Analogievergleiche differenziert betrachten

Übergreifend über Speziesismus aufklären, ohne in unzureichende Analogismen zu verfallen

Speziesismus alleine zu erklären ist oftmals schwierig. Nicht aufgrund der Materie, die zwar in sich kompliziert aber erklärbar ist, sondern da viele Menschen das Thema abblocken, weil es Ihnen neu ist einmal ernsthaft über die Speziesbarierre in konstruktiver Weise hinauszublicken. Viele Tierrechtler_innen versuchen sich, um zum Thema Speziesismus überzuleiten, mit einigen Analogieschlüssen in denen sie intersektional argumentieren, um so das Interesse des Gegenübers zu erwecken. An dieser Stelle muss aber eine wichtige Unterscheidung getroffen werden:

Übergreifende und intersektionale Analog-Vergleiche müssen in sich differenziert betrachtet werden!

1.) Die Analogie Rassismus / Speziesismus

Rassismus ist eine Problematik, der wir mit allgemeingültigen kontemporären Ethikbegriffen entgegentreten können, Speziesismus hingegen bewegt sich in einer kulturphilosophischen und soziologischen Leerstelle, in der sich bislang noch keine breiten ethisch-moralischen Übereinkünfte entwickeln konnten.

Das ist so, weil wir nichtmenschliche Tiere seit Jahrtausenden aus unserem Zentrum ethischer und moralischer Berücksichtigung ausgeschlossen haben und die Tiere somit in einen Raum der “Rechtslosigkeit” relegiert haben. Für uns sollte es heute somit wichtig sein, die nichtmenschlichen Tiere mit in den Mittelpunkt einer objektiven ethischen Relevanz einzubeziehen, in der der Mensch sich nicht in hierarchischer Weise in Alleinherrschaft dem Rest der Natur überordnet.

Nicht nur die Zuordnung der Menschheit in biologische “Rassen” ist ein diskriminatorischer Biologismus, sondern auch die Unterteilung der Tiere in Spezies mit mehr oder weniger lebenswerten Leben (1) erweist sich als eine ethisch unzulässige Argumentationsplatform. Die Zugehörigkeit zu einer Spezies sagt qualitativ nichts über Sinn und Wert der autonomen Eigenbedeutung eines tierlichen Organismus aus.

Das Leben als solches darf keinem externen Wertesystem, keiner auferlegten Wertekategorisierung unterworfen werden, wobei dies eben das Problem ist, mit dem wir es in einer anthropozentrisch ausgerichteten Gesellschaft aus religiöser, philosophischer, naturwissenschaftlcher, ökonomischer und sozialer Sicht immer wieder zu tun haben.

2.) Die Analogie Sexismus / Speziesimus

Disproportionale Machtverhältnisse innerhalb der menschlicher Sozialkonstrukte drücken sich in unseren patriarchalisch geprägten Gesellschaften über das Geschlechterverhältnis und die den Geschlechtern zugeordneten binären Rollen und Stereotype aus. Menschen wird in den sozialen Gefügen in denen sie leben, automatisch eine Geschlechterrolle als “Mann/Junge” oder “Frau/Mädchen” oder “Neutrum/Hermaphrodit” zugeteilt, über das Körperliche hinaus gehend, in dem soziale und psychologische Zuschreibungen getroffen werden. Heute wehren sich Menschen aber zunehmend gegen die festen Zuweisungen an solche Geschlechter-Stereotypien, indem sie sich selbstbewusst anders definieren als die starren Gender-Rollen und Konventionen im Geschlechterverhalten es in den meisten Gesellschaften für uns vorgesehen haben.

Menschen haben insofern zumindest theoretisch die Auswahl, qua ihres Menschenrechts, aus beengenden, für sie vorgefassten Definitionsrahmen, ihr eigenes Leben betreffend, auszubrechen und ihr Widerstand wird auch als solcher wahrgenommen. Nichtmenschliche Tiere bleiben in ihrer Andersheit und Eigenheit, die sie vom entindividualisierten Stereotyp trennen, immer weitestgehend unsichtbar, und dies hat wieder mit einem “Biologismus” zu tun, das heißt mit einer Festlegung eines Individuums auf seinen biologischen, seinen geno- und phänotypischen Aufbau, und zwar in dem die tierlichen Spezies einer Fremddefinition zugeordnet werden, die sie auf ein induziertes Instinktverhalten reduziert.

