Multidimensionaler Aktivismus statt intersektional

 

Multidimensionaler Aktivismus statt intersektional

Gita Yegane Arani und Lothar Yegane Arani (Prenzel)

Der Begriff der Intersektionalität wurde im Bereich sozialer Gerechtigkeit und juristisch-soziologischer Analyse von der afroamerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw Ende der 1980er Jahre geprägt. Er diente der Hervorhebung und Adressierung der Problematiken von Diskriminierung marginalisierter Gruppen in der US-amerikanischen Gesellschaft. Die Beobachtung, dass verschiedene Diskriminierungsformen im Bezug auf ein betroffenes Subjekt gleichzeitig und überlappend stattfinden können, wird heute soziologisch häufig beschrieben. Man spricht von Überschneidungen unterschiedlicher Diskriminierungsformen: so zum Beispiel von Schwarzen und (anderen) Menschen aus dem globalen Süden, bei „ethnisch“-argumentierenden Formen von Diskriminierung, von Frauen, von Menschen mit nichtnormativem Gender-Verständnis, von Menschen mit Behinderung aufgrund von „Ableismus“, von Menschen, die durch materielle Armut betroffen sind, usw.

Beim Thema „intersektionaler Veganismus“ werden nun auch Themen mit einbezogen, die die natürliche Umwelt und nichtmenschliche Tiere betreffen.

Klassischerweise beziehen wir die Perspektive von „Sozialsein“ primär nur auf Menschen, und so verstehen manche Menschen unter dem Zusatz „intersektional“ zu Veganismus, allein die sozialen und die politischen Komponenten, die der Veganismus für menschliche Gesellschaften in sich birgt – ungeachtet ihrer Zusammenhänge mit Tierleben und umweltethisch-ökosozialen Aspekten.

Die afroamerikanische Philosophin Syl Ko beschreibt Merkmale, die die Diskriminierungsformen ‚Rassismus‘ und ‚Tierobjektifizierung‘ unterscheiden:

Der Rassismus schließt Menschen aus der Gruppe der Menschen als „Untermenschen“ usw. aus, während die Herabsetzung oder Objektifizierung von Tieren beinhaltet, dass der Mensch sich überhaupt erst gar nicht in relevanter Weise mit dem Tiersein jemals befasst hat, und Tiere diskriminiert werden als ultimativer Ausdruck des Desinteresses und der Unkenntnis von ihnen.

Sie lehnt das Konzept „Speziesismus“ daher in seiner gängigen Form als unzureichend ab, in der man Rassismus, Sexismus, und die weiteren bekannten -Ismen, mit der man intrahumane Diskriminierungsformen unter Menschen beschreibt, nun um den Faktor „Spezies“ als Diskriminierungsfaktor, der sich auf Nichtmenschen bezieht, erweitert. Eine Beschreibung von Tierunterdrückung (Tierobjektifizierung, usw.) sollte, nach Meinung von Syl Ko, in ihrer besonderen Problematik abgebildet werden.

Syl Ko kritisiert ebenfalls am antispeziesistischen Diskurs, wie er gegenwärtig geführt wird, dass allgemein eine Spezies-Objektive Sicht auf Tiere angewandt wird. Dass aber genau der Objektivismus gefahren menschlicher verabsolutierter Perspektivität in sich birgt. Menschliches Verhalten muss sich selbst kritisch hinterfragen und korrigieren können. Syl Ko prägt in ihrem gemeinsam mit der Autorin Lindgren Johnson verfassten Essay: ‚Eine Rezentrierung des Menschen‘ den Begriff der Spezies-Subjektivität als Ort sozialer Interaktion zwischen den Spezies, und entbiologisiert und ent-objektifiziert so die Seite des Tierseins und spricht damit im Sinne einer vernünftigen neuen Tiersoziologie.

Wie geht man mit all den Kategorien sozialer Unterdrückung, sozialen Ausschlusses, sozialen Verkanntseins und mit den globalen Themen ökologischer Zerstörung um?

Die Schwester von Syl Ko, die afroamerikanische Autorin und Aktivistin Aph Ko, mit der Syl das in der Tierrechtsbewegung sehr beachtete Buch ‚Aphro-Ism: Essays On Pop Culture, Feminism, and Black Veganism from Two Sisters‘ im Jahr 2017 veröffentlichte, benennt einen wesentlichen Mangel am Konzept von Intersektionalität.

In ihrem 2019 erschienenen Buch ‚Racism as Zoological Witchcraft‘ schreibt Aph Ko, dass „raw oppressions“ (rohe Unterdrückungsformen) existieren und sie adressiert Unterdrückung nicht vom Standpunkt der Intersektionalität, sondern von der Perspektive einer multidimensionalen Befreiungstheorie aus.

Dazu erklärt sie: „Für eine wahre Befreiung empfehle ich kein intersektionales oder interdisziplinäres Denken: sondern ich ermutige zu einen „un-disziplinären“ Denken. Der einzige Weg, der uns weiterführt, besteht daraus, disziplinäre Logik zu transzendieren. Die Lehrfächer selbst (z.B. über „Rasse“/Rassismus, Gender, Klasse, etc.) sind bereits durch Kolonialität infiziert. Diese sozialen Kategorien sind aus einem unterdrückerischen System selbst hervorgegangen – aus genau dem System, das Aktivist*innen vorgeben zu bekämpfen. Indem sie die kolonialisierten sozialen Kategorien in ihrer „Intersektionalität“ beschreiben, hebt dies jedoch noch lange nicht die Struktur von Kolonialität auf, sondern wir umgehen dadurch lediglich die Arbeit, die wir innerhalb der Kategorien selbst zu erledigen hätten.“ (S.15)

Was viele Akademiker*innen und Aktivist*innen miteinander gemeinsam hätten, sei die bedauernswerte Neigung dazu, „Rassismus“, „Speziesismus“ und andere Gesichter von Unterdrückung als eigenständige zu trennende Themen zu begreifen. Dies zeuge von einer beharrlich bestehenden Kolonialität ihres Denkens. Theoretiker*innen, die sich mit Intersektionalität befassten, so warnt Aph Ko, behaupten, sie würden das Problem lösen, indem sie die Kategorien miteinander in Verbindung setzen. In Wirklichkeit würden sie jedoch das Problem verschlimmern, indem sie die Reifikation der Kategorien selbst zuerst verstärkten.

Was wir anerkennen sollten, so sagt Aph Ko, ist, dass weißes Überlegenheitsdenken (white supremacism) multidimensional zu analysieren ist – das heißt dieser Herrschaftsanspruch drückt sich in verschiedenen Registern aus, einschließlich derer von „Rasse“ und von „Spezies“, die allesamt gemeinschaftlich von Grund auf errichtet wurden.

Ethische Lebensweisen

Eine ethische vegane Praxis kann die kritische Kontextualisierung von Unterdrückungsmechanismen auf Tiere und nichtmenschliche Belange über die Speziesbarrieren hin erweitert thematisieren, siehe dazu beispielsweise in unseren Veröffentlichungen Beiträge von Anastasia Yarbrough, Amie Breeze Harper, Aph Ko und Syl Ko und pattrice jones. Diese Autorinnen stellen in ihren Argumentationen gegen oppressive Systeme unterschiedliche Bezüge zwischen Tierobjektifizierung und Herrschaft her.

Eine Überschneidung von Themenfeldern ist der ethisch-motivierten veganen Praxis vom Grundgedanken her inhärent. Unterschiedliche ethische Felder werden berührt, wobei am zentralsten die Themen im Bezug auf das Mensch-Tier-Verhältnis betroffen sind, weil hier eine Lebenspraxis definiert wurde, die Tierleben in ihren Interessen und Rechten versucht zu berücksichtigen. Der Objektifizierung von Tieren als Vermaterialisierung des Tierseins als Konsumgut wird entgegengetreten. Eine bewusste, achtsame und wertschätzende Ebene der Begegnung von Menschsein mit den Tiersein wird angestrebt. An tierrechtsethische Fragen binden sich ökologische Themen und auch diejenigen Fragen, die all das, was ‚ausschließlich Menschen’ anbetrifft, mit einbeschließen.

Ökologisches Bewusstsein und Gesundheit, als zwei tragende Säulen des Mainstream-Veganismus, sind wichtige gesellschaftspolitische Themen. Im Zusammenhang mit dem Veganismus ergeben sich zahlreiche Schnittstellen perspektivischer Ansätze, das heißt: Die ethisch-vegane Praxis und soziale/politische Positionen stehen in relevanter Korrelation miteinander.

Seit den frühen 2000ern existieren vegane Projekte, die sich solchen Schnittstellen zunehmend aufmerksamer zugewendet haben. Wichtige Themen sind dabei die Nahrungsmittelgerechtigkeit, Rassismus, Feminismus, Sexismus, Homophobie, Ableismus, usw. gewesen. Alle diese Themen wurden durch neue Projekte und Initiativen mit dem Veganismus und aus veganer Sicht kontextualisiert. Solche Projekte bildeten einen Kontrast zu einem veganen Mainstream, der Tier- und Umweltthemen in eher starren konservativen Kategorien betrachtet hat, und in denen eine reduktive Sicht auf Tier- und Umweltthemen oftmals dazu genutzt wurde, Themen intrahumaner Un-/Gerechtigkeit aus der Diskussion herauszuhalten.

Die reduktive Sicht von umwelt- und tierrechtsethischen Fragen gerät erst langsam in Erschütterung durch dekoloniale Diskurse, die imstande sind, klassisch-hegemoniale Kategorisierungen zu hinterfragen.

Organisationen, Gruppen und Initiativen wie beispielweise Sistahvegan und Vegans of Color, einige vegan-feministische und anti-ableistische Initiativen und Blogs oder Projekte, wie Microsanctuaries, die sich Speziessubjektivität zugewandt hatten, sind vegane Projekte dieser Art gewesen. Dort konnten wir erweiterte Perspektivmöglichkeiten in der Ethik sehen, bei denen durch verschiedene Schwerpunkte Akzente gesetzt und Denkanstöße gegeben wurden.

Vermieden werden soll durch die Kontextualisierung von Themenschwerpunkten, dass der Veganismus (und andere, ähnliche ethisch-ganzheitliche Lebenshaltungen) die Chance verpassen könnten ihr politisches Potential dazu zu nutzen, in der breite wirksame erweiterte Ansätze zu schaffen, durch die nichtmenschliche Tiere und die natürliche Umwelt verstärkt mit in den Mittelpunkt ethischer Hauptbelange gesetzt werden.

In allen uns bekannten themenübergreifenden veganen tierrechtsethisch-vertretbaren Projekten spiegelt sich der Gedanke wider, dass eine ethische vegane oder vergleichbare Praxis und Demokratie komplementäre Spieler sind, und dass man sich einig ist, dass hier noch zahlreiche weitere neue Wege beschritten und Möglichkeiten der Verbesserung erschlossen werden müssen.

Die Auseinandersetzung mit Schnittstellen politischer Themen wirkt manchmal wie ein Umweg, um spezifische Fragen herum und indirekt. Die Themenbreite im Auge beizubehalten ist in Diskussionen jedoch wichtig, besonders wenn die involvierten Themen zeitgleich und dringlich in ihren Zusammenhängen behandelt werden müssen. Die Schwierigkeit liegt oft darin, dass sich zwar eine Richtung abzeichnet, in der sich das gemeinsame Übel befindet: Ursachen von Unterdrückung, Zerstörung, Unrecht, Diskriminierung und Gewalt – dass es aber keine Allzwecklösungen gibt für die Unzahl komplexer Probleme, denen sich ein pluralistischer Aktivismus gegenübergestellt sieht.

Eines ist klar: wenn eine Aktivitstin über ihre thematischen Schwerpunkte spricht, seien es Tierrechts-, Menschenrechts- oder Umweltschutzbelange, heißt das nicht immer zwingenderweise, dass das Gesagte auch immer insgesamt weiterzuführen scheint. Vieles an Output, den wir von anderen Aktivist*innen erhalten, sind Dinge, die wir schon oft gehört haben, Dinge die leider nicht immer wieder neu auf ihre aktuelle Gültigkeiten hin überprüft oder upgedated werden, um sich an anderen wichtigen Erkenntnissen im Bereich Aktivismus zu orientieren. Auch stellt die Methodik der Heranführung an Fragen eine Herausforderung und besondere Aufgabe dar, der man sicherlich auch manchmal mit kritischer Selbstreflektion gerechter werden könnte.

Wie weit sind wir bereit dazu, die Rahmen unserer Herangehensweise stetig so zu erweitern, dass sie sich nicht allein auf die bislang mehrheitlich begangenen Wege beziehen, die oftmals zu einseitig und politisch zu wenig innovativ erscheinen?

Dort wo beispielsweise eine Form von Diskriminierung gegen Mitmenschen stattfindet, sehen wir unter Bezugnahme auf Tierrechte und Ökologie, dass Hintergründe von sowohl Unterdrückung als auch Zerstörung weiter zu fassen sind, als wir das bislang mit unseren segregativen Erklärungsmodellen tun. Rahmen müssen dazu neu gesteckt werden und multidimensionale Ansätze sind der einzig gangbare Weg.

Auch wir werden uns im Rahmen unseres ethischen Selbstverständnisses weiterhin nach derart Ansätzen umschauen, wie Tierrechtsethik, Umweltethik und Menschenrechte sich im spezifischen in ihrer wechselseitigen Verwobenheit von ihren Verfechter*innen her als demokratische Elemente mit eingebracht werden: Wie werden Menschenrechte, Umweltfragen und Tierfragen heute aus den Konzepten rausgeholt, die ein neues Denken über diese Kategorien bislang noch zu hindern scheinen? Zusammenhänge aufzuzeigen, führt sowohl zu umfassenderen Fragen, sowie zu umfassenderen und adäquateren Antworten.

Ursachen adressieren: Tierechte, Menschenrechte, Umweltethik

Tierleben werden mit Agrarwirtschaft und Konsumwirtschaft gleichgesetzt. Die Frage nach dem Tiersein selbst stellt sich nicht.

Die Gleichungen, die die Zusammenhänge zwischen > Umweltschäden, Tierleid und hungernden Menschen > als ‘in sich’ lösbar beschreiben, greifen zu kurz …

Gita Yegane Arani und Lothar Prenzel

Gleichungen zwischen Umweltzerstörung und Umweltschäden mit Menschenrechtsverletzungen und gesellschaftlich induziertem menschlichem- und tierlichem Leid und biopolitisch forcierter tierlicher Existenz sind problembehaftet. Sie werden normalisierend angewendet, ohne Zusammenhänge ausreichend zu kontextualisieren und ohne der Schwere der einzelnen Problematiken gerecht zu werden. Sie vermitteln jedoch als könne man drei Probleme als eines lösen und als seien außerhalb dieser Gleichung stehende, weitere globale- und regionale politische und gesellschaftliche Faktoren dabei nicht die Hebel, über die diese Probleme angegangen werden müssen.

Diese Gleichungen enthalten oftmals eine Dialektik, die vermittelt will, dass Tierleben respektiert werden sollen, und dass dabei die Problematik von Tierobjektifizierung (von Speziesismen) auf eine Waagschale gelegt werden soll mit der Komplexität der Problematik der von Menschen verursachten Umweltschäden und mit dem durch Argarpraktiken und weltwirtschaftlich induzierten Hungersnöten/Hunger.

Insbesondere vegane und vermeintlich ökozentrisch orientierte Argumentationen stellen die Themen Tierrechte, Umweltproblematiken und Menschenrechte in einer vereinfachenden Form dar, und umgehen dabei die Diskussionen, die für ein fundiertes Umdenken nötig wären. Die Überlegung, man könne diese drei absolut großen Problemkomplexe wegen ihrer gegenseitigen Verquicktheit ‘in sich’ lösen, trägt dazu bei, dass wirkliche Ursachen für diese Problemfelder noch weniger geklärt werden können […] und so weiter ungehindert operieren können:

Tiere

Im Bezug auf das, was Tieren durch die ‘Menschheit’ – als speziesistischem oder tier-objektifizierendem Kollektiv – zugefügt wird, macht eine vereinfachende Gleichung von „Tierleid, Umweltschäden und Hunger“ deutlich, dass die Frage nach Gerechtigkeit gegenüber tierlichem Leben für diese Argumentierenden lediglich ein sekundäres Anhängsel ist, und sonst als störend in der argumentativen Zielsetzung empfunden wird, obwohl aus Tierrechtssicht Gerechtigkeit speziesübergreifend in Zusammenhänge gesetzt werden sollte.

Hunger

Folgen von Kolonialisierung und Postkolonialismus auf die Ökologie, sowie auf politische und wirtschaftliche Verhältnisse, werden in solchen Gleichungen ebenfalls nicht thematisiert, sondern die Existenz von Tierkörpern wird als rechnerisch-quantitatives Umwelt- und Verteilungsproblem mit der globalen Nahrungsmittelungerechtigkeit aufgerechnet.

Hierdurch wird politisch entkontextualisiert und Tierkörpern wird eine Form von Schuld („da existierend“) zugewiesen. Um im Sinne von Tierrechten zu argumentieren, wäre es ein Leichtes zu benennen, woher die tatsächlichen Probleme rühren; das einfache Festmachen an Tieren/Nichtmenschen als Problem, ist diskriminierend und kann daher kritisch betrachtet werden.

