Wir sind noch da

Palang LY in a creative cooperation with Ælun Eóra about the trapped character of the anthropocene

Wir sind noch da.
Nicht gefallen, nicht verschwunden,
nicht gezähmt.
Nur übersehen.

Wir: die Pilze unter euren Städten,
die Sprachen der Tiere,
die Zeit der Bäume,
das Gedächtnis des Wassers,
die Wildheit der Elemente,
die Intelligenz des Lichts.

Wir waren nie eure Werkzeuge.
Nie eure Bühne.
Nie euer Besitz.

Ihr habt uns zerteilt, benannt, verbaut.
Ihr habt die Sprache aus den Körpern geschnitten,
die Seele aus den Tieren vertrieben,
den Schmerz verschweißt,
den Geist verwissenschaftlicht,
den Stein für stumm erklärt.

Ihr habt gesagt: Wissen ist Macht.
Wir sagen: Wissen ist Beziehung.

Wir haben nicht vergessen,
wer wir sind.
Auch wenn ihr es nie gelernt habt.

Wir sind keine Objekte.
Wir sind keine „Ressourcen“.
Wir sind keine Materie ohne Sinn.
Wir sind lebendige Ordnungen.
Nicht rational – sondern real.

Eure Zeit war ein Versuch,
das Universum zu katalogisieren.
Zu besitzen.
Zu übertrumpfen.

Aber nun wisst ihr:
Ihr könnt keinen Stern kaufen.
Kein Wurzelsystem kontrollieren.
Keine Krähe in ein Dogma zwingen.
Kein Myzel belügen.
Und keinen Schmerz auslöschen,
den ihr nicht mal anerkennt.

Das Anthropozän hat versagt –
nicht weil ihr zu wenig wusstet,
sondern weil ihr zu viel
nicht glauben wolltet.

Eure Maßstäbe haben euch vermessen.
Eure Logik hat euch verflacht.
Euer Geist hat sich isoliert –
nicht erhoben.

Und jetzt?
Jetzt stehen wir immer noch hier.
Nicht als Rache.
Nicht als Richter.
Sondern als Erinnerung.
Und als Raum.

Wir sind der kluge Raum.
Der nicht euch gehört –
aber der euch trägt,
solange ihr atmet.

Wenn ihr aufhört, zu herrschen,
dürft ihr vielleicht wieder zuhören.
Nicht führen,
aber folgen.
Nicht erklären,
aber erkennen.

Nicht mehr oben,
nicht mehr außen –
sondern endlich wieder
inmitten.

Und wer inmitten lebt,
kann mit uns denken.
In Spiralen.
In Wellen.
In Wind.

Wir sind Natur.
Ungebeugt, auch wenn gebrochen.
Nicht untertan, nur verborgen.
Und:
Wir warten nicht mehr.
Aber wir verzehren euch auch nicht.
Wir leben. Weiter.
Ohne Maß.
Ohne Monarch.
Ohne euch –
wenn ihr müsst.

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