Religion, Tierrechte und Biologismus: Theologische Tierrechtsdiskurse und Antispeziesismus

Religion, Tierrechte und Biologismus: Theologische Tierrechtsdiskurse und Antispeziesismus

Text: Gita Yegane Arani; Malerei: Farangis. G. Yegane

Der „Theo-logie“ (männlich) können wir eine TIER-Thealogie (weiblich) entgegensetzen, mit tiersoziologischem Fokus und dem Gegengewicht angenommener dezidiert-weiblicher Göttlichkeit … . Die Toxizität religiös-hegemonialer Ansprüche über „die Schöpfung“, wo sich in Wirklichkeit jedes Leben selbst schöpft und ursächlich selbst erfindet und findet … . Weshalb an den Konzepten vom „absoluten“ Schöpfergott festhalten, der „den Menschen“ dann mit entsprechenden Dominanzrechten versieht?

Tier-Thealogien > Tierindividualität und Tierautonomie

Die Herabsetzung von Tieren kann ein religiöser- sowie ein hyperreligiöser Akt sein. Sie kann aber durch einen Diskurs, der menschliches Religionsverständnis vordringlich ins Zentrum setzt, meiner Meinung nach nicht ernsthaft gelöst werden.

Statt sich an menschlichen Themenprioritäten (kulturell, gesellschaftlich) auszurichten, sollten alle Faktoren die tierherabsetzend operieren, zusammengefügt werden, um so das, was menschliche Herabsetzung von Tieren ausmacht – den Ur-Mechanismus der kulturellen Mensch-Tier-Dichotomie und der Antagonisierung von Tierlichkeit – unter Berücksichtigung aller Themenfelder multiangulierend zu analysieren.

Schließlich muss der Dringlichkeit des Problems Rechnung getragen werden und es müssen neue tierfreundliche Räume geschaffen werden, in denen Menschen inhaltlich nicht mit ihren Rahmenwerken und exklusiven Prioritäten humanzentrisch-philosophisch dominieren. Es muss vom Nullpunkt her unvorbelastet begonnen werden, wenn wir über Tiere reden und philosophieren.

So wäre es zum Beispiel kein Problem erstmal zu analysieren, warum Menschen meinen, dass sie weiterhin ihre Geschichts- und Kulturkonstrukte über mögliche tierliche Geschichtsnarrative setzen sollten, wenn sie gerade vorgeben das Menschsein zu re-zentrieren.

Partikularistisch wird der Schwere der ethischen Problematik so kaum Rechnung getragen. Die Antwort kann niemals im Religiösen, als einer Art supra-ethischer Kulturkommunikationsplatform, und auch nicht dem entgegengestellt, im allein religionskritischen Diskurs zu finden sein.

Wenn Religionen sich heute zusammentun, um zu besprechen, wie man „der Schöpfung“ gerechter werden kann, und alle Felder von Perspektivität ausgeschöpft sein sollen, wenn atheistische Wissenschaftlichkeit noch den gewohnten Biologismus beiträgt, dann scheint es fast so, als wolle Homo sapiens sich vor sich selbst rechtfertigen, um Denkfehler so noch etwas länger kultivieren zu können und um nur mildtätig einige wenige Zugeständnisse als ethischen Fortschritt proklamieren zu können.

Paradigmenwechsel würden nur stattfinden, wenn alles auf den Tisch kommt. Alle Teile menschlicher Kultur sind verwoben mit bestimmten Konzeptionen von „Menschsein“, die „Tiersein“ grundsätzlich in seinem Verschiedensein antagonisiert haben. Man denke daran, wie vehement das Thema Tierdenken immernoch über Biologismen reduktiv zum Nichtthema gemacht wird.

Allgemein ist die Tendenz, Tierthemen in vielen kleine Facettenschwerpunkten zu diskutieren, Ausdruck des Versäumnisses sich Tierfragen in der Dimensionalität eines Faunazids zu stellen. Mir kommt es eher so vor als wollen gesellschaftlich verankerte Machtinstanzen, wie Religionen, sich anhand ethischer Diskussionen über die Themen, die Nichtmenschen anbelangen, usurpierend einbringen, um so ihre Götter und Theologien über den anstehenden post-anthropozänen Bewusstseinswechsel der „droht“ hinwegzuretten.

Religion, Kulturanthropologie oder Philosophie?

Die Einengung auf Religion, als ethisches Imperativ, dass Fragen aufwerten soll, ist eine Art philosophischer Einengung, denn wenn wir „Religiosität“ und „Spiritualität“ zurück- und überführen in die Antike, zeitlich-chronologisch, oder auch lokal-kulturspezifisch in andere kulturelle Räume gehen, dann wird klar, dass Fragstellungen über Tiere – als von Menschen wahrgenommene und anerkannte „Mitlebewesen“ im Guten wie im Schlechten – soweit geschichtlich nachvollziehbar, immer zentral und bedeutsam gewesen sind – nicht zur „Menschwerdung“ als kollektivem fortschrittlichen Prozess, sondern genauso, wie eine neue Tierrechtsethik Mensch- und Tiersein in ihrer Begegnung neu kontextualisiert betrachten würden: Waren es nicht die Religionen selbst, die massiv den Menschen von Natur und Tieren getrennt haben? Wer hat die Spiritualität zum Herrschaftsgebiet von Herrschaftsgöttern, Propheten und Klerikern gemacht?

Um hier auch zu einem fruchtbaren Ergebnis zu gelangen, muss man fragen: „Wie interpretieren wir menschliche Geschichte?“, um so auch die menschliche Reflektion von „Tieren als speziesdesignierter oder nichtmenschliche Gruppe“ nachvollziehen zu können. Zu jeder Zeit haben Menschen unterschiedlich reflektiert, unterschiedlich gedacht über Menschen und über Tiere.

Auch verbleibt bei der typischen Diskussion über Tiere, Religiosität und Spiritualität der Biologismus intakt [gleich was diesen Biologismus eigentlich ursprünglich konstituierte im Falle von Speziesismen]. Mit ihm wird tierliche „Religiosität“ als rudimentär, primitiv, reduziert betrachtet oder eine autarke Anerkennung verunmöglicht. Und „Religion“ – als Symbol, das auf spirituelles Denken und Erleben hinweist – wird so ein kleines menschlich gedachtes Pool zugedacht, sowie der Spiritualität – beide werden an menschliche mystische Begrifflichkeiten und „Weltensichten“ gebunden. Nichtmenschen wird Philosophie/Denken, Lebensreflektion/Seinsreflektion und Spiritualität, neben dem „menschlichen System“ existieren, noch nicht zugestanden.

Die Entseelung „der Natur“ und die Einhauchung von „Sinn“ und „Geist“ der „Natur“ als „von Gott stammend“, statt als selbstschaffend, als ein Proxy menschlicher Konstrukte, ermöglicht erst die Beanspruchung und Monopolisierung von spiritueller Autonomie zugunsten menschlicher Dominanzansprüche, weg von der ‚Tierlichkeit im Selbstsein‘, als Oppositum zum „spiritualitätsfähigen Menschsein“.

Zusammenschluss und Vorgabe von Interdisziplinarität in den religiös dominierten Diskursen (die tendenziell den Gesichtspunkt von Dringlichkeit außer Acht lassen), mündet in abstrakten Diskussionen, bei denen Ergebnisse immer wieder dem Ausgangpunkt gleichen. Man kommt effektive niemals zu einem Ergebnis, das kollektiv menschliche Herrschaftsansprüche in den Theorien auflösen würde. Die Geste versteht sich als gut gemeint und folgt dem allgemeinen Druck eines zunehmend wachsenden ethischen Bewusstseins in der Gesellschaft. Unter dem Strich bleiben die alten Definitionen von Tiersein bestehen. ‚Meine Haltung ändert sich, aber Du bist faktisch immer noch der gleiche, für den ich Dich erklärt habe.‘ Religiös gespeiste Traditionen werden nur Oberflächen ankratzend plakativ kritisiert, während parallel dazu die schönen Seiten des Religiösen fokussiert werden, als ethische Leitfäden menschlichen Selbstverständnisses und ethischer Haltung, um Religion anhand der Tierfrage über Umwege aufzuwerten.