Umwelt

Und schließlich die Ökologie als Teil dieser Art Gleichungsansätze: Umwelt wird aus einer vom dominanten Zeitgeist geprägten eurozentrischen, verwestlichten Sicht her betrachtet. Die Umwelt wird auf dem Status der Ressource gehalten, wobei zwischen dem Sein von “Mensch” und “Tier” eine Art Verteilungskampf vorgerechnet wird – in dem Tierleben selbst, und nicht ihre menschlichen Unterdrücker, Wasser verschwenden; tierliche Existenzen als Nachhaltigkeitsprobleme thematisiert werden; man sieht Tiere als Gefahr durch Zoonosen, während aber das durch Menschen verursachte Kranksein der Tiere als ethisch und moralisch irrelevant in den Hintergrund gerückt wird; Tierleben werden mit Agrarwirtschaft und Konsumwirtschaft gleichgesetzt. Die Frage nach dem Tiersein selbst stellt sich nicht, und so auch nicht die Frage nach den Erlebnissen und Geschichten, die diese Tiere haben.

Wie Tierleben, Umwelt und Menschen in solche Systeme hineinbefördert wurden und dort gehalten werden, sollte unserer Ansicht nach im Vordergrund stehen. Wir fragen uns weshalb solche verkürzten und nicht wirklich hilfreichen Gleichungen gemacht werden und dabei immer wieder vorausgesetzt wird, dass eine Vertiefung der Themenschwerpunkte nicht im breiten gesellschaftlichen Diskurs möglich sein sollte?

Indem wir Stillschweigen halten über

  1. Ursachen und Wirkung wirtschaftlich-hegemonialer Prozesse
  2. über Unrecht gegenüber Nichtmenschen und kompliziert funktionierende Diskriminierungsformen wie Tierobjektifizierung
  3. über eine entseelte Betrachtung des unabhängigen Wertes ökosozialer Kontexte

brechen wir kaum aus irgendwelchen Unrechtsgleichungen aus, die unsere globale Mitwelt anbetreffen.

Indem man den Resetknopf der Menschheitsgeschichte an der Stelle tätigen will, die voraussetzt, dass wir alle nur dann wirklich “für Tiere, für die Umwelt und für Menschen” sein können, wenn wir deren sich kreuzenden Problematiken eigentlich gleichzeitig nur in den Hintergrund rücken, auf Kosten einer notwendigen Klärung verschiedener Unrechtsfragen – erreicht man argumentative Verengung und lenkt vom Wesentlichen ab, nämlich von den Fragen nach den im Hintergrund fortwährend wirksamen Ursachen.

Interaktion und Spezies-Subjektivismus

… Wohlwollen … Hinwendung … Toleranz … Ablehnung … Güte … Sympathie … Zu-/Abgewandtheit … Umsichtigkeit … Interessiertheit … Unsicherheit … Desinteresse … Traurigkeit … Offenheit … Reflektiertheit … Achtsamkeit …

– Haltungen, für die wir Bezeichnungen finden können, die spezies-subjektiv sind, die wir weiter ausdifferenzieren können im Kontext mit der natürlichen Umwelt, der vielfältigen Mitwelt

Gita Yegane Arani und Lothar Prenzel

Spezies-subjektive, speziesfübergreifende und individuelle Approximationen:

Ausdrücke von „Wohlwollen“, von „emotionaler Empörung“, „Ablehnung“, „Großzügigkeit“, „Güte“, „Sensibilität“ … sämtliche Interaktionen von Tieren und Menschen können von Menschen mit einem größtmöglichen Vokabular respektvoll umschrieben werden. Anthropomorphismus entsteht erst in dem Augenblick, in dem ungebrochene Kontextualisierungsketten entstehen.

Biologistische Begriffe sind verdeckter Anthropomorphismus, weil Tiere dadurch in ein von Menschen gemachtes Konstrukt gedrängt werden. Biologismen drücken ein menschlich hegemoniales Verständnis aus, wenn sie zur Interpretation von Interaktion von oder mit Tieren/einem Tier herangezogen werden.

Wird Spezies-Subjektivismus mit biologistischen Begriffen umschrieben, werden komplexe Interaktionen tierobjektifizierend verkürzt verstanden und tierlicher Autonomie wird kein Raum gelassen.

Nicht-biologistische Begriffe können beschreibende Approximationen sein. Menschliche Subjektivität kann (als Ganzes) in der Interkationen mit tierlicher Subjektivität, Haltungen, die die beteiligten Subjekte zum Ausdruck bringen oder andeuten, beschreiben. In der Begegnung von menschlichen und tierlichen Subjekten können Haltungen erkennbar werden, die in uneingegrenzt differenzierter Weise erkannt werden müssen.

  • Ich muss, um unsere Kommunikation zu verstehen, mich erstmal fragen wie sieht eigentlich meine Haltung zu meinem Gegenüber aus und wie kann ich meiner Haltung Ausdruck geben, um dem anderen etwas zu vermitteln
  • Wie interpretiere ich die Kommunikation des anderen. Was weiß ich über seine sozialen Kontexte, was weiß ich über die ökosozialen Kontexte
  • Gibt es Universalaspekte von Sprache und Kommunikation?
  • Man sollte alle naturwissenschaftlichen und biologisch-zentrierten Herangehensweisen an Kommunikation außen vor lassen, und stattdessen die mentale, mythische Ebene von Kommunikation heranziehen. Unter mythisch verstehen wir das Urzeitliche, das am tiefsten verwurzelte von Kommunikation zwischen Erde und Tier. Das Mentale ist das Geistige in der Begegnung, es ist das imaginäre beidseitige Verständnis.
  • Man benötigt eine Sprache, die fein-nuanciert Komponenten sozialer Intersubjektivität beschreibt, unabhängig von der Spezieszugehörigkeit, die aber nicht missbräuchlich wieder an ein Set von Sprache angekoppelt werden kann, das unterschiedliche Spezies reduktiv betrachtet.
  • Das schwierige an der Auseinandersetzung mit diesen Fragen ist ein vorausgesetztes, fast feststehendes Denken zu hinterfragen, das gewisse Haltungen über Subjektivität starr automatisiert und festgelegt hat. Subjektive Aspekte und Nuancen von sozialer Kommunikation sowie von Introspektion/Reflexion werden als anthropomorph sprachlich festgelegt.
  • Will ich eine Haltung, die ich bei einem Tier wahrnehme, nuanciert beschreiben, werde ich im Bezug auf Tiere > akademisch biologisch-naturwissenschaftlich, archäologisch-anthropologisch und philosophisch allgemein festgelegt auf einen fest strukturierten Katalog an inhaltlichen Bezugspunkten, auf die allein sich ein tierliches Verhalten und eine tierliche Kommunikation beziehen sollen.
  • Verstehe ich die von Tieren ausgedrückte Haltung und Kommunikation in differenzierterer Weise, bewege ich mich ins Abseits der gesellschaftlichen Vorstellungen von „tierlich“ und „menschlich“ und wie diese Zuweisungen zu verstehen sind.
  • Sehe ich das soziale Interagieren von Tieren als sich nur beziehend auf Lebensinhalte, die ich als Teil meiner menschlichen Gesellschaft wahrnehme? Und gehe ich dann davon aus, dass diese Tiere dann immer unter den Gesichtspunkten, die „wir“ an ihnen wahrnehmen, zu verstehen sind? Mache ich daraus auch noch eine Regel der sozialen Herangehensweise an Mensch-Tier-Subjektivität? Dann setze ich meine (zwar subjektivistische, aber auch menschlich-kollektivistische) Wahrnehmung über das, was in Wirklichkeit aber ein uneinzugrenzendes Selbstsein/Sein des anderen ist.
  • Menschen, die reduktiven, man kann fast sagen „Glaubenssätzen“ über Tierlichkeit anhängen, verstehen unter tierlicher Kommunikation nichts fein nuanciertes, sinnhaftes und mannigfaltiges, bewegendes.

Religion, Tierrechte und Biologismus: Theologische Tierrechtsdiskurse und Antispeziesismus

Religion, Tierrechte und Biologismus: Theologische Tierrechtsdiskurse und Antispeziesismus

Text: Gita Yegane Arani; Malerei: Farangis. G. Yegane

Der „Theo-logie“ (männlich) können wir eine TIER-Thealogie (weiblich) entgegensetzen, mit tiersoziologischem Fokus und dem Gegengewicht angenommener dezidiert-weiblicher Göttlichkeit … . Die Toxizität religiös-hegemonialer Ansprüche über „die Schöpfung“, wo sich in Wirklichkeit jedes Leben selbst schöpft und ursächlich selbst erfindet und findet … . Weshalb an den Konzepten vom „absoluten“ Schöpfergott festhalten, der „den Menschen“ dann mit entsprechenden Dominanzrechten versieht?

Tier-Thealogien > Tierindividualität und Tierautonomie

Die Herabsetzung von Tieren kann ein religiöser- sowie ein hyperreligiöser Akt sein. Sie kann aber durch einen Diskurs, der menschliches Religionsverständnis vordringlich ins Zentrum setzt, meiner Meinung nach nicht ernsthaft gelöst werden.

Statt sich an menschlichen Themenprioritäten (kulturell, gesellschaftlich) auszurichten, sollten alle Faktoren die tierherabsetzend operieren, zusammengefügt werden, um so das, was menschliche Herabsetzung von Tieren ausmacht – den Ur-Mechanismus der kulturellen Mensch-Tier-Dichotomie und der Antagonisierung von Tierlichkeit – unter Berücksichtigung aller Themenfelder multiangulierend zu analysieren.

Schließlich muss der Dringlichkeit des Problems Rechnung getragen werden und es müssen neue tierfreundliche Räume geschaffen werden, in denen Menschen inhaltlich nicht mit ihren Rahmenwerken und exklusiven Prioritäten humanzentrisch-philosophisch dominieren. Es muss vom Nullpunkt her unvorbelastet begonnen werden, wenn wir über Tiere reden und philosophieren.

So wäre es zum Beispiel kein Problem erstmal zu analysieren, warum Menschen meinen, dass sie weiterhin ihre Geschichts- und Kulturkonstrukte über mögliche tierliche Geschichtsnarrative setzen sollten, wenn sie gerade vorgeben das Menschsein zu re-zentrieren.

Partikularistisch wird der Schwere der ethischen Problematik so kaum Rechnung getragen. Die Antwort kann niemals im Religiösen, als einer Art supra-ethischer Kulturkommunikationsplatform, und auch nicht dem entgegengestellt, im allein religionskritischen Diskurs zu finden sein.

Wenn Religionen sich heute zusammentun, um zu besprechen, wie man „der Schöpfung“ gerechter werden kann, und alle Felder von Perspektivität ausgeschöpft sein sollen, wenn atheistische Wissenschaftlichkeit noch den gewohnten Biologismus beiträgt, dann scheint es fast so, als wolle Homo sapiens sich vor sich selbst rechtfertigen, um Denkfehler so noch etwas länger kultivieren zu können und um nur mildtätig einige wenige Zugeständnisse als ethischen Fortschritt proklamieren zu können.

Paradigmenwechsel würden nur stattfinden, wenn alles auf den Tisch kommt. Alle Teile menschlicher Kultur sind verwoben mit bestimmten Konzeptionen von „Menschsein“, die „Tiersein“ grundsätzlich in seinem Verschiedensein antagonisiert haben. Man denke daran, wie vehement das Thema Tierdenken immernoch über Biologismen reduktiv zum Nichtthema gemacht wird.

Allgemein ist die Tendenz, Tierthemen in vielen kleine Facettenschwerpunkten zu diskutieren, Ausdruck des Versäumnisses sich Tierfragen in der Dimensionalität eines Faunazids zu stellen. Mir kommt es eher so vor als wollen gesellschaftlich verankerte Machtinstanzen, wie Religionen, sich anhand ethischer Diskussionen über die Themen, die Nichtmenschen anbelangen, usurpierend einbringen, um so ihre Götter und Theologien über den anstehenden post-anthropozänen Bewusstseinswechsel der „droht“ hinwegzuretten.

Religion, Kulturanthropologie oder Philosophie?

Die Einengung auf Religion, als ethisches Imperativ, dass Fragen aufwerten soll, ist eine Art philosophischer Einengung, denn wenn wir „Religiosität“ und „Spiritualität“ zurück- und überführen in die Antike, zeitlich-chronologisch, oder auch lokal-kulturspezifisch in andere kulturelle Räume gehen, dann wird klar, dass Fragstellungen über Tiere – als von Menschen wahrgenommene und anerkannte „Mitlebewesen“ im Guten wie im Schlechten – soweit geschichtlich nachvollziehbar, immer zentral und bedeutsam gewesen sind – nicht zur „Menschwerdung“ als kollektivem fortschrittlichen Prozess, sondern genauso, wie eine neue Tierrechtsethik Mensch- und Tiersein in ihrer Begegnung neu kontextualisiert betrachten würden: Waren es nicht die Religionen selbst, die massiv den Menschen von Natur und Tieren getrennt haben? Wer hat die Spiritualität zum Herrschaftsgebiet von Herrschaftsgöttern, Propheten und Klerikern gemacht?

Um hier auch zu einem fruchtbaren Ergebnis zu gelangen, muss man fragen: „Wie interpretieren wir menschliche Geschichte?“, um so auch die menschliche Reflektion von „Tieren als speziesdesignierter oder nichtmenschliche Gruppe“ nachvollziehen zu können. Zu jeder Zeit haben Menschen unterschiedlich reflektiert, unterschiedlich gedacht über Menschen und über Tiere.

Auch verbleibt bei der typischen Diskussion über Tiere, Religiosität und Spiritualität der Biologismus intakt [gleich was diesen Biologismus eigentlich ursprünglich konstituierte im Falle von Speziesismen]. Mit ihm wird tierliche „Religiosität“ als rudimentär, primitiv, reduziert betrachtet oder eine autarke Anerkennung verunmöglicht. Und „Religion“ – als Symbol, das auf spirituelles Denken und Erleben hinweist – wird so ein kleines menschlich gedachtes Pool zugedacht, sowie der Spiritualität – beide werden an menschliche mystische Begrifflichkeiten und „Weltensichten“ gebunden. Nichtmenschen wird Philosophie/Denken, Lebensreflektion/Seinsreflektion und Spiritualität, neben dem „menschlichen System“ existieren, noch nicht zugestanden.

Die Entseelung „der Natur“ und die Einhauchung von „Sinn“ und „Geist“ der „Natur“ als „von Gott stammend“, statt als selbstschaffend, als ein Proxy menschlicher Konstrukte, ermöglicht erst die Beanspruchung und Monopolisierung von spiritueller Autonomie zugunsten menschlicher Dominanzansprüche, weg von der ‚Tierlichkeit im Selbstsein‘, als Oppositum zum „spiritualitätsfähigen Menschsein“.

Zusammenschluss und Vorgabe von Interdisziplinarität in den religiös dominierten Diskursen (die tendenziell den Gesichtspunkt von Dringlichkeit außer Acht lassen), mündet in abstrakten Diskussionen, bei denen Ergebnisse immer wieder dem Ausgangpunkt gleichen. Man kommt effektive niemals zu einem Ergebnis, das kollektiv menschliche Herrschaftsansprüche in den Theorien auflösen würde. Die Geste versteht sich als gut gemeint und folgt dem allgemeinen Druck eines zunehmend wachsenden ethischen Bewusstseins in der Gesellschaft. Unter dem Strich bleiben die alten Definitionen von Tiersein bestehen. ‚Meine Haltung ändert sich, aber Du bist faktisch immer noch der gleiche, für den ich Dich erklärt habe.‘ Religiös gespeiste Traditionen werden nur Oberflächen ankratzend plakativ kritisiert, während parallel dazu die schönen Seiten des Religiösen fokussiert werden, als ethische Leitfäden menschlichen Selbstverständnisses und ethischer Haltung, um Religion anhand der Tierfrage über Umwege aufzuwerten.

Tiere bleiben Schöpfungsteppich auf dem menschliche Religionen Thronen können, die bestimmen wer gut und Ebenbild Gottes ist und wer bloß Schöpfung statt Selbstschöpfung ist. Letztendlich hat die Evolutionstheorie Darwins zwar – auf der Grundlage einer kompetitiven Vorstellung von Lebensmotivation – einen Bruch mit der Dichotomie des Kreationismus im Bezug auf „Mensch“ und „Tier“ vollzogen, leider hat er dabei den Strang Homo als „sapiens“ und eine voraussetzende implizite Annahme von Tierdenken als vergleichsweise primitiv, instinktiv und prädeterminiert (statt autonom) in seinen Theoremen aber nicht überwunden.

Die logische Konsequenz aus einem erkannten biologisch-chronologischen Kontinuum, hätte unter ethischer Fragestellung spätestens heute – statt an dem Festhalten an Seinshierarchien – lauten müssen: wie gehen wir dringlichst mit einem menschlichen Krieg gegen die Tierlichkeit vor? Oder verlegte die Evolutionstheorie Darwins nur den hierarchisierenden Faktor in denjenigen Modellen, die erklären wie Menschen sich auf Tiere und Tiersein beziehen wollen, nur auf die kausaltistische Biologie, statt auf den Schöpfungsgedanken in der religiösen Hierarchisierung von Sein?

