MOLAVI BALKHI / مولوی

RUMI

Wenn du ein Auge hast, schau mit deinem Auge: blicke nicht durch das Auge des ignoranten Narren. Wenn du ein Ohr hast, höre mit deinem eigenen Ohr: warum solltest du dich abhängig machen von den Ohren Starrköpfiger? Übe dich darin, selber zu schauen, ohne blindlings irgendeiner Autorität zu folgen: denke gemäß der Sicht deiner eigenen Vernunft.

All wise have said this same thing: the wise man is a (Divine) mercy to created beings.

Moral und Realität — Nacherzählungen von Auszügen aus Mathnawi, nach R.A. Nicholson.

The Mathnawi, it is said, is easier than easy to the ignorant, but harder than hard to the wise …

Ich korrigiere nochmal meine Übersetzungen der Nicholson-Übersetzung von Rumis Mathnawi. Dazu nochmal einleitend folgende Worte:

Ich möchte Ihnen hier einige von mir nacherzählte Geschichten aus dem Mathnawi von Molavi (Rumi) nach der Übersetzung von R.A. Nicholson vorstellen. Zu der Art der Herangehensweise meiner Bearbeitung will ich folgendes sagen. Als erstes möchte ich mein Unterfangen, aus einer Übersetzung zu übersetzen, damit rechtfertigen, dass sogar die Bibel tatsächlich in ihren meisten Fassungen “eine Übersetzung einer Übersetzung” ist. Die Tiefe der Auffassungsgabe Professor Nicholsons hat mich so stark beeindruckt, dass mir seine Übersetzungsarbeit hat klar werden lassen, dass Tiefe im Denken nicht gebunden ist an kulturelle Lokalitäten wie Orient und Okzident. Tiefes Denken kennt keine Barrieren. Den meisten ist die Annäherung an den Orient insbesondere durch Arbeiten von Frau Professor Annemarie Schimmel bekannt, die eine Expertin auf ihren Gebiet ist. Warum es mich trotz der bestehenden Bearbeitungen anderer gedrängt hat, meine Übersetzungsvarianten einiger Geschichten aus so einem so wichtigen Buch wie Molavis Mathnawi zu verfassen, hat mehrere Gründe.

1.) Mir gefällt, dass Nicholson die Sätze Rumis nicht strafft. Frau Prof. Schimmel zum Beispiel zwängt die persischen Verse Rumis bei der Übersetzung wieder in die Versform, während Nicholson aufgrund der Übersetzungsschwierigkeit auf Reime verzichtet.

Zur Veranschaulichung ein exemplarisches Beispiel:

Ein gewisser Mann fing einen Vogel mit Hinterlist und einer Falle: der Vogel sagte zu ihm, „Oh edler Herr,
Du hast viele Ochsen und Schafe gegessen, du hast viele Kamele geopfert;
Niemals in der Welt wurdest du durch sie gesättigt, so wirst du auch nicht durch meine Glieder gesättigt werden …“

(THE MATHNAWÍ OF JALÁLU’DDÍN RÚMÍ, Translation, Books III & IV, R.A. Nicholson, E.I.W. Gibb Memorial Series (1930), New Series, IV, 4. London, 1960, pp. 396-397.)

Die gleiche Passage in der Version von Frau Prof. Schimmel:

Ein Sperling sprach zu dem, der ihn gefangen: „Was kannst du von diesem Kopf und Bein empfangen“?

(SCHIMMEL, Annemarie, Die drei Versprechen des Sperlings: Die schönsten Tierlegenden aus der islamischen Welt, C.H. Beck, München, 1997, S. 112.)

und

Er sagte zum Papagei, „Welches Geschenk soll ich dir aus Indien mitbringen?“
Der Papagei sagte, „Wenn du die Papageien dort siehst, erzähl ihnen von meiner Notlage (und sage),
‚So-und-so ein Papagei, der sich nach euch sehnt, sitzt, durch das Schicksal des Himmels, bei mir in Gefangenschaft.
Er (der Papagei) grüßt euch und sehnt sich nach Gerechtigkeit und wünscht sich, von euch die Mittel und Wege zu erfahren, wie man dem rechten Weg folgt.
Er (der Papagei) sagt, „Ist es richtig, dass ich in meiner Sehnsucht (nach euch) meinen Geist aufgebe und hier in Separation sterbe? …‘“

(THE MATHNAWÍ OF JALÁLU’DDÍN RÚMÍ, Translation, Books I & II, R.A. Nicholson, E.I.W. Gibb Memorial Series (1926), New Series, IV, 2. London, 1960, pp. 85-86.)

