Update über Bill und Lou vom 7. November 2012. Die moralische Ohnmacht und der unverstandene Speziesmus …

Siehe http://twitter.com/SaveLouandBill für weiterführende Links auf die laufenden Petitionen, News, Zeitungsartikel, Kommentare

Petitionslinks und Protestadressen befinden sich auch hier im Text unten: https://simorgh.de/niceswine/das_ochsenpaar_bill_und_lou_in_vermont

Update über Bill und Lou vom 7. November 2012

Die moralische Ohnmacht und der unverstandene Speziesmus im Fall von Bill und Lou, den beiden Ochsen im Green Mountain College, denen immernoch die grausamste Art der Tötung droht: die Schlachtung.

Kant in seiner Kritik der praktischen Vernunft, A 298:

„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel und das moralische Gesetz in mir. Der erstere Anblick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit, als eines tierischen Geschöpfs … Der zweite erhebt dagegen meinen Wert, als einer Intelligenz, unendlich, durch meine Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unanbhängiges Leben offenbart.“

Moralisches Empfinden, ist aber mit der Welt verbunden, und der reele moralische Wert und die reele moralische Motivation im nichtmenschlichen Tierleben, kann von uns nicht als nonexistent gegennzeichnet werden: wir wissen de facto nicht ob und wie nichtmenschliche Tiere eigene, vielleicht mit uns unvergleichliche, aber auch in sich gültige, moralische Codice haben.

Die Erfüllung des Wunsches mit meinem moralischen Gewissen im Reinen zu sein, kann in dem Moment zum Selbstzweck werden, wenn der Zusammenhang zwischen der Eigenbedeutung und der Bedeutung des Anderen (per se) – d.h. der Bedeutung überhaupt, also auch der meines Gegenübers, das ich in den Tieren, in der Natur (im „All-Leben“) erblicke, und meinem sensiblen und reflektiven Bewusstsein und Gefühl meiner Moralvorstellungen – ein unklarer und undefinierter Zusammenhang bleibt. “Die Welt und ich” gehören eben genau durch mein „Moralempfinden“ zusammen.

Der Fall der zwei Ochsen Bill und Lou im Green Mountain College in Vermont, USA, über die wir kürzlich berichtet haben:
https://simorgh.de/niceswine/das_ochsenpaar_bill_und_lou_in_vermont , mit der Bitte die laufenden Petitionen zu unterzeichnen – was auch immer noch getan werden sollte, denn noch ist es nicht zu spät -, verzerrt sich derzeit zu einem Medienspektakel innerhalb der Aktivisten, die sich für die Rettung der beiden einsetzen.

Die beiden wurden 10 Jahre lang als „Zugtiere“ eingesetzt in dem College, das sich besonders auf Studien über nachaltige Agrarwirtschaft spezialisiert. Das College hat gemeinsam mit den Studenten eine Entscheidung dahingehend getroffen, das Leben der Tiere durch die Schlachtung zu beenden. Tierrechtsbewusste Menschen protestieren seither für die Übergabe von Bill und Lou an einen Schutzhof. Das VINE Sanctuary, das auch im Staat Vermont liegt, möchte die beiden unbedingt zu sich nehmen (ohne anfallende Kosten für das College), aber das College will nicht. Auch hat VINE bei dem Schutzhof Farm Sanctuary angefragt, ob Bill und Lou auch dorthin gebracht werden könnten, was problemlos geschehen könnte. Hohe Summen zum Freikauf der Tiere wurden geboten, aber das College argumentiert eben so, wie die „nachhaltige Landwirtschaft“ (die sich bislang durch den Speziesismus „kulturell“ definiert) das eben tut.

Bei dem Engagement steht eins offen von Seiten derer, die sich in gerechter Weise für die Sache der Tierrechte einsetzen: Wie genau läuft die Kommunikation des Falles, der exemplarisch ist, als solches zwar verstanden wird, aber in begrenzt reflektierender Weise. Denn was zur Diskussion für die Tierrechtler stehen müsste, ist die Art, wie sich der Speziesismus und die spezisitische Taktik, Rethorik und Handlungsweise, kurzum die (schein-)„Ethik“ der nachhaltigen Landwirtschaft, hier aufbaut; immerhin geht die Organisation PETA soweit, von Greenmountain zu fordern, dass, wenn man die beiden dort unbedingt töten „wolle“, man dies in aller Öffentlichkeit tun soll, damit das Töten einen zumindest einen „erzieherischen Sinn“ habe. (1) (Einen so erzieherischen Sinn wie eine öffentliche Hängung oder ein Mysterienspiel von Hermann Nitsch?)

Der Geschichtsprofessor James McWilliams von der Texas State University und die Leser seines Blogs begleiten engagiert den Fall und McWilliams hat bereits angekündigt, dass er ein E-Book über Bill und Lou schreiben werde, wofür er einen Monat mit dem Bloggen pausieren wolle: Es ist noch nicht einmal klar, in welche Richtung, nach oben und unten, die grausame Waagschale menschlicher Willlkür tarieren wird!

VINE Sanctuary wurde von Studenten des Green Mountain College als „Feminazi“-Gruppe bezeichnet und ein Hitler-Youtube Video über sie angefertigt. Die Betreiberinnen des Schutzhofes VINE sind vegane Ökofeministinnen aus der LGBT Szene. Die anderen Engagierten aus der Tierrechtsbewegung halfen den Leuten von VINE nicht, sich gegen solche Angriffe zu wehren und dieser Aspekt, wie Speziesismus und Sexismus Hand in Hand arbeiten, wurde von den dadurch Nichtbetroffenen ausgeblendet.

Der Mikrokosmos der Tierrechte und der der Menschenrechte sind so verwoben wie die Feingliedrigkeit und die Unfassbarkeit eines funktionierenden, intakten Ökosystems. Aber wir verstehen wohl weder die Gefüge einer urpolitischen Interdependenz so ganz, noch das Gefüge des Naturhaften überhaupt.

Nun bleibt uns nur zu hoffen auf die Mitfühlsamkeit, die „compassion“, die wir vielleicht bei anderen erwecken oder durch öffentlichen Druck erzwingen können.

Es braucht einen „public outcry“ der einen freien radikalen Clout erzeugen kann in dem Größenmaß, dass er stark genug ist um in Sachen Tierrechten, Speziesismus und Antispeziesismus zwei Leben retten zu können.

(1) “‘We urge you with great urgency to make the compassionate decision to spare the lives of Bill and Lou,’ Huling continued in the email. ‘But if you move forward with the slaughter, you should, as educators, at the very least use this injustice as a learning opportunity.'” PETA wants public slaughter of oxen, http://www.rutlandherald.com/apps/pbcs.dll/article?AID=/20121106/NEWS01/711069905 (letzter Zugriff vom 7. Nov 12)

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Gita Yegane Arani-May

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