Religiosität macht sich der „Frage der Tiere“ habhaft, die als Gegensatz zu einer Homogenität von Menschlichkeit und Menschsein verstanden wird. Sie tut dies, indem sie in einem grundsätzlichsten Sinne zu transzendieren und zu metaphysieren versucht. Die Naturwissenschaften, in der die Seele als transzendentaler Körper keine Rolle mehr spielt, treffen ihre qualitativen und wertenden Unterscheidungen anhand biologischer Materie, bei dem ‚Sein‘ von Entitäten, die man als „Lebewesen“ und organisches „Leben“ identifiziert.

***

Religiösität: „Din“, ist in der heidnischen vorzoroastrischen alt-iranischen Kultur das gewesen, was „aus dem Menschen, als Wesen, selbst wächst“. Wir können die Diskussion und den Aktivismus für Tiere viel grundsätzlicher und basisdemokratischer Betreiben, als über die Triangulierung mit (letztendlich monokausalen, da „Schöpfergott“) religiösen Diskursen.

Schließlich findet Speziesismus, Tierherabsetzung oder wie wir es auch nennen wollen, überall imminent statt, und ist so vordringlichst, in Eigenkompetenz und emanzipativ zu adressieren – nicht anders als Menschenrechte, nicht anders als Umweltthemen und Ökozid (Themen, bei denen Religionen ebenso wenig die letzten Antworten bieten können; außer für Homo credens).

Meine Kritik rührt daher, dass mir auffällt, dass inzwischen eine immer stärker anwachsende Anzahl von Nischenschauplätzen sich mit hochqualifizierten und zunehmend akademisierten Diskussionen füllen. Würden wir uns angesichts einer vergleichbaren Situation solch eine Nischenmentalität im Bezug auf Menschenrechtsfragen oder Umweltfragen leisten, statt einer breiten gesellschaftlich-emanzipativen Diskussion, frage ich mich ernsthaft? Ich finde Tiere werden in der Weise von Menschen immer noch in Menagerien, wenn auch geistige, gesetzt.

Manche antispeziesistischen Künstler malen Tiere unter Menschen, im Sinne einer positiven Mensch-Tier-Beziehung, und deuten damit an, wie wichtig es ist den gemeinsamen Raum zu entdecken. Aber auch auf solchen Bildern kann man bei genauerem Hinsehen entdecken, dass „der exemplarische Mensch“ nicht neutral-kritisch, sondern im Beisein der Tiere idealisiert oder „korrigiert“ erscheinen soll. Die Mensch-Tier-Beziehung wird in der Regel vereinfachend abgebildet.

Ich möchte hier einen Beitrag leisten, darüber, wie in einfacher, grundlegender Weise ein kritisches Bild über das Verhältnis aufgeworfen werden kann, ohne Rekurse auf humanzentrische ethische Konstrukte wie Religionen und ohne ein verschönerndes, verharmlosendes Bild von Menschen und dem „Menschsein“.

Animal Thealogy / Tier-Thealogie

Mensch-Maschine? Tiervernunft!

Die grundlegende Frage über eine kategorische Trennung und Unterscheidung von „Tieren“ und „Menschen“ (Homo sapiens) befördert wahrscheinlich vor seinen moralischen Implikationen, die Frage darüber, was sich genau hinter diesen großen generalisierten Identitäten verbirgt. Weshalb hat uns die Sichtweise darüber, „was Tiere sind“ und „was Menschen sind“, schließlich dazu geführt, Tiere heute beinahe ausschließlich unter biologistischen (…) Begrifflichkeiten zu thematisieren? Reicht es, nichtmenschliche Tiere mit der ausschließlichen oder überwiegenden Attribuierung eins instinktgeleiteten Verhaltens zu begegnen? Ist es somit der ‘Fehler‘ der Tiere, dass Mensch sich auf sie nicht in einer anderen Weise beziehen, als sie es gegenwärtig tun? Welche anderen Optionen existieren?

Tier = instiktiv? Mensch = vernunftsbegabt? Attribuierte Identitäten innerhalb eines humanzentrischen Narrativs

Wenn wir die Sichtweise nicht akzeptieren, dass nichtmenschliche Tiere diejenigen sind, die unter den Menschen zu stehen haben, innerhalb eines Rahmens, der durch einen z.B. biologischen, philosophischen oder selbst eine göttliche Seinshierarchie gegeben ist, dann muss solch ein kritischer Anspruch nicht allein moralisch motiviert sein. Es kann ebenso bedeuten, dass wir die Art, in der beide Identitäten („Tier“ und „Mensch“) verstanden werden, hinterfragen, dass wir die Trennung und die Qualifizierung dieser Identitäten hinterfragen, selbst bevor die Frage menschlichen Unrechts auf der Diskussionsplattform erscheint.

Wir können fragen, ob die Interpretation von Charakteristiken, die als konstituierend begriffen werden für unterscheidende, trennende Aspekte, innerhalb einer Mensch-Tier-Hierarchie, nicht in Wirklichkeit eine Verneinung des autonomen Wertes des Verschiedenseins von nichtmenschlichen Tieren darstellen.

Wir wissen, dass das einzige Kriterium, das uns als Standard dient, der menschliche Parameter ist. Das heißt, das menschliche Modell zählt als das Ideal, als der Standard der Normen kreiert.

Was passiert, wenn wir dieses „Standardmaß“ bezweifeln?

Es ist eine Frage der Perspektive!

Schussfolgerungen, die sich aus den Bereichen Biologie und Psychologie (Tierpsychologie ist im Prinzip allerding zumeist nichts anderes als Ethologie, als nach innen projizierter Prozess) ableiten lassen, als den hauptsächlichen akademischen Feldern, die sich mit einer Erklärbarkeit von Tieridentität befassen, legen die Perspektiven fest:

  1. Über relevante Charakteristiken
  2. Darüber, wie Charakteristiken bei Tieren (sowohl im Falle menschlicher als auch nichtmenschlicher Tiere) sich a.) ausdrücken müssen und b.) in welcher exakten Korrelation sie „bemessbar“ sein müssen, um eine aus menschlicher Sicht bestimmte Relevanz oder Bedeutsamkeit zu erlagen

Das Problem liegt also in der Frage, warum Menschen eine Autonomie von Tieren nicht akzeptieren können, wenn sie sich nicht über die Wahrnehmung eines wertdefinierten Vergleichs erschließen lässt.

Warum werden eigene tierliche Kriterien und deren unabhängige Bedeutsamkeit (im Sinne ihrer Selbst und ihrer Situationen, in deren natürlichen und sozialen inter- und ko-spezifischen Kontexten) als irrelevant betrachtet, in dem Moment, in dem sie auf unsere perspektivischen Aussichten stoßen, wenn diese tierlichen Kriterien doch ebenso begriffen und akzeptiert werden könnten als vollständig außerhalb unserer hierarchischen Rahmenwerke liegend?

Tierindividualität als neutralen Fakt akzeptieren

Die Bereitschaft, eine unabhängige Bedeutsamkeit von Nichtmenschen zu akzeptieren, bedeutet die Deindividualisierung zu hinterfragen, die unsere allgemeinen Sichtweisen und Erklärungsmodelle über sie gewöhnlich vermitteln. Das sind die Sichtweisen, die zulassen, dass wir (als „menschliche Identitätsgruppe“) Nichtmenschen im wertenden Vergleich zu uns setzen, statt das (Verschieden-)Sein der Nichtmenschen selbst als vollwertig zu betrachten. Und das sind auch die Sichtweisen, die zu sortieren bemüht sind, wie genau sich die existenzielle Bedeutung von Nichtmenschen in Bezug auf all das verhält, was sonst noch für „uns Menschen“ (als eine geschlossene Identitätsgruppe) von Bedeutung ist.

Die deindividualisierende Sichtweise von Nichtmenschen geht fast automatisch einher mit der Wertentziehung in Hinsicht auf die zugeordnete Bedeutsamkeit. Und so landen wir nun bei der moralischen Frage, da die Frage von Identitäten, individueller Existenz und Deindividualisierung einige ethische Konflikte mit sich bringen.

Nichtmenschen und attribuierte Identitäten in den Bereichen “tierlicher” und “menschlicher“ sozialer Kontexte

Wenn wir nichtmenschliche Tiere, abgesehen von derer Lokalisierung im Hoheitsgebiet der Biologie, beispielsweise ebenso in soziologischen Kotexten betrachten können, dann könnten wir z.B. zu Recht fragen: „Wie verhalten sich Menschen gegenüber nichtmenschlichen Tieren und wie wird dies von beiden Seiten her wahrscheinlich oder vielleicht wahrgenommen?“ Können wir das Verhalten von Menschen gegenüber Nichtmenschen allein erklären, indem wir auf die allgemeine Annahme Bezug nehmen, dass man sich nicht wirklich in einer besonderen Weise zu Tieren verhalten kann, da sie angeblich ‚durch Instinkte bestimmt‘ seien und ‚kommunikativ weniger komplex im Vergleich zu uns‘, und dass somit unser Verhalten ihnen gegenüber keine eigenen Qualitäten einer sozialen Dynamik enthalten könne? Können wir unser typisch menschliches soziales Fehlverhalten gegenüber Nichtmenschen dadurch legitimieren, indem wir uns auf die „Einfachheit/Tumbheit“ beziehen, die wir in tierliches Verhalten hineininterpretieren? Solche Fragen würden natürlich ausschließlich auf den Stereotypen von Tieridentitäten basieren, gleich woher sie stammen.

Die Human -Animal Studies wären hier vielleicht die Lösung. So beschreibt die Seite des Animals and Society Insitutes das Feld der HAS:

Human-Animal Studies (HAS) is a rapidly growing interdisciplinary field that examines the complex and multidimensional relationships between humans and other animals. HAS comprises work in several disciplines in the social sciences (sociology, anthropology, psychology, political science) the humanities (history, literary criticism, philosophy, geography), and the natural sciences (ethology, veterinary medicine, animal welfare science, and comparative psychology). ( https://www.animalsandsociety.org/human-animal-studies/ , Stand 05.09.2021)

Die HAS sind sozusagen eine große Zusammenfassung zahlreicher menschlich möglicher Perspektivitäten auf das „Mensch-zu-Tier-Verhältnis“. Das Problem bleibt dadurch aber weiterhin bestehen, dass das „Tier-zu-Mensch-Verhältnis“ mit aller Wahrscheinlichkeit bei gänzlich anderen Ergebnissen enden würde – als Ergebnisse ohne den Ballast der Konfrontation mit den Bildern, die Menschen sich von Tieren machen.

Es wird implizit davon ausgegangen, dass all die interdisziplinären Bereiche, die zur Untersuchung des Verhältnisses Mensch-Tier herangezogen werden, tatsächliche Aussagen über faktische Tierlichkeit liefern könnten. Das all die Disziplinen aber auf Denkmodellen basieren, die intrinsisch speziesistisch-anthropozentrisch gespeist sind, steht nicht unbedingt im zu untersuchenden Fokus, weil wissenschaftlich „Tierlichkeit“ nicht ohne weiteres durch Wissenschaftlichkeit selbst trianguliert werden kann, um zu aussagefähigen Erkenntnissen zu gelangen, die über Nichtmenschen etwas wirklich fundamentales aussagen könnten. Dies ist einfach der Tatsache geschuldet, dass Tierlichkeit nicht in menschlichen Begriffen allein hinreichend erklärt werden kann. Was möglich ist, ist Approximationen zu schaffen und Wege freizuräumen, Konstrukte einzureißen und schlichtweg geistig freie Räume zu schaffen, die tierlicher Integrität einen Schutz nicht nur auf der physischen Ebene, sondern auch auf der theoretisch-philosophischen epistemischen Ebene gewährleisten würden.

Interessanterweise bildet selbst die Nische dessen, was soweit akademisch anerkannt ist als ‚Tiersoziologie‘ nur einen fragmentalen Baustein der Human-Animal-Studies, wobei dies tatsächlich eben nur diejenige ‚Tiersoziologie‘ anbetrifft, die Biologismen noch nicht kritisch ausgeräumt hat. Das heißt, obwohl die Human-Animal-Studies in selbstbezeichneter Weise eine Beziehung (die ja wohl eine soziale Komponente aufweist) adressieren – also soziale Interaktion – ist diese akademische Sparte aber nicht (tier-)soziologisch zu verstehen. Eher ist die perspektivisch-hegemoniale Sicht „des Menschen“ auf „die Tiere“ hier angedacht.

Wie dem auch sei, wir können Fragen von dem, wie sich eine Mensch-Tier- und Tier-Mensch-Soziologie verhält, wahrscheinlich kaum mit Soziolog*innen besprechen, obwohl es in deren Rahmen hineinfallen könnte, diese Beziehungen zu analysieren. Soziolog*innen selbst würden sich wahrscheinlich weitaus lieber mit der Tierrechts- und der Tierbefreiungsbewegung befassen, um sich nicht mit der Interaktion zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tieren befassen zu müssen, da sich jede*r ja bereits mit der Tatsache einverstanden erklärt hat, dass eine Naturwissenschaft (die Biologie) bereits festgelegt hat, was die (logischerweise implizit auch ‚soziale‘) Identität von Nichtmenschen „faktisch“ ausmacht. Und dem muss hinzugefügt werden, dass es scheint, dass selbst die Tierrechtbewegung die moralische Frage selbst beinahe außerhalb jeglicher Reichweite platziert hat, indem sie die Erklärung der Identität von Tieren auch als etwas mehr oder weniger strikt Biologisches akzeptiert hat. Die Forderung dieses Mainstreamstranges in den Tierrechten führt sich damit dialektisch selbst ad absurdum.

***

Ein geometrisches Bild

Die Leserin stelle sich zwei abstrakte Gruppen vor. Gruppe A besteht aus Dreiecken, und alles was die Dreiecke umgibt, wird mathematisch relevant im Bezug auf deren eigene trianguläre Form. Dies vollzieht sich, indem alles was einem Dreieck entspricht oder nicht entspricht in einer jeweilig bestimmten Farbe erscheint. Gruppe B sind Kreise. Nun sagt Gruppe A, dass Gruppe B keine Dreiecke sind (weil A Dreiecke sind), und dass B auch keine Quadrate oder Rechtecke sind. Folgt hieraus irgendein Grund dafür, dass es mathematisch legitim sein würde die Kreise als gleichermaßen gültige geometrische Figuren auszuschließen? Die Dreiecke unterscheiden sich von den Kreisen, aber beide sind geometrische Figuren und insofern von gleichem Wert. Sie können in Bezug zueinander gesetzt werden aufgrund jeglicher ihrer geometrischen Eigenschaften, selbst wenn die Kreise den Charakteristiken der Dreiecke nicht entsprechen.

Eine einfache Metapher

Soziologie hinterfragt nicht die soziale Interaktion zwischen Menschen und Nichtmenschen. Sie untersucht diese Beziehung nicht aus ihrer spezifischen Sichtweise, weil allgemein davon ausgegangen wird, dass die menschliche Beziehung im Bezug auf Tiere durch die Naturwissenschaften bereits im Kern festgelegt ist. Die Human-Animal-Studies bezeichnen sich zwar als Studien der Mensch-Tier-Beziehung, lassen aber das biologistische Erklärungsmodell über tierliche Identität als solches bestehen.

Das hierarchische Herrschaftsgebiet jedoch, welches die Naturwissenschaften [und mit ihnen die humanistische Wissensbasis, auf der die Naturwissenschaften eher fußen] errichtet haben, schließt jedoch jede Notwendigkeit für eine tiefere Betrachtung und Berücksichtigung dieser Beziehung aus. Wir sehen keine direkte Beziehung zwischen Menschen und Nichtmenschen repräsentiert auf der intersubjektiven Ebene – wie beispielsweise auch Syl Ko sie in ihrem Spezies-Subjektivistischen Ansatz empfiehlt.

Die Biologisierung und Entsoziologisierung von sozialer Interaktion und Erleben

Eine sehr typische Exemplifikation dieses Unwillens auf einem grundlegenden Level eines „Gemeinsinns“ Bezug (auf Nichtmenschen) zu nehmen, kann in dem Unterschied erkannt werden, zwischen z.B. der Bezugnahme auf Nichtmenschen in Hinsicht auf „Freude“ im Gegensatz zu „Liebe, etc.“ als typisches Beispiel. So wie in: „Tiere können ‚gleichermaßen‘ Freude erleben“ oder „wir können beide lieben“ als soziale Handlung und als soziales Empfinden. Oder bei „Schmerz“ versus „Gewalt erleben“: so wie in „Tiere können Schmerz empfinden“ oder „wir können beide Gewalt erfahren und be-/greifen“. Liebe ist ein verbindendes Empfinden, Gewalterfahrung basiert ebenso auf sozialer Interaktivität, wenngleich im negativen Sinne. Wobei „Freude“ allein in dem Subjekt, dem wir das Gefühl zuordnen, lokalisiert wird, und das gleiche gilt auch für den „Schmerz“. Das heißt eine gewisse Perspektivität lässt Kontextualitäten sozialen Erlebens auf der breiten Ebene zu, während eine andere Perspektivität „Liebe“ und „Gewalterfahrung“, wie in diesem Beispiel, auf „Freude“ und „Schmerz“ in entsozialisierter Weise begrenzen und ausschließlich im Subjekt lokalisieren und somit begrenzt kontextualisiert zuordnen.

