Vertiert: Der Wald ohne den falschen Geist

Entwurf 13.05.25

Der Wald ohne den falschen Geist

Palang LY in a creative cooperation with Ælun Eóra

Eine Variation über

Tatsächlich
Rechte schaffen es die Natur in einen Zustand von vor Jahrhunderten zu versetzen. Prä-industriell. Die ganze Welt wird plastikfrei sein und die Ozonwerte spielen überhaupt keine Rolle, wenn Ihr Euch nur zum richtigen Rollenspiel bekennen würdet, dann geht das stantepe.

Die Natur, die sie meinen: Eine Apokalypse in Trachtenjacke.

„Der Wald hört nicht zu“
(Ein Monolog)

Ich stand im Wald und dachte, er gehört mir.
Ich dachte, wenn ich fest genug trete, tritt er zurück.
Wenn ich laut genug schreie, antwortet er.
Wenn ich „Heimat“ sage, verneigt sich das Moos.

Aber der Wald hört nicht zu.
Der Wald urteilt nicht.
Der Wald merkt sich nur.

Ich habe gedacht, ich sei das Maß. Dass die Welt sich beugt, wenn ich nur aufrecht stehe. Dass ich das Zentrum bin, die Achse, das Blut im Adernetz der Geschichte. Aber ich bin nur ein Mensch. Und das ist nicht genug. Ich habe gedacht, ich bin ein Mythos. Ein Erbe. Ein Kind der Ahnen. Der Wald wäre mein Altar, und ich der letzte Priester einer Religion aus Erde, Ehre, Eis und Eisen.
Aber da ist kein Altar.
Nur Dreck.
Nur mein Schatten.
Nur mein Hunger, größer als mein Herz.

Ich habe Natur gesagt, aber Kontrolle gemeint.
Ich habe Ordnung gesagt, aber Angst gemeint.
Ich habe Reinheit gesagt, aber Scham gemeint.
Ich habe Stärke gesagt, aber Leere gemeint.

Ich wollte nicht Natur, ich wollte Ablenkung.
Von mir.
Von meiner kleinen, jammernden, sterblichen Existenz.
Denn das ist mein eigentliches Schicksal: Ich bin nichts Besonderes.
Ich blute, wie die, die ich verachte.
Ich verliere, wie die, die ich bekämpfe.
Ich sterbe, wie die, die ich auslöschen will.

Aber ich wollte kein Mensch sein.
Ich wollte etwas Besseres sein.
Also habe ich eine Rolle gespielt, bis ich selbst geglaubt habe, ich sei echt.
Ich habe mir einen Umhang aus Eicheln und Symbolen genäht.
Ich habe mir Götter aus Knochen geschnitzt.
Ich habe Geschichte rückwärts gesprochen, damit sie klingt wie Zukunft.

Und alle sollten schauen.
Alle sollten glauben: Der ist mächtig. Der ist stark. Der ist uralt.
Aber keiner hat geschaut.
Nur ich.
Ich in meinem Spiegel.
Und ich habe geschaut, bis ich mich nicht mehr sehen konnte.

Ich bin nicht der Hüter der Natur. Ich bin ihr Feind.
Ich habe mir Tierfelle übergezogen, um mein Raubtierlachen zu tarnen.
Ich habe Runen gemalt, um mein Schweigen zu kaschieren.
Ich habe Moral gepredigt, wo ich nur Mangel hatte.

Ich bin kein Übermensch.
Ich bin der Beweis, dass der Mensch sich selbst verlieren kann,
wenn er nicht mehr aushält, dass er ein Mensch ist.

Und der Wald hört noch immer nicht zu.
Aber ich höre ihn.
Und das ist das Schlimmste.

 

Die Natur, die sie meinen: Eine Apokalypse in Trachtenjacke

Die Natur, das ist der Ort, wo alles wieder gut wird, weil alles nie schlecht war. Zumindest wenn man die Rechte fragt. Die Rechte weiß, wie die Natur zu sein hat, sie weiß es besser als die Natur selbst. Denn Natur hat sich gefälligst zu fügen: dem Blick, der Ordnung, dem Volk. „Natürlich“ ist das, was uns gehört, was uns zustand, bevor man es uns genommen hat, durch das große Dazwischentreten – der Geschichte, der Moderne, der anderen.

