Erster Entwurf, 19.05.2025

Im Universum, im Wald, Du überlebst höchstens Dich selbst. Jagd, Herrschaft, das Natur-Missverständnis: Bushcraft unter Schwerkraftbedingungen

Aus dem Tagebuch eines Druiden. Für die, die hier nicht (mehr) mitspielen.

In einer Welt, in der kaum noch etwas wild ist, feiert der Mensch sein „Survival“.
Nicht einmal im Jahr. Nein – regelmäßig, obsessiv. Als Lifestyle.
Bushcraft als Hobby. Mikroabenteuer im Wald. Biwakieren auf abgekämpfter Erde.
Was sich wie Rückkehr zur Natur inszeniert, ist oft nichts anderes als permanente Störung.
Eine Inbesitznahme. Eine weitere Kolonialisierung der letzten Rückzugsorte.

Die Natur wird zur Bühne für ein Ich, das sich spüren will.
Diese Szene – sie kooperiert längst mit der Jagd.
Sie verbrüdert sich mit Förstern, Wildtierbeauftragten, Kontrollinstanzen.
Sie spricht von Respekt – und meint Reglement.
Sie spricht von Freiheit – und meint Zutrittsrechte.

Bushcraft, Survivaltraining, Outdoorromantik – das sind keine Ausbrüche.
Das sind einstudierte Übungen in Selbstvergewisserung.
Der Mensch, der wissen will, dass er noch kann – sich durchschlagen, dominieren, entscheiden.
Nicht, weil es nötig ist – sondern weil es sich gut anfühlt.

Aber was wird da eigentlich überlebt?

Nicht das Tier. Nicht der bedrohte Lebensraum.
Sondern das Bild vom Menschen, das sich immer wieder neu behaupten muss – gegen eine Welt, die er nicht versteht, und deshalb kontrollieren will.

Und dann kommt die Jagd.

Während Tiere fliehen, spielen Menschen Raubtier.
Aber der Mensch ist kein Raubtier.
Er will sich eines nennen – aber das ist eine Pose. Eine Fiktion.

Der Mensch ist ein Herrschaftswesen.
Nicht, weil es in seiner Natur liegt. Sondern weil er sich diese Natur ausgedacht hat – als Erzählung, als Ideologie, als Begründung für Kontrolle.

Er glaubt, Tiere seien instinktgetriebene Maschinen.
Er nennt sie „wild“, „instinktiv“, „niederrangig“.
Doch was er über Tiere weiß, ist durchzogen von Jahrtausende alten Projektionen.
Er sieht, was er sehen will.
Er spricht über sie mit den Vokabeln von Besitz, Kontrolle, Brauchbarkeit.

Tiere –wir sagen: Animal Sapiens – sind fühlende, lernende, komplexe Subjekte.
Sie leben in Erkenntniskontexten, so komplex, dass wir sie kaum begreifen – und nicht einmal wahrnehmen können.

Die vielbeschworene „Fähigkeit des Menschen zur Empathie“ ist kein Alleinstellungsmerkmal.
Sie ist Teil seiner Wahrnehmung – genau wie bei anderen Tieren auch.
Was den Menschen unterscheidet, ist nicht, dass er unterscheiden kann –
sondern wie er unterscheidet,
und was er daraus macht.

Und genau hier liegt der Bruch:

Denn sobald verschiedene Haltungen zum Leben auf dieser Erde existieren –
wenn die einen sagen „Wir müssen töten, um zu schützen“ und die anderen „Wir müssen schützen, um das Töten zu beenden“ –
dann ist der Mythos einer gemeinsamen, natürlichen Ordnung zerbrochen.

Es gibt eine Grunddifferenz.

Zwischen denen, die erkennen, dass ihre eigene Landkarte über das Leben falsch ist –
und denen, die diese Karte zur Wahrheit erklären.
Zwischen denen, die bereit sind, Falsches/Unrecht zu verlernen –
und denen, die lieber verwalten, verwerten, verteidigen.

Der Mensch ist nicht „ein Tier an der Spitze, das den Gegensatz zu den anderen Tieren, die an ihm zu messen wären, an seinen Maßstäben und ihm unterzuordnen wären, weil dieses Tier an der Spitze zu aller Herrschaftsmacht und -gewalt fähig ist“.
Er ist wenn dann ein Wesen unter anderen Wesen – aber eben eines, das sich selbst zum alles beherrschenden Zentrum der Welt bestimmt hat, durch gewaltsame Unterwerfung alles Lebendem.
Das muss nicht so bleiben und es hätte nie so sein müssen.

Wir leben nicht alle im selben Verhältnis zur Natur.

Es gibt Menschen, die in den Wald gehen, um zu helfen.
Die sehen, was geschieht – Vertreibung, Verstörung, Zerschneidung, Zerstörung.
Die verstehen, dass „Wildnis“ heute nicht Abenteuer heißt, sondern Verantwortung.

Und es gibt die anderen.
Die sich nochmal spüren wollen, die ihre Identität so realisieren wollen.
Die Natur brauchen und missbrauchen als Projektionsfläche für ihre stereotypen Konzepte von Stärke, Kontrolle, Behauptung.
Die nicht hören, nicht sehen, nicht anerkennen, dass sie Teil eines Problems sind, dass sie faktisch Antinatur sind, weil Natur nicht Kampf ist, und dass kein Utensil ein Ersatz für die reale Weisheit ist, die sich ihnen bestimmt nicht erschließen wird, mit ihrer selbstverliebten Komplott artigen, menschlich gearteten Hybris.

Wir teilen eine Generation – aber nicht die Haltung.
Wir begegnen uns alle auf dieser einmaligen Erde – aber euer Blick ist euer geistiges Gefängnis.

Und kein Tarnmittel, keine Outdoorromantik, kein naturschutzbemäntelter Jagdschein wird überdecken können, dass eure Wahrheit einfach nur eure Wahrheit ist.

Die Natur braucht keine drachentötenden Helden.
Keine Tierkinder ihrer Eltern beraubenden Jäger.
Keine „Überlebenden“.
Sie braucht ganz im Gegenteil Menschen, die ihr verachten, Menschen die bereit sind, der Natur gegenüber abzurüsten.
Innerlich wie äußerlich.

– Für eine Natur jenseits der Herrschaft. Gegen Jagd. Gegen Kontrollfetisch. Für eine radikale speziesübergreifende Koexistenz.

 

 

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