Tiere bleiben Schöpfungsteppich auf dem menschliche Religionen Thronen können, die bestimmen wer gut und Ebenbild Gottes ist und wer bloß Schöpfung statt Selbstschöpfung ist. Letztendlich hat die Evolutionstheorie Darwins zwar – auf der Grundlage einer kompetitiven Vorstellung von Lebensmotivation – einen Bruch mit der Dichotomie des Kreationismus im Bezug auf „Mensch“ und „Tier“ vollzogen, leider hat er dabei den Strang Homo als „sapiens“ und eine voraussetzende implizite Annahme von Tierdenken als vergleichsweise primitiv, instinktiv und prädeterminiert (statt autonom) in seinen Theoremen aber nicht überwunden.

Die logische Konsequenz aus einem erkannten biologisch-chronologischen Kontinuum, hätte unter ethischer Fragestellung spätestens heute – statt an dem Festhalten an Seinshierarchien – lauten müssen: wie gehen wir dringlichst mit einem menschlichen Krieg gegen die Tierlichkeit vor? Oder verlegte die Evolutionstheorie Darwins nur den hierarchisierenden Faktor in denjenigen Modellen, die erklären wie Menschen sich auf Tiere und Tiersein beziehen wollen, nur auf die kausaltistische Biologie, statt auf den Schöpfungsgedanken in der religiösen Hierarchisierung von Sein?

Religiosität macht sich der „Frage der Tiere“ habhaft, die als Gegensatz zu einer Homogenität von Menschlichkeit und Menschsein verstanden wird. Sie tut dies, indem sie in einem grundsätzlichsten Sinne zu transzendieren und zu metaphysieren versucht. Die Naturwissenschaften, in der die Seele als transzendentaler Körper keine Rolle mehr spielt, treffen ihre qualitativen und wertenden Unterscheidungen anhand biologischer Materie, bei dem ‚Sein‘ von Entitäten, die man als „Lebewesen“ und organisches „Leben“ identifiziert.

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Religiösität: „Din“, ist in der heidnischen vorzoroastrischen alt-iranischen Kultur das gewesen, was „aus dem Menschen, als Wesen, selbst wächst“. Wir können die Diskussion und den Aktivismus für Tiere viel grundsätzlicher und basisdemokratischer Betreiben, als über die Triangulierung mit (letztendlich monokausalen, da „Schöpfergott“) religiösen Diskursen.

Schließlich findet Speziesismus, Tierherabsetzung oder wie wir es auch nennen wollen, überall imminent statt, und ist so vordringlichst, in Eigenkompetenz und emanzipativ zu adressieren – nicht anders als Menschenrechte, nicht anders als Umweltthemen und Ökozid (Themen, bei denen Religionen ebenso wenig die letzten Antworten bieten können; außer für Homo credens).

Meine Kritik rührt daher, dass mir auffällt, dass inzwischen eine immer stärker anwachsende Anzahl von Nischenschauplätzen sich mit hochqualifizierten und zunehmend akademisierten Diskussionen füllen. Würden wir uns angesichts einer vergleichbaren Situation solch eine Nischenmentalität im Bezug auf Menschenrechtsfragen oder Umweltfragen leisten, statt einer breiten gesellschaftlich-emanzipativen Diskussion, frage ich mich ernsthaft? Ich finde Tiere werden in der Weise von Menschen immer noch in Menagerien, wenn auch geistige, gesetzt.

Manche antispeziesistischen Künstler malen Tiere unter Menschen, im Sinne einer positiven Mensch-Tier-Beziehung, und deuten damit an, wie wichtig es ist den gemeinsamen Raum zu entdecken. Aber auch auf solchen Bildern kann man bei genauerem Hinsehen entdecken, dass „der exemplarische Mensch“ nicht neutral-kritisch, sondern im Beisein der Tiere idealisiert oder „korrigiert“ erscheinen soll. Die Mensch-Tier-Beziehung wird in der Regel vereinfachend abgebildet.

Ich möchte hier einen Beitrag leisten, darüber, wie in einfacher, grundlegender Weise ein kritisches Bild über das Verhältnis aufgeworfen werden kann, ohne Rekurse auf humanzentrische ethische Konstrukte wie Religionen und ohne ein verschönerndes, verharmlosendes Bild von Menschen und dem „Menschsein“.

Animal Thealogy / Tier-Thealogie

Mensch-Maschine? Tiervernunft!

Die grundlegende Frage über eine kategorische Trennung und Unterscheidung von „Tieren“ und „Menschen“ (Homo sapiens) befördert wahrscheinlich vor seinen moralischen Implikationen, die Frage darüber, was sich genau hinter diesen großen generalisierten Identitäten verbirgt. Weshalb hat uns die Sichtweise darüber, „was Tiere sind“ und „was Menschen sind“, schließlich dazu geführt, Tiere heute beinahe ausschließlich unter biologistischen (…) Begrifflichkeiten zu thematisieren? Reicht es, nichtmenschliche Tiere mit der ausschließlichen oder überwiegenden Attribuierung eins instinktgeleiteten Verhaltens zu begegnen? Ist es somit der ‘Fehler‘ der Tiere, dass Mensch sich auf sie nicht in einer anderen Weise beziehen, als sie es gegenwärtig tun? Welche anderen Optionen existieren?

Tier = instiktiv? Mensch = vernunftsbegabt? Attribuierte Identitäten innerhalb eines humanzentrischen Narrativs

Wenn wir die Sichtweise nicht akzeptieren, dass nichtmenschliche Tiere diejenigen sind, die unter den Menschen zu stehen haben, innerhalb eines Rahmens, der durch einen z.B. biologischen, philosophischen oder selbst eine göttliche Seinshierarchie gegeben ist, dann muss solch ein kritischer Anspruch nicht allein moralisch motiviert sein. Es kann ebenso bedeuten, dass wir die Art, in der beide Identitäten („Tier“ und „Mensch“) verstanden werden, hinterfragen, dass wir die Trennung und die Qualifizierung dieser Identitäten hinterfragen, selbst bevor die Frage menschlichen Unrechts auf der Diskussionsplattform erscheint.

Wir können fragen, ob die Interpretation von Charakteristiken, die als konstituierend begriffen werden für unterscheidende, trennende Aspekte, innerhalb einer Mensch-Tier-Hierarchie, nicht in Wirklichkeit eine Verneinung des autonomen Wertes des Verschiedenseins von nichtmenschlichen Tieren darstellen.

Wir wissen, dass das einzige Kriterium, das uns als Standard dient, der menschliche Parameter ist. Das heißt, das menschliche Modell zählt als das Ideal, als der Standard der Normen kreiert.

Was passiert, wenn wir dieses „Standardmaß“ bezweifeln?

Es ist eine Frage der Perspektive!

