Von Fleischgläubigen und Relativierern

Spezies-subjektive Prosa; Traktat.

Von denen, für die Fleisch ein anzubetendes Kulturgut darstellt, und denen auf der Gegenseite, die aus irgendeinem nicht nachvollziehbaren Grund begonnen haben, die Aussage „Meat means Murder“ zu relativieren

Manche meinen sie könnten ernsthaft eingefleischte Fleischfetischist*innen von einer anderen Lebensweise und einer damit einhergehenden anderen Haltung der nichtmenschlich-tierlichen Mitwelt gegenüber überzeugen, indem sie sagen: „Das mit den ‚Rechten‘ an und für sich, und genauer das mit den Tierrechten, ist so eine Sache. Die können wir ja diskutieren, aber ich überzeuge die von manchen von uns liebevoll als “Fleischi” bezeichneten Mitbürger, indem ich ihnen sage, wie wichtig so eine veränderte Lebensweise, die Tiere ethisch mitberücksichtigt, vor allem für die Umwelt und für unsere menschliche Zukunft in Hinsicht auf das Ressourcenmanagement ist … .“

Und man beruft sich dabei gerne, als den praktisch-ethischen Ansatz, den man verfolgt, auf seinen Veganismus, indem man diesen aber primär auf die pflanzliche Ernährung und -Anbauweise reduziert, und dabei geflissentlich dessen große Hoffnung auf eine aufgeklärtere Haltung im Bezug auf die Mensch-Tier-Beziehung unterschlägt.

Ja, der Veganismus hat sich aus wirklich tierethischen Gründen vom Vegetarismus bewusst abgespalten. Das war der Hauptmotor der Anfänge dieser Bewegung. Watson, Morgan, Shrigley und Co. schafften es, das Wesentliche zu fokussieren. Trotz aller vorteilhaften Begleiteffekte des Veganismus ging es ihnen in erster Linie darum, wie genau es den nichtmenschlichen Tieren geht. Full stop.

Man darf nicht vergessen, dass die ethische Debatte pro- und gegen Tiere keinesfalls neu ist.

„Nein, das glauben wir ihnen nicht!“ Doch, bitte! Denn schauen Sie sich mal die Entwicklung der vegetarischen Bewegung über die Geschichte hinweg an. Wer hier nicht das eigentliche Motiv erkennt, der ist dabei das Wichtigste in der Entwicklung zu unterschlagen. [1]

Fleischverzehr und die dazugehörigen Vorgänge des Mordens von nichtmenschlichen Tieren werden von vielen Menschen in unserer Kultur als, ihrer Meinung nach, ganz wichtige ‚Traditionen‘, ‚kulturelle Leistungen repräsentierend‘ und ‚Kulturgüter‘ betrachtet, die sie niemals in irgendeiner Weise aufgeben wollen würden und vehement verteidigen. Menschen, die solche Haltungen haben, können bezüglich anderer Themen durchaus recht aufgeklärt sein. Der Punkt aber, dass Tiere für sie in jeglicher Hinsicht da zu sein haben, in wirklich jeglicher Hinsicht, is so deeply engrained – you can’t pull it out of their mental frameworks. Und sie stoßen ja auch bequem immer wieder auf bequem zu ignorierende defensive Haltungen bei der „Gegenseite“.

Jetzt kommen manche wichtigen tierethisch-argumentierenden daher und verwässern das, wo eigentlich die klaren und normalen Zusammenhänge zwischen Rechten und Ethik bestehen, indem sie eine Reihe sophistischer Nebenschauplätze eröffnen, mit dem Argument, eine ethische Beziehung müsse bei Tieren doch auch ohne die ach so anthropozentrischen „Rechte“ möglich sein. Das heißt, wenn Menschen Tiere doch ethisch berücksichtigen würden, dann bräuchten wir doch gar keine Tierrechte und der Begriff Tierrechte würde zudem ja auch inzwischen von Leuten verwendet, die Tieren offensichtlich schaden … .

Denn was sind schon Rechte, solange es nicht die eigenen sind. Man könne ja auch für Tiere sein, indem Tiere weiterhin für uns da zu sein haben – als die, für die wir sie erklärt haben – siehe Zoologiebuch Seite XY (mit Homo sapiens on top).