Die gleiche Passage in der Version von Frau Prof. Schimmel:

Den Papagei fragt’ er: „Was willst du haben?
Was bring ich dir aus Indien als Gaben?“
Der Sprach: „Gib bitte doch den Papageien,
die du dort siehst, von meinem Zustand Kunde!
Sag: ‚Einer voller Sehnsucht und Verlangen,
ist durch Beschluss des Himmels hier gefangen;
er lässt euch grüßen, und er bittet euch
um Hilfe und um gute Weisung gleich.‘
Er sagt: ‚Ziemt es sich denn, dass ich voll Sehnsucht
mein Leben aushauch, sterbe in der Fremde?‘

(SCHIMMEL, Annemarie, Die drei Versprechen des Sperlings: Die schönsten Tierlegenden aus der islamischen Welt, C.H. Beck, München, 1997, S. 153.)

2.) Im Weiteren denke ich, dass die unmittelbare, quasi fast „anstandslose” Annäherung an die Tiefe dieser Gedanken wichtig ist. Man muss nicht erst Iranistik studieren um sich an das Denken Molavis heranzuwagen – selbst wenn jede Übersetzung nach Nicholsons Worten sowieso „ein bloßer Schatten des Originals bleibt“. In der Annäherung an diese Gedanken geht es um das selbst vollzogene Verständnis einer Idee, die einer umschriebenen Realität entspringt, und es geht nicht um enthobene Genialität, mit der man beim eigenen inneren Nachvollziehen seine Schwierigkeiten haben müsste.

3.) Ein letzter Punkt ist, dass die kulturellen Inhalte Irans zu stark unter dem Gesichtspunkt spezifisch islamischer Religiosität und zu wenig unter dem Aspekt des ureigenen kulturellen Erbes des Landes und Sprachraumes betrachtet wird. Die Gedanken Molavis sind reich an einem Verständnis über die Natur und das reelle Universum. Seine Bilder entspringen keiner wirklich religiös motivierten, aber selbstverständlich auch keiner naturwissenschaftlich-positivistisch orientierten Auffassung, sondern Molavis „Gedanken-Bilder“ repräsentieren das wesenhafte und das naturhafte der Welt, wie es aus der Eigenheit der Dinge an „Göttliches“ gebunden ist. Das „Göttliche“ bei Molavi ist aber kein einfacher Gottesbegriff, sondern einer, der sich durch den selbst-vollzogenen mystischen Entwicklungslauf erst klären kann.

Seine Mystik ist fraglos in vorislamischen Kulturbegriffen des Irans verwurzelt, die Schwerpunktlagerungen der „Moral der Geschichten“ weist darauf hin.

Der Grund warum ich Ihnen gerade als Tierrechtlerin, Environmentalistin und Menschenrechtlerin Auszüge aus dem Mathnawi vorstellen will, ist, dass mir im Laufe meiner Arbeit bewusst geworden ist, dass die Ursache sämtlicher Probleme, mit denen ich mich konfrontiert sehe, der innere Konflikt des Menschen selbst ist, und zwar aus zwei Sichten heraus, einmal das Problem des Menschen als „Täter“ – als dem uninformiert oder destruktiv Handelnden, und auf der anderen Seite das Problem des Menschseins als Mensch, der sich versucht aus den Schlingen der gesellschaftlichen Zwänge (in seinem Denken und Handeln) zu befreien, dem es aber an Werkzeugen zur eigenen Loslösung zu fehlen scheint. Es ist einfach, die Gesellschaft zu kritisieren, aber ohne Gegenmodelle und ohne moralisch-ethische Stärke entwickelt zu haben, bleibt man als „Kämpfer“ kläglich in der Frustration dessen gefangen, gegen was zu sein aber keinen Mut zur „Utopie“ (zu anderen Modellen) zu haben. Sinn dessen, für eine bessere Welt zu kämpfen ist aber nicht letztendlich verzweifeln zu müssen und sich verloren fühlen zu müssen, sondern seine Kraft zu erhalten und zu entwickeln. Dazu braucht es moralisch-ethische Beispiele und ein entwickeltes viel tiefer greifendes Realitätsverständnis als das, das uns unser Mainstream heute allgemein bietet (der akademische Mainstream sowie der Spirituelle/Religiöse bilden da keine Ausnahmen – selbst die ‚Extremisten‘ zählen meiner Meinung nach zum Mainstream). Bei Molavi lässt sich Tiefe im Denken andocken, und es ist erstaunlich, aber auch sehr aufschlussreich, dass das Mathnawi von ihm bis heute noch nicht einmal komplett ins Deutsche übersetzt wurde, man nichtsdestotrotz aber allerhand Geschichten über seine Person und sein Leben zu lesen findet.

Die Klammern in den Übersetzungstexten kennzeichnen die von Nicholson hinzugefügten Wörter. Wie bereits von Nicholson erwähnt, ist jede Übersetzung des Mathnawi ein bloßer Schatten des Originals. Ich habe einige Texte auf Persisch gemeinsam mit meine Vater gelesen, so ist mir die originale Sprache von Molavi nicht gänzlich unbekannt.

Gita Yegane Arani, Usingen, 14.06.2022.