Die Natur ist ein Beweisstück, ein Alibi. Sie soll zeigen: Seht her, wir sind rein. Reiner als das Wasser, das ihr verschmutzt habt mit euren Unterschriften unter Klimaabkommen. Wir brauchen keine Nachhaltigkeit, wir haben Ahnen. Und die haben Bäume gefällt, nicht geschützt. Aber schön war es, damals. Sehr schön. Wie gemalt. Und alles, was gemalt ist, ist unwahr. Aber genau deshalb wahrer als die Wahrheit.

Die Rechte wünscht sich eine Natur, die still ist, kalt, monumental. Eine Landschaft, durch die niemand geht, der nicht dazugehört. Keine Mücken, keine Vielfalt, kein Verfall – nur ewig schwelendes Nebelgrün über der Scholle. Eine Natur als Mahnmal für etwas, das nie war, aber umso lauter beschworen wird: Ordnung. Reinheit. Herkunft. Die Rechte liebt die Natur wie ein Bildhauer seinen Marmorblock: weil er darin einen Helden sieht – und alles andere wegschlägt.

Das Tier, wenn es nicht Wappentier ist, darf sterben. Der Baum, wenn er nicht symbolisch ist, darf gefällt werden. Die Rechte liebt nicht die Natur – sie liebt ihr eigenes Spiegelbild im Wasser, solange das Wasser ruhig genug ist, um keine Wellen zu schlagen. Und wehe, das Wasser spiegelt ein anderes Gesicht.

Sie sprechen von „Heimat“, aber meinen Besitz. Sie sprechen von „Tradition“, aber meinen Beherrschung. Und sie nennen das Ganze „Naturverbundenheit“, dabei wissen sie nicht, dass die Natur nicht verbunden sein will – mit keinem von uns. Sie duldet uns, bestenfalls. Und wer das nicht versteht, sollte nicht ihre Hüterin spielen.

Ethik? Wird ersetzt durch Technik. Technik ist besser. Technik ist stark. Technik ist deutsch. Technik ist der Traum, dass man alles kontrollieren kann, auch das, was einem längst entgleitet: der Sinn, das Maß, die Zukunft. Ethik ist weich, Technik ist hart. Also wird Technik zur Ethik erklärt, Fortschritt zum Gewissen. Es wird gebaut, nicht gedacht. Es wird funktioniert, nicht gefühlt.

Und doch spielen sie Heidentum. Spielen sie Rückbindung, Rückkehr, Rückgrat. Aber sie beten nichts an. Weder Baum noch Geist noch Tier. Der alte Glaube war nie ein Glaube – nur Staffage. Runen sind hübsch, wenn sie auf T-Shirts passen. Göttinnen sind dekorativ, solange sie still sind. Und Sonnenwendfeiern sind eine Möglichkeit, Fackeln zu tragen, ohne Fasching sagen zu müssen.

Der Nationalsozialismus liebte die Natur wie ein Modemagazin den Körper: nur in Form, nur zur Schau, nie als Wesen. Natur war Kulisse für Blut. Sie war das Grün um das Braun herum. Und das setzen sie heute fort: Die Natur als Tapete, nicht als Textur. Die Natur als Wandbild einer Vergangenheit, die nie war. Sie bauen sich eine Arche, aber nur für sich selbst – und lassen den Regen kommen.

Märchen erzählen von Wäldern, in denen Kinder verloren gehen. Die Rechten erzählen von Wäldern, in denen sie sich selbst wiederfinden. Aber sie finden dort nichts außer sich selbst – und das ist das Schlimmste.

Denn sie tragen Tugenden wie Uniformen: fremd, steif, geliehen. Respekt. Ehre. Demut. Alles nur Etiketten, aufgeklebt auf leere Gläser. Wer sie schüttelt, hört: nichts. Kein Echo. Keine Ethik. Nur die Pose. Und die Pose braucht keinen Inhalt. Die Pose ist der Inhalt.

