Quelle: Sistah Vegan Conference 2015. The Vegan Praxis of “Black Lives Matter”: Challenging NeoliberalWhitenessWhileBuilding Anti-Racist Solidarity Amongst Vegans of Color and Allies (Before, After, and Beyond Ferguson)
Übersetzung: Palang LY (simorgh.de), mit der freundlichen Genehmigung von Dr. A. Breeze Harper.
Die Sistah Vegan Konferenz 2015
Die vegane Praxis von „Black Lives Matter“ [„schwarze Leben zählen“].
Eine Hinterfragung neoliberalen Weißseins im Kontext mit der Bildung antirassistischer Solidarität unter farbigen Veganer_innen und ihren Freund_innen und Unterstützer_innen (vor, nach und über die Geschehnisse in Ferguson hinaus).
Wann: 24-25 April 2015
Wo: Online-Webkonferenz
Über die Konferenz
Im Jahr 2012 lernte das Sistah Vegan Project die Bewegung und die Webseite von „Black Lives Matter“ kennen. Die Black Lives Matter-Bewegung, deren Wurzeln in einer schwarzen feministischen, queeren Perspektive gründen, entsprach in ihrem Verständnis über Gerechtigkeit und über die Befreiung schwarz-indentifizierter Menschen in der Diaspora in vielen Punkten dem des Sistah Vegan Project. Die Begründer_innen von Black Lives Matter fokussierten nicht alleine auf schwarze Cisgender-Männer als Opfer militarisiert-polizeilicher staatlicher Gewalt, sondern das Leben aller Schwarzer stand hier im Mittelpunkt (wie das queerer, trans, anders befähigter, inhaftierter, usw. Schwarzer). Black Lives Matter ist eine Bewegung und nicht nur ein Moment. Die Begründer_innen dieser Bewegung schreiben:
#BlackLivesMatter wurde im Jahr 2012 ins Leben gerufen, nachdem George Zimmerman, der Mörder von Trayvon Martin, freigesprochen wurde und der verstorbene siebzehnjährige Trayvon noch posthum für seinen eigenen Mord verantwortlich gemacht wurde. Gründend auf den Erfahrungen Schwarzer Menschen in diesem Land, die wir uns aktiv gegen unsere Entmenschlichung wehren, ist #BlackLivesMatter ein Aufruf zum Handeln und eine Reaktion auf den virulenten anti-schwarzen Rassismus, der unsere Gesellschaft durchsetzt. Black Lives Matter ist ein spezifischer Beitrag, der den außergerichtlichen Morden Schwarzer durch die Polizei und Vigilanten nachgeht.
#BlackLivesMatter bewegt sich jenseits des engstirnigen Nationalismus, der in den schwarzen Gemeinschaften vorherrschen kann, und der Schwarze dazu auffordert, nur Schwarze zu lieben, nur schwarz zu leben und nur schwarz zu kaufen, während gleichzeitig heterosexuelle schwarze Cis-Männer die Front dieser Bewegung ausmachen – unsere Schwestern, unsere queere-, tans- und behinderten Freund_innen hingegen aber nur die Rollen im Hintergrund einnehmen dürfen oder aber gar keine keine Rolle spielen. Black Lives Matter bejaht das Leben Schwarzer, die queer und trans sind, behindert sind, offiziell nicht erfasst sind, vorbestraft sind, das Leben schwarzer Frauen und aller Schwarzer entlang des Gender-Spektrums. Diejenigen, die innerhalb der schwarzen Befreiungsbewegungen marginalisiert wurden, werden hier in den Mittelpunkt gerückt. Es geht darum, die schwarze Befreiungsbewegung (neu) zu errichten.