Für manche Expert*innen der gesellschaftlichen Mensch-Tierbeziehung werden Schlachthausarbeiter so auch problemlos einfach nur zu einer Art Menschen, die in rationalisierter Form Tiere morden können. „Sie morden doch nicht, sie haben Gründe für das, was sie für richtig halten. Da es keine Tierrechte gibt, gibt es schlichtweg auch gar keinen Tiermord. So einfach ist das!

Diese Expert*innen suggerieren, Tiere seien so, dass man im Bezug auf sie wohl rationalisiert morden können müsste. Sonst würden Menschen das doch nicht tun?

Das Recht des Menschen mit einem humanistischen Ideal betrachtet zu werden wiegt für manche höher als Tierrechte, die man ja erstmal etablieren müsste. „Wozu denn die Mühe?“

Tiere brauchen auf einmal keine Rechte – „denn das ist ja viel zu anthropozentrisch gedacht, Rechte brauchen doch nur wir in-allen-relevanten-Dingen-begabten Wesen. Sie benötigen lediglich eine Befreiung aus den engen Haltungsbedingungen, dabei aber bitte doch ohne ein Recht auf LebensRaum und Leben, und ohne lästige Begründungen für sowas. Bloß keine Tierrechtssicht einnehmen – … und es wird stattdessen an den Symptomen aus vermeintlich tierethischer Sicht herumoperiert.

Es tut mir leid, aber die Tierethik selbst ist wirklich auch nicht mehr als das, woraus sie zumindest in Academia geboren wurde: ein Unterfach der Bioethik. Sie erscheint wie ein defensiver Ableger der Bioethik, weil aus ihr immer nicht die Tierrechtsethik werden will.

Nein wir Menschen sind aber doch kein Unterfach der Bioethik, das würden wir doch nicht dulden können. Wo bliebe denn da unsere Evolution als Homo sapiens? Manche durch uns marginalisierbaren Menschen können wir ja bioethisch diskutieren, aber uns selbst doch nicht. Und wir möchten bitte aber auch alle Rechte genießen, selbst die, vorzugeben wer Rechte haben darf und welche und wann, und wer, wann, wie und wo eben nicht. Zum Beispiel eben auch das Recht, Rechte zu haben.

Der rechtebesitzende Mensch will also keinesfalls anderen Menschen vorschreiben was sie zu essen haben und zu tun haben, weil das ein Eingriff in verbriefte Rechte wäre. Wie schnell alle denunziativ “hier” schreien, wenn sie sich auch nur ein Iota in ihrem persönlichen und kollektiv empfundenen Recht verletzt oder gar bedroht fühlen. Aber Tiere, sind eben „zu blöd“ nach Empfinden dieser Leute, als dass sie Rechte haben sollten.

Ein Recht vor uns geschützt zu werden? Vor unseren Übergriffen? „Nö, wieso denn. Das müssen wir erstmal tierethisch analysieren ob das überhaupt nötig ist“ … .

Diesen Leuten, egal wie sie sich titulieren, sind diejenigen Anderen, die eben bislang noch keine verbrieften Rechte haben, auf theoretischer Ebene so gleich, wie dem „Fleischi“ die Kluft seiner ethischen Vernunft im Bezug auf Haus-, Hof- und Wildtieren und sich selbst.

[1] Zur Geschichte des tierrechtsethischen- und Tierrechts-Denkens im Vegetarismus und Veganismus:

Ein rebellischer Dichter: der Syre Al-Ma’arri (973 – 1057 n. Chr.), https://simorgh.de/about/al-maarri/

Der vegane Prototyp des 19. Jahrhunderts, https://simorgh.de/about/der-vegane-prototyp-des-19-jahrhunderts/

Eine Übersetzung der ersten Vegan News aus dem Jahre 1944, verfasst von Donald Watson, https://simorgh.de/about/vegan-news-no-1/

Ästhetik zum Zersetzen, https://www.simorgh.de/own_public/aesthetik_zum_zersetzen.pdf

The Quest – list of quotes regarding animal ethics … https://www.simorgh.de/thequest.html

The Orphic vegetarian lifestyle in ancient Greece, Frugivore civilizations unknown, and new perspectives on the “history” of the religious murder of nonhumans, https://www.simorgh.de/objects/orphic-vegetarians/