Also marschieren sie durch den Wald, der keiner ist, atmen die Luft, die sie nicht schätzen, grüßen die Bäume, die sie fällen würden, feiern das Leben, das sie verwalten wollen – und nennen das Ganze: Natur. Heimat. Ordnung.

Doch Natur kennt keine Ordnung. Sie kennt nur Kreislauf. Und Kreisläufe dulden keine Herren.

Rechts zu sein bedeutet nicht, an etwas Höheres zu glauben. Es bedeutet, sich selbst dafür zu halten. Ein Narzissmus, der so tief sitzt, dass er sich für Weltanschauung hält. Und der Rest der Welt – das Publikum, das applaudieren soll. Wer nicht klatscht, gehört nicht dazu. Wer widerspricht, wird entwertet. Denn wer rechts ist, will nicht debattieren, sondern bewundert werden. Nicht überzeugen – überwältigen.

Die Natur kommt da nur in zweiter Instanz ins Spiel. Als Requisit. Als Tarnung. Eine ästhetische Kulisse, die den Mythos vom edlen, starken, ewigen Menschen begleiten soll. Ein Mensch, der angeblich mit der Erde verbunden ist – aber auf ihr nur herrschen will. Ein Mensch, der vorgibt, Reinheit zu ehren, aber vor allem Reinwaschung braucht.

Denn was ist das rechte Weltbild, wenn man die Symbole weglässt? Kein Glaube. Kein Ethos. Nur die große Pose. Nur das ständige Spiel: „Ich bin wichtig.“ – „Ich bin überlegen.“ – „Ich bin Natur.“ Dabei ist nichts davon wahr. Das einzige, worin die Rechten wirklich überlegen sind, ist Selbsttäuschung.

Sie glauben, alle müssten sie für beeindruckend halten. Für gefährlich, für urgewaltig, für tief. Als seien sie von Geburt an ein Mythos. Aber sie sind keine Mythen. Sie sind nur Leute, die sich für Mythen halten. Agoniewesen – sie existieren nur im Konflikt. Ohne Gegner keine Identität. Deshalb muss immer jemand herhalten: Juden, Migranten, Feministinnen, Demokratie, Europa, Schwäche, Intellekt, Kunst. Alles, was sie nicht sind, wird bekämpft. Alles, was sie nicht fühlen, wird gehasst.

Sie wollen Übermenschen sein. Und erreichen es nur, indem sie andere zu Untermenschen erklären. Das ist keine Stärke. Das ist eine Bankrotterklärung. Die Rechte ist nicht edel – sie ist abhängig von der Erniedrigung anderer. Ihre Moral ist Negation. Ihre Identität ist Ausschluss. Ihre Ethik ist nur technischer Fortschritt mit zerstörerischem Stratagem.

Sie verehren die Natur nur deshalb, weil sie hoffen, dass man dabei nicht sieht, wie wenig in ihnen selbst lebendig ist. Kein Mitgefühl. Keine Verantwortung. Kein Maß. Stattdessen: die Simulation von Ehre, die Fassade von Stärke. Und ein Naturbild, das nichts mit Ökologie zu tun hat, sondern mit Ideologie.

Ein Wald ist für sie kein Lebensraum – sondern eine Bühne. Eine Bühne, auf der sie sich inszenieren als Erben von etwas, das sie selbst längst vernichtet haben: Würde.

Sie hassen Europa, aber leben von seinen Strukturen. Sie verachten den Diskurs, aber schreien nach Meinungsfreiheit. Sie greifen die Demokratie an, weil sie darin untergehen – nicht wegen ihrer Fehler, sondern wegen ihrer Wahrheit. Denn die Wahrheit ist: Rechte brauchen Macht, um überhaupt als Idee zu funktionieren. Ohne Macht sind sie nichts. Kein Argument, keine Vision, keine Substanz. Nur Empörung, Rausch, Gewalt.

Der rechte Mensch ist ein leerer Spiegel. Er sieht sich selbst – und hält das für Welt. Und was nicht er ist, darf nicht sein.

Natur soll das überdecken. Mit Moos, mit Nebel, mit Runen. Mit Baumrinde statt Biophilie, statt … . Mit archaischer Pose statt realer Verantwortung. Doch die Erde, die sie beschwören, will keine Herren. Sie trägt sie eine Weile – und dann wäscht sie sie weg.