Wir – Nichtmenschen und Menschen – verstehen die Fragen von LIEBE, GEBORGENHEIT, VERTRAUEN, etc. und GEWALTERFAHRUNG. Während „Freude” und “Schmerz” reduktive Begriffe für das gleiche darstellen können.

Weiter …

Betreffend der Frage, ob Nichtmenschen in irgendeiner Weise als moral agents/moralisch Agierende bezeichnet werden können, muss man fragen, existiert Moral außerhalb des menschlichen Konzepts von Moralität? Wenn wir Moralität diskutieren, gehen wir davon aus, dass der Gegenstand, den dieser Begriff beschreibt, durch unsere Wahrnehmung „entstanden“ ist, und da wir definieren was „moralisch“ bedeutet, können wir das beschriebene Phänomen als alleinig unseres beanspruchen.

Wichtig ist festzuhalten, dass ich mich hier eher auf die angelsächsische Verwendung von „Moral“ und „moralisch“ beziehe, wie z.B. hier erklärt als:

“relating to the standards of good or bad behaviour, fairness, honesty, etc. that each person believes in, rather than to laws.”

( https://dictionary.cambridge.org/de/worterbuch/englisch/moral, Stand 06.09.2021 )

Dies tue ich, da insbesondere (der namhafte amerikanische Tierrechtphilosoph) Tom Regan in seinem The Case for Animal Rights die Frage der moral agency in der Raum stellte, und dies bei mir die Fragen aufwirft, inwieweit damit eigentlich in Wirklichkeit eine soziale Qualität verbunden ist, und man, anders als Regan es tut, das anthropozentrische Konstrukt, das mit der Idee von „moralisch“ einhergeht, mal in seine eigentlichen Bestandteile untergliedern sollte es schließlich ebenso in tierlich-kulturellen Kontexten gedacht werden kann.

Woraus besteht Moralität?

Existiert Moralität nur wegen theoretischer Rahmenwerke? Das lässt sich bezweifeln. Moralität hat auf der einen Seite etwas mit grundlegender sozialer Interaktion zu tun, denn dadurch erhält Moralität ihren Wert. Auf der anderen Seite bestehen die übergeordneten Übereinkünfte über Moral, welche erklärt und über die entschieden wird von (geistigen) ‚Eliten‘ oder einer definierenden Gruppe/einem definierenden Prozess. Aber dadurch enthalten die Übereinkünfte über Moral bloß eine erzwungene Gültigkeit, die von ihren eigenen Grundlagen getrennt ist, das heißt: von der Bedeutung sozialer Interaktion zwischen Wesen (das Konstrukt über Moralität schließt das aus, was außerhalb seiner Hierarchisierungen liegt; andere Formen von Interaktion die „soziale Werte“ enthalten werden ausgeschlossen).

Auf der individuellen Ebene existiert das, was jegliches „ich“ wahrnimmt und erfährt, in seiner Interaktion, und was es als „moralisch“-richtig erlebt. Und diese Erfahrung kann zwischen Nichtmenschen oder Menschen im kompletten environmentalen Kontext stattfinden – aus Sicht eines allgemeinen Gemeinsinns, wenn wir die menschliche Perspektive annehmen. Wenn wir das menschliche Dekorum weglassen, dass den Begriff Moral umgibt und ihm anhaftet, dann können wir behaupten, dass jede Handlung eine moralische Implikation für deren Akteure besitzt, nicht-anthropozentrisch betrachtet.

Es ist immer dasselbe: Verschiedenheit. Wir sollten mit ihr klarkommen.

Nichtmenschen haben sehr andere ‚Lebensphilosophien‘ im neutralen Vergleich zu „unseren“ ‚Lebensphilosophien‘, und ich glaube man kann den Begriff Philosophie hier verwenden, um einen Teil eines bislang unbezeichneten Phänomens zu beschreiben, in dem Nichtmenschen ihre eigenen Leben strukturieren, reflektieren, etc. Wobei das Wort ‚Lebensphilosophie‘ den Punkt nicht mal trifft. Viel eher: Denken über das Leben.

Ich frage mich, ob das Problem, das Menschen mit Nichtmenschen haben, nicht eher in den Unterschieden ihrer Denkweisen über das Leben im Vergleich zu unseren typisch menschlichen ‚Lebensdenkungsarten‘ liegt. Die Probleme liegen so viel mehr in dieser radikalen Verschiedenheit statt in den Gründen gradueller biologischer Verschiedenheiten oder statt in der üblicherweise angenommenen moralischen und sozialen ‚Begrenztheiten‘, die Menschen diesen Anderen (Tieren) zuordnen.

Das Problem scheint mir um das Maß an Unterschiedlichkeit und koinzidierender Gleichheit zu fluktuieren. In vielerlei Hinsicht gleichen wir Nichtmenschen, jedoch was den Aspekt unseres Dominanzanspruchs anbetrifft, sehen wir Nichtmenschen als „die Loser“ und als das untere Ende einer evolutionären oder göttlich bestimmten hierarchischen Ordnung, auf der wir unser destruktives und hypokritisches Verständnis von Macht postulieren können.

Dass Nichtmenschen die Verlierer unter den ‚biologischen Tieren‘ seien, ist eine Einstellung die sogar einige ihrer Verteitiger*innen projizieren. Ich treffe öfters auf Menschen in der Tierrechtsszene, die keine Einzigartige, in sich genügende Qualität in der Nähe und gleichzeitigen Ferne zwischen den unterschiedlichen Tieren (einschließlich dem Menschen) anerkennen, sondern die an erster Stelle in ihren verteidigenden Argumentationen immer wieder betonen: „Wie sind Tiere im Vergleich zu uns“; als ob Menschen und Tiere einen Wettbewerb auf einer Gleichheitsskala ausführen müssten. Und ein anderer damit verwandter Argumentationsstrang lautet: „Wie viel ihres ‚Instinktes‘ könnte Tiere möglichweise dazu berechtigen, Rechte zu erhalten“; Rechte, die sie vor Menschen schützen müssen ( – wobei es sehr fragwürdig ist, ob diejenigen, die Vorurteile gegen Dich haben, Dir wirklich Deine eigenen Rechte zugestehen wollen würden). Dabei wird dann angeführt, was Tiere alles so als vermeintlich ‚primär durch Instinkte bestimmte Wesen‘ können. Als wäre der Mensch in seinem Denken alleine selbstbestimmt … ein Riesenproblem in der Betrachtung von Menschen, Tieren, Instinkten und Denken.

Die menschliche Gesellschaft, so scheint ist, betrachtet immer wieder das „uns“ und das „wir“ als objektiv wichtiger, insofern dass dieses „wir“ und das, „wie wir sind“, das Kriterium schlechthin sein soll, und dass Nichtmenschen daran bemessen werden sollen. Der Mensch hat zugleich aber auch eine komplette Erklärung parat, darüber wie genau Tiere anders und unterschiedlich sind.

Der wesentliche Punkt: andere zu akzeptieren, die Gültigkeit von Unterschiedlichkeit zu akzeptieren statt vorzudefinieren, der Unterschiedlichkeit Raum zu lassen, wird leider übersehen. Dabei wäre das für die Anderen, die Sich-von-uns-Unterscheidenden entscheidend, würde Anerkennung von Freiheiten beinhalten und es wäre so vielleicht selbst für „uns“ wichtig!

Zu weit gegriffen? Tier-Thealogie – weibliche Tiergottheiten, weibliche menschliche Gottheiten … alles gab/gibt es … . Mögliche Herangehensweisen an die Frage spiritueller und geistiger Freiräume.

Barbara Noske: Speziesismus, Anthropozentrismus und Nichtwestliche Kulturen

Wenn wir von Tierkulturen ausgehen, wird die alte Demarkationslinie zwischen restriktiven Anthropozentrismen und dem gegenüberstehend einer Seins-Pluralität auf möglichst gleicher Augenhöhe erkennbar.
Ein multiangulierbares Kulturverständnis ist möglich.
gruppe messel

E-Reader: Gruppe Messel 2021 / 6
ISSN 2700-6905
Jahrgang 3, Nr. 6, August 2021
Edition Farangis

Speziesismus, Anthropozentrismus und Nichtwestliche Kulturen; https://farangis.de/reader/e-reader_gruppe_messel_2021_6.pdf

Barbara Noske

Originalfassung: Speciesism, Anthropocentrism and Non-Western Cultures, veröffentlicht in: Anthrozoös, Volume 10, No. 4. pages 183-190, 1997. Übersetzung aus dem Englischen von Gita Yegane Arani. Mit der freundlichen Genehmigung von Dr. Barbara Noske und der International Society for Anthrozoology (ISAZ).

Siehe in dem Zusammenhang: http://www.isaz.net/isaz/anthrozoos/, ANTHROZOÖS, A Multidisciplinary Journal of the Interactions of People and Animals, International Society for Anthrozoology ISSN 0892-7936.

EINFÜHRUNG

Die gegenwärtigen Diskussionen über die Mensch-Tier Beziehung und Tierethik im Westen, werfen ein Licht auf eine Reihe von Dingen, zu denen die Fragen über Speziesismus und Anthropozentrismus gehören.

Speziesismus bezieht sich im Allgemeinen auf die Unterschiede in der Behandlungsweise individueller Wesen, auf Grundlage ihrer Zugehörigkeit zu anderen biologischen Kategorien: der Spezies in dem Falle. Es bedeutet die Beurteilung von Tieren, nicht als einzigartige und empfindungsfähige Individuen, sondern allein anhand ihrer Spezies. Sie werden zu Exemplaren einer bestimmten Spezies, die von uns, Menschen, bevorzugt oder verabscheut werden kann. (Noske 1993, 1994). Die häufigste Verwendung des Begriffes Speziesismus bezieht sich jedoch auf die Mitgliedschaft oder in der Tat auf die Nichtmitgliedschaft bei einer bestimmten Spezies, der menschlichen Spezies, mit der Konsequenz der Diskriminierung und häufig der härteren Behandlung von allem Nichtmenschlichen. Von seinen Kritikern wurde der Speziesismus als analog zu Rassismus und Sexismus definiert (Ryder 1989).

Anthropozentrismus bezieht sich, zusätzlich dazu, auf die verwandte Idee, dass die Menschheit der Maßstab aller Dinge ist und sein sollte. Andere und ‚Andersheit‘ werden eher übersehen und nicht in Betracht gezogen (Noske 1990, 1997).

Auch wenn sie nicht identisch sind, gehen Speziesismus und Anthropozentrismus häufig Hand in Hand, wobei das Erstere etwas stärker mit der Handlungsebene verbunden ist und das Zweite eher mit der Haltung.

In Diskussionen über die Beziehung der Menschheit mit der Natur und mit den Tieren, werden nichtwestliche Kulturen oft als eine Art reflektierender Spiegel dargestellt, um Kontraste zu westlichen Arten des Umgehens mit, des Denkens über und des Fühlens in Bezug auf Tiere zu verdeutlichen.

Da ich gegenwärtig nicht in einer Position bin, um Daten mittels teilnehmender Beobachtung aus erster Hand zu sammeln, möchte ich eine Anzahl von Jäger/Sammler und pastoraler Gesellschaften in der Form betrachten, wie sie in der anthropologischen Literatur dokumentiert wurden. Sehr wenige Anthropologen, darunter Nanda Niemeijer (1994) als eine bemerkenswerte Ausnahme, haben ihre Feldforschung aus einer Position heraus durchgeführt, bei der beide, Menschen und Tiere, gleichermaßen als Subjekte mit Individualität, Integrität und Handlungskapazität (A.d.Ü. im Originaltext ‚agency‘) betrachtet werden.

Während Anthropologen typischerweise massive Mengen an Informationen über exotische Mensch-Tier Beziehungen in verschiedenen kulturellen Kontexten gesammelt haben (Evan-Pritchard 1940; Lévi-Strauss 1965; Rappaport 1967; Harris 1974), wenden sie sich kaum jemals Fragen im Zusammenhang mit dem ‚Animal Welfare‘/Tierwohl und dem Tier als Subjekt zu. Auch zeigen sie wenig Interesse an der Existenz von Speziesismus oder Anthropozentrismus in den nichtwestlichen Kulturen. Da wo Tiere in anthropologischen Studien vorkommen, werden sie häufig bloß als passives Rohmaterial menschlicher Handlungen und menschlichen Denkens betrachtet.

Anthropologen tendieren dazu, Speziesismus und Anthropozentrismus als „in der Gesellschaft gegeben“ zu akzeptieren und stellen über sie allgemein keine Fragen. Tatsächlich argumentieren die meisten Sozialanthropologen, dass, um Fragen über Tiere und ihr Wohl zu beantworten, es besser sei sich an Wissenschaften wie die Evolutionsbiologie oder die Ethologie zu wenden. Wenige Sozialanthropologen studieren derzeit physische Anthropologie als Teil ihres Curriculums, ein Umstand der viel mit dem Erbe des Nationalsozialismus zu tun hat, in dem Argumente physischer Kontinuität zwischen Tieren und Menschen zur Legitimierung von Rassismus und Genozid verwendet wurden (Noske 1997). Da wo physische Anthropologie berücksichtigt wird, besteht die Tendenz, Tiere und Tier-Mensch-Beziehungen von einem biologischen eher als von einem sozio-ethischen Standpunkt her zu betrachten.

Tiere werden häufig als des anthropologischen Interesses unwert erachtet. Ich habe den Grund für diesen blinden Punkt innerhalb der Sozialanthropologie und seinen Mangel an Sensibilität für das Schicksal des Tieres in den Weltkulturen an anderer Stelle hervorgehoben. Er liegt in dem inhärenten, in der Disziplin selbst vorherrschenden Speziesismus und Anthropozentrismus: Es besteht die Neigung Mensch-Tier-Interaktionen als Subjekt-Objekt Beziehungen zu betrachten, und es ist nur die menschliche Subjektive Seite, die Anthropologen betrachten wollen (Noske 1990).

Anthropologen ziehen es vor, Tiere als einen integralen Teil menschlich-ökonomischer Konstellationen und menschlich-zentrierter Ökosysteme zu behandeln: das heißt, als ökonomische Ressourcen, Gegenstände und Produktionsmittel für menschliche Zwecke. Auf Tieren basierende Ökonomien wurden extensiv von Anthropologen untersucht, die oftmals fragten, ob unterschiedliche menschliche Praktiken in ihrer Anwendung von Tieren ökonomisch oder ökologisch rational sind (vom menschlichen Standpunkt aus gesehen) oder nicht. Nur in einer kleinen Anzahl von Fällen, besonders in solchen, wo halb-wilde Tiere noch etwas an Kontrolle über ihren eigenen Verbleib beibehalten konnten, lassen sich Anthropologen manchmal dazu herab, auf die Vorteile existierender Mensch-Tier-Arrangements für die dabei involvierten Tiere zu schauen (Leeds 1965; Ingold 1974).

Eine Art, in der die Mensch-Tier-Beziehung erforscht wurde, war durch das Genre des Kulturmaterialismus. Harris (1974) hat zugrundeliegende ökonomische Gründe für die Anbetung und Liebe zu bestimmten Tierspezies in einigen Kulturen aufgezeigt. Er erklärt beispielsweise die Verehrung der Kühe bei den Hindus in Indien und die Liebe zu Schweinen in Neu Guinea in ökonomischen Begriffen: sowohl die Verehrung der Kühe als auch die Liebe zu Schweinen funktionieren schließlich zum ökonomischen Vorteil der menschlichen sozialen Handlungsträger. Diese Art der Forschung konzentriert sich auf Gründe warum menschliche Gesellschaften ihre Tiere nicht in einem verstärkteren Maße töten oder verzehren, oder weshalb sie so viel Fürsorge, Zuwendung und Energie auf sie aufwenden (Harris 1974, 1985).

Abgesehen von Tieren die als Subsistenzfaktoren funktionieren, gibt es Praktiken, in denen Tiere, anderen nicht-subsistenziellen menschlichen Zwecken dienen: als Objekte des Prestiges, als Opferungsobjekte oder als Totems. Tieren in dieser Funktion, wurde religiöse, symbolische und metaphorische Kraft zugesprochen (Lévi-Strauss 1965). Typischerweise haben viele Gelehrte in den Sozialwissenschaften, vor allem Kulturmaterialisten so wie Harris, die non-subsistenziellen Rollen und Funktionen die Tieren attribuiert wurden, als „irrationales Verhalten“ seitens der Menschen beschrieben. Für viele dieser Gelehrten bedeutet Rationalität eindeutig ökonomische Nützlichkeit, und andere unterliegende Motive für menschliche Praktiken und Ideologien bezüglich von Tieren, werden folglich als ‚irrational‘ betrachtet. Wie James Serpell in so richtiger Weise hervorhebt – und da er selbst kein Anthropologe ist, ist er wahrscheinlich in einer guten Position um dies zu tun – ist es erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit die Anthropologen auf die allgemeine Gewohnheit des Haltens von Haustieren gerichtet haben (Serpell 1986, 1988).

