Fische und Tierrechte

Fische und Tierrechte

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Die Einstellung zu Fischen weist ganz besonders die Spezifika des Speziesismus auf, die erkennen lassen, dass sich der Speziesismus ganz überwiegend manifestiert in der Einstellung zu tierlichen Lebewesen als Nahrungsmittelobjekten.

Das heißt:

  • Nichtmenschliche (nm-) Tiere werden auf die Ebene eines Lebensmittels reduziert und kulturell in dieser Form einbezogen, in vom Menschen geprägte Lebensstrukturen, die die Nichtmenschen und deren Ökosoziologien gewaltsam dominieren und mit ihren Konstrukten von ‚Deutungshoheit‘ als menschliches Kollektiv beherrschen.
  • Wir können beobachten, dass Fische – und man muss hinzufügen auch andere in Gewässern Lebende nm-Tiere die keine Säugetiere sind – ganz besonders dieser reduzierenden Sichtweise ausgesetzt sind. Beispielsweise wird dies in der westlichen umgangsförmlichen Unterscheidung zwischen „Fisch“ und „Fleisch“ im Volksmunde erkennbar, die sich als Ausdruck dessen verstehen lässt, dass Fische zu essen seltener noch als der sonstige ‚Verzehr‘ nichtmenschlicher Tiere als ethisch problematisch dargestellt wurde. Die primäre Einordnung und Betrachtung von Fischen in unseren Gesellschaften ist immer wieder die eines (potenziellen) Lebensmittels und damit einhergehend die eines Lebewesens, dass quasi einer „Welt für sich“ zugeordnet wird, einer Welt, die mit „unserer subjektiv erlebten Welt als belebten Bewegungsraum“ sehr wenig gemein habe. Das Element dieser Tiere ist das Wasser, das des Menschen, das Land.
  • Folgende Haltung geht wahrscheinlich allen anderen Formen der Speziesismen, die auf Fische angewendet werden, voraus: „Was für uns ein ‚Lebensmittel‘ ist, mit dem können wir auch alles Weitere machen was unserem Gutdünken, unserem Nutzen und unserer Lust und Laune entspricht“.

Die Tierrechtsbewegung selbst hat höchst problematische Unterscheidungen unter Tieren getroffen

Als nächstes kommt die Problematik im Bezug auf Fische zu tragen, die sogar aus der Tierrechtsbewegung selbst mit herrührt. Bekannte Tierrechtsautoren haben eine seinshierarchische Sichtweise auf die Tierheit immer wieder argumentativ mit getragen und somit das Paradigma der Ähnlichkeit und Nähe zum Menschsein als Argumentationsebene „für“ Tierrechte eingesetzt. Man hat somit fortwährend die gleiche Denkweise übernommen, die durch die hierarchisierenden taxonomischen Zuordnungen der Lebewesen bereits durch die entsprechenden naturwissenschaftlichen Disziplinen festgelegt wurden. Und da sich die wissenschaftlichen Sichtweisen in Hinsicht auf Nichtmenschen mit den Speziesismen aller anderen menschlich-gesellschaftlichen Belange (wie dem religiösen und dem philosophischen Speziesismus zum Beispiel) decken, fiel dieser subtilere Speziesismus in der Tierrechtsdiskussion bei der Unterscheidung der Interessen von Säugetieren im vermeintlichen Unterschied zu anderen Tiergruppen nicht weiter als fragwürdig und arrogant auf. Säugetiere seien entwickelter als Vertebraten die keine Säugetiere sind, usw. und „entwickelter“ heißt dabei, wir ziehen sie in die Gemeinschaft des Menschen, als dem-Menschen-ähnlicher als andere Tiere, welche wir somit getrost weiter objektifizieren können. Bekannte Tierrechtprojekte haben sich auf Sortierungen von tierlichen Lebewesen selbst eingelassen, so wurden im Namen der Tierrechte weiterhin künstliche und unnotwendige Unterscheidungen getroffen, die sich immer noch am Homo sapiens als Idealkriterium und dem Maße aller Dinge ausrichten.