Schussfolgerungen, die sich aus den Bereichen Biologie und Psychologie (Tierpsychologie ist im Prinzip allerding zumeist nichts anderes als Ethologie, als nach innen projizierter Prozess) ableiten lassen, als den hauptsächlichen akademischen Feldern, die sich mit einer Erklärbarkeit von Tieridentität befassen, legen die Perspektiven fest:

  1. Über relevante Charakteristiken
  2. Darüber, wie Charakteristiken bei Tieren (sowohl im Falle menschlicher als auch nichtmenschlicher Tiere) sich a.) ausdrücken müssen und b.) in welcher exakten Korrelation sie „bemessbar“ sein müssen, um eine aus menschlicher Sicht bestimmte Relevanz oder Bedeutsamkeit zu erlagen

Das Problem liegt also in der Frage, warum Menschen eine Autonomie von Tieren nicht akzeptieren können, wenn sie sich nicht über die Wahrnehmung eines wertdefinierten Vergleichs erschließen lässt.

Warum werden eigene tierliche Kriterien und deren unabhängige Bedeutsamkeit (im Sinne ihrer Selbst und ihrer Situationen, in deren natürlichen und sozialen inter- und ko-spezifischen Kontexten) als irrelevant betrachtet, in dem Moment, in dem sie auf unsere perspektivischen Aussichten stoßen, wenn diese tierlichen Kriterien doch ebenso begriffen und akzeptiert werden könnten als vollständig außerhalb unserer hierarchischen Rahmenwerke liegend?

Tierindividualität als neutralen Fakt akzeptieren

Die Bereitschaft, eine unabhängige Bedeutsamkeit von Nichtmenschen zu akzeptieren, bedeutet die Deindividualisierung zu hinterfragen, die unsere allgemeinen Sichtweisen und Erklärungsmodelle über sie gewöhnlich vermitteln. Das sind die Sichtweisen, die zulassen, dass wir (als „menschliche Identitätsgruppe“) Nichtmenschen im wertenden Vergleich zu uns setzen, statt das (Verschieden-)Sein der Nichtmenschen selbst als vollwertig zu betrachten. Und das sind auch die Sichtweisen, die zu sortieren bemüht sind, wie genau sich die existenzielle Bedeutung von Nichtmenschen in Bezug auf all das verhält, was sonst noch für „uns Menschen“ (als eine geschlossene Identitätsgruppe) von Bedeutung ist.

Die deindividualisierende Sichtweise von Nichtmenschen geht fast automatisch einher mit der Wertentziehung in Hinsicht auf die zugeordnete Bedeutsamkeit. Und so landen wir nun bei der moralischen Frage, da die Frage von Identitäten, individueller Existenz und Deindividualisierung einige ethische Konflikte mit sich bringen.

Nichtmenschen und attribuierte Identitäten in den Bereichen “tierlicher” und “menschlicher“ sozialer Kontexte

Wenn wir nichtmenschliche Tiere, abgesehen von derer Lokalisierung im Hoheitsgebiet der Biologie, beispielsweise ebenso in soziologischen Kotexten betrachten können, dann könnten wir z.B. zu Recht fragen: „Wie verhalten sich Menschen gegenüber nichtmenschlichen Tieren und wie wird dies von beiden Seiten her wahrscheinlich oder vielleicht wahrgenommen?“ Können wir das Verhalten von Menschen gegenüber Nichtmenschen allein erklären, indem wir auf die allgemeine Annahme Bezug nehmen, dass man sich nicht wirklich in einer besonderen Weise zu Tieren verhalten kann, da sie angeblich ‚durch Instinkte bestimmt‘ seien und ‚kommunikativ weniger komplex im Vergleich zu uns‘, und dass somit unser Verhalten ihnen gegenüber keine eigenen Qualitäten einer sozialen Dynamik enthalten könne? Können wir unser typisch menschliches soziales Fehlverhalten gegenüber Nichtmenschen dadurch legitimieren, indem wir uns auf die „Einfachheit/Tumbheit“ beziehen, die wir in tierliches Verhalten hineininterpretieren? Solche Fragen würden natürlich ausschließlich auf den Stereotypen von Tieridentitäten basieren, gleich woher sie stammen.

Die Human -Animal Studies wären hier vielleicht die Lösung. So beschreibt die Seite des Animals and Society Insitutes das Feld der HAS:

Human-Animal Studies (HAS) is a rapidly growing interdisciplinary field that examines the complex and multidimensional relationships between humans and other animals. HAS comprises work in several disciplines in the social sciences (sociology, anthropology, psychology, political science) the humanities (history, literary criticism, philosophy, geography), and the natural sciences (ethology, veterinary medicine, animal welfare science, and comparative psychology). ( https://www.animalsandsociety.org/human-animal-studies/ , Stand 05.09.2021)

Die HAS sind sozusagen eine große Zusammenfassung zahlreicher menschlich möglicher Perspektivitäten auf das „Mensch-zu-Tier-Verhältnis“. Das Problem bleibt dadurch aber weiterhin bestehen, dass das „Tier-zu-Mensch-Verhältnis“ mit aller Wahrscheinlichkeit bei gänzlich anderen Ergebnissen enden würde – als Ergebnisse ohne den Ballast der Konfrontation mit den Bildern, die Menschen sich von Tieren machen.

Es wird implizit davon ausgegangen, dass all die interdisziplinären Bereiche, die zur Untersuchung des Verhältnisses Mensch-Tier herangezogen werden, tatsächliche Aussagen über faktische Tierlichkeit liefern könnten. Das all die Disziplinen aber auf Denkmodellen basieren, die intrinsisch speziesistisch-anthropozentrisch gespeist sind, steht nicht unbedingt im zu untersuchenden Fokus, weil wissenschaftlich „Tierlichkeit“ nicht ohne weiteres durch Wissenschaftlichkeit selbst trianguliert werden kann, um zu aussagefähigen Erkenntnissen zu gelangen, die über Nichtmenschen etwas wirklich fundamentales aussagen könnten. Dies ist einfach der Tatsache geschuldet, dass Tierlichkeit nicht in menschlichen Begriffen allein hinreichend erklärt werden kann. Was möglich ist, ist Approximationen zu schaffen und Wege freizuräumen, Konstrukte einzureißen und schlichtweg geistig freie Räume zu schaffen, die tierlicher Integrität einen Schutz nicht nur auf der physischen Ebene, sondern auch auf der theoretisch-philosophischen epistemischen Ebene gewährleisten würden.

Interessanterweise bildet selbst die Nische dessen, was soweit akademisch anerkannt ist als ‚Tiersoziologie‘ nur einen fragmentalen Baustein der Human-Animal-Studies, wobei dies tatsächlich eben nur diejenige ‚Tiersoziologie‘ anbetrifft, die Biologismen noch nicht kritisch ausgeräumt hat. Das heißt, obwohl die Human-Animal-Studies in selbstbezeichneter Weise eine Beziehung (die ja wohl eine soziale Komponente aufweist) adressieren – also soziale Interaktion – ist diese akademische Sparte aber nicht (tier-)soziologisch zu verstehen. Eher ist die perspektivisch-hegemoniale Sicht „des Menschen“ auf „die Tiere“ hier angedacht.

Wie dem auch sei, wir können Fragen von dem, wie sich eine Mensch-Tier- und Tier-Mensch-Soziologie verhält, wahrscheinlich kaum mit Soziolog*innen besprechen, obwohl es in deren Rahmen hineinfallen könnte, diese Beziehungen zu analysieren. Soziolog*innen selbst würden sich wahrscheinlich weitaus lieber mit der Tierrechts- und der Tierbefreiungsbewegung befassen, um sich nicht mit der Interaktion zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tieren befassen zu müssen, da sich jede*r ja bereits mit der Tatsache einverstanden erklärt hat, dass eine Naturwissenschaft (die Biologie) bereits festgelegt hat, was die (logischerweise implizit auch ‚soziale‘) Identität von Nichtmenschen „faktisch“ ausmacht. Und dem muss hinzugefügt werden, dass es scheint, dass selbst die Tierrechtbewegung die moralische Frage selbst beinahe außerhalb jeglicher Reichweite platziert hat, indem sie die Erklärung der Identität von Tieren auch als etwas mehr oder weniger strikt Biologisches akzeptiert hat. Die Forderung dieses Mainstreamstranges in den Tierrechten führt sich damit dialektisch selbst ad absurdum.

