‘Haltungen’ im Sinne von Gesinnungen sind halt so extrem verschieden …
Das Subjektive auf die Ebene zu bringen, dass es nicht mehr banal ist. Es ist banal, aber dieses Banale hat seinen Sinn. Und deswegen spreche ich auch davon, hier. Was ich schreibe wird langweilig, weil ich einfach drauflos schreibe, mir vorstelle das liest jemand, ich weiß nicht welche innere Zensur ich genau anwende, aber irgendeine wird es sein.
Stell dir vor du könntest ohne inneren Zensor schreiben, ohne vorgestellten Korrigierenden oder Kritisierenden. Die Sprache bringt diese Zwangsjacke mit sich. Würde ich in eine anderen Sprache schreiben, wäre auch der innere Zensor ein etwas anderer: So vieles ist von so vielem abhängig.
Ist das “freie Schreiben” (mit innerer Zensur natürlich) überhaupt mein Weg die Welt zu reflektieren. Ich kann mal schauen auf meiner externen Festplatte, ob ich eigene Kunst von mir finde, die auch Ausdruck meiner Subjektivität in reinstform ist. Ich nehme sie eigentlich aber nur dann wichtig, wenn sie mit in den Komplex dessen fällt, was ich unter meiner Tierrechtsphilosophie mit ansiedele. Das kann auch etwas, sein, das andere nicht mit in diese Kategorie einordnen würden. Aber deren Sicht auf Philosophie ist, das weiß ich, sowieso eine andere.
Ich komme von anderen Ufern als der rationale westlich orientiert denkende Mensch. Auch bin ich nicht in einem “orientalischen” Denken beheimatet, das mit einer geschichtlich als bedeutungsvoll gewürdigten Religionsgründung (und derer Wurzeln und Geschichte) zu tun gehabt hätte. Mein Denken ist orientalisch und europäisch geprägt, aber wie – nicht so, wie das vorherrschende Denken in diesen menschlichen Hemisphären der Welt.
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1996 schrieb ich meine ersten “Erzählungen einer veganen Person”, denn 1996 wurde ich vegan und ich schrieb freie Fiction zu dieser Zeit. Meine Texte aus dieser Zeit sind teils ganz schön, teils aber auch sehr langweilig.
Ich glaube ich kann nicht frei schreiben. Ich bin ein durch und durch langweiliger Mensch.
Mir warf eine Bekannte aus einem Tierrechtsverein, in dem ich mal war, vor Jahren einmal vor, mit mir könne man ja “nur” über Tierrechte sprechen. Das ist gewiss so. Das Thema beschäftigt mich – als Subjekt – am allermeisten und ich mache mir meine eigenen Gedanken dazu. Ich begann damals in allen möglichen Büchern nach Aussagen über Tiere rumzusuchen. Ein Prozess, den ich als Teenager schon mal im Bezug auf das Thema Weiblichkeit und Frausein vollzog und bei dem ich natürlich erschüttert war, welch grauenhafte Aussagen ich bei den großen klassischen Philosophen (…) und Denkern (…) finden musste. Als ich Musik machte und Musik schrieb war ich über “Frausein und Musik” gleichermaßen entsetzt. Welche Musik machte wer, warum, wie und wer nicht und wie nicht? Was waren die sozialen Normen, etc. die förderten oder blockierten … ?
Das erinnert mich: Sozialisieren als Jugendlicher in den 1980ern …
Als Teenager wurde mir schnell meine eigene Identität als Individuum ausgetrieben, aber nicht von meinen Eltern – die ganz im Gegenteil meine merkwürdigen Interessen und unangepassten Eigenschaften unterstützten, da hatte ich ein verdammtes Glück … nein, eher durch Altersgenoss*innen, Lehrer*innen und eigentlich die ganze, fast die ganze Gesellschaft in der Form, wie ich ihr begegnen konnte.
Es ist schwer, wenn du einmal als Jugendliche*r von deinen eigenen Wegen abgebracht worden bist, wieder auf eigenen Wege zurück zu finden. Ich beobachte das bei vielen Altpunks, vor allen bei den weiblichen, von denen ich irgendwie mehr erwartet hätte. Irgendwo scheint bei vielen das emanzipative Denken irgendeiner Anpassung untergeordnet worden zu sein, an irgendeinem Punkt ihres Lebens – wahrscheinlich in dem Moment, in dem Punk von der Gesellschaft vereinnahmt werden konnte und seinen festen Platz in der Geschichte von “Wichtigem” und “Bedeutsamen” gefunden hat, passend in die Gesamtgeschichte, keinen Bruch aufweisend, keinen wirklichen.