Diese eingeengte Sicht auf nichtmenschliche Tiere öffnet einer moralischen Skrupellosigkeit das Tor, bei der die Tiere zu Gebärmaschinen – sich fortpflanzenden Fleisch-, Milch und Eierlieferanten usw. herab reduziert werden. Das Geschlecht des nichtmenschlichen Tieres wird zur Funktionsvariable einer ökonomisch gelenkten Ausbeutungsindustrie. Die Geschlechtlichkeit der Tiere wird gewaltsam manipuliert, gegen das leibliche Wohl der Tiere. So wird die biologische Fähigkeit zur geschlechtlichen Fortpflanzung zum Verhängnis der körperlichen Existenz der in solcher Form unterdrückten nichtmenschlichen Tiere.

3.) Der Speziesismus selbst

Speziesismus ist eine menschliche Haltung und Handlungsebene gegenüber nichtmenschlichen Tieren, bei der Menschen ihre eigene Spezies im Hinblick auf die biologischen und damit einhergehenden Unterschiede, den nichtmenschlichen Tierspezies als übergeordnet betrachten. Speziesismus drückt sich in vielen unterschiedlichen Formen aus:

Der Speziesismus, die Speziesismen

Der Speziesismus dekliniert sich. Die Objektifizierung nichtmenschlicher Tiere läuft vielschichtig ab:

– Auf juristischer Ebene können wir von einem Speziesismus sprechen der die Tiere als Besitz klassifiziert.
– Im religiösen Bereich wird dem Mensch auf spiritueller Ebene gegenüber dem Tier der Vorzug gegeben und ihm das Privileg des Rechts auf Unterwerfung erteilt.
– In den verschiedenen philosophischen Schulen treffen wir Argumente an die Spezisismus unterschiedlich fundieren können.
– In den Naturwissenschaften unterscheidet man zwischen Instinktwesen, den niedrigeren Lebensformen, den höheren Wesen und dem Menschen als das (vermeintlich) organisch komplexeste Lebewesen, was Geist und Gehirn anbetrifft.
– Es gibt eine spezisistische Ausprägung in der Gesellschaft, die sich im Karnismus ausdrückt, wobei domestizierte „Nutz-“Tiere allein (oder letztendlich, wie z.B. im Falle von Pferden oder Exoten wie Straußen) als Lebensmittellieferanten gesehen werden.
– Haustiere die in unserer Gesellschaft eigentlich geliebt werden sind aber auch von spezisitischen Sichtweisen betroffen.
– Wildtiere, die von den Jägern in deren „Jagdkultur“ eingebaut sind, und die Vortellung vom Urzustand des Menschen als „Jäger und Sammler“ die weiter durch die Jagd gepflegt wird … sind in eigener Weise betroffen.
– Aber auch sind Wildtiere betroffen von auf sie und ihren Fall zugeschnittete spezisitische Argumentationen wenn es darum geht ob sie als invasive Spezies gelten oder als heimisch und vielleicht schützenswert.

Auf jede Tierart werden wir eine oder mehrere Ausprägungen spezisistischer Sichtweisen antreffen. Speziesismus – als unterordnende Haltung des Menschen gegenüber nichtmenschlichen Tieren – scheint in allen Segmenten menschlicher Kulturen mitangelegt zu sein, die das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt bestimmen.

Wenn wir von „dem Speziesismus“ sprechen, sollte im Auge behalten werden wie außerordentlich komplex und daher schwer analysierbar sich die Abwertung des tierlichen Lebens in unseren anthropozentrischen Kulturen und Gesellschaften gestaltet.

(1) Selbst in der ‘Tierrechtsbewegung werden häufig Unterscheidungen getroffen welche nichtmenschlichen Tiere leidensfähiger seien und welches ‘Leben’ vom Individuum stärker selbstreflektierend wahrgenommen würde. Einige Tierrechtler_innen argumentieren dahingehend, dass man aus einer naturwissenschaftlich erkennbaren Fähigkeit zur Eigenreflektion (nach menschlichen Begriffen) ableiten kann, welches Leben mehr ethisch-sozialen Wert tragen sollte und welchem mit weniger ethischer Berücksichtigung begegnet werden darf.

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