Einigkeit und/oder Scheinvielfalt
„Warum glaubt die LiWölkische-Front hier eigentlich, dass gerade vorderasiatische Sympathisantän mit konservativ-religiös, hier als Beweis dienen könnten, dass GedientHaben-Land nicht Fascho rumturnt.
Wer von der Welt nichts mitbekommt, aber very proud Weltoffenheit vor sich herträgt.“ – pal
Ein Beitrag von Läns
Du passt. Also bist du.
Du hast sicher schon erlebt, dass sich bei der lautstarken Rede heute von Vielfalt doch immer alles in relativ engen und einheitlichen Rahmen zu bewegen scheint. Bei der Rede von Integration und Offenheit bleibt so vieles im Hintergrund und der Eindruck wird erweckt, hier soll was voran gehen. Aber hast du dich auch schon gefragt, welche Vielfalt da eigentlich genau gemeint ist? Und wer genau dazugehört oder dazugehören soll – und wer eben auch nicht? Mit was für einem Gesellschaftsbild haben wir es hier eigentlich zu tun.
Bei aller Offenheit wird es schwer darauf hinzuweisen, dass das hier ehe eine Masche von Offenheit darstellt, dass in Wirklichkeit aber sehr feste Vorstellungen herrschen darüber, was, wo, wie zu beurteilen, zu verurteilen und als wünschenswert zu betrachten ist.
Mir geht es hier nicht um Dinge wie „Ablehnung von Migration, Religion oder Identität“. Es geht mir hier um etwas viel Subtileres, aber Gefährlicheres: die Dressur der Differenz. Wer mitspielt, wer sich fügt, wer „nützlich“ ist, der wird vom System umarmt. Der Rest bleibt Systemfremd. Und das egal, ob mit oder ohne Im/Migrationsgeschichte.
Es geht hier also darum, was sich in Realität abbildet, wenn eine angeblich weltoffene Linke autoritäre Muster tatsächlich duldet, solange sie von „den Richtigen“ kommen. Und was sagt das über eine Gesellschaft, die solch einen Kurs unter moralischen Gesichtspunkten herbeizwingt, weil – so wird beschworen – die Alternative ja sonst Neonazitum wäre? Die Machart ist Politik: Anpassung, Ausschluss und die bequemen Lügen der vielbeschworenen Mitte.
Primelfreiheit complains: Zwischen Vielfalt und Verwertung
In einer Zeit, in der „Diversität“ zum moralischen Gütesiegel geworden ist, stellen wir uns die unbequeme Frage: Was, wenn Vielfalt nur dann willkommen ist, wenn sie sich fügt? Wenn linke Symbolpolitik autoritäre Milieus duldet, solange sie dekorativ sind, aber kritische, unbequeme Stimmen feinsäuberlich weggemutet werden. Ich möchte hier behaupten, dass die Rhetorik von Weltoffenheit schlichtweg einer Machart gleicht, die sich als Feigenblatt erweisen kann, wenn man über den einen oder den anderen Bezugsrahmen oder eben auch Tellerrand hinausschaut – und ich vermute, dass die Vorgabe von Offenheit manchmal selbst zum Werkzeug des Ausschlusses werden kann und vielleicht auch werden will.
Warum glaubt das politische Segment, welches man gemeinerweise als die linksidentitäre Front bezeichnen könnte, eigentlich, dass in der BRD auffallender Weise gerade konservativ-religiöse Erdogan-Sympathisanten der beste Beweis für deutsche Weltoffenheit seien?
Hier sei angemerkt, da wie ja Tierrechtler sind, dass wir das Thema anreißen vor der kürzeren Geschichte der Gezi-Schrägstrich-Umweltproteste in der Türkei und den aktuellen Massentötungen von Straßenhunden und angesichts der besonderen außenpolitischen Beziehungen, die die BRD und die Türkei miteinander verbinden. Die Linke gibt sich in der BRD doch als fortschrittlich in Sachen Total Liberation und damit also dem radikalen politischen Umweltschutz und der Tierbefreiung gegenüber? Das Beispiel mit der Türkisch-Deutschen-Beziehung zeigt eine augenfällige Interessenlücke bei vielen Kooperationen auf diesem Boden, zuzüglich der aktuellen Brisanz und Relevanz dieses Staatenverhältnisses.