Wenn wir sagen, dass schwarze Leben zählen, dann erweitern wir die Diskussion über die staatlich ausgeübte Gewalt zum Einbeschluss all der Formen, in denen Schwarze in beabsichtigter Weise dem Staat gegenüber machtlos gehalten werden. Wir sprechen darüber, in welcher Art und Weise uns als Schwarze grundsätzliche Menschenrechte vorenthalten und uns unsere Würde geraubt wird, darüber; wie Armut und Genozid eine Form staatlicher Gewalt darstellen; wie die Einsperrung von 2,8 Millionen Schwarzen Menschen in Käfige in diesem Land staatliche Gewalt ist; wie die Belastung schwarzer Frauen durch ständige Angriffe auf unsere Kinder und unsere Familien eine Form staatlicher Gewalt darstellt; wie schwarze queere und Trans-Menschen unter der Belastung durch eine hetero-patriarchale Gesellschaft leiden, die uns systematisch verschrottet, während sie uns gleichzeitig fetischisiert und von uns profitiert, und wie dies ebenso eine Form der Gewalt durch den Staat darstellt; wie 500.000 schwarze Menschen in den USA als illegale Immigranten leben und in die Unsichtbarkeit verbannt werden; wie Schwarze Mädchen als Verhandlungsmasse in Zeiten des Konflikts und des Krieges eingesetzt werden; wie Schwarze Menschen, die eine Behinderung haben oder anders Befähigt sind, unter der Belastung staatlich geförderter darwinistischer Experimente leiden, durch die man versucht, sie in Kategorien der Normalität zu zwängen, die durch ein weißes Überlegenheitsdenken definiert werden – und auch dies ist eine Form staatlicher Gewalt.
#BlackLivesMatter setzt sich für eine Welt ein, in der das Leben Schwarzer nicht mehr systematisch und vorsätzlich eine Zielfläche destruktiver Angriffe darstellt. Wir bekräftigen unseren Beitrag für die Gesellschaft, für die Menschheit, und unseren Widerstand angesichts der tödlichen Unterdrückung mit der wir konfrontiert sind. Wir haben unser ehrenamtliches Engagement und unsere Liebe zu Schwarzen Menschen dahingehend eingesetzt, ein politisches Projekt ins Leben zu rufen – wir haben den Hashtag aus den sozialen Medien herausgeholt und sind auf die Straßen gegangen. Der Ruf nach der Bedeutung Schwarzer Leben ist unser Ruf für die Leben ALLER Schwarzer, die sich für Befreiung eínsetzen.
(Quelle: BlackLivesMatter.com/about)
Die zweijährliche Sistah Vegan Konferenz: „Die vegane Praxis von Black Lives Matter“ 2015 ist Teil dieser Bewegung. Diejenigen, die nicht wissen, was wir mir „Praxis“ meinen und wie wir dieses Konzept gebrauchen, sollten dazu diesen Abschnitt lesen.
In den letzten zehn Jahren habe ich, Dr. A. Breeze Harper, die Begründerin des Sistah Vegan Projekts, mich intensivst mit der kritischen Rasse- und der kritischen Weißseins-Analyse der nordamerikanischen veganen Bewegung befasst. Mir war klar, dass die Mainstream-Rhetorik innerhalb der veganen Bewegung wenig in Sinne dessen tut, anzuerkennen, dass „Schwarze leben zählen“; dies hängt mit einer postrassischen/posthumanen veganen Praxis zusammen. Das Kollektiv weißer neoliberal orientierter Veganer_innen reagiert auf die Konfrontation mit dieser Tatsache, durch vorwiegend nicht-weiße und antirassistische Personen (die vegan sein können oder nicht-vegan), häufig in einer defensiven Art und Weise. Sie reagieren gemeinsam mit verbaler Gewalt, Täter-Opfer-Umkehr und/oder drücken selbstbewusst aus, dass die Einbeziehung eines antirassistischen und dem Weißsein gegenüber kritischen Bewusstsein in ihrer veganen Praxis „zu ablenkend“ von ihren Zielen der Befreiung nichtmenschlicher Tiere wäre. Diese Reaktion selbst spricht Bände von dem weißen Privileg, dass es sich leisten kann, Fragen von Rasse, Rassismus und Rassifizierung als „zu unpassend“ zu empfinden.
Doch so gibt es aber auch diejenigen von uns schwarzen Veganer_innen und Freund_innen, die sich seit langem in verschiedenen Praktiken dessen engagiert haben, den systemischen und institutionell begründeten Rassismus, die Negrophobie, das neolibeale Weißsein (manche nennen es auch den ‚neoliberalen Rassismus’) und den Speziesismus aufzulösen. Wir sind das Kontinuum eines Erbes antirassistischer und anti-weiß-supremazistischer Aktivist_innen und Akademiker_innen, die sich schon immer darum bemüht haben zu zeigen, dass „Schwarze leben zählen“: W.E.B. DuBois, Assata Shakur, Fanny Lou Hammer, Angela Davis (vegan), Morris Dees, Ella Baker, Nina Simone, bell hooks, Ida B. Wells, Octavia Butler (vegan), Audre Lorde, Derrick Bell, Peggy McIntosh, James Baldwin, the Black Panther Party, the Combahee Collective … und die Liste geht weiter.