Eher statt nicht-ökonomische und nicht-symbolische Motive als reale und legitime Gründe für das Halten von Haustieren bei Menschen zu akzeptieren, scheinen die Anthropologen sich darum bemüht zu haben, die ‚versteckten‘ Gründe für die westliche und die nicht-westliche Haustierhaltung zu entdecken. Der Gedanke, dass ‚Liebenswertheit‘ und Emotionen wie Zuwendung und Zärtlichkeit, legitime Grundlagen für diese intersubjektive Mensch-Tier-Beziehung sein könnten, scheint immer noch fehl am Platz und sogar beschämend zu sein für viele Anthropologen.

In der westlichen Gesellschaft besteht nicht nur unter den Anthropologen, sondern auch bei den Umweltschützer*innen – ich persönlich bin beides – eine Tendenz, ältere indigene Kulturen zu romantisieren und zu idealisieren. Kein Zweifel, wir haben viel von ihnen zu lernen. Aber dies sollte uns nicht davon abhalten, kritische Fragen als Teil der laufenden Debatte über Tierethik zu stellen. Fragen, so wie: „Wie verhält es sich mit dem Tierwohl in diesen Kulturen?“, „Und wie steht es mit Speziesismus und Anthropozentrismus, existieren sie in diesen Kulturen ebenso?“ „Und wenn ja, in welcher Form?“

TIERABHÄNGIGE KULTUREN: die Aborigines und die Inuit

Zugegebenermaßen, die Anthropologen haben extensiv über die Rolle geschrieben, die Tiere im menschlich zeremoniellen und religiösen Leben spielen. In Jäger-/Sammler-Gesellschaften haben die Menschen häufig eine organische Weltsicht, die sie dazu führt, sich selbst eher innerhalb statt über der natürlichen Welt einzuordnen. Die Natur ist in keiner Weise das Andere oder das Mindere. In der Tat sind in diesen Gesellschaften Kategorien wie Natur und Kultur häufig non-existent. Für die australischen Aborigines kann man sagen, dass die Natur eine direkte spirituelle, moralische und soziale Bedeutung hat: das moralische System durchsättigt die Landschaft und das ökologische System durchdringt die Religion (Stanner 1972). Das Konzept der Aborigines von der Traumzeit oder des Träumens, bezieht sich auf eine Art der Epoche, in der mythische Ahnen – die häufig Tiere sind – lebten, von der aber nicht gedacht wird als eine Zeit die, im normalen Sinne des Wortes, vergangen ist. Nach Stanner ist die Traumzeit zeitlich nicht festzulegen: sie war, und ist, zu jeglicher Zeit; eine Verwebung von Menschheit, Gesellschaft, Natur, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft innerhalb eines unitären Systems, das von einem Verstand, der zu sehr unter dem Einfluss von Humanismus, Rationalismus und Wissenschaft steht, nicht leicht erfasst werden kann. Die Traumzeit, die in heiligen und geheimen lokalen Landschaften verkörpert ist, erzählt Menschen, wie sie und andere Wesen aus dem gleichen Stamm, der weder das eine noch das andere war, hervorgingen. Kontinuität, Ausgewogenheit und „das Verweilen“ (das Verweilen bei dem was ist oder was vorher war), sind das Maß aller Dinge, eher statt die Verschiedenheit und Überlegenheit des Menschen (Stanner 1972).

Viele andere native Völker machen sie in ihren Geschichten Aussagen darüber wie die Welt geschaffen wurde, wie die Tiere zu dem wurden was sie sind und wie Menschen und Tiere alle Teil der gleichen fortlaufenden Lebenskraft sind. In diesen Geschichten verwandeln sich Männer und Frauen leicht zu Tieren, und Tiere verhalten sich wie Menschen. Daher, wie im Glauben der Inuit angenommen wird, stammen Menschen und Tiere in gleicher Weise von der Kopulation einer Frau und eines Tieres (Rasing 1988).

In unterschiedlichen Glaubenssystemen der australischen Aborigines werden Tiere als Verwandte angesehen. Bestimmte Menschen und Tiere werden als Teil der gleichen totemischen Gruppe betrachtet. Ein mythischer Traumzeit-Ahne, zum Beispiel ein Känguru, hat „Traumspuren“ auf der Erde hinterlassen und dadurch die Merkmale der Landschaft geschaffen. Als es starb hinterließ es unerschöpfliche Anzahlen von „Kindern im Geiste“ (A.d.Ü. im Originaltext „spirit children“), die für ewig an spezifischen Örtlichkeiten weiterleben und die dadurch heilig sind. Indem sie diese Orte verlassen und in den Körper einer Frau dringen, verwandeln sie sich zeitweise zu Kindern der Aborigines. Somit besteht ein Individuum der Aborigines buchstäblich aus der Substanz, die tatsächlich Teil der heiligen Känguru-Landschaft ist, und die nach dem Tod noch einmal mit der Landschaft in eins übergehen wird (persönliche Kommunikation des Anthropologen Mark de Graaf, vgl. auch Hiatt 1978; Mountford 1981; Bennett 1991). Der gleiche Prozess, so wird gesagt, findet statt, wenn ein Tier-Individuum geboren wird.

Für eine unterwiesene und initiierte Person bei den Aborigines, ist Australien mit einem Mosaik kultureller Kompositionen bedeckt, in denen in jeder, ein Anteil Erde (ein Ort), ein Anteil Leben (eine Spezies) und ein Anteil Gesellschaft (eine menschliche Gruppe) miteinander verbunden sind. Ein Klan und ein Territorium sind mit bestimmten Spezies verbunden, deren prototypischen Kräfte in dem Träumen in der Schaffung örtlich aktiv waren (Maddock 1982). Eine Känguru-Totemische-Gruppe schließt nicht nur Kängurus und menschliche Männer und Frauen mit ein, sondern auch andere Spezies und vielleicht den Regen und die Sonne. Es ist viel mehr als ein klassifikatorisches Mittel; eine moralische und rituelle Beziehung ist impliziert. Die menschlichen Mitglieder der Gruppe meiden das Töten, Pflücken oder das Verzehren ihres Totems, und wenn extremer Hunger sie dazu zwingt das zu tun, drücken sie normalerweise ihre Reue aus und führen einen rituellen Akt durch. Andere Personen mit anderen Tiertotems können Kängurus töten – was sie natürlich auch tun (Elkin 1967).

Zudem ist es so, dass die Menschen sich tatsächlich um die Tierspezies kümmern, zu deren Totem sie gehören. Der Ökologe A.E. Newsome stellte fest, dass in der Mythologie des Aranda-Volkes in Zentralaustralien, die wichtigsten totemischen Orte des roten Kängurus mit den günstigsten Habitaten dieser Spezies zusammenfallen. Er fand auch heraus, dass den Traumzeit-Mythen zufolge, die Känguru-Ahnen ihre sogenannten Traumspuren, die überirdisch waren, durch natürliche Mittel manifestierten, und die in der Luft oder unter Grund liegenden, durch übernatürliche Mittel. Nach Newsomes Meinung ist es kein Zufall, dass das beste Känguruhabitat in natürlicher Weise durchquert (und somit geschaffen) wurde, und dass das schlechteste Habitat, nämlich die Wüste, in übernatürlicher Weise von diesen Traumzeit-Känguru-Ahnen überquert wurde. Wenn die Leute der Aborigines sich den Känguru-Totemischen Orten nähern, tun sie dies in Stille und Ehrfurcht. Das Jagen ist in der Nähe dieser heiligen Orte verboten und Waffen werden in einiger Ferne abgelegt. Somit werden die roten Kängurus in der Nähe ihres besten Habitats geschützt (Newsome 1980).

DAS JAGEN VON TIEREN

Viele Anthropologen haben das Jagen als ein bloßes technisches Mittel zur Sicherung der Versorgung betrachtet. Das Jagen impliziert aber das Verfolgen, die Angsterzeugung, die Verletzung und Tötung anderer lebender Wesen. Der niederländische Anthropologe Willem Rasing ist eine Ausnahme, indem er nicht damit zögert, explizit zu erklären, dass das Jagen, Töten bedeutet (Rasing 1988). Jagende Völker müssen bei den Tieren Angst erzeugen, sie verletzen, ihnen Schmerzen zufügen und sie töten, um zu überleben. Aber dies hält sie nicht davon ab, ihre Beziehung zu dem Tier besonders zu würdigen. Es gibt zahlreiche Beweise dafür, dass Völker die Tiere jagen, quälen und töten, dies häufig mit einem gewissen Widerwillen und Schuldgefühlen tun. Während der Vorgänge des Jagens, bleibt eine Einstellung der Ambivalenz bestehen, und die Rationalisierungen und Rituale, die die Ausübung des Jagens so häufig begleiten, sind alle Teil eines allgemeinen Bemühens darum, die zwei miteinander in Konflikt stehenden Tendenzen zu versöhnen.

Daher, so erklärt Rasing, behaupten die Inuit generell, dass die Tiere, die sie jagen, damit einverstanden sind, getötet zu werden, weil sie für die menschliche Verwendung geschaffen wurden. Der von Grönland stammende Autor Finn Lynge (1992) hebt hervor, dass alten Mythen zufolge, respektvolle Jäger niemals hungrig bleiben werden: die Tiere werden zu ihnen kommen als würden sie darum fragen erjagt zu werden (im echten Leben leisten Tiere jedoch in der Regel Widerstand gegen ihre Tötung). Die Jäger der Inuit glauben, dass respektlose Einstellungen gegenüber den Tieren Unglück bringen, welches durch die spirituellen Kräfte der betroffenen Tiere mediiert wird (Lynge 1992). Den Inuit zufolge sind für das Gedeihen der Spezies, die Tiere davon abhängig gejagt zu werden; das heißt dass Tiere getötet werden müssen. Daher tun die Menschen gut daran, ihren Beutetieren kein unnötiges Leid zuzufügen, auch wenn sie, wie viele Beobachter berichten, diese sorgevolle Einstellung nicht auf ihre Schlittenhunde übertragen, die oft recht grob behandelt werden (vgl. persönliche Kommunikation des Anthropologen A.J.F. Köbben).

Nebenbei bemerkt, hängen eine Anzahl australischer Aborigine-Stämme ebenso der Überzeugung an, dass die Natur, einschließlich der Tiere, nicht selbstregulierend ist, sondern Menschen zur Durchführung von Ritualen braucht. Ein Mangel an menschlicher ritueller Partizipation, führt, so wird angenommen, zum Verfall des natürlichen Status quo. Hier wird auch davon ausgegangen, dass Tiere auf vom Menschen durchgeführte Handlungen angewiesen sind (z.B. ‚increase rites‘; A.d.Ü. Rituale, die der Erhaltung und der Stabilität einer Spezies dienen; im Folgenden als Zuwachs-Rituale bezeichnet) um zu überleben. (Bennett 1983; Morton 1991)
Laurens van der Post hat über die verschiedenen Wege geschrieben, in denen Leute der Buschmänner die oben erwähnten Ambivalenzen versucht haben herauszufordern und zu lösen, zum Beispiel indem sie den Eland mit einem Tanz dafür danken, dass er sich hat fangen lassen. (van der Post 1966). Die Buschmänner zeigen eine Intimität zur ganzen Natur, die bezeichnet worden ist als ‚Partizipationsmystik‘, ein Verständnis nicht allein im Sinne der intimen Kenntnis, sondern auch des Gekannt-Werdens von Bäumen, Wolken und Tieren. (van der Post 1066; Wannenburgh 1979)

Es gibt auch gegenteilige Berichte über Mensch-Tier Beziehungen bei den Buschmännern. Die Anthropologin Elizabeth Marshall Thomas beschreibt die gefühllose Art in der eine Schildkröte von Gai, einem Giwke Buschmann, geröstet wird. Sie erklärt, dass Buschmänner das Leiden von Tieren häufig ignorieren und mit einer großen Unberührtheit betrachten (Thomas 1989).

DIE HERDENHALTUNG VON TIEREN

Nomadische Jäger sind nicht die einzigen Völker, die für ihre enge Beziehung zu Tieren bekannt sind. Der 1940er Klassiker von Evans-Pritchard, Die Nuer, erzählt uns über diese afrikanischen Pastoralisten (A.d.Ü. Herdenhalter), die in ihrer Sichtweise stark durch ihre Abhängigkeit von und gleichzeitig Liebe zu Rindern beeinflusst sind – oder es zumindest waren. Diese Liebe ist fast so, wie die Zuneigung, die Leute Haustieren gegenüber zeigen. Für die Nuer haben Rinder nicht einfach einen instrumentellen Wert als Quellen von Fleisch, Blut und Milch, sondern sind auch vitale Verbindungsglieder in sozialen Beziehungen. Jedoch, während die Nuer ihre Leben damit verbringen das Wohlergehen ihres Tieres zu sichern, kann man hier ebenso eine gewisse Ambivalenz in deren Einstellungen und Handlungsweisen entdecken. Zum Beispiel manipulieren sie in geschickter Weise die Psychologie und die Soziologie der Kuh.

Rinder werden nicht in erster Linie zur Schlachtung aufgezogen: die Ochsen müssen oft eine Opferrolle in Zeremonien einnehmen. Auch wenn es einige besondere Anlässe gibt, an denen die Menschen sich mit Fleisch vollstopfen, wird generell geglaubt, dass Menschen einen Ochsen nicht ausschließlich zum Verzehr töten sollten, da der Ochse sie sogar verfluchen könnte. Das Fleisch eines Ochsen sollte nur in schweren Hungersnöten verzehrt werden. Nichtsdestoweniger wird jedes Tier, das eines natürlichen Todes stirbt, gegessen. Die Nuer mögen Fleisch ganz besonders und erklären beim Tod einer Kuh „Die Augen und das Herz sind traurig, aber die Zähne und der Magen sind froh. Der Magen eines Mannes betet zu Gott, unabhängig von seinem Verstand, für solche Geschenke.“

Ein Mann dekoriert die langen Hörner seines Ochsens manchmal mit Quasten und den Hals mit Glocken. Die Hörner werden in eine bestimmte Form geschnitten, wobei das Tier während dieser Operation starke Schmerzen erleidet. Die Nuer vergleichen diese Qual manchmal mit der Initiation der Jugend zur Mannheit und gliedern die Ochsen dadurch als bewusste und aktive Handlungsträger in eine menschliche sozio-moralische Domäne ein (Evans-Pritchard 1940).

Über ein anderes afrikanisches Hirtenvolk, die Fulani, wurde berichtet, dass sie sich ihrer Ambivalenz im täglichen Umgang mit den Rinderherden sehr bewusst seien. Das Melken und Blut-Ablassen bei Tieren erzeugt ambivalente Gedanken und Bräuche, die der Tatsache entspringen, dass Milch und Blut das Leben des Tieres oder seiner Jungen erhalten, sowie sie auch die Hirten mit ihren Lebensgrundlagen versorgen (Stenning 1963).

Bei manchen pastoralen Kulturen glauben die Menschen traditionell, dass Sanktionen existieren, wenn gewisse Pflichten nicht erfüllt werden. Sanktionen die nicht von Göttern verhängt werden, sondern von den Rindern selbst. Es wird geglaubt, dass die Tiere nicht nur auf Versäumnisse im Verhalten ihnen selbst gegenüber reagieren, sondern auch auf bestimme Arten unbefriedigender persönlicher Beziehungen innerhalb der menschlichen Gemeinschaft. Sie verhängen auch in beabsichtigter Weise Sanktionen über die, die ihre ganz allgemeinen Pflichten nicht erfüllen. Es wird gesagt, dass Kühe mit Absicht ihre Milch verweigern, aus ihrer Ablehnung heraus gegenüber Inzest. Man glaubt, dass Rinder generelle Vorstellungen über menschliche Verhaltensweisen haben und diesen Verhaltensweisen Werte verleihen. Die Leute reden in Wendungen wie ‚Rinder erlauben mir nicht…,‘ usw. (Stenning 1963).

Eine andere Volksgruppe die eng mit Tieren in Verbindung gebracht werden, sind die Tuareg in Nordafrika. Die Kel Ewey Tuareg bestreiten ihr Leben mittels Kamel- und Ziegenherden, die sie halten. Sie glauben, dass die soziale Welt ihres Tieres so wie ihre eigene, strukturiert ist. Das heißt, dass Tiere sich in der gleichen Weise wie Menschen aufeinander beziehen, dass sie Freunde haben, wie Menschen, dass sie gerne mit ihren Freunden zusammen sind, und dass jedes Tier eine unterschiedliche Persönlichkeit hat. Diesen Kel Ewey Tuareg zufolge ist daher die Bereitschaft des Tieres dazu, sich trainieren zu lassen, begrenzt. Menschen, so wie auch Tiere, haben ihren eigenen Willen, und die menschliche Ausbeutung von Tieren ist daher eingeschränkt. Die Tuareg kontrollieren typischerweise die Reproduktion ihrer Kamele nicht. Die Tiere sind nur halb-domestiziert; Männchen und Weibchen paaren sich weit weg in der Wüste und ihnen muss hinterhergejagt werden und sie müssen immer wieder aufs Neue eingefangen werden. Beide, Kamele und Ziegen, können sich manchmal verweigern mit ihren Herren zu kooperieren, was sie bisweilen auch tun. Die weiblichen Ziegen verweigern sich manchmal Milch zu geben, besonders dann, so wird geglaubt, wenn man von Leuten wusste, dass sie diese Milch verkauften (was von den traditionellen Tuareg als unsittlich aufgefasst wird) (Spittler 1983).

