Aus dem Logbuch: Thema medizinisches Modell > Diskriminierungsebenen > Ableismus und Sprachvielfalt
Schade ist, dass wenn man das Problem der Unsichtbarkeit bestimmter Sprechbehinderungen, die wir hier diskutieren, anspricht, auch unter Verbänden, die im Bereich Selbstbestimmten Lebens von Menschen mit Behinderung arbeiten, man vermutlich genau aus dem Grund wenig Unterstützung erhält, weil diese von uns angesprochenen Problematiken eben in unserer Gesellschaft noch weiterhin zu wenig beachtet sind.
Unser Ziel ist es, dass Menschen mit Sprechbehinderungen, die Unterstützte Kommunikation nutzen, dies aber nicht “fließend” tun können oder tun möchten, in ihrer eigenen Sprachkompetenz abgeholt werden. Die Breite und Komplexität von kommunikativ-sprachlichem Ausdruck sollte anerkannt werden. Der Mensch mit Sprechbehinderung muss sich nicht einem able-bodied System und den Vorstellungen anderer davon, wie Sprache und Sprechen “richtig” funktioniert “unterordnen”, sondern das Sprachverständnis über Sprechen und Sprache sollte wechselseitig wachsen und alle Möglichkeiten und Varianten barrierefreier Kommunikation sind dabei am Start.
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Weil Sprechbehinderung immer wieder in ableistischer Weise in der Gesellschaft mit Unterstellungen begegnet wird, die in Richtung in-Abrede-stellen- von-kognitiven-Fähigkeiten gehen, und dies in der Regel mit laienhaften Argumentationen, die sich auf das medizinische Modell von Behinderung berufen möchten, unterfüttert wird, sammeln wir hier nun mal einige Aussagen über die Abträglichkeit dieser Argumentationseben, die im Anti-Ableismus ohnehin nicht akzeptabel sind und als Ausdruck einer offen ableistischen Haltung einzustufen sind im Bereich der Antidiskriminierungsarbeit und des Antidiskriminierungsaktivismus.
Ein Einstiegsinfo zur Differenzierung zwischen den allgemeingängigen Einstellungen, denen wir in der Gesellschaft begegnen > Drei Modelle von Behinderung, Auszug aus Info der UN zu Kommunikation > https://simorgh.de/disablismus/drei-modelle-von-behinderung-auszug-aus-un-info-zu-kommunikation/
Diskriminierungsmomente und das medizinische Modell von BeHinderung:
“Das medizinische Modell kann auch die Art und Weise beeinflussen, wie Menschen mit einer Behinderung über sich selbst denken. Die negative Botschaft kann vermitteln, dass alle Probleme, die das Leben mit einer Behinderung mit sich bringt, darauf zurückzuführen sind, dass sie keinen “normalen” Körper haben. Eine behinderte Person könnte dann denken, dass ihre Beeinträchtigungen sie automatisch von der Teilnahme an sozialen Aktivitäten ausschließen.
Diese subversive Form der Unterdrückung kann die Wahrscheinlichkeit verringern, dass Menschen mit einer Beeinträchtigung ihre Ausgrenzung aus der Mainstream-Gesellschaft sich weniger trauen in Frage zu stellen.”
https://www.devon.gov.uk/equality/home/disability/medical-model [Zugriff: 09.03.24]
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Das medizinische Modell richtet einen defizitären Blick auf BeHinderung
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“Das medizinisches Modell der Behinderung
Das soziale Modell von Behinderung besagt, dass Behinderung durch die Art und Weise, wie die Gesellschaft organisiert ist, verursacht wird. Das medizinische Modell von Behinderung besagt, dass Menschen durch ihre Beeinträchtigungen oder Unterschiede behindert sind.
Nach dem medizinischen Modell sollten diese Beeinträchtigungen oder Unterschiede durch medizinische und andere Behandlungen ‘behoben’ oder verändert werden, selbst wenn die Beeinträchtigung oder der Unterschied keine Schmerzen oder Krankheiten verursacht.