Vor kurzem hat der geniale rassenbewusste schwarz-identifizierte vegane Chefkoch Bryant Terry darüber geschrieben, wie das Kochbuch Thug Kitchen, das im Herbst 2014 erschienen ist, im Widerspruch zu den Kernthemen steht, wie wir sie in der „Black Lives Matter“-Bewegung finden. Die Kontroverse rund um Thug Kitchen entwickelte sich zu einem Mikrokosmos dessen, wie Rasse in den USA durch weiß-identifizierte Menschen, so wie den Autor_innen des Buches Thug Kitchen, anders gelebt wird. Die Autor_innen verweigerten sich darin, die Gefahren des Zusammenwirkens ihres eigenen weißen neoliberalen geopolitischen Statuses mit der Aufrechterhaltung von systemischem Rassismus und anti-schwarzer Gewalt wahrzunehmen – sie waren schlichtweg nicht imstande dazu, zu reflektieren, wie ihr Gebrauch des Wortes „Thug“ nicht unschuldig sein konnte, sondern hauptsächlich auf der Rassifiziertheit des Begriffes als „angsteinflößener, schwarzer, urbaner männlicher Gangsta“ aufbaut. Solch eine Verneinung zeigte eindeutig, so die Kritiker des Buches Thug Kitchen (wie Lizbut Ross und der Blogger Michael Twitty, dass die Rassifiziertheit als weiß in einer neoliberalen Zeit, eine überwältigend großen Anzahl weißer Menschen hervorgebracht hat, die tatsächlich nicht verstehen, wie und weshalb der Begriff „Thug“ mit diesem „überzeugenden Mythos“ der weißen Mehrheit gleichgesetzt werden kann: dass alle Schwarzen und Braunen Menschen gefährlich sind und man daher zweifellos vorsorglich mit staatlich sanktionierter Gewalt oder einzelnen Akten präventiver „Selbstverteidigung“ vorgehen darf.
Jedoch wirft man den Blick auf die schwarze vegane Erfahrung, so versteht man bald, wie ihre kollektive Praxis Antirassismus, schwarze Befreiung und die Dekonstruktion weiß-supremazistischer Systeme und Institutionen in einer angeblich post-rassischen Zeit beinhalten muss. Dj Cavem zum Beispiel, ein junger schwarzer veganer Hip-Hop-Aktivist aus Denver Colorado, engagiert sich dafür, Jugendliche mit der veganen Praxis vertraut zu machen. Er zeigt uns, dass „schwarze Leben zählen,“ indem er gegen Nahrungsmittelwüsten, den Gefängnis-Industrie-Komplex, Polizeigewalt und Ungleichheiten im Gesundheitswesen kämpft – Konsequenzen des anti-schwarzen Erbes im weiß-supremazistischen kapitalistisch-basierenden US-amerikanischen System.
Schauen wir in Richtung der Ostküste der USA, dort finden wir die anfrozentrisch ausgerichtete vegane Aktivistin Queen Afua, deren wegweisendes Buch Sacred Woman die vegane Ernährungspraxis mit der Bewusstsein verband, dass rassifiziert-sexualisierte Gewalt gegen schwarze Frauen und Mädchen nicht verschwiegen und ignoriert werden darf.