Als die Konstanten von “menschlicher Bedeutsamkeit” und “genialistischem sozialhierarchischem Sich-Aussortieren” ihre Beständigkeit beweisen konnten. Vielleicht verschwand da das originelle Eigene so mancher ehemaligen Rebellinnen und die Normalisierung, die dann vollzogen wurde, wurde statt als Anpassung eher als Weiterentwicklung erlebt. Die Rebellion fand nur im Bezug auf wenige Faktoren statt, sie fand nicht grundlegend statt – die Leute sind nicht wirklich anders geworden über die Zeit.
So kam es bestimmt auch dazu, dass all die richtig guten unbekannten Punk-Bands aus den frühen 80iern, die politisch und musikalisch recht originelle Impulse setzten, auch dauerhaft mehr oder weniger unbekannt blieben: Statt dass man deren musikalische und politische Bedeutsamkeit später mal bewahrt hätte und wirklich das reflektiert hätte, was Underground faktisch und musikalisch “basisdemokratisch” war, hat man diese Bands allesamt unter dem bescheuerten Label “Punk” unsichtbar gemacht und Punk selbst ist zum schlechtesten und peinlichsten Klischee seiner selbst geworden, weil die Auslese nach Faktoren wie Popularität stattfand. Einzelpersonen betreffend scheinen auch die eigenen Vergangenheiten angesichts der Entwicklung der meisten “Einzelnen” ein eher schlechter Witz geworden zu sein. Die Rebellion von damals ließ sich leicht kanalisieren in die üblichen Ströme, von denen die Teil dieser Bewegung waren und der Gesellschaft als Ganzes.
Aber gucken wir uns die Laufbahnen jeglicher Musiker*innen an, die wir jemals kannten – bekannt oder unbekannt. Auf Zeit erweist sich erst und immer, ob die Rebellionen aus einer Art Strohfeuer oder aus nachhaltiger Substanz beschaffen waren. Wobei oftmals viel nachhaltige Substanz herbeigeredet wird posthum, die auch wirklich nicht mehr als herbeigeredet ist. Ich meine echte inhaltliche Substanz und nicht unbegrenzten beschönigenden Personenkult.
Ich bin ein Freund der Unpopularität muss ich dem Zufügen.
Menschsein, Menschsein und sich anders sozial zu verorten
Wenn ich regulär am liebsten über Tierrechte spreche, ist das, weil ich das Thema eben nicht einschränke auf die engen Räume, denen “die Tierwelt” zugeordnet wird. Der biologistische Starrsinn: Wir behaupten nur Menschen hätten das, was geistigen und sozialen Reichtum bedeutet. Wie kommen wir darauf? Wir zementieren genaustens ein, was das tolle ist, das nur “uns Menschen” ausmacht und wir schaffen einen Unraum, in denen wir all die Pluralität irdischen Seins hinein räumen.
Es ist so krass, dass das der Punkt ist an dem ich mich von dem “Menschsein” im ganzen erstmal verabschieden würde, wären da nicht die einzelnen Ausnahmen, die einem Überlieferungstechnisch und aus dem eigenen privaten Leben heraus zeigen würden: es gibt Menschen, die nicht einfach so “Menschen” in dem Sinne sind, sondern, die in Hinsicht auf die Würde von Tieren wirklich reflektiert denken, fühlen und handeln.
Ein Bekannter oder Freund, der eigentlich ganz anders denkt in Hinsicht auf das “Menschsein” und wie sich dieses zu Seinspluralität verhält, hat mal ein schönes Bild in Vergleich zur Situation menschlicher Vereinzeltheit beschrieben. Und zwar sagte er: es gibt hier einen Baum und dort ganz weit weg und vielleicht auch noch da einen, aber das macht noch keinen Wald. Ich fand diese Bild schön, weil es zeigt, dass auf wie vielen Ebenen Leben und erlebtes Sein miteinander verbunden sind. Er wählte das Bild vom Baum.
Ich ziehe folgenden Schluss aus dieser Art der Vereinzelung im solch einem Bild: ich brauchen gar nicht die Bestätigung einer breiten Masse von Menschen für meine Sichtweisen, sondern ich teile diese bereits mit dem Leben, unabhängig von seiner biologischen Zuordnung und der damit verbundenen Attributisierungen. Wir sind kein Wald, aber wir sind in dem gleichen Boot wie die Bäume. Metaphern sind sich ihrer eigenen Tragweise häufig zu wenig selbst bewusst und so bleiben sie allein Metapher, was ein interessantes Problem bei der Naturmetapher im Besonderen darstellt.