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Ein geometrisches Bild

Die Leserin stelle sich zwei abstrakte Gruppen vor. Gruppe A besteht aus Dreiecken, und alles was die Dreiecke umgibt, wird mathematisch relevant im Bezug auf deren eigene trianguläre Form. Dies vollzieht sich, indem alles was einem Dreieck entspricht oder nicht entspricht in einer jeweilig bestimmten Farbe erscheint. Gruppe B sind Kreise. Nun sagt Gruppe A, dass Gruppe B keine Dreiecke sind (weil A Dreiecke sind), und dass B auch keine Quadrate oder Rechtecke sind. Folgt hieraus irgendein Grund dafür, dass es mathematisch legitim sein würde die Kreise als gleichermaßen gültige geometrische Figuren auszuschließen? Die Dreiecke unterscheiden sich von den Kreisen, aber beide sind geometrische Figuren und insofern von gleichem Wert. Sie können in Bezug zueinander gesetzt werden aufgrund jeglicher ihrer geometrischen Eigenschaften, selbst wenn die Kreise den Charakteristiken der Dreiecke nicht entsprechen.

Eine einfache Metapher

Soziologie hinterfragt nicht die soziale Interaktion zwischen Menschen und Nichtmenschen. Sie untersucht diese Beziehung nicht aus ihrer spezifischen Sichtweise, weil allgemein davon ausgegangen wird, dass die menschliche Beziehung im Bezug auf Tiere durch die Naturwissenschaften bereits im Kern festgelegt ist. Die Human-Animal-Studies bezeichnen sich zwar als Studien der Mensch-Tier-Beziehung, lassen aber das biologistische Erklärungsmodell über tierliche Identität als solches bestehen.

Das hierarchische Herrschaftsgebiet jedoch, welches die Naturwissenschaften [und mit ihnen die humanistische Wissensbasis, auf der die Naturwissenschaften eher fußen] errichtet haben, schließt jedoch jede Notwendigkeit für eine tiefere Betrachtung und Berücksichtigung dieser Beziehung aus. Wir sehen keine direkte Beziehung zwischen Menschen und Nichtmenschen repräsentiert auf der intersubjektiven Ebene – wie beispielsweise auch Syl Ko sie in ihrem Spezies-Subjektivistischen Ansatz empfiehlt.

Die Biologisierung und Entsoziologisierung von sozialer Interaktion und Erleben

Eine sehr typische Exemplifikation dieses Unwillens auf einem grundlegenden Level eines „Gemeinsinns“ Bezug (auf Nichtmenschen) zu nehmen, kann in dem Unterschied erkannt werden, zwischen z.B. der Bezugnahme auf Nichtmenschen in Hinsicht auf „Freude“ im Gegensatz zu „Liebe, etc.“ als typisches Beispiel. So wie in: „Tiere können ‚gleichermaßen‘ Freude erleben“ oder „wir können beide lieben“ als soziale Handlung und als soziales Empfinden. Oder bei „Schmerz“ versus „Gewalt erleben“: so wie in „Tiere können Schmerz empfinden“ oder „wir können beide Gewalt erfahren und be-/greifen“. Liebe ist ein verbindendes Empfinden, Gewalterfahrung basiert ebenso auf sozialer Interaktivität, wenngleich im negativen Sinne. Wobei „Freude“ allein in dem Subjekt, dem wir das Gefühl zuordnen, lokalisiert wird, und das gleiche gilt auch für den „Schmerz“. Das heißt eine gewisse Perspektivität lässt Kontextualitäten sozialen Erlebens auf der breiten Ebene zu, während eine andere Perspektivität „Liebe“ und „Gewalterfahrung“, wie in diesem Beispiel, auf „Freude“ und „Schmerz“ in entsozialisierter Weise begrenzen und ausschließlich im Subjekt lokalisieren und somit begrenzt kontextualisiert zuordnen.

Wir – Nichtmenschen und Menschen – verstehen die Fragen von LIEBE, GEBORGENHEIT, VERTRAUEN, etc. und GEWALTERFAHRUNG. Während „Freude” und “Schmerz” reduktive Begriffe für das gleiche darstellen können.

Weiter …

Betreffend der Frage, ob Nichtmenschen in irgendeiner Weise als moral agents/moralisch Agierende bezeichnet werden können, muss man fragen, existiert Moral außerhalb des menschlichen Konzepts von Moralität? Wenn wir Moralität diskutieren, gehen wir davon aus, dass der Gegenstand, den dieser Begriff beschreibt, durch unsere Wahrnehmung „entstanden“ ist, und da wir definieren was „moralisch“ bedeutet, können wir das beschriebene Phänomen als alleinig unseres beanspruchen.

Wichtig ist festzuhalten, dass ich mich hier eher auf die angelsächsische Verwendung von „Moral“ und „moralisch“ beziehe, wie z.B. hier erklärt als:

“relating to the standards of good or bad behaviour, fairness, honesty, etc. that each person believes in, rather than to laws.”

( https://dictionary.cambridge.org/de/worterbuch/englisch/moral, Stand 06.09.2021 )

Dies tue ich, da insbesondere (der namhafte amerikanische Tierrechtphilosoph) Tom Regan in seinem The Case for Animal Rights die Frage der moral agency in der Raum stellte, und dies bei mir die Fragen aufwirft, inwieweit damit eigentlich in Wirklichkeit eine soziale Qualität verbunden ist, und man, anders als Regan es tut, das anthropozentrische Konstrukt, das mit der Idee von „moralisch“ einhergeht, mal in seine eigentlichen Bestandteile untergliedern sollte es schließlich ebenso in tierlich-kulturellen Kontexten gedacht werden kann.

Woraus besteht Moralität?

Existiert Moralität nur wegen theoretischer Rahmenwerke? Das lässt sich bezweifeln. Moralität hat auf der einen Seite etwas mit grundlegender sozialer Interaktion zu tun, denn dadurch erhält Moralität ihren Wert. Auf der anderen Seite bestehen die übergeordneten Übereinkünfte über Moral, welche erklärt und über die entschieden wird von (geistigen) ‚Eliten‘ oder einer definierenden Gruppe/einem definierenden Prozess. Aber dadurch enthalten die Übereinkünfte über Moral bloß eine erzwungene Gültigkeit, die von ihren eigenen Grundlagen getrennt ist, das heißt: von der Bedeutung sozialer Interaktion zwischen Wesen (das Konstrukt über Moralität schließt das aus, was außerhalb seiner Hierarchisierungen liegt; andere Formen von Interaktion die „soziale Werte“ enthalten werden ausgeschlossen).

Auf der individuellen Ebene existiert das, was jegliches „ich“ wahrnimmt und erfährt, in seiner Interaktion, und was es als „moralisch“-richtig erlebt. Und diese Erfahrung kann zwischen Nichtmenschen oder Menschen im kompletten environmentalen Kontext stattfinden – aus Sicht eines allgemeinen Gemeinsinns, wenn wir die menschliche Perspektive annehmen. Wenn wir das menschliche Dekorum weglassen, dass den Begriff Moral umgibt und ihm anhaftet, dann können wir behaupten, dass jede Handlung eine moralische Implikation für deren Akteure besitzt, nicht-anthropozentrisch betrachtet.

Es ist immer dasselbe: Verschiedenheit. Wir sollten mit ihr klarkommen.