Nicht-schwarz-identifizierte Freund_innen und Unterstützer_innen, so wie Dr. Harlan Weaver, bringen eine antirassistische vegane Praxis und die der Tierbefreiung in ihrer Arbeit zusammen. Dr. Weaver beobachtet wie cisgender, rassische und nichtbehinderte Identitäten die Beziehung zu Pitbulls in den USA in direkter Weise beeinflussen. Die rassistischen Reaktionen seitens der Mainstream-Tierrechts- und veganen Bewegung auf den Fall Michael Vicks und seine Beteiligung an Pittbull-Hundekämpfen zeigen, dass es nicht nur Michael Vick war, der hier vor Gericht stand, sondern insgesamt die schwarze urbane Hip-Hop-Kultur und die „wilden“ Männer, die ihr angeblich entsprangen. Die Arbeit Weavers kann angeführt werden um verstehen zu lernen, wie solche Reaktionen des Mainstreams weißer Tierrechtler_innen und Veganer_innen erkennbar machen, dass die Leben Schwarzen in derer veganen Praxis nicht zählen.
Eine der kontroversesten Gruppen die für den Veganismus werben sind PETA. Sie setzen sich für die Befreiung nichtmenschlicher Tiere ein, während sie zugleich ihre eigene unterstützende Rolle, sowohl in der Aufrechterhaltung eines neoliberalen Rassismusses, als auch dabei, durch transphobe Texte und Bilder den Mainstream dahingehend zu beeinflussen, aus „ekel“ Vegetarier_innen oder Veganer_innen zu werden, ignorieren. Ob beabsichtigt oder nicht, solch eine vegane Praxis wie die, die PETAs Kampagnenstrategien treibt, betrifft die Leben von Trangender-Menschen in negativer Weise – insbesondere das Leben von schwarzen Transgenderfrauen wie CeCe McDonald. Der weiße vegane Freund und Unterstützer Kris Gebhard hat seine Solidarität mit der Black Lives Matter-Bewegung gezeigt, indem er sich für die Befreiung CeCe McDonalds engagiert.
Lauren Ornelas, die Leiterin des Food Empowerment Projects ist latina-identifizierte anti-rassistische Veganerin. Ornelas hat einen enormen Beitrag darin geleistet, aufzudecken, welche Unternehmen vegane Kakaoprodukte herstellen und vertreiben, deren Produktion die Ausbeutung schwarzer afrikanischer Kinder beinhaltet. Diese Kinder werden versklavt um Kakao zu ernten – und das auch für tierqualfreie vegane Schokoladenriegel . Ihre kontinuierliche Arbeit zur Sichtbarmachung dieser grausamen Praxis ‚moderner Sklaverei’ stellt ein beeindruckendes Beispiel trans-kontinentalen Einsatzes dar, mit dem Ziel Veganer_innen im globalen Westen und Norden bewusst zu machen, wie/ob ein „qualfreier“ Konsum über die Frage: „Wurde einem Nichtmenschen Grausamkeit angetan?“ hinausgehend praktiziert wird. Das Food Empowerment Project klärt auf und bringt Konsumenten dazu, sich mit der Realität auseinanderzusetzen, dass der meiste Kakao der gehandelt wird mit folgender Logik einhergeht: 1. schwarze afrikanische Leben zählen nichts und dürfen nicht zählen, und 2.) wir haben es hier mit einem größeren Problem rassifizierten Nahrungsmittelhandels zu tun, bei dem diejenigen, die Nahrungsmittel unter grausamsten Bedinungen ernten, zumeist braune und schwarze Menschen dieser Welt sind.
In Fortsetzung mit der pro-veganen Arbeit im Sinne des Gedanken von Black Lives Matter, wie sie geleistet wird von Menschen wie Lizbut Ross, Bryant Terry, DJ Cavem, Harlan Weaver, Lauren Ornelas und Queen Afua, werden sich die Workshops und Redebeiträge der kommenden Konferenz mit folgenden Fragen befassen (und versuchen sie zu beantworten oder immerhin in eine Richtung besserer Antworten zu verweisen).
- Wie sieht eine vegane Praxis im Sinne von Black Lives Matter aus?
- Wie sieht der Veganismus aus, der die Idee von Black Lives Matter ignoriert und was sind die (un)gewollten Konsequenzen, die daraus resultieren?
- Weshalb spielen Rasse und Weißsein eine Rolle, und was sind ihre Funktionsweisen?
- Wie sieht die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Black Lives Matter-Bewegung unter nicht-schwarzen und schwarzen Veganer_innen aus?
Das Programm, die Liste der Sprecher_innen, der angebotenen Workshops und die Informationen zur Registration sind hier abrufbar.
(Alle Links: 27. Dez. 2014)
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