Soweit – neuere Fassungen:

Der Kaufmann und der Papagei, der ihm eine Botschaft an die Papageien in Indien mitgab, https://simorgh.de/biografie/molavi-der-kaufmann-und-der-papagei/

Der Mann, der es versäumte von den weisen Ratschlägen eines Vogels zu profitieren, https://simorgh.de/biografie/molavi-der-mann-und-der-vogel/

Ich muss diese neueren Fassungen nochmal – als PDFS – Layouten. Werde die Texte (wahrscheinlich zusammen) später in die Reader-Form übertragen. Nun bin ich aber dabei die nochmal überarbeiteten Text meinem autoethnografischen Tschördy, Azadeh und Saline-Reader beizufügen – soweit … :

– Molavi Balkhi (Rumi): Der Kaufmann und der Papagei, der ihm eine Botschaft an die Papageien in Indien mitgab, in Tschördy, Azadeh und Saline, Jahrgang 1, Nr. 1, Juli 2022, S. 13 > https://farangis.de/tas/tschoerdy_azadeh_und_saline_2022_1.pdf
– Moral und Realität – Nacherzählungen von Auszügen aus Rumis Mathnawi, nach R.A. Nicholson, S. 11; Molavi (Rumi): Der Mann, der es versäumte von den weisen Ratschlägen eines Vogels zu profitieren, in Tschördy, Azadeh und Saline, Jahrgang 1, Nr. 2, Juli 2022, S. 15 > https://farangis.de/tas/tschoerdy_azadeh_und_saline_2022_2.pdf
– Molavi (Rumi): Der Löwe und die Beutetiere, in Tschördy, Azadeh und Saline, Jahrgang 1, Nr. 3, August 2022, S. 24 > https://farangis.de/tas/tschoerdy_azadeh_und_saline_2022_3.pdf
– Molavi (Rumi): Das streunende Kamel des wahren Gläubigen, in Tschördy, Azadeh und Saline, Jahrgang 1, Nr. 4, November 2022, S. 20 > https://farangis.de/tas/tschoerdy_azadeh_und_saline_2022_4.pdf

Und dies sind meine älteren Fassungen gewesen, noch einiger weiterer Texte, die ich derzeit nochmal bearbeite – die neueren Fassungen sind oben:

1. Der Löwe und die Beutetiere (PDF Datei) – BOOK I
THE MATHNAWÍ OF JALÁLU’DDÍN RÚMÍ, Translation, Books I & II, R.A. Nicholson, E.J.W. Gibb Memorial Series (1926), New Series, IV, 2. London, 1960, pp. 50-76.

2. Der Kaufmann und der Papagei der ihm eine Botschaft an die Papageien in Indien mitgab (PDF Datei) – BOOK I
THE MATHNAWÍ OF JALÁLU’DDÍN RÚMÍ, Translation, Books I & II, R.A. Nicholson, E.J.W. Gibb Memorial Series (1926), New Series, IV, 2. London, 1960, pp. 85-101.

3. Das streunende Kamel des wahren Gläubigen (PDF Datei) – BOOK II
THE MATHNAWÍ OF JALÁLU’DDÍN RÚMÍ, Translation, Books I & II, R.A. Nicholson, E.J.W. Gibb Memorial Series (1926), New Series, IV, 2. London, 1960, pp. 372-377.

4. Der Lehrer der sich einbildete dass er krank sei (PDF Datei) – BOOK III
THE MATHNAWÍ OF JALÁLU’DDÍN RÚMÍ, Translation, Books III & IV, R.A. Nicholson, E.J.W. Gibb Memorial Series (1930), New Series, IV, 4. London, 1960, pp. 85-91.

5. Der Drogist und der Ton-Fresser (PDF Datei) – BOOK IV
THE MATHNAWÍ OF JALÁLU’DDÍN RÚMÍ, Translation, Books III & IV, R.A. Nicholson, E.J.W. Gibb Memorial Series (1930), New Series, IV, 4. London, 1960, pp. 306-308.

6. Der Mann der es versäumte von den weisen Ratschlägen eines Vogels zu profitieren (PDF Datei) – BOOK IV
THE MATHNAWÍ OF JALÁLU’DDÍN RÚMÍ, Translation, Books III & IV, R.A. Nicholson, E.J.W. Gibb Memorial Series (1930), New Series, IV, 4. London, 1960, pp. 396-397.

7. Der Türke und der Schneider (PDF Datei) – BOOK VI
THE MATHNAWÍ OF JALÁLU’DDÍN RÚMÍ, Translation, Books V & VI, R.A. Nicholson, E.J.W. Gibb Memorial Series (1934), New Series, IV, 6. London, 1960, pp. 350-354.

8. Die Maus und der Frosch (PDF Datei) – BOOK VI
THE MATHNAWÍ OF JALÁLU’DDÍN RÚMÍ, Translation, Books V & VI, R.A. Nicholson, E.J.W. Gibb Memorial Series (1934), New Series, IV, 6. London, 1960, pp. 403-422.

Ein guter Ort im Netz um sich die persischen Quellen anzuschauen finde sich hier: https://ganjoor.net/moulavi

Bild oben: Farangis G. Yegane und auf dem Foto ganz oben ist Palang Yegane Arani zu sehen!