Nichtmenschen haben sehr andere ‚Lebensphilosophien‘ im neutralen Vergleich zu „unseren“ ‚Lebensphilosophien‘, und ich glaube man kann den Begriff Philosophie hier verwenden, um einen Teil eines bislang unbezeichneten Phänomens zu beschreiben, in dem Nichtmenschen ihre eigenen Leben strukturieren, reflektieren, etc. Wobei das Wort ‚Lebensphilosophie‘ den Punkt nicht mal trifft. Viel eher: Denken über das Leben.

Ich frage mich, ob das Problem, das Menschen mit Nichtmenschen haben, nicht eher in den Unterschieden ihrer Denkweisen über das Leben im Vergleich zu unseren typisch menschlichen ‚Lebensdenkungsarten‘ liegt. Die Probleme liegen so viel mehr in dieser radikalen Verschiedenheit statt in den Gründen gradueller biologischer Verschiedenheiten oder statt in der üblicherweise angenommenen moralischen und sozialen ‚Begrenztheiten‘, die Menschen diesen Anderen (Tieren) zuordnen.

Das Problem scheint mir um das Maß an Unterschiedlichkeit und koinzidierender Gleichheit zu fluktuieren. In vielerlei Hinsicht gleichen wir Nichtmenschen, jedoch was den Aspekt unseres Dominanzanspruchs anbetrifft, sehen wir Nichtmenschen als „die Loser“ und als das untere Ende einer evolutionären oder göttlich bestimmten hierarchischen Ordnung, auf der wir unser destruktives und hypokritisches Verständnis von Macht postulieren können.

Dass Nichtmenschen die Verlierer unter den ‚biologischen Tieren‘ seien, ist eine Einstellung die sogar einige ihrer Verteitiger*innen projizieren. Ich treffe öfters auf Menschen in der Tierrechtsszene, die keine Einzigartige, in sich genügende Qualität in der Nähe und gleichzeitigen Ferne zwischen den unterschiedlichen Tieren (einschließlich dem Menschen) anerkennen, sondern die an erster Stelle in ihren verteidigenden Argumentationen immer wieder betonen: „Wie sind Tiere im Vergleich zu uns“; als ob Menschen und Tiere einen Wettbewerb auf einer Gleichheitsskala ausführen müssten. Und ein anderer damit verwandter Argumentationsstrang lautet: „Wie viel ihres ‚Instinktes‘ könnte Tiere möglichweise dazu berechtigen, Rechte zu erhalten“; Rechte, die sie vor Menschen schützen müssen ( – wobei es sehr fragwürdig ist, ob diejenigen, die Vorurteile gegen Dich haben, Dir wirklich Deine eigenen Rechte zugestehen wollen würden). Dabei wird dann angeführt, was Tiere alles so als vermeintlich ‚primär durch Instinkte bestimmte Wesen‘ können. Als wäre der Mensch in seinem Denken alleine selbstbestimmt … ein Riesenproblem in der Betrachtung von Menschen, Tieren, Instinkten und Denken.

Die menschliche Gesellschaft, so scheint ist, betrachtet immer wieder das „uns“ und das „wir“ als objektiv wichtiger, insofern dass dieses „wir“ und das, „wie wir sind“, das Kriterium schlechthin sein soll, und dass Nichtmenschen daran bemessen werden sollen. Der Mensch hat zugleich aber auch eine komplette Erklärung parat, darüber wie genau Tiere anders und unterschiedlich sind.

Der wesentliche Punkt: andere zu akzeptieren, die Gültigkeit von Unterschiedlichkeit zu akzeptieren statt vorzudefinieren, der Unterschiedlichkeit Raum zu lassen, wird leider übersehen. Dabei wäre das für die Anderen, die Sich-von-uns-Unterscheidenden entscheidend, würde Anerkennung von Freiheiten beinhalten und es wäre so vielleicht selbst für „uns“ wichtig!

Zu weit gegriffen? Tier-Thealogie – weibliche Tiergottheiten, weibliche menschliche Gottheiten … alles gab/gibt es … . Mögliche Herangehensweisen an die Frage spiritueller und geistiger Freiräume.

Restriktive Paradigmen

So wie Geschlechtlichkeit, unter Gesichtspunkten gesellschaftlicher Veränderungsprozesse, nie mehr das gleiche sein wird, wie das, was Menschen sich vielleicht mal darunter mehrheitlich vorstellen wollten, so wird auch Tierlichkeit (und respektive Menschlichkeit) nicht mehr in das alte Weltbild zu rücken sein, in dem sich „der Mensch“ noch versuchte „die Welt“ untertan zu machen.

Gleich welches restriktive Paradigma wir uns anschauen – sie alle sind keiner ernsthaften Kritik gewachsen.

antibiologistische Tiersoziologie

Tierrechtsethik, Fleisch und Gesellschaftskritik

Tierrechtsethik, Fleisch und Gesellschaftskritik

Fleisch beinhaltet Tiermord. Dem Tiermord geht die Objektifizierung von Tieren voraus. Die Bezeichnung „Fleisch“ ist, anthropologisch betrachtet, wohl eine der am stärksten eingebetteten sprachlichen Verankerungen von Tier-Objektifizierung in der Gesellschaft. Wie thematisieren wir als Tierrechtler*innen das Thema und den Begriff „Fleisch“? Ein aktuell bekannter Ansatz stammt von der amerikanischen Psychologin Melanie Joy, die aufzeigt, dass bestimmte Tiere mit „Fleisch“ gleichsetzt werden, und dass die Menschen zu den Tieren, die diese Zuordnungen erfahren, keinerlei sensible und reflektierende Beziehung mehr in ihrem sozialen Verhältnis aufnehmen können oder wollen, während sie hingegen mit anderen Tieren, nämlich denjenigen, die designiert sind als „Haustiere“ (oder „companion animals“ respektive im Englischen) in deren Leben aufzutreten, ganz andere sensiblere Beziehungen herstellen können. Und das, ohne dass die Gesellschaft daran Anstoß nimmt oder sagen würde, dass sei „nicht richtig“ oder „nicht normal“. Bestimmte Tiere werden der Fleischproduktion zugeordnet, auch wenn diese Zuordnung kulturell und lokal unterschiedlich ausfällt.

Wir thematisieren als Tierbefreier*innen (Tierrechler*innen, Tierfreunde, etc.) primär die Tierindustrien als Orte der Fleischproduktion, ohne dabei aber klarzustellen, dass Objektifizierung und Entsubjektifizierung von Tieren nicht erst zu relevanten Problemen werden, wenn wir sie quantitativ betrachten. Wir verdeutlichen in unseren Protesten nicht, dass die ganz grundsätzliche Einstellung zu Tieren als „Fleischlieferanten“ bereits der Punkt ist, an dem mental und gesellschaftlich Tierobjektifizierung stattfindet, da wir Tierthemen nicht grundlegend in ihren gesellschaftlichen Dimensionalitäten kritisch diskutieren, sondern erst sekundär als relevant in einer Funktion von Begleitfaktoren kapitalistisch-anthopozäner Zerstörungsnormalität beleuchten. Damit blenden wir zeitgleich aus, wie die Gesellschaft in sich im Detail tierobjektifizierend aufgebaut ist. Orte, an denen Entsubjektifizierung stattfinden, sind nicht erst die Metzgereien und die Schlachtbetriebe, sondern alle Orte an denen Tiere in einer Art Antagonismus zum Menschsein angenommen werden.

