spezies umgegangen wird, bestimmt sich aus unserer Historie der Herabwertung tierlichen Seins heraus und nicht mehr aus unserer im tiefsten Innern empfundenen und gedachten Bewunderung.

Wäre es möglich, die Offenheit, die wir in einem Moment für die Anmut und Würde von Tierindividuen noch zeigen, zu übertragen auf unsere Sichtweise der allgemeinen Substanz des Tierseins? Oder können wir unsere wahren Gedanken und Anschauungen über Tiere, wie wir sie in Wirklichkeit ganz tief empfinden und denken, kaum formulieren, ihnen kaum Ausdruck verleihen, weil unsere Gedanken sofort auf humanzentrisches Regelwerksdenken stößt in der zwischenmenschlichen Kommunikation auf all den möglichen Ebenen und wir obendrein noch selbst eine innere scharfe Zensur betreiben?

Es ist nicht zu begreifen warum das Individuum ‘nm-Tier’ nicht zählen sollte, wer vermittelt uns diese Fehlansicht und warum akzeptieren wir diesen schandhaften Status quo?

Tierliebe setzt aus, in dem Moment, in dem wir deren Dasein „nutzen“ wollen. Wir wollen uns durch deren Existenz in irgendeiner Form selbst aufwerten in unserer Existenz. Dazu töten wir sie und bewundern sie aber auch. Aber alles, was wir von ihnen wollen, soll unserer Besserstellung und unserer Privilegiertheit dienen. Die existierenden Speziesismen (in den Naturwissenschaften, den Religionen, in philosophischen Theorien, usw.)  liefern den Beweis dafür.

Ein Argument bildet immer wieder ein besonderes Hindernis und stellt eine grundsätzliche Unterscheidung im Denken der meisten Tierrechtler, gesinnungsneutralen Menschen und Speziesisten dar. Und zwar die Frage danach, warum Tiere auch Tiere töten und warum wir das dann als Mensch nicht dürfen sollten.

Das Gegenargument aus Tierechtsseite lautet dann meist: wir sind uns über das Unethische am Töten anderer Lebewesen bewusst, nm-Tiere seien aber nicht moralfähig. Ich glaube das nicht. Ich glaube nur, dass wir die Gründe, warum es Raubtiere unter den nm-Tieren gibt, nicht wirklich kennen und verstehen, und dass das Töten zur Verzwecklichung und Zerstörung des Lebens anderer Tierindividuen im Falle des Menschen nicht ethisch vertretbar ist und der Mensch eben kein Raubtier ist.

Ein Mensch, eine Gruppe von Menschen oder eine Gesellschaft, die das Töten in Kauf nimmt zur Durchsetzung ihrer Interessen (außer in der Notwehr oder dem Unfall bzw. der unbeabsichtigten Tötung/Verletzung), begeht eine Tat, die immer auf das gleiche hinausläuft. Sie wertet bewusst das Leben eines anderen Individuums und Lebewesens ab. Ohne diese Abwertung gäbe es keinen Mord, keinen Tiermord, keinen Menschenmord und das scheint eher der Punkt zu sein, warum der Mensch, der tötet, eben kein Raubtier ist. Die Herabsetzung (insbesondere qua Definition) ist ein urmenschliches Machwerk, man denke an die Geschichte der Tieropferungen und der Ritualität der Tiertötung, die kulturanthropologisch mit Sicherheit eine ganz prominente Rolle in der menschheitsgeschichtlichen Verarbeitung des Tötens nm-Tiere seit jeher eingenommen haben müssen.

Nichtmenschliche Tiere sind nicht unsere Artgenossen, aber dennoch sind sie, wie wir, physiologisch Tiere. Sei es ein Pfannkuchentintenfisch oder ein Glaskopffisch im tiefsten Meer oder ein schöner Vögel in einer relativ unberührten Region der Welt, sei es mein Haustiergenosse, sei es das Tier, das heute für den Fleischverzehr, für den Glauben an eine religiös begründete Übermacht oder für den wissenschaftlichen Fortschritt (…) gemordet wird … sei es ein Käfer, ein Blauwal, sei es gleich welches tierliche Gegenüber: Alle Tiere sind wie wir Tiere.

Der Mensch ist im Mindesten physiologisch ein Tier. Der Mensch ist kein Raubtier, denn er muss eine Abwertung des Gegenübers vollziehen wenn er tötet, da er nicht ethisch wertfrei töten kann. Er muss die Physiologie seines Gegenübers ganzheitlich negieren. Würden wir unsere gesellschaftlichen Abwertungsmechanismen im Bezug auf Tiere (Speziesismen, Objektifizierung) überwinden, würden wir die faszinierenden nm-Tiere, und die Tiere, die wir schon häufiger gesehen haben, besser in unser System ethischer Relevanz mit einbeziehen können. Solange aber muss unsere Begeisterung als eine Art der Gefühlsduselei auf der Emotionalebene verharren. An der Stelle, an der wir uns selbst mitunter ganz wunderbar herabzuwerten wissen …

rev. 19.01.23

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