Festlegung und Inszenierung

Aus Pimmelhreiheit Nr 1.

Oscar Wildes Teleny und sein Bildnis des Dorian Grey kreuzen sich hier in einem Versuch, um zu verdeutliche, wie eine mögliche homoerotische Selbstverliebtheit einer männlich gelesenen Person, in Wechselwirkung mit der Verlogenheit von Dorian Grey, der nicht will, dass man ihm seine eitle Selbstsucht ansieht, in Wechselseitigkeit erkennen lassen, wie > Privileg und sexualisierte Phänotypie miteinander verbunden sind, im den von vielen Menschen typischerweise hochgehaltenen Männerbildern und respektive Frauenbildern, gleich ob homosexuell oder heterosexuell, egal ob trans, binär, nicht binär: Die Rollen sind, sind irgendwie kulturell belegt, und keiner will oder kann von dieser Rollenbelegung wirklich abweichen, außer der echte in diesem Punkte kreativdenkende Außenseiter, der seine Wahrheitsfindung über andere Wege zu erlangen sucht.

Hier ist ein literarisches Experiment, das Passagen aus Teleny und Das Bildnis des Dorian Gray kombiniert, um das Spannungsfeld zwischen homoerotischer Selbstverliebtheit, verlogener Eitelkeit und den rigiden, oft sexuell aufgeladenen Männer- und Frauenbildern zu beleuchten:

Ein Spiegelbild „aus dem eigenen Fleische“

Dorian sah sich im Spiegel. Seine Schönheit war unantastbar, unberührt von Zeit oder Sünde, während das Bild im Nebenzimmer sein dunkles Echo aufzeichnete. Was hatte es mit ihm zu tun? War er nicht mehr als eine Projektion der Begierden, die andere auf ihn warfen? Seine makellose Haut, seine glatten Lippen—eine Leinwand für den Blick der anderen.

„Ist es nicht schrecklich, mein Lieber, dass wir so viel in den Körper eines Mannes hineinlesen? Dass er, jung und schön, nicht einfach sein darf, was er ist, sondern immer etwas bedeuten muss?“ fragte Camille, als er Reginald betrachtete, dessen nackter Körper im Lampenlicht glänzte. „Er muss Leidenschaft versprechen oder Unschuld verkörpern—etwas Drittes ist nicht vorgesehen.“

Dorian lächelte spöttisch, als hätte er das eben Gehörte im Geiste mitgelesen. „Schönheit ist ein Privileg“, murmelte er. „Und Privileg ist eine Lüge. Es ist ein Schuldschein, den andere für dich einlösen.“

„Ach, mein Teurer, du redest, als wärst du kein Nutznießer dieser Lüge“, erwiderte Camille mit einem leisen Lachen. „Glaubst du, es ist anders für mich? Für uns? Was du als Privileg ansiehst, ist ein Fluch, ein Zwang. Man begehrt uns nicht als Menschen, sondern als Verkörperungen einer Lust, die wir gar nicht geschaffen haben.“

Dorian drehte sich um. „Und du willst mir weismachen, dass du nicht genießt, was dein Körper für andere bedeutet? Dass du es nicht kultivierst, ihn in Szene setzt, dich darin spiegelst, wie ein Gott in einer stillen Wasseroberfläche?“

Camille trat näher und sah ihn an, wie ein Künstler eine Statue betrachtet. „Vielleicht sind wir alle nur Projektionen der Begehren anderer. Vielleicht gibt es gar keinen echten Mann oder echte Frau, nur Bilder, Rollen, Schatten. Und die einzige Wahrheit gehört den Außenseitern, die sich weigern, eines dieser Schattenbilder zu sein.“

Dorian lachte, und sein Lachen klang wie eine feine Klinge, die durch die Luft schnitt. „Und was bleibt dann von uns? Ohne das Spiel der Spiegel—ohne das Bild?“

Camille berührte Dorians Wange sanft mit der Hand. „Vielleicht bleibt dann nichts. Oder aber… die Wahrheit.“

Diese Passage kombiniert die Motive der narzisstischen Selbstbetrachtung aus Dorian Gray mit der offenen homoerotischen Körperlichkeit aus Teleny, um die Verbindung zwischen Privileg, Begehren und der Unentrinnbarkeit gesellschaftlicher Rollen zu hinterfragen. Dorian, der sein eigenes Bildnis fürchtet, steht dabei für die Verleugnung der eigenen Inszenierung, während Camille die Künstlichkeit dieser Rollen durchschaut—und zugleich anerkennt, dass sie vielleicht unausweichlich sind.

 

 

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