In dem Punkt kann man wirklich vom abwesenden Referenten sprechen, den Carol J. Adams in sehr plakativer Weise erkannt und benannt hat in der Darstellung von Tierlichkeit als „Fleisch“ in der Werbeindustrie. Eine Diskreditierung vom Tiersein ist nicht erst dort in relevanter Weise am Arbeiten, wo sie sichtbar wird. In tierobjektifizierenden Gesellschaften ist sie bereits an den Orten mit zu lokalisieren, an denen sie unsichtbar hineinwirkt. Wenn wir akzeptieren, dass die Problematiken die Tiere erfahren erst existent sind in dem Moment in dem Tiere sich bereits an Orten befinden, in die Menschen sie über die Zeit hinweg immer wieder hineinkatapultiert haben, dann sehen wir die Tierlichkeit kaum mehr als abwesende Referenten in dem großen bestimmenden anthropozänen Raum.

Menschliche Gesellschaft ist in Hinsicht auf Tiersein jedoch nicht als unabänderlicher Monolith zu betrachten. Menschen haben ihre Gesellschaften erst so gebildet, dass Tierlichkeit darin einen untergeordneten Wert zugeteilt bekommen hat. Und wie sie dies getan haben, wirft fragen darüber auf, was verschiedene Menschen zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten über ihre tierliche Mitwelt gedacht haben. Das was der Begriff „Fleisch“ vermittelt, ist Teil einer tierobjektifizierenden Menschheitsgeschichte. Die ideologische Komponente, die sich darin abbildet, verstärkt sich selbst durch die Art und Weise wie Objektifizierung durch solch einen Begriff funktioniert. „Fleisch“ lässt keine Metaphorik zu, sondern ist die radikalste Form einem Gegenüber zu begegnen. Es ist die negierendste Form dem Subjektsein des anderen zu begegnen.

Die Menschheitsgeschichte ist in Hinsicht auf Tiere kein Automatismus gewesen und ist es auch heute nicht. Es hat immer Menschen gegeben, die keine Mehrheitsmeinungen über Tiere teilten, und selbst wenn es keine Präzedenzen gegeben hätte, so sind Menschen aber immer in der Lage individuell neu und kritisch zu denken und selbst die als am unveränderlichsten erscheinenden Normen zu hinterfragen. Dass wir diese Veränderlichkeit in Hinsicht auf Tierthemen für undenkbar halten wollten – während wir aber bei Themen die andere Menschen betreffen Änderungsmöglichkeiten denken wollen – zeigt, dass einige von uns in ihrem Denken über das Mensch-Tier-Verhältnis noch sehr dem menschlich-chauvinistischen Gewohnheitsrecht verhaftet sind.

Wir können in dem Moment über „Fleisch“ kritisch sprechen, in dem wir Gesellschaften kritisch hinterfragen können. In dem Moment geht es auch nicht mehr ausschließlich um Mißhandlungsfälle in Schlachtbetrieben, sondern es geht überhaupt um die Denkweise Tiere seien über eine „Anthropologie des Fleisches“ diskutierbar. Diese Denkweise wird von vielen Menschen schon so lange als ethisch falsch und den Tieren gegenüber ethisch ungerecht betrachtet, dass ich mich frage, weshalb wir es heute immernoch nicht wirklich schaffen, uns die Gesellschaften – eine Menschheit – die tierobjektifizierendes Denken hervorgebracht hat, kritischst zu hinterfragen, statt ausschließlich an den Symptomen objektifizierenden Denkens herumzuoperieren.

Sagen wir Menschen würden die industrielle Tierhaltung und -tötung abschaffen, und sagen wir Tiere würde nicht mehr vor ihrer Schlachtung misshandelt werden, was würden Tierbefreier*innen dann zum Tiermord selbst sagen, der immernoch genauso das Kernproblem ist, wie er es in milliardenfacher Menge ist und wie er es ist, begleitet von zusätzlichen Grausamkeiten, die jedem Theriozid noch hinzugefügt werden können?

Ich glaube selbst viele wohlwollende Menschen trauen sich nicht Gesellschaft in Hinsicht auf Tierlichkeit und Tiersein weitaus kritischer zu beleuchten als es heute selbst noch in der Tierbefreiungsbewegung getan wird. Der Mensch als Norm wird immernoch soweit vorausgesetzt, dass wir seine Geschichte als Jäger und Sammler unhinterfragt weiterhin als Argumentationsstränge leitendes Hauptnarrativ akzeptieren statt andere Narrative zu thematisieren und in den Mittelpunkt zu rücken. Das wollen die meisten Menschen nicht, gleichwohl wir vom Anthropozän sprechen und somit ja offen zugeben, dass wir das stolze zerstörende Maß aller Dinge sind.

Der Durchschnittsmensch, sowie der/die Durchschnittstierbefreierin teilen Begriffe von Vernunft als allein anthropozän bemessbaren Vorgang. Insofern sieht er/sie die Welt auch nur aus Sicht der einen vermeintlich wahren „Vernunft“. Die ganze Tierverteidigung taugt aber solange viel zu wenig, solange wir aus solchen Paradigmen nicht heraustreten können, um Dinge zu akzeptieren, die wir wahrscheinlich nicht problemlos greifen können, die uns aber gewahr sind und wegen derer wir überhaupt Tierbefreier*innen sind. Wir teilen keine Vorstellungen a la Destcartes und Followerschip, die Tiere und Maschinen in eine Ecke räumen. Doch müssen wir unseren Betrachtungsgegenstand, unsere Kritik an objektifizierenden Bildern von Tieren, erst noch genauer untersuchen, um nicht selber weiterhin in den Fußstapfen objektifizierender Normenvorstellungen über Mensch und Tier zu tappen.

Wenn Fleisch das ist, was es ist: ein Teil eines tierlichen Lebewesens, dem unvorstellbarste Scherzen zugefügt worden sind und dessen körperliche Herabsetzung als so etwas wie z.B. ein „köstliches menschliches Ernährungserlebnis“ normalisiert und zelebriert wird, auf den unterschiedlichsten anthropologisch betrachtbaren Ebenen, dann ist Fleisch der direkteste Ausdruck einer geschaffenen unüberwindbaren ethischen Kluft innerhalb der Menschheit und jenseits „der Menschheit“ Fakt der totalen Negierung. Es geht hier nicht einfach um Essen, Einverleiben und stattdessen ein anderes Bewusstsein von Essen und Lebensmitteln zu schaffen. Genau in diese Räume reicht ein Objektifizierungsmechanismus tierlichem Seins hinein. Warum packen viele Tierbefreier*innen Nichtmenschen rhetorisch in reduktive Räume hinein: Tierthemen werden als Streitthemen der Agrarwirtschaft aufgefasst, während das Recht auf Rechte nicht tierethisch angegangen wird. Die „Anthropologie des Fleisches“ wird normalisiert vorausgesetzt, indem Ideologien ruraler Rituale und Tierobjektifizierung als Kulturgut nicht dekonstruiert werden.

Tierrechtsethik kann klarmachen, dass objektifizierende Räume dekonstruiert werden müssen, statt als unumstößliche menschheitsgeschichtliche Normen, und insofern als Menschseinsbestimmend, vorausgesetzt zu werden. Räume tierlicher Objektifizierung waren, gleich wo und gleich wie, immer das gleiche. Sie waren vor allen Dingen niemals ethisch harmlos. Objektifizierende Rhetorik muss in keinem Bereich von Aktivist*innen übernommen werden, sondern adäquate Landkarten können aufgezeichnet werden, in denen Tatsachen von Tiersubjektivität als von Menschen wahrgenommen gekennzeichnet sind.

Ich setze in diesem Text das Subjektsein als ein ethisch-moralisches Imperativ voraus. Objektifizierung geht nur vom Betrachtenden aus, während Subjektivierung ein grundsätzlich sozialerer Moment ist.