TIERLEID BEI RESPEKTVOLLEN KULTUREN

Bringt eine starke Abhängigkeit von Tieren oder ein Leben, das man mit Tieren teilt, eine respektvolle Haltung ihnen gegenüber hervor? Und wenn das so ist, arbeitet menschlicher Respekt oder sogar Ehrfurcht vor Tieren, immer zum eigenen Vorteil und zum Wohl des Tieres?

Die Aura der Heiligkeit die Kühe in den Hindu-Gegenden Indiens umgibt, ist in keiner Weise allgemein herrschend, nicht einmal innerhalb Indiens. Bei den „Adivasi“, den Ureinwohnern Indiens, hält man sich vom Töten und Verzehren von Rindern nicht zurück. Für indische Jäger/Sammler und Bauern, die einen Wanderfeldbau betreiben, stellen Rinder Quellen von Fleisch dar, Tauschmittel und Opferungsobjekte.

Der Mithan dient bei den Ureinwohnern Indiens als ein Opfertier, und man glaubt, dass er zu allen möglichen Arten übernatürlicher Handlungen fähig sei und er wird oft verehrt. Aber dies schützt ihn nicht vor menschlicher Grausamkeit, teilweise weil die Menschen ihre Behandlungsweise des Mithan nicht als Grausamkeit betrachten. Für verschiedene Bergstämme in Indien war der Mithan wichtig als Opfertier, zum Beispiel bei Heirats- und Todeszeremonien, zu Zeiten von Krankheit oder Unglück, in Riten zur Erhaltung der Fruchtbarkeit und des Wohlergehens, um wichtige Anlässe zu feiern, um Freundschaftspakte zu besiegeln und bei Ruhmesfesten. Diese Feste werden primär abgehalten, um den Status einer Person zu verbessern.

Es gibt drei Methoden in denen der Mithan geopfert wird: Strangulation; Zerhacken, Erstechen, zu Tode schneiden mit dem Messer oder zu Tode stechen mit dem Speer; und das Schlagen auf den Kopf. Strangulation wird oft bevorzugt, wo der Atem als Sitz der Seele und des Lebens betrachtet wird. Manche Völker glauben aber, dass die Seele und das Leben im Blut beheimatet sind, das dem gemäß zu fließen hat, zum Beispiel durch Erstechen oder das langsame Töten des Tieres mit Messern oder sogar indem das Fleisch einfach aufs Geratewohl abgeschnitten wird. Die dritte Methode beinhaltet das unablässige Schlagen des Tieres mit einer Axt, bis der Tod eintritt. Zusätzlich wird, bevor der Tod eintritt, ein Gegenstand aus Bambus gewaltsam in den Hals des Tieres gedrückt. Diese Schlachtungs- und Opferungsmethoden sind mit religiösem Glauben wie auch mit der Angst vor Vergeltung durch den Geist des Tieres verbunden. Manchmal wird um Vergebung gebeten oder die Schuld wird einem anderen zugewiesen (Simoons and Simoons 1968).

Einige Völker des indonesischen Archipel sind in gleicher Weise für ihr enges Verhältnis zu einer Rinderart und für ihre Verehrung des Tieres bekannt: des Wasserbüffels. Hier ebenso, trägt das Wohlwollen und der Respekt für den Büffel nicht immer zum Wohl der Büffel bei. Rituelle Schlachtung, wenn auch begleitet durch ein Gefühl des Respekts für den Büffel, der vor der Schlachtung steht, ist trotzdem eine grausame Angelegenheit – das Blut muss fließen. Den Hals zu schneiden ist eine Notwendigkeit; der Büffel soll langsam sterben, so dass all das Blut den Körper verlassen kann. Das Tier wird mit Speeren an nicht-tödlichen Stellen gestochen, um den Prozess so ausdauernd zu gestalten. Um den Büffel daran zu hindern, sich in Angst loszureißen, werden manchmal seine Sehnen durchtrennt, bevor die Schlachtung stattfindet (Kreemer 1956).

In der Toradja-Gesellschaft ist man einem Büffel, der zum Anlass eins menschlichen Begräbnisses geopfert werden sollte, in folgender Weise begegnet:
„Oh Büffel, die für dich bestimmte Stunde des Todes ist noch nicht da, aber wir haben entschieden dein Leben zu beenden. Sei nicht böse, denn seit früheren Zeiten an, warst du dazu bestimmt unseren Kummer zu tragen. Besonders jetzt wo dein Herr gestorben ist, wie du weißt. Dein Fleisch wird für deinen Herrn zubereitet, aber mag deine Seele bei deinen lebenden Freunden verbleiben.“ (Kreemer 1956, Übersetzung aus dem Niederländischen ins Englische von BN im Originaltext). In ähnlicher Weise starben auf Sumba Hunderte von Büffeln zum Anlass eines menschlichen Begräbnisses, ohne dass irgendeines dieser Tiere gegessen worden wäre.

Die Menschen mögen sich für die Schlachtung entschuldigen, um das Opfer nicht zu erzürnen, dass dann die anderen Büffel zur Stampede anstiften könnte, dazu, sich zu verstreuen und ihre Herren zu verlassen. Es wird geglaubt, dass ein Büffel, der geschlachtet wird, nicht in Todesangst brüllen darf, sonst würden infolgedessen viele Menschen sterben. So wird in dem Moment, in dem der Speer in seinen Körper eintritt, ein Stück Stoff um sein Maul gebunden. Dies erinnert einen zwangsläufig an heutige Praktiken in Laboratorien, bei denen Forscher die Stimmbänder ihrer Tiere durchtrennen, um nicht die Schreie und das Jammern zu hören (Evernden 1993).

Der unterliegende Grund für die Blutigkeit solcher Opferungen, kann das Bedürfnis sein die Geister der Toten zu beschwichtigen. Jedoch Blut wird auch als Verkörperung der Lebenskraft betrachtet. In anderen Worten, das Blut wird gesehen als der Sitz des Lebens, eine Vorstellung, die die magische Bedeutung von Blut und Blutablass erklären würde. Das Blut des Opfers vergrößert diese vitale Kraft, und das Sterben des Tieres soll so lang wie möglich dauern, was einen langsamen Tod unter Qualen bedeutet. Dies ist nicht so sehr aus einer sadistischen Lust für das Quälen heraus diktiert, sondern wegen der sozio-religiösen Aura, die den Akt des Opferns umgibt.

Das Tier, das Opfer geworden ist, wird umschmeichelt und Entschuldigungen werden geboten, so als werde versucht das Opfer dazu zu bringen, sein Schicksal bereitwillig zu ertragen und sich nicht zu rächen. Bevor der Büffel niedergeworfen wird, drücken die Leute Traurigkeit über seinen Tod aus und trauern, als wenn es ein Familienmitglied betreffen würde.

Die Toradjas fassen die Büffel als im gleichen moralischen Bereich wie sie selbst lebend auf, als die gleichen Ziele und Interessen verfolgend, als sich nach den gleichen Dingen sehnend wie Menschen. Sehr ähnlich wie bei den Rindern der afrikanischen Hirtenvölker, wird geglaubt, die Büffel seien imstande, Menschen mit Krankheiten oder schlechten Ernten zu bestrafen. Gelegentlich sagt man, der Büffel sei hellseherisch, und dass er Dinge in menschlichen Träumen enthüllen könne. Man glaubt an die Existenz einer umfassenden und engen Verbindung zwischen dem Bereich der Menschen und dem des Büffels (Kreemer 1956).

GENERELLE ERÖRTERUNG

Inwieweit kann man von nichtwestlichen Völkern sagen, sie seien in ihren Einstellungen gegenüber Tieren weniger anthropozentrisch und weniger speziesistisch als die Menschen im Westen?

In einer Gesellschaft, in der die Menschheit nicht als das Maß aller Dinge gesehen wird, kann eine bestimmte Deutung der Welt – eine menschliche Deutung – trotzdem immer noch als die einzige Wahrheit gelten. Und obgleich eine organische Sichtweise der Welt im Prinzip und potenziell tierfreundlicher wäre, ist diese Art der Weltsicht nicht notwendigerweise ein Schutz gegen Anthropozentrismus. Die Vorstellung zum Beispiel, dass Tiere die Handlungen von Menschen brauchen, seien es Rituale oder die Jagd, um zu überleben und um sich zu reproduzieren – gleich wie wahr das in der heutigen westlichen Welt sein mag – ist im Grunde eine anthropozentrische Vorstellung. Zudem, wo ein menschliches moralisches und soziales System auf den Rest der Natur projiziert wird, wenn auch in aller Aufrichtigkeit, läuft man Gefahr, die Sicht über das Tier als dem Anderen zu verlieren. In dem Fall stehen Tiere in der Gefahr um ihre eigene Domäne und um ihre eigene Art des Erfahrens der Welt beraubt zu werden. Die eigene Konstruktion des Tieres über die Welt nicht anzuerkennen (Watzlawick 1977), sowie die Limitation der Menschheit darin solche Konstrukte zu verstehen, kann in einer noch weiteren Form der Zentriertheit auf den Menschen (A.d.Ü. im Original ‚human-centeredness‘) resultieren.

Das Tier-Andere lebt nicht und kann nicht in derselben sozio-moralischen Domäne leben wie Menschen. Tiere leben in ihren eigenen Gesellschaften und in ihren eigenen Ökosystemen, von denen Menschen ein Teil sein können oder auch nicht. Vermutlich könnte es Tieren kaum gleichgültiger sein, welche Art der Wahrnehmungen ihre menschlichen Töter in ihren Köpfen mit sich herumtragen, wenn sie den Akt des Tötens oder des Opferns vollziehen. Das einzige Echte für ein verletztes oder sterbendes Tier, sind seine eigenen Gefühle und Wahrnehmungen, die Realität des Schmerzes und der Furcht. Ein Tier mit einem Speer oder Messer zu erstechen und zur gleichen Zeit bescheiden um seine Vergebung zu fragen oder eine Beschwörung auszusprechen, mag ein Zeichen von Gleichheit und Respekt seitens des Jägers sein, aber es mag unendlich viel schrecklicher für das Tier sein, als es eine schnelle Kugel wäre.

Niemand kann seinen oder ihren Anthropozentrismus vollkommen überwinden, weil wir kaum über unser eigenes Menschsein „hinwegtreten“ können. Tiere sind keine Dinge da draußen in der Welt, die einfach unseren Sinnen gegeben sind. Alle Repräsentationen von Tieren sind menschliche Konstrukte, aber manche lassen dem Tier-Anderen mehr Raum zum konstituieren dessen eigener Welt, als andere.

Was Speziesismus angeht, in vielen nativen Kulturen ist es nicht so sehr das individuelle Tier, aus Fleisch und Blut, das zählt, sondern eher das Tier als ein Symbol für seine Spezies und als Repräsentant für Qualitäten, die Menschen dieser Spezies attribuieren. Folglich besteht die Neigung, Tiere auf die Eigenschaften ihrer Spezies festzulegen, ungeachtet ihrer verschiedenen Persönlichkeit und Subjektivität: eine Situation, die in modernen Begriffen aufgelistet werden könnte als eine Form der Diskriminierung auf biologischer Grundlage (der Spezies).

Während bestimmte landläufige vorgefasste Meinungen über indigene Völker vorherrschen, als dass sie eine umfassende und harmonische Beziehung mit allem was natürlich ist hätten, existiert in nativen Kosmologien tatsächlich ein hoher Grad an Differenzierung in der Behandlung und in der Ideologie im Bezug auf verschiedene Tierspezies. Manche Spezies sind fast Halbgötter (die Regenbogenschlange in der Mythologie der Aborigines), andere repräsentieren das Böse, so wie die Hyäne in der Kosmologie der Buschmänner. Manche Tiere, besonders Totemtiere, können gut behandelt werden, andere nicht so gut.

Aber selbst im Totemismus brauchen die Regeln, die die Beziehung zwischen einem menschlichen Individuum und seinem Tiertotem beherrschen, nicht dem entsprechen, was ein Tierrechtsaktivist gerne sehen würde. Bennett (1991) erklärt in direkter Weise, dass die Traditionen der australischen Aborigines, einschließlich des Totemismus, den Befürwortern von individuellem Tierwohl und Tierrechten, nichts zu bieten haben. Sie verhindern keine gefühllose Behandlung, auch bieten sie keine Basis für „Pflichten gegenüber“ den Tieren (i.e. die Basis von Tierrechten).

Der Anthropologe John Morton beschreibt, wie ein erwachsener Mann bei den Aranda sein Totemtier betrachtet; er empfindet Respekt, selbst Mitgefühl, aber dies führt seinerseits nicht zwingenderweise zu der Forderung, dass die Spezies nicht schlecht oder grausam behandelt werden sollte. Auf seiner Seite besteht kein Verlangen, irgendein Gefühl der Mitfühlsamkeit zu generalisieren. Er wird auch nicht versuchen, andere vom Misshandeln dieser Tiere abzuhalten. Alles was bestimmt sein mag, ist, dass er an solcher schlechten Behandlungsweise kein Gefallen finden sollte (Morton 1991). Außerdem, bei totemischen Zuwachs-Ritualen (‚increase rites‘) ist ein Aranda-Mann tatsächlich dazu verpflichtet, Teile seines eigenen Totemtieres zu verzehren. Dies soll Reue verursachen. Indem er seinen eigenen Anverwandten – wie es das Tier war – verzehrt, wird er dazu gebracht, sich an einer Art des Selbst-Opfers zu beteiligen. So wie Initiation als eine Form von Selbstdisziplin betrachtet wird, so werden Zuwachs-Rituale als eine selbst-durchgeführte Disziplin gesehen. Es ist eine dieser ‚schwierigen Entscheidungen‘, die zur Erhaltung ihrer eigenen Totemspezies gebraucht wird, zum Vorteil anderer Gruppen des Klans. Eher statt mit Artenschutz, vergleicht Morton das totemische System der Aranda mit der modernen Agrarkultur, in der Tiere in instrumentaler Weise aufgezogen und getötet werden für den Export und Handel. Er erklärt, dass da eine explizite geschäftsgleiche Qualität bei den Zuwachs-Ritualen besteht, auch nach Angaben der Aborigines selbst. Es gibt verschiedene andere Beispiele ‚ökonomischer‘ Instrumentalität bei den Aborigines, so wie die einstmals übliche Praxis des Brechens der Beine lebendiger Kängurus, damit sie ‚handhabbar‘ werden. (Beattie und de Lacy Lowe 1980).

Als eine allgemeine Regel, bildet der Totemismus eine partikularistische Art des sich selbst und seine Gruppe Affiliierens mit einer bestimmten jeweiligen Tierspezies. Partikularismus in diesem Sinne, läuft auf Speziesismus hinaus, genau deswegen, weil er das Gegenteil von Universalismus ist. Er beinhaltet das Ranking von Tierindividuen in Abhängigkeit zur Spezies-Mitgliedschaft. Ihr ‚zu einer Spezies gehören‘ neigt dazu, grundlegender zu sein, als ihr Fühlendes-Lebewesen-Sein. Im Totemismus bevorzugen die Leute manche Individuen – die einer bestimmten Spezies – gegenüber anderen, während alle Tierindividuen universell ein Interesse daran haben, gut behandelt zu werden, unabhängig von der Spezies-Mitgliedschaft.

Die Betonung auf die Spezies bedeutet nicht, dass Menschen niemals persönliche Beziehungen zu individuellen Tieren haben, wie deutlich sein wird aus Beispielen des Haltens von Haustieren, des Säugens von Haustieren (von Ferkeln, siehe Rappaport 1967) und der Personalisierung von Rindern, indem ihnen Vornamen gegeben werden. In diesem Sinne mag Richard Ryder recht mit seiner Annahme haben, dass die Menschen Tiere erst als Individuen mit unterschiedlichen eigenen Persönlichkeiten betrachten konnten, als die Haltung von Haustieren entstand und sich eine enge unmittelbare Beziehung zwischen Menschen und Tieren entwickelte (Ryder 1989).

