Fragen, die ich mir stelle und die ich hier gerne unter anti-ableistischen Gesichtspunkten in den Raum stellen möchte:
Ist Behinderung un-“heil“/un”heil”-sein/nicht-heil sein/nicht ganz sein? Antonovskys Idee/Modell von der Salutogenese würde dem Widersprechen, und ich glaube es ist eigentlich auch klar, dass man hier aus allerhand Gründen widersprechen und protestieren muss.
(Randnotiz: ich kenne so ein paar Spezialisten, die würden jetzt bestimmt meinen und mir unterstellen wollen, weil ich “Mischling” bin, assoziiere ich den Begriff in meiner Kritik jetzt mit Nazi-Sprech. Nein … so einfach denke dann auch wieder nicht, und auch gestaltet sich das Problem mit “Sprache und Ableismus” so glaube ich auch nicht, dass das der culprit immer als das ‘eindeutig als Böse’ Greifbare und Umreißbare ist … )
und
In “was” wird “wer” “wie” denn genau “eingegliedert”? Warum überhaupt “Eingliederung“? Teilhabe muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass Sache/Person/Gruppe “A” an Sache/Person/Gruppe “B” teilhat, sondern Teilhabe ist als demokratischer Gedanke doch ein gegenseitig reziproker Prozess > “A” und “B” teilen einen Raum, teilen Gedanken, teilen, die Normalität der größeren Gruppe bildet nicht unbedingt den erstrebenswertesten Maßstab, beide gestalten eine vielleicht neuen Raum … und dabei müssen wir uns in kein System und keine Norm “eingliedern” (klingt nach Militär, Kasernenhof oder Gefängnis, Besserungsanstalt, Schule von früher oder Schule immernoch?)
Frage: Wie kommt man vom Begriff der “Teilhabe” zum Begriff der “Eingliederung”?
Weitere Begriffe, die mich stutzig machen:
Was hat es mit dem ‘Heilsein‘ oder eben nicht “heil“-sein auf sich, in den folgenden Berufsbezeichnungen?
Welches “Heil/heil” ist hier gemeint? Behinderung ist keine Krankheit. Der Begriff klingt eigentlich recht defizitär. Warum nimmt man die Hilfe zum “Heilsein” als etwas unhintergrafbar Gutes war, wenn eine Behinderung nicht “unheil” bedeutet?
Wie passt der rebellische Moment der Hinterfragung von physischen und psychischen Normen in diese Idee von “Heilsein” als Norm und Ideal … ?
Heilpädagogik
“Heilpädagogen und -pädagoginnen unterstützen Menschen mit geistiger Behinderung, Körperbehinderung, Sinnes- und Mehrfachbehinderung oder chronischen Erkrankungen, um ihnen die soziale und berufliche Eingliederung zu erleichtern. Kinder und Jugendliche mit Entwicklungsstörungen, emotionalen und Verhaltensstörungen sind ebenfalls im Blickpunkt der Heilpädagogik.” > https://web.arbeitsagentur.de/berufenet/beruf/steckbrief/9129
Heilerziehung…
“Heilerziehungspfleger/innen begleiten und unterstützen Menschen mit geistiger, körperlicher und/oder seelischer Behinderung aller Altersstufen, um deren Eigenständigkeit zu stärken und sie zu einer möglichst selbstständigen Lebensführung im Alltag zu befähigen […]” > https://web.arbeitsagentur.de/berufenet/beruf/9127
Etwas wird heil, wenn es nicht ganz ist, sondern kaputt ist. Heile, heile Segen … . Okay, das klingt hart und zynisch, aber die Begriffe sind auch nicht ohne, in dem, was sie wohlmeinend implizieren. Ich frage nur, warum tun sie das, und sollte man den darin ausgedrückten Gedanken nicht stärker hinterfragen?
Eingliederungshilfe
führt die Eingliederungshilfe wirklich zu ausreichenden Möglichkeiten der Unabhängigkeit im Sinne von Selbstbestimmung? Besteht eine Gefahr der Fremdbestimmung durch Vorgehensweisen und Denkweisen der hilfeleistenden Akteure?
Aufgaben, Definitionen: https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/recht-a-z/323281/eingliederungshilfe/
Diese Beschreibung finde ich am hilfreichsten:
https://www.stmas.bayern.de/inklusives-leben/eingliederungshilfe/index.php
Die Beschreibungen hier, bilden das theoretische Ideal ab, ich finde nichts zu den Fallsticken oder den möglichen Problemen im Hilfesystem.
In zwei Konstellationen habe ich u.a. die Eingliederungshilfe als noch lückenhalft wahrgenommen, die ich hier kurz anekdotisch anschneide:
- Bei Menschen mit Sprechbehinderung (z.B. Sprechapraxie in der Form von ‘CAS’ oder ‘AOS’ [1]) und Mehrfachbehinderung, die keine Gebärdensprache sprechen und auch keine UK (Unterstütze Kommunikation) in der Form nutzen können, dass ihr Umfeld kommunikativ “weitesgehend enabling” (…) interagiert.
- Bei Menschen mit Sonderschulhintergrund, die jetzt an der Schwelle zum Rentanalter stehen, die aber nicht schwerstbehindert sind: sie sind noch von einer nichtinklusiven Bildungsstruktur betroffen gewesen, und ihnen wurde somit ein normaler beruflicher Werdegang weitestgehend verunmöglicht, ihre Behinderung geht im Alter um die sechzig aber teilweise gleitend über in zusätzliche Behinderungsformen, die Senioren zugeordnet werden können. Der Landeswohlfahrtverband in Hessen beispielsweise, scheint Schwierigkeiten zu haben, ausreichend Teilhabeünterstützung für Menschen, die in diese Kategorie fallen würden, genehmigt zu bekommen oder selbst zu genehmigen. (Die Legitimation wird schwierig, wenn man den ganzen Schwung an behinderten Sentior*innen nicht auch endlich aus der Fremdgetakteten “Pflege” in die personenzentriertere “Assistenz” hineinholen will, und finanziell wohl auch nicht holen kann. Damit hat es diese eben beschriebene Personengruppe schwer, ihr Interesse an Teilhabe geltend zu machen.)
Soweit.
draft 13.01.23
[1] CAS > Childhood Apraxia of Speech, siehe z.B. > https://www.asha.org/public/speech/disorders/childhood-apraxia-of-speech/ bzw. AOS > Apraxia of Speech in Adults, siehe z.B. > https://www.asha.org/public/speech/disorders/apraxia-of-speech-in-adults/
One reply on “Nebenbei gefragt: Von was für einem “Heil” ist hier die Rede?”
[…] die ich dem zuständigen Heilerziehungspfleger (HEP) mitteilte, auf seine Unterstellung hin, ich habe mich in Personalfragen […]