Syl Ko with Lindgren Johnson: Re-centering the Human

kts8

Jahrgang 8, Nr. 2, Art. 1, ISSN 2363-6513, Juni 2021

RE-CENTERING THE HUMAN

Syl Ko with Lindgren Johnson

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Originally published:

“Re-centering the Human” by Syl Ko (with Lindgren Johnson), accompanying Mooni Perry’s exhibit 코로지엄과식탁위에카오스 (English: CoroseumAndChaosOnTheTable), featured at the Um Museum in South Korea (May 15, 2021 to June 13, 2021) and Mooni Perry’s exhibit 짐승에 이르기를 (English: As to the Beast), featured at Hapjungjigu in South Korea (April 1, 2021 to June 13, 2021).

Tags: animal rights, human rights, ecology, sociology, animal sociology

TIERAUTONOMIE,  Jg. 8 (2021), Heft 2.

RE-CENTERING THE HUMAN

Syl Ko with Lindgren Johnson

The human being as the universal frame of reference is typically considered the primary source of our current planetary ills. To be clear, it is not simply that human beings are the culprits behind the demise of Earth, a large majority of whom live or strive to live lives in which sustainability and consideration of other beings or natural landscapes are absent priorities. Rather, what is thought is that it is human beings’ general positioning of themselves as central with respect to the rest of the natural world that has inevitably set the planet or at least many of its myriad inhabitants, including humans themselves, on a course for either oblivion or abject misery. What follows, then, is the assumption that the only hope in there being a reversal of this decay partially lies in de-centering human beings, not merely as the supposed grand beneficiaries of all that the natural world has to offer, but especially insofar as the human perspective is taken to be the central one.

These claims sketch two sides that are neatly reminiscent in a limited but relevant way of the debate between the Roman Catholic Church and early secular humanists surrounding the position of the Earth with respect to the solar system. Briefly put, the Church decreed that the Earth sat in the center of the universe, static, with the sun and other celestial bodies revolving around it while the observations and calculations of some early astronomers painted a vastly different and striking picture; namely, that it was the Earth that revolved around the sun and, moreover, the Earth was one among many other stellar objects that ran the course. In other words, Earth is not central and Earth is not unique. The consequences of de-centering the Earth were two-fold: first, exponential advancements resulted in astronomy/astrophysics that have changed our lives and scientific thought in ways that were previously inconceivable, and second, a shift was implemented concerning the authority of scientific knowledge. The early secular astronomers effectively challenged the Church as a credible reference for matters related to the natural world, which then called into question not just the position of the Earth in the cosmos, but also the question of the position of human beings in the natural order.

However, the success achieved by the early secular humanists in de-centering the Earth also invites a different and more daunting lesson that those hoping to de-center the human are well advised to embrace, which may- at the outset- appear not only disquieting but outright contrary to their aims. This lesson involves carefully distinguishing between the act of evaluative centering and methodological centering, the former a judgment issued about the objective centrality of a particular entity or idea, the latter a starting point from which a specific project is carried out. The Church’s earlier decree that Earth is the literal center of the solar system and that all stellar objects, including the sun, move about it is an example of evaluative centering. Evaluative centering typically justifies a further moral conclusion based on the judgment about the supposed centrality of a particular entity or idea. In this case, because Earth is allegedly the center of the solar system, is made of a different substance than all other celestial bodies, and is static, therefore, Earth is the site of a special, unique moral narrative, as described in the Bible. The astronomers promoting a heliocentric model of the solar system, however, participated in centering Earth methodologically. That is, calculations were performed and observations were made with Earth as the explicit reference point. In fact, it was owing to the astronomers’ methodological centering of Earth- that is, all calculations and observations were understood to be taking place from Earth, formulas and findings referenced from Earth to Venus, and so from Venus to the sun, etc., as opposed to calculations “from nowhere” or theological observations from the literal “God’s eye perspective”- that they were capable of evaluatively de-centering Earth.

None of this is to say that natural scientific inquiries are anything like ethical inquiries. The point is simply that rarely is the question raised about what is meant when many insist the human must be de-centered, as if a human point of reference and the judgment that humans’ needs and desires are objectively central are identical claims. If we consider the case of nonhuman animals specifically, the danger in confusing these two modes of centering are apparent, though of course the general point can be applied more broadly to other cases.

“Speciesism” is the word that has come to describe and explain the lack of widespread and substantial concern for animals belonging to species other than Homo Sapiens. The term suggests that the injustices faced by affected nonhuman animals are relevantly like the injustices that humans face due to human conflict, such as racism and sexism. According to this reasoning, what makes “speciesism” like racism and sexism is that in all three cases a property which ought to be morally arbitrary-whether race, sex, or species- is included in moral deliberation to defend prejudicial thinking. Mainstream animal advocates, then, argue that species considerations in ethical thinking, especially the idea that being human can be a reason for positive moral regard, is no different than entertaining the idea that being white or being male can be a reason for positive moral regard.

I refer to views in which it is assumed that species membership ought to be irrelevant to moral deliberation species-objectivist views. The species-objectivist casts the human being from a perspective external to the human inquirer such that she can examine traits, capacities, or properties about human beings in much the same way she does when considering any other animal. For those on the side of nonhuman animals, the conclusion is that there is no trait, capacity, or property possessed by human beings that at least one other kind of animal does not share. Therefore, from this Objective, Ideal frame of reference, which finds its content informed by the natural sciences, that being human itself can be deemed morally heavy is simply a matter of prejudice.

Species-objectivists can only de-center humans evaluatively by de-centering the human methodologically. This strategy entails abstracting away from the fact that humans apprehend themselves from two perspectives; the first is, as species-objectivists note, from an external perspective, just as when we apprehend a bat or elephant. But humans also and primarily apprehend themselves from an internal perspective, a vantage point we cannot apprehend about any other animal and, so, a state about which we must remain silent with regard to other animals. Although it is true that many other animals enjoy pleasure and suffer pain, experience a variety of emotions, remember, imagine, and so forth, we are unable to access the interiority of what these experiences are like from their perspective. Simply put, we are unable to subjectively experience the vantage point of another animal.

Views that focus on the internal perspective of being human, which I refer to as species-subjectivist views, argue that the question about our obligations to nonhuman animals is better reflected upon by situating it explicitly from our perspective as humans as opposed to a supposedly neutral scientific frame of reference “from nowhere”. In other words, contrary to species-objectivists, species-subjectivists believe the best way to evaluatively de-center human beings is to center humans methodologically. There are two main motivations for this approach. First, species-subjectivism acknowledges that what attributes to human beings a moral heaviness is not some distinct property, capacity, feature or trait but rather it is the human that is the proper object of the human moral inquiry and whose subsequent behavior sets out the conditions under which other animals (and other humans) must live. This is the same reason we do not foist our moral expectations upon, say, Bruno the family cat; it is not right to say that Bruno is intellectually or cognitively disabled to a severe degree, or- on the other hand- lacks empathy and harbors antisocial tendencies, and so he cannot be reasonably asked to participate in the results of our moral deliberations, such as we might say for some humans. Instead, Bruno belongs to an entirely different form of life, which is specific to his species, subjectively closed to us and which we cannot (and ought not attempt to) take intellectual possession of or subsume under our intellectual rubrics.