Im Kontrast allerdings gibt es auch Herangehensweisen und Argumentationen für Tierrechte und Tierbefreiung, die gerade in einer kritischen Haltung betonen, dass die Ähnlichkeit zum Menschen nicht der Maßstab sein darf, dass hingegen der Eigenwert und die Besonderheit eines nichtmenschlichen Tieres entscheidender Faktor zur Berücksichtigung dessen Interessen sein muss. Auch die ethische Praxis in der veganen Bewegung lässt sich nicht mehr auf die verkrusteten Vorstellung von höheren und niedrigeren oder vermeintlich weniger komplexeren Tierlebewesen ein. Wir finden in der Landschaft der Tierrechtsbewegung aber immer wieder diesen einen Scheidepunkt zwischen Humanzentrik und Zoozentrik, bei dem zwischen „komplexeren“ und „weniger komplexen“ Tieren in wertender Weise unterschieden wird, Lebensrechte daraus abgeleitet werden, und die Komplexität, die sich unseren Wertungskriterien entziehen mag, nicht als unbekannte Variable mit einkalkuliert wird.

Kulturanthropologisch sollten wir uns fragen, warum gerade das „Fische essen“ in der Menschheit eine beinahe „geheiligte“ Aktion, wie im Christentum beispielsweise, dargestellt hat, warum man bei allerhand Lebewesen aus dem Meer auch überhaupt von „Meeresfrüchten“ spricht, warum das Meer und das Leben im Meer aus seinen beherbergten Lebewesen etwas dem Menschen so „nützliches“ ohne der Herausforderung jeglichen schlechten Gewissens bei Verletzung dieses Lebens darstellen soll? Woher rühren solche Vorstellungen und Assoziationen?

Interessanterweise finden wir die Vorstellung, der Gebrauch von tierlichen Produkten sei etwas „reines“ und quasi „rituell heilsames“, dem besondere Heilsamkeitsattribute zugesprochen werden, aber auch bei Insektenprodukten wie Honig, Seide oder bei Vögeln deren Eier, Vorstellungen von Blut, einzelnen Organen, Hormonen, Drüsenabsonderungen als etwas dem Menschen als pflegend-heilsam beschiedenes. Eine ganze Landschaft speziesistisch-grausamer Praktiken und ihrer damit verbundenen menschlichen Selbstfürsorgeerwartungen lässt sich als kulturanthropologisches Mapping erfassen.

In Kunst- und Kulturräumen, als Ausdruck menschlicher Selbstverständnisse, sehen wir in gleicher Weise tragische „interessante“ Speziesismen in ihrer besonderen Bezogenheit auf die menschliche Wahrnehmung und Objektifizierung von Fischen, bis hin zur Innendekoration der Räume einiger Menschen, in der Aquaristik als Hobby und in Zoos mit ihren Aquarien – Fischgefängnisse als menschliche subjektive Erlebnisorte ästhetisierter physischer Reduktion und Beraubung von Tierfreiheit.

Der Fisch, ganz grundsätzlich, gilt dadurch, dass er in der Sphäre des Wassers lebt anscheinen ganz besonders als objektifizierbar, ohne dass man eine Hinterfragung der Objektifizierung befürchten müsse. Es wird sich darauf berufen, dass das „Fische essen“ ja seit aller Ewigkeit in der Menschheitsgeschichte seinen festen ethisch völlig integren Platz gehabt habe. Aber war dieser Platz ethisch wirklich immer gänzlich unhinterfragt? Wenn wir uns die Geschichte des Vegetarismus anschauen, sehen wir, dass Fische genauso in die gleiche ethische Rubrik eingeordnet wurden, wie andere Tiere, welche eben als tierliche Subjekte nicht essbar und einverleibbar sind. Der Vegetarismus, hat keine mysteriöse Unterscheidung zwischen „Fisch und Fleisch“ getroffen.

Der Veganismus und der Vegetarismus unterscheiden sich in ihrer ethisch-praktischen Haltung im Bezug auf Fische und die meisten anderen im Wasser lebenden nm-Tiere nicht – eine Ausnahme bilden die Schwämme, die im Veganismus aber auch in ihrer natürlichen Integrität geachtet werden, denn sie gelten als Tiere und der Veganismus schließt kategorisch alle intentionierte Nutzung von Tierorganismen aus.