Sehen wir das Leben nicht mehr biologisch und nicht mehr “Seinshierarchisch”, sondern in seinen Realitäten und seiner unendlichen und endlichen Tiefe, dann sind wir zusammen eine “Waldgemeinschaft” im Geiste – aber wir sind eben bedroht, alle zusammen.
Wir sind eins in unserem mystischen Denken. Das kann ich und sollte ich gar niemanden vermitteln wollen, außer denen, die bereits ähnliche Suchen betreiben und ähnliche Erkenntnisse erlangt haben. Warum schreibt man dann also so was, autoethnografisch, wenn man sein innerstes Denken und Fühlen eigentlich gar nicht auf einer mit “allen Menschen” verbrüdernden oder verschwesternden, etc. Ebene teilen will?
Einfach nur mal um eine andere Kommunikationsebene zu erkunden und um die Fühler auszustrecken. Denn 1.) vielleicht erreicht man Menschen, die von ihren Lebensphilosophien kompatibel sind, und 2.) ich zeige meine ganz persönliche Haltung dadurch. Und indem ich meine Subjektivität so deutlich mache, manifestiere ich eine menschliche Realität.
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Das witzige ist, man sprach mir in meinem Leben immer wieder gerne ab, echte Tierrechtler*in zu sein. Ich frage mich warum wurde genau das immer wieder so gerne von meinem weitläufigen sozialen Umfeld negiert? Meine Eltern waren die einzigen Menschen, die mich in dieser Hinsicht von Anfang an engagiert unterstützten. Sie hatten auch eine ganz andere Sichtweise auf Menschen und Menschsein, eine sehr kritische und feinfühlige Sichtweise, die mich leitet und begleitet.
Wenn wir jemandem seine Sichtweise in Abrede stellen, dann negieren wir diesen Teil an ihm/ihr. Und weshalb tun wir das? Unter Umständen um sie/ihn zu “entmächtigen” oder zu “entschärfen”. Wenn du dies und jenes nicht an mir siehst oder zulässt, dann bin ich das nicht, dann ist dies gar nicht mein Standpunkt und meine Aussage, dann ist das zu guter Letzt gar nicht Ausdruck meiner echten Haltung? Dann habe ich deiner Ansicht nach gar keine wahrnehmbare Haltung? Dann stehe ich als Person in meinem ureigenen Subjektsein gar nicht hinter dieser ganz konkreten Haltung, die ich zu vermitteln suche? Dann soll ich Massenmensch sein und in der Masse, mit ihren Meinungen, verschluckt werden. Dann hat gar das Gegenüber eine Meinung, ich aber nicht.
Ich kann also nur denken und eine Haltung haben, in dem Moment, in dem ein anderer mir diese Haltung auch zugesteht, selbst wenn er sie nicht teilt oder gar komplett ablehnt. Er/sie muss sie mir aber sogar zugestehen um sie dann an mir abzulehnen zu können.
Vielleicht ist das ein Grund warum ich so vehement und unerschütterlich philosophisch, wenn auch freistil-philosophisch blogge, um faktisch, rein faktisch darzustellen: doch – ich habe diese Haltung. Und zwar genau diese, die ich hier schriftlich, grafisch in Metatextform beschreibe!
Eine Haltung ist immer vom Individuum getragen, vom einzelnen, interagierenden Subjekt.
Man sollte sich das nicht nehmen lassen.
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Da ich mich zur Zeit endlich mehr den Tiermythologien widmen will, finde ich ist es auch Zeit dem subjektiven Geist meiner Selbst mehr expressiven Raum zu schaffen. Das Mythologische und das Tiersein, beide sind stark mit dem Subjektsein verbunden und eine – wenn auch so oft negierte – sehr individuelle Angelegenheit, die von eigenen Erfahrungsprozessen und Erkenntnisprozessen geprägt ist … .
Ich würde eigentlich gerne ein paar Beiträge von meinen Blog zu Tiermythologien hier verlinken, merke dabei aber – und mir wird dies vollkommen klar – dass meine ganze Arbeit damit verwoben ist.
Zuletzt: Vielleicht kann man mich als “esoterisch” bezeichnen. Das ist auch völlig korrekt. Was mich aber an der Esoterik im allgemeinen stört, sind sinnentleerte Erkenntnisprozesse, bei denen die Leute ihr eigener Selbstzweck werden.