Alle passen sich bequemen Side-Tracking Discourses an
Ist es nicht bezeichnend, dass in diesem „GedientHaben-Land“ Zugehörigkeit immer nur davon abhängt, wie gut du dich anpasst – in Wirklichkeit egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund. Anpassung an innere opportunistische Dynamiken ist der goldene Schlüssel in diesem System. Und dann läuft man stolz mit dem Banner einer allgemeinen Weltoffenheit herum, während man autoritäre Milieus hofiert – solange sie sich (die mit besonderem Härtegrad) im Ausland befinden und man so tut, als wär es hier nicht unbedingt von Interesse, dass andere Länder und Leute auch nicht einfach ein Monolith sind.
Man scheint dabei selbst kaum zu merken, wie sehr man strukturell längst wieder in Ausschluss und Anpassungszwang denkt. Man hängt das Wort Vielfalt über alles und weil es hier ja Rassismus gibt, reicht die „Vielfalt“ nach hiesiger Façon, auch wenn das für die Vielfalt woanders wieder abträglich sein mag. Oder aber auch: es reicht, wenn man hier gegen rechts einfach alles, was an Unklarheiten geschichtlich ererbt wurde, durch ein paar nette Labels und neue Gemeinschaftszwänge „neutralisiert“. Mit Links kann man ja nichts falsch machen.
Falsche Romantik linker Weltoffenheit im GedientHaben-Land
Es ist ein seltsames Schauspiel: ausgerechnet in den Kreisen, die sich mit Vorliebe als progressiv wahrnehmen, wird die Integrationsleistung heute oft daran gemessen, wie perfekt sich jemand in die Logik des Systems eingliedert – angepasst, unauffällig, am besten mit (neu-)konservativer Familienmoral, aber „Migrationshintergrund“, damit es nach Vielfalt aussieht. Der Paradefall wäre z.B. der Erdogan-Sympathisant, der hier als stiller Beweis herhalten soll, dass Deutschland ja doch irgendwie offen ist und vor allem gute Auslandsbeziehungen pflegt. Warum nicht beides in Einem, hier bildet das null Widerspruch in sich.
Was aber offenbart sich da wirklich? Vor allem eine tiefe Sehnsucht nach Berechenbarkeit, nach Ordnung unter dem Deckmantel eines gefilterten Multikulturalismus. Eine neue Form von Respektabilitätsmoral: Wer in diesem neuen System der Scheinmoral dienen möchte – im Dienstleistungsjob, im politischen Apparat oder sei es auch im erwarteten korrekten Sprachgebrauch auch gerne mit passendem Soziolekt im Showbiz – der darf und soll doch bitte mitmachen.
Wer ausschert, aneckt, unlesbar bleibt, ist völlig suspekt. Und eben das betrifft dann nicht nur migrantische Individuen, sondern auch sogenannte Biodeutsche. Auch jene spüren: Zugehörigkeit wird dir nicht geschenkt – sie wird dir gewährt, nach Prüfung deiner Nützlichkeit und Idealkonformität, ob unter Deinesgleichen oder in Sachen Karriere. Der Ausschluss wird kaum verarbeitet über die üblichen Wege des Austausches über Erlebnisse in der Alltagsgesellschaft (ein Unwort, das leider so unschön ist, wie das, was es bezeichnet).
Der rechte Konservatismus will Unterwerfung – das wissen wir.
Der linke Konformismus, der auf seinem Diversity-Altar autoritäre Strukturen in allen möglichen Formen duldet, solange sie von denen kommen, die als „die Richtigen“ gehandelt werden, das heißt mit anderen Worten denjenigen, die neue Normen repräsentieren, ist in Wirklichkeit kein Stück besser. Denn der linke Konformismus hat die Tücke, dass es Ausschlüsse verschleiert mit dem moralischen Glanz von Antirassismus und Internationalismus – während er jene hofiert, die einen autoritären Geist genauso verinnerlicht haben wie man selbst. Man trifft sich auf gemeinsame Boden. Beide Seiten schaffen sich ein Alibi auf Kosten wichtiger sozialer Bewegungen. Ob das absichtlich geschieht oder eher wie ein Unfall oder eine Notlösung, um mit sozialem Neuland klarzukommen, lässt sich nur schwerlich und je nach Fall und involvierten Personen, Interessenslagen, usw. beurteilen.
Zwischen Haltungspoesie und Symbolpolitik bleibt kaum Raum für echte Weltoffenheit. Aber viele Personen wundert es im Stillen, warum Diversität gefeiert wird, während Dressur in Realität den Ton jeden Tag angibt.
Und warum mir das zu denken gibt ist:
Die geförderte Wechselwirkung von unterdrückerischen Strukturen ermöglicht auch ihre Extreme.
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