Die Haltung Fische seien etwas anderes in ihrem Status als andere Tiere denen Menschen objektifizierend begegnen, hat im Bezug auf die Geschichte des Vegetarismus niemals gestimmt. Die Verharmlosung der Fische-Esserei stammt allein aus dem gleichen speziesistischen Denken, aus dem auch jeder andere ‚Verzehr‘ von Tieren her rührt, nur dass die Speziesismen im Bezug auf Fische ihre ganz eigentümlichen Besonderheiten aufweisen.

Fürsprecher*in sein für Fische und Tierrechte

Allein andere überzeugen zu wollen mit der ethischen Unhaltbarkeit des Verzehrs von Fischen (und anderen im Wasser lebenden Tieren) auf einer Grundlage der aus den Naturwissenschaften gewonnenen neusten Erkenntnissen, hilft bedingt, denn hier muss zuerst wieder ein nach biologischen Kriterien gültiger Beweis erbracht worden sein auf den ich mich beziehe. Bei dieser Art der Beweisführung wird der Nichtmensch aber kategorisch objektifiziert. Die qualitative Forschung setzt in der Biologie auch immer die Objektifizierung als Instrument zur Annäherung an den Untersuchungsgegenstand voraus ober schließt sie zumindest mit ein.

Im Bezug auf Menschen haben solche Beweisführgen in den emanzipatorischen Bewegungen gegen Unterdrückung und unterdrückerische Systeme niemals eine tragende Rolle gespielt. Frauen hätten kaum widerlegen müssen, dass sie allein biologischerweise erwiesenermaßen „gleichwertig“ oder „nicht minderwertig“ oder „minder fähig“ sind als Männer, das gleich gilt für Menschen mit Behinderung oder für Menschen die aufgrund ethnischer Verschiedenheiten ausgeschlossen wurden von dominanten unterdrückerischen Gruppen von Menschen.

Nichtmenschen nun immer wieder primär ins biologisch Erklärbare und in die biologischen speziesistischen Deutungshoheitsgebiete zu rücken, um sie stückchenweise als dem „Homo sapiens“ in einem oder dem anderen Aspekt ähnlich zu beschreiben, ist noch kein emanzipatorisches Tierrechtsdenken. Denn wieder wird der Maßstab am Menschsein gesetzt, wieder wird die Besonderheit, das Einmaligsein des Nichtmenschen nicht in den zentralen Fokus ethischer Relevanz und Bedeutsamkeit gerückt.

Leider lehnen sich auch die meisten Tierrechtskampagnen noch an die Vergleichsebene der Ähnlichkeit zum Menschen in biologischer Sichtweise als Kriterium an. Es geht aber in Wirklichkeit darum Argumentationsebenen herauszuarbeiten, die die Nichtmenschen wegen ihrer selbst rehabilitieren statt im Vergleich zum Menschen, als Individuen und Gruppen die vor menschlicher Destruktivität geschützt werden müssen durch ethische Übereinkünfte und juristische Rechte. Dazu müssen Nichtmenschen nicht wie Menschen sein. Aller aktivistischer Einsatz sollte den Knackpunkt, an dem die geistig-epistemologische Ebene der Unterdrückung stattfindet, aushebeln, denn sonst bleibt die im Hintergrund wirkende Psychologie des Speziesismus im gesellschaftlichen Selbstverständnis unhinterfragt, unkritisiert und weiterhin wirksam. Es muss möglich sein, den anderen in seiner Besonderheit und auch Verschiedenheit zu erkennen, anzuerkennen, und in dieser Besonderheit, in seiner Einmaligkeit also, zu achten und zu schützen.

Wenn wir über Fische und Tierrechte reden, sollten wir folgende Eckpunkte mit einbeziehen:

  • Fischkonsum: Der Veganismus bietet die Alternativlösungen zum Fischkonsum, im Rahmen ethisch-veganer Diskussionen findet man relevante Berichte, Dokumentationen und Informationen über die Fischindustrien und den Fischkonsum als solchen. In der veganen Bewegung treffen wir praktische Vorstellungen und Reflexionen darüber an, wie Menschen sich vom Fischkonsum in ihrer Lebenspraxis unabhängig machen können, d.h. auch aus gewohnten kulturellen, gesellschaftlich tradierten Praktiken im Alleingang aussteigen zu können.
  • Die Fischerei in all ihren Formen: Die Fischerei sollte nicht allein als ökologisch-nicht-nachhaltig oder in Hinsicht auf die ‚Möglichkeiten unbegrenzter oder hingegen eingeschränkter Ausbeutung durch den Menschen‘ diskutiert werden. Die Fischerei als System und althergebrachte Praxis im kleinen wie im industriellen Maße ist eine Verletzung der Lebensrechte der Fische und der im Wasser lebenden Lebewesen. Es geht um den grundsätzlichen Fehler im menschlichen Denken, dass andere Lebewesen „Lebensmittel“ und „Nutzware“ sein könnten, und dass das Leben anderer Tierarten dem Eigeninteresse der Menschheit unterzuordnen wäre. Diese Haltung ist eine Kampfansage an jegliche pazifistische ethische Vernunft – außer man würde in humanzentrischer Weise den Pazifismus (oder eine „Liebe zum Frieden“) allein als ein im menschlich-sozialen Bereich relevanten Aspekt des Zusammenseins betrachten; eine Haltung der leicht widersprochen werden kann.
  • Angeln: Wird als Freizeitsport betrieben, wird stark romantisiert, ist gleich einem Initiationsritual des humanzentrischen Menschseins.
  • Aquaristik: die private Gefangenschaft, die in der Regel niemals nötig ist und bei der das Leben und der Lebenskontext der im Wasser lebenden Tiere den Wünschen und Privatbedürfnissen von Menschen untergeordnet wird, ohne dabei über die Situation der betroffenen Tiere nachzudenken. Das Lebensziel, die ganze Lebensdimension soll mit ihren Lebensraum minimalst in die eines Menschen verschachtelt werden. Der Mensch nimmt eine omnipotente Rolle ein, die Wasserlebewesen sind völlig abhängig von ihm um zu überleben und sie sind vollständig die Opfer seiner Entscheidung sie gefangen zu halten. Eine Ausnahme bilden Übergangslösungen für die Probleme, die die Aquaristik hervorgerufen hat. Zur Hilfe und Rettung der Fische, macht sie natürlich Sinn.
  • Fische und ihre Ökosysteme: Fische gehören in ihre Ökosysteme, dort sind sie zu schützen und nur dort können sie ihren eigenen Lebenszielen (gleich ob diese uns unbekannt sind) nachgehen. Ökosysteme sind nicht unser Besitz, Ökosysteme haben ihre ganz eigene Bedeutung und Relevanz für diejenigen Tiere, die anders leben als Menschen (wenn wir diese in die Gruppe der Tiere mit einordnen), und sind als solche zu verteidigen und zu schützen.
  • Fische sind Mitlebewesen: Fische spielen in unserem Leben eine Rolle, in dem Leben anderer Tiere, und wir und die anderen Tiere und anderen Lebewesen … spielen in dem Leben der Fische eine Rolle. Es gilt diese Interaktionsebene pazifistisch, respektvoll und fundamental-pluralistisch als Lebensgemeinschaft anzuerkennen und zu fördern.
  • Wasserökologie und Wasserverunreinigung in ihrer Auswirkung auf Fische: Wasser ist das Element der Fische und ihrer Ökologien. Wasser ist niemals einfach unsere „Ressource“, sondern ist Erdelement und Lebensraum der Tiere und Pflanzen im Wasser. Wiederum geht es darum, die Welt in ihren Schwerpunkten für andere Lebewesen zu sehen und somit das Thema Wasser nicht einfach als „Ressourcenfrage“ zu diskutieren, sondern als Lebenselement der Fische und der anderen Lebewesen im Wasser. Alle Lebewesen sind abhängig von der Wasserökologie. Nichtmenschen und die Natur bilden einmalige Kulturräume, die wir als solche anerkennen müssen, um unsere humanzentrische und verheerende Destruktions- und Thanatopolitik in Hinsicht auf die Tierheit, auf Zōon (ζῷον) aufzugeben.

G. Yegane, Gruppe Messel

Links auf unserer Seite zu Fischen und im Wasser lebende Tiere:

Der Tierrechtansatz in unseren gefeatureten Texten impliziert alle Tiere und schließt Fische und andere im Wasser lebende Tiere somit immer mit ein.

 

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