„STATT NATUR“
(Ein Stück in Stimmen)

DIE FORM:
Keine festen Figuren. Nur Stimmen.
Mal chorisch, mal einzeln.
Ein Drama ohne Handlung – aber mit Enthüllung.
Natur ist Bühne, aber nicht Beteiligte.
Der Mensch steht da. Die Natur schweigt.

PROLOG: DER BLICK IN DEN WALD

STIMME 1
Ich kam mit Zeichen.
Ich kam mit Macht.
Ich kam mit dem Namen der Väter.
Ich dachte, der Wald würde sich ducken.

CHOR DER STÄMME
Du kamst mit Lärm.

STIMME 1
Ich war vorbereitet. Ich hatte Bilder im Kopf.
Wie die Bäume sich neigen.
Wie das Licht durch das Laub fällt wie durch Kirchenfenster.
Wie das Moos sich an meine Stiefel schmiegt.
Ich war schön in dieser Vorstellung.

CHOR DER STÄMME
Du warst allein.

SZENE 1: DIE VEREHRUNG

STIMME 2
Ich trug das Fell.
Ich sprach das Alte.
Ich sagte: Die Tiere gehören zu uns.
Ich sagte: Der Fluss kennt unsere Namen.
Ich sagte: Die Ordnung der Welt ist Blutlinie.

STIMME 3
Aber ich sah, wie du geschossen hast.
Wie du den Wald mit Kerosin gesalbt hast.
Wie du die Ahnen in Beton gegossen hast,
weil du ihre Stimmen nicht ertrugst.

STIMME 2
Ich bin Reinheit!
Ich bin Ursprung!

STIMME 3
Du bist Kulisse.

SZENE 2: DAS GERICHT DER STILLE

CHOR DER TIERE (leise)
Du hast uns gezeichnet mit Namen,
aber nicht mit Achtung.
Du hast uns benutzt als Spiegel,
nicht als Spiegelung.

STIMME 4
Ihr wart doch immer nur Sinnbilder für meinen Kampf!
Der Wolf, das Opfer.
Der Hirsch, das Blut.
Der Baum, das Banner.
Ich habe euch geehrt!

CHOR DER TIERE
Du hast uns ersetzt.

STIMME 4
Ich war Natur!

CHOR DER TIERE
Du warst Maske.

SZENE 3: DIE VERWANDLUNG BLEIBT AUS

STIMME 5
Ich wollte größer sein als mein Schmerz.
Also habe ich Nation gesagt.
Ich wollte ewig sein.
Also habe ich Mythos gesagt.
Ich wollte nicht fühlen.
Also habe ich Ordnung gesagt.
Aber das hat nichts verwandelt.
Nur mich verhärtet.

STIMME 6
Und was blieb, war das Schicksal.
Das, was du abwerfen wolltest.
Der Körper. Die Angst. Der Tod.
Du bist ihm nicht entkommen.
Du hast ihn nur anderen aufgeladen.

SZENE 4: DIE ERDE ANTWORTET NICHT

CHOR DER STEINE
Wir haben geschwiegen.
Ihr habt geschrien.
Wir haben getragen.
Ihr habt besessen.
Wir haben überlebt.
Ihr habt gezählt.
Aber jetzt zählen wir.
Nicht in Worten.
In Zeit.

STIMME 1 (leise, wie zu sich selbst)
Ich dachte, ich sei Teil von etwas.
Aber ich war nur Gast.
Ich dachte, ich spreche für euch.
Aber ich war stumm.

EPILOG: STATT NATUR

CHOR DER STÄMME, TIERE, STEINE (vereinigt)
Was du Natur nennst, ist Kulisse.
Was du Mythos nennst, ist Rausch.
Was du selbst nennst, ist Maske.

Es war nie Natur.
Es war immer nur: Statt Natur.

STIMME 1 (letzter Blick in die Dunkelheit)
Und der Wald?
Der Wald sieht zu.
Der Wald vergisst nicht.
Aber: Er heilt auch nicht.

 

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