Das medizinische Modell betrachtet, was mit der Person ‘falsch’ ist, und nicht, was die Person braucht. Es schafft niedrige Erwartungen und führt dazu, dass die Menschen ihre Unabhängigkeit, ihre Wahlmöglichkeiten und die Kontrolle über ihr eigenes Leben verlieren.”
https://www.disabilitynottinghamshire.org.uk/index.php/about/social-model-vs-medical-model-of-disability/ [Zugriff: 09.03.24]
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“Für Ärzte würde die vollständige Übernahme von Ansichten des Sozialen Modells politisches Engagement und eine stärkere Konzentration auf gesellschaftliche statt auf individuelle Probleme beinhalten. Selbst wenn die meisten Ärzte diese Rollen für sich nicht übernehmen möchten, so kann ein größeres Bewusstsein für die Perspektiven von Menschen mit Behinderungen und die Vertrautheit mit der Kritik am medizinischen Modell ihnen dabei helfen, neue Wege zur Verbesserung der Versorgung ihrer Patienten zu finden und gleichzeitig die Möglichkeiten und die Unterstützung für klinische Auszubildende und Kollegen mit Behinderungen zu verbessern.
[…]
Seit den 1990er Jahren haben Befürworter des sozialen Modells der Behinderung weitgehend die Ansicht vertreten, dass Beeinträchtigung und Behinderung miteinander verwoben sind, und dass die individuellen Herausforderungen durch die Beeinträchtigung nicht außer Acht gelassen werden sollten. Dennoch äußern viele Menschen mit Behinderung, die ihre eigenen Interessen gemeinschaftlich vertreten, weiterhin ein erhebliches Misstrauen gegenüber der medizinischen Gemeinschaft und deren Ansätzen.”
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6312522/ [Zugriff: 09.03.24]
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Snippets aus dem deutschsprachigen Raum:
“Das medizinische Modell ist leider immer noch sehr verbreitet und in vielen Köpfen verankert, obwohl es letztlich auch ein Überbleibsel aus der Zeit des Nationalsozialismus ist.”
https://www.integration-tirol.at/das-medizinische-modell-von-behinderung.html [Zugriff: 09.03.24]
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dazu aber vielleicht spontan nochmal diesen Aspekt:
“Normal und abnormal
Das Vermächtnis des eugenischen Modells für das Verständnis der Sprache und der Theorie über Behinderung besteht darin, dass es das Konstrukt von “fit/unfit” schuf, das den Weg für die Einstufung von Menschen als normal oder abnormal ebnete.
Dieses Konstrukt von normal ist wichtig, da es als Maßstab dafür dient, wie Menschen als voll funktionsfähige Menschen angesehen werden. Jeder, der nicht dem Idealtypus des “Normalen” entspricht, wird als ein ‘weniger vollwertiger’ Mensch angesehen.
Genauer gesagt wurde dadurch die Vorstellung konstruiert, dass Behinderung das Problem des Einzelnen und seines untauglichen Körpers oder seiner Anatomie sei, was wiederum den Weg für das medizinische Modell der Behinderung ebnete.”
https://www.drakemusic.org/blog/nim-ralph/understanding-disability-part-2-the-eugenics-model/ [Zugriff: 09.03.24]
Dieser Text verlinkt weiter zu einem sehr lesenswerten Beitrag auf der gleichen Seite von > Drake Music > an organisation working in music, disability and technology.:
“Das Medizinische Modell
Zusammenfassung: Nach dem medizinischen Modell hat eine Person eine Behinderung.
Diese Behinderung ist ein ‘Problem’ in ihrem Körper, das von der Medizin und der Wissenschaft behoben oder verwaltet werden muss, um ein ‘normales’ Leben führen zu können.
Die Sprache des medizinischen Modells umfasst Begriffe wie normal, abnormal, behindert, blind, […], nicht behindert, […], leidend, bedürftig, […] und an den Rollstuhl gefesselt.
Das medizinische Modell des Verständnisses von Behinderung entstand aus dem eugenischen Rahmen, und dieser Rahmen prägt noch immer auch auch zeitgenössische Diskussionen und Ansätze zum Thema Behinderung heute.
Während die Eugeniker davon ausgingen, dass untaugliche Eigenschaften – sowohl soziale als auch körperliche – im Körper vererbt werden und aus der Gesellschaft entfernt werden sollten, konzentriert sich das medizinische Modell speziell auf die wahrgenommenen Unvollkommenheiten des menschlichen Körpers.”
https://www.drakemusic.org/blog/nim-ralph/understanding-disability-part-3-the-medical-model/ [Zugriff: 09.03.24]
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Wir werden wohl weitere Snippet hinzufügen …