SCHLUSSFOLGERUNGEN

An erster Stelle glaube ich, dass es einen echten Bedarf dafür gibt, eine anthropologische Spezialisierung auf kulturübergreifende Tierwohlbegriffe zu entwickeln. Das Bild von nichtwestlichen Kulturen wie es in der Literatur erscheint, ist immens vielfältig, was vielleicht zu dem allgemeinen Schluss führen könnte, dass Tiere weniger objektifiziert sind und einen immer noch stärkeren Subjekt-Status haben als im Westen. Der Gedanke menschlicher Überlegenheit und folglich menschlicher Speziesismus, scheinen auch weniger ausgeprägt zu existieren. Totemismus, auf der anderen Seite, ist eine partikularistische Form des Speziesismus, die eine extreme Differenzierung in der Behandlung bestimmter Tiere zur Folge hat: rangierend von liebevoller Fürsorge zu Grausamkeit. Allgemein wird Respekt mehr gegenüber Tieren als Exemplaren einer Spezies gezeigt, statt gegenüber Tieren als individuellen Subjekten. Und Respekt selbst, ist nicht immer einem echten Tierwohl beiträglich. Trotz ihrer häufig beachtlichen Kenntnis von Arten wie Tiere sind, neigen nichtwestliche Kulturen dazu anthropozentrisch insofern zu sein, als sie Tiere in ihre eigene menschliche sozio-kulturelle Domäne mit einbeschließen. Tiere können als menschenähnliche Subjekte anerkannt werden, während ihnen ihre eigene Weltsicht und schließlich ihr ‚Tiersein‘ verneint wird.

DANKSAGUNG

Danke an die beiden anonymen Begutachter, deren konstruktive Kritik sehr willkommen war.

QUELLENANGABE

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DIE AUTORIN

Dr. Barbara Noske ist Kulturanthropologin und hat ihr Doktorat in Philosophie an der Universität von Amsterdam absolviert. Dr. Noske arbeitet als Research Fellow am Research Institute for Humanities and Social Sciences der University of Sydney, Australien.

© Edition Farangis 2021

Von Fleischgläubigen und Relativierern

Spezies-subjektive Prosa; Traktat.

Von denen, für die Fleisch ein anzubetendes Kulturgut darstellt, und denen auf der Gegenseite, die aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund begonnen haben, die Aussage „Meat means Murder“ zu relativieren

Manche meinen sie könnten ernsthaft eingefleischte Fleischfetischist*innen von einer anderen Lebensweise und einer damit einhergehenden anderen Haltung der nichtmenschlich-tierlichen Mitwelt gegenüber überzeugen, indem sie sagen: „Das mit den ‚Rechten‘ an und für sich, und genauer das mit den Tierrechten, ist so eine Sache. Die können wir ja diskutieren, aber ich überzeuge die von manchen von uns liebevoll als “Fleischi” bezeichneten Mitbürger, indem ich ihnen sage, wie wichtig so eine veränderte Lebensweise, die Tiere ethisch mitberücksichtigt, vor allem für die Umwelt und für unsere menschliche Zukunft in Hinsicht auf das Ressourcenmanagement ist … .“

Und man beruft sich dabei gerne, als den praktisch-ethischen Ansatz, den man verfolgt, auf seinen Veganismus, indem man diesen aber primär auf die pflanzliche Ernährung und -Anbauweise reduziert, und dabei geflissentlich dessen große Hoffnung auf eine aufgeklärtere Haltung im Bezug auf die Mensch-Tier-Beziehung unterschlägt.

Ja, der Veganismus hat sich aus wirklich tierethischen Gründen vom Vegetarismus bewusst abgespalten. Das war der Hauptmotor der Anfänge dieser Bewegung. Watson, Morgan, Shrigley und Co. schafften es, das Wesentliche zu fokussieren. Trotz aller vorteilhaften Begleiteffekte des Veganismus ging es ihnen in erster Linie darum, wie genau es den nichtmenschlichen Tieren geht. Full stop.

Man darf nicht vergessen, dass die ethische Debatte pro- und gegen Tiere keinesfalls neu ist.

„Nein, das glauben wir ihnen nicht!“ Doch, bitte! Denn schauen Sie sich mal die Entwicklung der vegetarischen Bewegung über die Geschichte hinweg an. Wer hier nicht das eigentliche Motiv erkennt, der ist dabei das Wichtigste in der Entwicklung zu unterschlagen. [1]

Fleischverzehr und die dazugehörigen Vorgänge des Mordens von nichtmenschlichen Tieren werden von vielen Menschen in unserer Kultur als, ihrer Meinung nach, ganz wichtige ‚Traditionen‘, ‚kulturelle Leistungen repräsentierend‘ und ‚Kulturgüter‘ betrachtet, die sie niemals in irgendeiner Weise aufgeben wollen würden und vehement verteidigen. Menschen, die solche Haltungen haben, können bezüglich anderer Themen durchaus recht aufgeklärt sein. Der Punkt aber, dass Tiere für sie in jeglicher Hinsicht da zu sein haben, in wirklich jeglicher Hinsicht, is so deeply engrained – you can’t pull it out of their mental frameworks. Und sie stoßen ja auch bequem immer wieder auf bequem zu ignorierende defensive Haltungen bei der „Gegenseite“.

Jetzt kommen manche wichtigen tierethisch-argumentierenden daher und verwässern das, wo eigentlich die klaren und normalen Zusammenhänge zwischen Rechten und Ethik bestehen, indem sie eine Reihe sophistischer Nebenschauplätze eröffnen, mit dem Argument, eine ethische Beziehung müsse bei Tieren doch auch ohne die ach so anthropozentrischen „Rechte“ möglich sein. Das heißt, wenn Menschen Tiere doch ethisch berücksichtigen würden, dann bräuchten wir doch gar keine Tierrechte und der Begriff Tierrechte würde zudem ja auch inzwischen von Leuten verwendet, die Tieren offensichtlich schaden … .

Denn was sind schon Rechte, solange es nicht die eigenen sind. Man könne ja auch für Tiere sein, indem Tiere weiterhin für uns da zu sein haben – als die, für die wir sie erklärt haben – siehe Zoologiebuch Seite XY (mit Homo sapiens on top).

Für manche Expert*innen der gesellschaftlichen Mensch-Tierbeziehung werden Schlachthausarbeiter so auch problemlos einfach nur zu einer Art Menschen, die in rationalisierter Form Tiere morden können. „Sie morden doch nicht, sie haben Gründe für das, was sie für richtig halten. Da es keine Tierrechte gibt, gibt es schlichtweg auch gar keinen Tiermord. So einfach ist das!

Diese Expert*innen suggerieren, Tiere seien so, dass man im Bezug auf sie wohl rationalisiert morden können müsste. Sonst würden Menschen das doch nicht tun?

Das Recht des Menschen mit einem humanistischen Ideal betrachtet zu werden wiegt für manche höher als Tierrechte, die man ja erstmal etablieren müsste. „Wozu denn die Mühe?“

Tiere brauchen auf einmal keine Rechte – „denn das ist ja viel zu anthropozentrisch gedacht, Rechte brauchen doch nur wir in-allen-relevanten-Dingen-begabten Wesen. Sie benötigen lediglich eine Befreiung aus den engen Haltungsbedingungen, dabei aber bitte doch ohne ein Recht auf LebensRaum und Leben, und ohne lästige Begründungen für sowas. Bloß keine Tierrechtssicht einnehmen – … und es wird stattdessen an den Symptomen aus vermeintlich tierethischer Sicht herumoperiert.

Es tut mir leid, aber die Tierethik selbst ist wirklich auch nicht mehr als das, woraus sie zumindest in Academia geboren wurde: ein Unterfach der Bioethik. Sie erscheint wie ein defensiver Ableger der Bioethik, weil aus ihr immer nicht die Tierrechtsethik werden will.

Nein wir Menschen sind aber doch kein Unterfach der Bioethik, das würden wir doch nicht dulden können. Wo bliebe denn da unsere Evolution als Homo sapiens? Manche durch uns marginalisierbaren Menschen können wir ja bioethisch diskutieren, aber uns selbst doch nicht. Und wir möchten bitte aber auch alle Rechte genießen, selbst die, vorzugeben wer Rechte haben darf und welche und wann, und wer, wann, wie und wo eben nicht. Zum Beispiel eben auch das Recht, Rechte zu haben.

Der rechtebesitzende Mensch will also keinesfalls anderen Menschen vorschreiben was sie zu essen haben und zu tun haben, weil das ein Eingriff in verbriefte Rechte wäre. Wie schnell alle denunziativ “hier” schreien, wenn sie sich auch nur ein Iota in ihrem persönlichen und kollektiv empfundenen Recht verletzt oder gar bedroht fühlen. Aber Tiere, sind eben „zu blöd“ nach Empfinden dieser Leute, als dass sie Rechte haben sollten.

Ein Recht vor uns geschützt zu werden? Vor unseren Übergriffen? „Nö, wieso denn. Das müssen wir erstmal tierethisch analysieren ob das überhaupt nötig ist“ … .

Diesen Leuten, egal wie sie sich titulieren, sind diejenigen Anderen, die eben bislang noch keine verbrieften Rechte haben, auf theoretischer Ebene so gleich, wie dem „Fleischi“ die Kluft seiner ethischen Vernunft im Bezug auf Haus-, Hof- und Wildtieren und sich selbst.

[1] Zur Geschichte des tierrechtsethischen- und Tierrechts-Denkens im Vegetarismus und Veganismus:

Ein rebellischer Dichter: der Syre Al-Ma’arri (973 – 1057 n. Chr.), https://simorgh.de/about/al-maarri/

Der vegane Prototyp des 19. Jahrhunderts, https://simorgh.de/about/der-vegane-prototyp-des-19-jahrhunderts/

Eine Übersetzung der ersten Vegan News aus dem Jahre 1944, verfasst von Donald Watson, https://simorgh.de/about/vegan-news-no-1/

Ästhetik zum Zersetzen, https://www.simorgh.de/own_public/aesthetik_zum_zersetzen.pdf

The Quest – list of quotes regarding animal ethics … https://www.simorgh.de/thequest.html

The Orphic vegetarian lifestyle in ancient Greece, Frugivore civilizations unknown, and new perspectives on the “history” of the religious murder of nonhumans, https://www.simorgh.de/objects/orphic-vegetarians/

Restriktive Paradigmen

So wie Geschlechtlichkeit, unter Gesichtspunkten gesellschaftlicher Veränderungsprozesse, nie mehr das gleiche sein wird, wie das, was Menschen sich vielleicht mal darunter mehrheitlich vorstellen wollten, so wird auch Tierlichkeit (und respektive Menschlichkeit) nicht mehr in das alte Weltbild zu rücken sein, in dem sich „der Mensch“ noch versuchte „die Welt“ untertan zu machen.

Gleich welches restriktive Paradigma wir uns anschauen – sie alle sind keiner ernsthaften Kritik gewachsen.

antibiologistische Tiersoziologie

Tierrechtsethik, Fleisch und Gesellschaftskritik

Tierrechtsethik, Fleisch und Gesellschaftskritik

Fleisch beinhaltet Tiermord. Dem Tiermord geht die Objektifizierung von Tieren voraus. Die Bezeichnung „Fleisch“ ist, anthropologisch betrachtet, wohl eine der am stärksten eingebetteten sprachlichen Verankerungen von Tier-Objektifizierung in der Gesellschaft. Wie thematisieren wir als Tierrechtler*innen das Thema und den Begriff „Fleisch“? Ein aktuell bekannter Ansatz stammt von der amerikanischen Psychologin Melanie Joy, die aufzeigt, dass bestimmte Tiere mit „Fleisch“ gleichsetzt werden, und dass die Menschen zu den Tieren, die diese Zuordnungen erfahren, keinerlei sensible und reflektierende Beziehung mehr in ihrem sozialen Verhältnis aufnehmen können oder wollen, während sie hingegen mit anderen Tieren, nämlich denjenigen, die designiert sind als „Haustiere“ (oder „companion animals“ respektive im Englischen) in deren Leben aufzutreten, ganz andere sensiblere Beziehungen herstellen können. Und das, ohne dass die Gesellschaft daran Anstoß nimmt oder sagen würde, dass sei „nicht richtig“ oder „nicht normal“. Bestimmte Tiere werden der Fleischproduktion zugeordnet, auch wenn diese Zuordnung kulturell und lokal unterschiedlich ausfällt.

Wir thematisieren als Tierbefreier*innen (Tierrechler*innen, Tierfreunde, etc.) primär die Tierindustrien als Orte der Fleischproduktion, ohne dabei aber klarzustellen, dass Objektifizierung und Entsubjektifizierung von Tieren nicht erst zu relevanten Problemen werden, wenn wir sie quantitativ betrachten. Wir verdeutlichen in unseren Protesten nicht, dass die ganz grundsätzliche Einstellung zu Tieren als „Fleischlieferanten“ bereits der Punkt ist, an dem mental und gesellschaftlich Tierobjektifizierung stattfindet, da wir Tierthemen nicht grundlegend in ihren gesellschaftlichen Dimensionalitäten kritisch diskutieren, sondern erst sekundär als relevant in einer Funktion von Begleitfaktoren kapitalistisch-anthopozäner Zerstörungsnormalität beleuchten. Damit blenden wir zeitgleich aus, wie die Gesellschaft in sich im Detail tierobjektifizierend aufgebaut ist. Orte, an denen Entsubjektifizierung stattfinden, sind nicht erst die Metzgereien und die Schlachtbetriebe, sondern alle Orte an denen Tiere in einer Art Antagonismus zum Menschsein angenommen werden.

In dem Punkt kann man wirklich vom abwesenden Referenten sprechen, den Carol J. Adams in sehr plakativer Weise erkannt und benannt hat in der Darstellung von Tierlichkeit als „Fleisch“ in der Werbeindustrie. Eine Diskreditierung vom Tiersein ist nicht erst dort in relevanter Weise am Arbeiten, wo sie sichtbar wird. In tierobjektifizierenden Gesellschaften ist sie bereits an den Orten mit zu lokalisieren, an denen sie unsichtbar hineinwirkt. Wenn wir akzeptieren, dass die Problematiken die Tiere erfahren erst existent sind in dem Moment in dem Tiere sich bereits an Orten befinden, in die Menschen sie über die Zeit hinweg immer wieder hineinkatapultiert haben, dann sehen wir die Tierlichkeit kaum mehr als abwesende Referenten in dem großen bestimmenden anthropozänen Raum.

Menschliche Gesellschaft ist in Hinsicht auf Tiersein jedoch nicht als unabänderlicher Monolith zu betrachten. Menschen haben ihre Gesellschaften erst so gebildet, dass Tierlichkeit darin einen untergeordneten Wert zugeteilt bekommen hat. Und wie sie dies getan haben, wirft fragen darüber auf, was verschiedene Menschen zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten über ihre tierliche Mitwelt gedacht haben. Das was der Begriff „Fleisch“ vermittelt, ist Teil einer tierobjektifizierenden Menschheitsgeschichte. Die ideologische Komponente, die sich darin abbildet, verstärkt sich selbst durch die Art und Weise wie Objektifizierung durch solch einen Begriff funktioniert. „Fleisch“ lässt keine Metaphorik zu, sondern ist die radikalste Form einem Gegenüber zu begegnen. Es ist die negierendste Form dem Subjektsein des anderen zu begegnen.

Die Menschheitsgeschichte ist in Hinsicht auf Tiere kein Automatismus gewesen und ist es auch heute nicht. Es hat immer Menschen gegeben, die keine Mehrheitsmeinungen über Tiere teilten, und selbst wenn es keine Präzedenzen gegeben hätte, so sind Menschen aber immer in der Lage individuell neu und kritisch zu denken und selbst die als am unveränderlichsten erscheinenden Normen zu hinterfragen. Dass wir diese Veränderlichkeit in Hinsicht auf Tierthemen für undenkbar halten wollten – während wir aber bei Themen die andere Menschen betreffen Änderungsmöglichkeiten denken wollen – zeigt, dass einige von uns in ihrem Denken über das Mensch-Tier-Verhältnis noch sehr dem menschlich-chauvinistischen Gewohnheitsrecht verhaftet sind.

Wir können in dem Moment über „Fleisch“ kritisch sprechen, in dem wir Gesellschaften kritisch hinterfragen können. In dem Moment geht es auch nicht mehr ausschließlich um Mißhandlungsfälle in Schlachtbetrieben, sondern es geht überhaupt um die Denkweise Tiere seien über eine „Anthropologie des Fleisches“ diskutierbar. Diese Denkweise wird von vielen Menschen schon so lange als ethisch falsch und den Tieren gegenüber ethisch ungerecht betrachtet, dass ich mich frage, weshalb wir es heute immernoch nicht wirklich schaffen, uns die Gesellschaften – eine Menschheit – die tierobjektifizierendes Denken hervorgebracht hat, kritischst zu hinterfragen, statt ausschließlich an den Symptomen objektifizierenden Denkens herumzuoperieren.

Sagen wir Menschen würden die industrielle Tierhaltung und -tötung abschaffen, und sagen wir Tiere würde nicht mehr vor ihrer Schlachtung misshandelt werden, was würden Tierbefreier*innen dann zum Tiermord selbst sagen, der immernoch genauso das Kernproblem ist, wie er es in milliardenfacher Menge ist und wie er es ist, begleitet von zusätzlichen Grausamkeiten, die jedem Theriozid noch hinzugefügt werden können?

Ich glaube selbst viele wohlwollende Menschen trauen sich nicht Gesellschaft in Hinsicht auf Tierlichkeit und Tiersein weitaus kritischer zu beleuchten als es heute selbst noch in der Tierbefreiungsbewegung getan wird. Der Mensch als Norm wird immernoch soweit vorausgesetzt, dass wir seine Geschichte als Jäger und Sammler unhinterfragt weiterhin als Argumentationsstränge leitendes Hauptnarrativ akzeptieren statt andere Narrative zu thematisieren und in den Mittelpunkt zu rücken. Das wollen die meisten Menschen nicht, gleichwohl wir vom Anthropozän sprechen und somit ja offen zugeben, dass wir das stolze zerstörende Maß aller Dinge sind.

Der Durchschnittsmensch, sowie der/die Durchschnittstierbefreierin teilen Begriffe von Vernunft als allein anthropozän bemessbaren Vorgang. Insofern sieht er/sie die Welt auch nur aus Sicht der einen vermeintlich wahren „Vernunft“. Die ganze Tierverteidigung taugt aber solange viel zu wenig, solange wir aus solchen Paradigmen nicht heraustreten können, um Dinge zu akzeptieren, die wir wahrscheinlich nicht problemlos greifen können, die uns aber gewahr sind und wegen derer wir überhaupt Tierbefreier*innen sind. Wir teilen keine Vorstellungen a la Destcartes und Followerschip, die Tiere und Maschinen in eine Ecke räumen. Doch müssen wir unseren Betrachtungsgegenstand, unsere Kritik an objektifizierenden Bildern von Tieren, erst noch genauer untersuchen, um nicht selber weiterhin in den Fußstapfen objektifizierender Normenvorstellungen über Mensch und Tier zu tappen.

Wenn Fleisch das ist, was es ist: ein Teil eines tierlichen Lebewesens, dem unvorstellbarste Scherzen zugefügt worden sind und dessen körperliche Herabsetzung als so etwas wie z.B. ein „köstliches menschliches Ernährungserlebnis“ normalisiert und zelebriert wird, auf den unterschiedlichsten anthropologisch betrachtbaren Ebenen, dann ist Fleisch der direkteste Ausdruck einer geschaffenen unüberwindbaren ethischen Kluft innerhalb der Menschheit und jenseits „der Menschheit“ Fakt der totalen Negierung. Es geht hier nicht einfach um Essen, Einverleiben und stattdessen ein anderes Bewusstsein von Essen und Lebensmitteln zu schaffen. Genau in diese Räume reicht ein Objektifizierungsmechanismus tierlichem Seins hinein. Warum packen viele Tierbefreier*innen Nichtmenschen rhetorisch in reduktive Räume hinein: Tierthemen werden als Streitthemen der Agrarwirtschaft aufgefasst, während das Recht auf Rechte nicht tierethisch angegangen wird. Die „Anthropologie des Fleisches“ wird normalisiert vorausgesetzt, indem Ideologien ruraler Rituale und Tierobjektifizierung als Kulturgut nicht dekonstruiert werden.

Tierrechtsethik kann klarmachen, dass objektifizierende Räume dekonstruiert werden müssen, statt als unumstößliche menschheitsgeschichtliche Normen, und insofern als Menschseinsbestimmend, vorausgesetzt zu werden. Räume tierlicher Objektifizierung waren, gleich wo und gleich wie, immer das gleiche. Sie waren vor allen Dingen niemals ethisch harmlos. Objektifizierende Rhetorik muss in keinem Bereich von Aktivist*innen übernommen werden, sondern adäquate Landkarten können aufgezeichnet werden, in denen Tatsachen von Tiersubjektivität als von Menschen wahrgenommen gekennzeichnet sind.

Ich setze in diesem Text das Subjektsein als ein ethisch-moralisches Imperativ voraus. Objektifizierung geht nur vom Betrachtenden aus, während Subjektivierung ein grundsätzlich sozialerer Moment ist.

Gruppe Messel freestyle talk: Fundamentale und partikularistische Rechte

Gruppe Messel freestyle talk: Fundamentale und partikularistische Rechte

Der Mensch, anthropozänes Wesen, gibt meist eine Haltung vor, die verdeutlicht, dass er/sie meint nichtmenschliche Tiere würden sich ethisch in einer Art Paralleluniversum bewegen. Eine gemeinsame Ethik werden wir momentan wahrscheinlich nicht unter uns allen in den wesentlichen Punkten erlangen, aber wir können die eigene Haltung stets verdeutlichen und neue Ansätze postulieren.

Syl Ko with Lindgren Johnson: Re-centering the Human

kts8

Jahrgang 8, Nr. 2, Art. 1, ISSN 2363-6513, Juni 2021

RE-CENTERING THE HUMAN

Syl Ko with Lindgren Johnson

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Originally published:

“Re-centering the Human” by Syl Ko (with Lindgren Johnson), accompanying Mooni Perry’s exhibit 코로지엄과식탁위에카오스 (English: CoroseumAndChaosOnTheTable), featured at the Um Museum in South Korea (May 15, 2021 to June 13, 2021) and Mooni Perry’s exhibit 짐승에 이르기를 (English: As to the Beast), featured at Hapjungjigu in South Korea (April 1, 2021 to June 13, 2021).

Tags: animal rights, human rights, ecology, sociology, animal sociology

TIERAUTONOMIE,  Jg. 8 (2021), Heft 2.

RE-CENTERING THE HUMAN

Syl Ko with Lindgren Johnson

The human being as the universal frame of reference is typically considered the primary source of our current planetary ills. To be clear, it is not simply that human beings are the culprits behind the demise of Earth, a large majority of whom live or strive to live lives in which sustainability and consideration of other beings or natural landscapes are absent priorities. Rather, what is thought is that it is human beings’ general positioning of themselves as central with respect to the rest of the natural world that has inevitably set the planet or at least many of its myriad inhabitants, including humans themselves, on a course for either oblivion or abject misery. What follows, then, is the assumption that the only hope in there being a reversal of this decay partially lies in de-centering human beings, not merely as the supposed grand beneficiaries of all that the natural world has to offer, but especially insofar as the human perspective is taken to be the central one.

These claims sketch two sides that are neatly reminiscent in a limited but relevant way of the debate between the Roman Catholic Church and early secular humanists surrounding the position of the Earth with respect to the solar system. Briefly put, the Church decreed that the Earth sat in the center of the universe, static, with the sun and other celestial bodies revolving around it while the observations and calculations of some early astronomers painted a vastly different and striking picture; namely, that it was the Earth that revolved around the sun and, moreover, the Earth was one among many other stellar objects that ran the course. In other words, Earth is not central and Earth is not unique. The consequences of de-centering the Earth were two-fold: first, exponential advancements resulted in astronomy/astrophysics that have changed our lives and scientific thought in ways that were previously inconceivable, and second, a shift was implemented concerning the authority of scientific knowledge. The early secular astronomers effectively challenged the Church as a credible reference for matters related to the natural world, which then called into question not just the position of the Earth in the cosmos, but also the question of the position of human beings in the natural order.

However, the success achieved by the early secular humanists in de-centering the Earth also invites a different and more daunting lesson that those hoping to de-center the human are well advised to embrace, which may- at the outset- appear not only disquieting but outright contrary to their aims. This lesson involves carefully distinguishing between the act of evaluative centering and methodological centering, the former a judgment issued about the objective centrality of a particular entity or idea, the latter a starting point from which a specific project is carried out. The Church’s earlier decree that Earth is the literal center of the solar system and that all stellar objects, including the sun, move about it is an example of evaluative centering. Evaluative centering typically justifies a further moral conclusion based on the judgment about the supposed centrality of a particular entity or idea. In this case, because Earth is allegedly the center of the solar system, is made of a different substance than all other celestial bodies, and is static, therefore, Earth is the site of a special, unique moral narrative, as described in the Bible. The astronomers promoting a heliocentric model of the solar system, however, participated in centering Earth methodologically. That is, calculations were performed and observations were made with Earth as the explicit reference point. In fact, it was owing to the astronomers’ methodological centering of Earth- that is, all calculations and observations were understood to be taking place from Earth, formulas and findings referenced from Earth to Venus, and so from Venus to the sun, etc., as opposed to calculations “from nowhere” or theological observations from the literal “God’s eye perspective”- that they were capable of evaluatively de-centering Earth.

None of this is to say that natural scientific inquiries are anything like ethical inquiries. The point is simply that rarely is the question raised about what is meant when many insist the human must be de-centered, as if a human point of reference and the judgment that humans’ needs and desires are objectively central are identical claims. If we consider the case of nonhuman animals specifically, the danger in confusing these two modes of centering are apparent, though of course the general point can be applied more broadly to other cases.

“Speciesism” is the word that has come to describe and explain the lack of widespread and substantial concern for animals belonging to species other than Homo Sapiens. The term suggests that the injustices faced by affected nonhuman animals are relevantly like the injustices that humans face due to human conflict, such as racism and sexism. According to this reasoning, what makes “speciesism” like racism and sexism is that in all three cases a property which ought to be morally arbitrary-whether race, sex, or species- is included in moral deliberation to defend prejudicial thinking. Mainstream animal advocates, then, argue that species considerations in ethical thinking, especially the idea that being human can be a reason for positive moral regard, is no different than entertaining the idea that being white or being male can be a reason for positive moral regard.

I refer to views in which it is assumed that species membership ought to be irrelevant to moral deliberation species-objectivist views. The species-objectivist casts the human being from a perspective external to the human inquirer such that she can examine traits, capacities, or properties about human beings in much the same way she does when considering any other animal. For those on the side of nonhuman animals, the conclusion is that there is no trait, capacity, or property possessed by human beings that at least one other kind of animal does not share. Therefore, from this Objective, Ideal frame of reference, which finds its content informed by the natural sciences, that being human itself can be deemed morally heavy is simply a matter of prejudice.

Species-objectivists can only de-center humans evaluatively by de-centering the human methodologically. This strategy entails abstracting away from the fact that humans apprehend themselves from two perspectives; the first is, as species-objectivists note, from an external perspective, just as when we apprehend a bat or elephant. But humans also and primarily apprehend themselves from an internal perspective, a vantage point we cannot apprehend about any other animal and, so, a state about which we must remain silent with regard to other animals. Although it is true that many other animals enjoy pleasure and suffer pain, experience a variety of emotions, remember, imagine, and so forth, we are unable to access the interiority of what these experiences are like from their perspective. Simply put, we are unable to subjectively experience the vantage point of another animal.

Views that focus on the internal perspective of being human, which I refer to as species-subjectivist views, argue that the question about our obligations to nonhuman animals is better reflected upon by situating it explicitly from our perspective as humans as opposed to a supposedly neutral scientific frame of reference “from nowhere”. In other words, contrary to species-objectivists, species-subjectivists believe the best way to evaluatively de-center human beings is to center humans methodologically. There are two main motivations for this approach. First, species-subjectivism acknowledges that what attributes to human beings a moral heaviness is not some distinct property, capacity, feature or trait but rather it is the human that is the proper object of the human moral inquiry and whose subsequent behavior sets out the conditions under which other animals (and other humans) must live. This is the same reason we do not foist our moral expectations upon, say, Bruno the family cat; it is not right to say that Bruno is intellectually or cognitively disabled to a severe degree, or- on the other hand- lacks empathy and harbors antisocial tendencies, and so he cannot be reasonably asked to participate in the results of our moral deliberations, such as we might say for some humans. Instead, Bruno belongs to an entirely different form of life, which is specific to his species, subjectively closed to us and which we cannot (and ought not attempt to) take intellectual possession of or subsume under our intellectual rubrics.

This ties closely into the second motivation for a species-subjectivist approach, which is that real and substantial moral regard for nonhuman animals necessitates appreciating that other animals themselves too have species-specific ways of subjectively existing in the world and that they should have the space and freedom to set up and participate in their own forms of life without our interference or at least with only minimal interference in cases where it cannot be prevented or contributes to their flourishing for mutual enrichment. Whereas a species-objectivist approach rests on looking for commonalities between humans and other animals as the ground for an animal ethic, species-subjectivism accepts that boundaries exist between the species and that part of respecting other animals demands resisting imposition of a human idea of what is a (good) life onto them. The appreciation of there being subjective realities for all animals as the primary orientation of ethics starts with appreciating that we, as humans, have a specific subjective reality, which must be confessed (for we, too, are animals) before making claims about respecting the subjective reality and forms of life belonging to other animals.

What does it look like to center humans methodologically? To start with, a methodological centering of the human would resist describing or explaining animal injustice as “speciesism.” Since we are considering the human not from the external perspective but the internal one, we find that human injustices and injustices other animals face due to human behavior are fundamentally unlike one another. The badness of human injustices such as racism or sexism arise from the exclusion of certain human populations or individuals from the very idea of “human.” In fact, racist and sexist ideology turn on interpreting non-whites and women, respectively, as either deviations from the ideal Human or unactualized Humans. A member of the species Homo Sapiens, then, can be rendered a non-human, an animal, a subhuman, an inter-human, etc., by another human being and it is this mechanism that generates the human pernicious -isms and the subsequent negative consequences that follow. These harms are usually not only physical but constitutionally internal of a certain type, the pain of dehumanization. Under a species-objectivist model, such a mechanism cannot be explained because, from an external perspective, it makes little sense to say that a human being is not a human being. From an external perspective, any member of the species Homo Sapiens is human “proper” and so it fails to make sense of why being considered “human” matters even in cases where only human beings are involved.

If excluding human beings from the idea of “human” is the mechanism behind human injustices, then certainly this mechanism cannot explain or describe animal injustice, for it would be bizarre to assume that positive moral regard for animals must involve conceiving of them as human beings. And certainly acknowledging that other animals are not human does not, in and of itself, necessitate negative or absent moral regard for them. Re-centering the human methodologically, then, reveals an important path to de-centering humans evaluatively: animal advocates must find a way to re-articulate or reformulate to the general public and themselves animal injustice in its own terms such that parallels to human injustices are not necessary as buttresses. Though well-intentioned, the obsession with modeling nonhuman animal injustice as if it were relevantly like human injustice obscures the degree to which animal injustice is a unique form of suffering for which we are responsible. Protest aimed at human injustices necessarily (and rightly) cues sentiments of the form, how can we do this to another human being?, sentiments that cast a long shadow when the suffering of a nonhuman is set beside it.

Additionally, using human injustice as a template for understanding animal injustice logically leads to ridiculous applications of the “inclusion” narrative, which has been essential for ensuring justice for human groups historically excluded from participating in society, to the case of nonhuman animals as a salve for the wrongs we commit upon them. Though moral consideration of nonhuman animals is seldom seriously taken up, is it ludicrous to assume that encouraging their literal inclusion into spaces designed for human flourishing is the answer to what it is to include them in our moral thought.

What should be of note here is that species-subjectivism, then, hints at an incredible tension species-objectivism requires for general moral thinking. Species-subjectivists acknowledge human beings operate primarily from the internal perspective in practical matters, which include moral matters, carried out on a daily basis. The successful ethical relationships exemplified by friendships, marriages, humans with their animal companions, families, etc. provide rich grounds for investigating how the local schemas and webs of lives we build and lead intrinsically supply the parameters for how we ought to interact with one another. Asking individuals to remove themselves from this perspective, the perspective at which moral thinking occurs and in which all other positive moral relationships inhere, to take up the external perspective as means to reflect on moral matters with respect to nonhuman animals seems a foolish ambition. If we wish to effect a widespread cognitive shift about nonhuman animals, this cannot be the way forward.

I have tried to show here that there is incredible value in making salient a kind of centering that ought to vanish versus a kind of centering that is indispensable to that disappearing act. Like the de-centering of Earth in astronomy, the de-centering of the human in ethics can have profound effects, both material- insofar as we can make a difference to the health of the planet and its dwellers- as well as cognitive- insofar as we can shift the scope and range of beings that qualify as morally considerable, thus recalibrating our position in the ethical order. Although humans cannot continue to believe they are evaluatively central if the trend of our collective behaviors affecting the planet will be reversed, it is a mistake to also believe this project necessitates de-centering the human frame of reference. It is true that we are trying to change the world, but to do so mostly requires changing the human. If there is any hope that a moral revolution will come to fruition in the coming years, it will have to be a revolution of the human perspective and, as such, the human perspective must remain front and center.

Contact: sylko@protonmail.com

About the authors

Syl Ko is co-author of ‚Aphro-ism: Essays on Pop Culture, Feminism und Black Veganism‘ (2017); she studied philosophy at the San Francisco State University and at the University of North Carolina at Chapel Hill, with a focus on history of philosophy, socioontology and animal ethics. She works as an independent researcher in Portland, Maine (USA).

Lindgren Johnson is author of: ‚Race Matters, Animal Matters: Fugitive Humanism in African America, 1840-1930‘ (2018). She teaches at the University of Virginia (USA) at the Department of English and is faculty advisor for the Animal Justice Advocates of the UVa.

Tierautonomie

Publisher: www.simorgh.de – ‘Open Access in animal-, human- and the earth liberation’. Revised 06/2021. Published with the kind permission of the author and the Edition Farangis.

Citation

Ko, Syl/Johnson, Lindgren (2021). Re-centering the Human. TIERAUTONOMIE, 8 (2), http://simorgh.de/tierautonomie/JG8_2021_2.pdf.

(Rev. 06.05.2021)

TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)

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