This ties closely into the second motivation for a species-subjectivist approach, which is that real and substantial moral regard for nonhuman animals necessitates appreciating that other animals themselves too have species-specific ways of subjectively existing in the world and that they should have the space and freedom to set up and participate in their own forms of life without our interference or at least with only minimal interference in cases where it cannot be prevented or contributes to their flourishing for mutual enrichment. Whereas a species-objectivist approach rests on looking for commonalities between humans and other animals as the ground for an animal ethic, species-subjectivism accepts that boundaries exist between the species and that part of respecting other animals demands resisting imposition of a human idea of what is a (good) life onto them. The appreciation of there being subjective realities for all animals as the primary orientation of ethics starts with appreciating that we, as humans, have a specific subjective reality, which must be confessed (for we, too, are animals) before making claims about respecting the subjective reality and forms of life belonging to other animals.

What does it look like to center humans methodologically? To start with, a methodological centering of the human would resist describing or explaining animal injustice as “speciesism.” Since we are considering the human not from the external perspective but the internal one, we find that human injustices and injustices other animals face due to human behavior are fundamentally unlike one another. The badness of human injustices such as racism or sexism arise from the exclusion of certain human populations or individuals from the very idea of “human.” In fact, racist and sexist ideology turn on interpreting non-whites and women, respectively, as either deviations from the ideal Human or unactualized Humans. A member of the species Homo Sapiens, then, can be rendered a non-human, an animal, a subhuman, an inter-human, etc., by another human being and it is this mechanism that generates the human pernicious -isms and the subsequent negative consequences that follow. These harms are usually not only physical but constitutionally internal of a certain type, the pain of dehumanization. Under a species-objectivist model, such a mechanism cannot be explained because, from an external perspective, it makes little sense to say that a human being is not a human being. From an external perspective, any member of the species Homo Sapiens is human “proper” and so it fails to make sense of why being considered “human” matters even in cases where only human beings are involved.

If excluding human beings from the idea of “human” is the mechanism behind human injustices, then certainly this mechanism cannot explain or describe animal injustice, for it would be bizarre to assume that positive moral regard for animals must involve conceiving of them as human beings. And certainly acknowledging that other animals are not human does not, in and of itself, necessitate negative or absent moral regard for them. Re-centering the human methodologically, then, reveals an important path to de-centering humans evaluatively: animal advocates must find a way to re-articulate or reformulate to the general public and themselves animal injustice in its own terms such that parallels to human injustices are not necessary as buttresses. Though well-intentioned, the obsession with modeling nonhuman animal injustice as if it were relevantly like human injustice obscures the degree to which animal injustice is a unique form of suffering for which we are responsible. Protest aimed at human injustices necessarily (and rightly) cues sentiments of the form, how can we do this to another human being?, sentiments that cast a long shadow when the suffering of a nonhuman is set beside it.

Additionally, using human injustice as a template for understanding animal injustice logically leads to ridiculous applications of the “inclusion” narrative, which has been essential for ensuring justice for human groups historically excluded from participating in society, to the case of nonhuman animals as a salve for the wrongs we commit upon them. Though moral consideration of nonhuman animals is seldom seriously taken up, is it ludicrous to assume that encouraging their literal inclusion into spaces designed for human flourishing is the answer to what it is to include them in our moral thought.

What should be of note here is that species-subjectivism, then, hints at an incredible tension species-objectivism requires for general moral thinking. Species-subjectivists acknowledge human beings operate primarily from the internal perspective in practical matters, which include moral matters, carried out on a daily basis. The successful ethical relationships exemplified by friendships, marriages, humans with their animal companions, families, etc. provide rich grounds for investigating how the local schemas and webs of lives we build and lead intrinsically supply the parameters for how we ought to interact with one another. Asking individuals to remove themselves from this perspective, the perspective at which moral thinking occurs and in which all other positive moral relationships inhere, to take up the external perspective as means to reflect on moral matters with respect to nonhuman animals seems a foolish ambition. If we wish to effect a widespread cognitive shift about nonhuman animals, this cannot be the way forward.

I have tried to show here that there is incredible value in making salient a kind of centering that ought to vanish versus a kind of centering that is indispensable to that disappearing act. Like the de-centering of Earth in astronomy, the de-centering of the human in ethics can have profound effects, both material- insofar as we can make a difference to the health of the planet and its dwellers- as well as cognitive- insofar as we can shift the scope and range of beings that qualify as morally considerable, thus recalibrating our position in the ethical order. Although humans cannot continue to believe they are evaluatively central if the trend of our collective behaviors affecting the planet will be reversed, it is a mistake to also believe this project necessitates de-centering the human frame of reference. It is true that we are trying to change the world, but to do so mostly requires changing the human. If there is any hope that a moral revolution will come to fruition in the coming years, it will have to be a revolution of the human perspective and, as such, the human perspective must remain front and center.

Contact: sylko@protonmail.com

About the authors

Syl Ko is co-author of ‚Aphro-ism: Essays on Pop Culture, Feminism und Black Veganism‘ (2017); she studied philosophy at the San Francisco State University and at the University of North Carolina at Chapel Hill, with a focus on history of philosophy, socioontology and animal ethics. She works as an independent researcher in Portland, Maine (USA).

Lindgren Johnson is author of: ‚Race Matters, Animal Matters: Fugitive Humanism in African America, 1840-1930‘ (2018). She teaches at the University of Virginia (USA) at the Department of English and is faculty advisor for the Animal Justice Advocates of the UVa.

Tierautonomie

Publisher: www.simorgh.de – ‘Open Access in animal-, human- and the earth liberation’. Revised 06/2021. Published with the kind permission of the author and the Edition Farangis.

Citation

Ko, Syl/Johnson, Lindgren (2021). Re-centering the Human. TIERAUTONOMIE, 8 (2), http://simorgh.de/tierautonomie/JG8_2021_2.pdf.

(Rev. 06.05.2021)

TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)

by-nc-nd.eu

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Tierrechte in der sozialen Praxis (1)

Warum sollten Tierbelange allein in den ihnen bislang zugeordneten Fächern erörtert werden, statt in einer debiologisierten Haltung ihnen gegenüber? „Ein Mensch zu sein“ wird als soziologischer Zustand begriffen, während nichtmenschliche Tiere und Tierlichkeit schlechthin in Kategorien einer (vermeintlichen und kausalistisch vorgestellten) „verhaltensbiologischen” Dominiertheit gerückt werden.

  • Tierlichkeit kann debiologisiert betrachtet werden
  • Existenzielle Vielfalt zu achten, beinhaltet dass breitere Perspektiven als die des allein Anthropozentrischen nötig sind
  • Die existenzielle Vielfalt, die Menschen und nichtmenschliche Tiere mit einbeschließt, als ein „wir“ zu verstehen, heißt: Wir können gegenseitig voneinander lernen, als soziale und als in ökologischen Zusammenhängen verstehbare Lebewesen

Antibiologistische Tiersoziologie

Why treat nonhuman concerns in assigned fields, instead of debiologizing the typical stances on animality? “Being a human” is still taken as a sociological state, while “nonhuman behaviour” is routinely relegated into the categories of being biologically driven/dominated.
– Animality can be seen in debiologized ways.
– Embracing existential plurality means wider perspectives than anthropocentrism are required
We can mutually learn as social and ecological beings.

antibiologistic antispeciesist animal sociology

 

Tierrechte: zentrale Begriffe und Begriffserweiterungen

Tierrechte: zentrale Begriffe und Begriffserweiterungen

Bild: Farangis G. Yegane; Text: Gita Yegane Arani und Lothar Prenzel.

Alternative Ausdrücke für Speziesismus:

  • Spezies/Tier-Herabsetzung; Spezies/Tier-herabsetzend
  • Spezies/Tier-Abwertung; Spezies/Tier-abwertend
  • Spezies/Tier-Objektifizierung; Spezies/Tier-objektifizierend
  • Spezies/Tier-Diskriminierung; Spezies/Tier-diskriminierend

Präambel

Wir benötigen Begriffe, um die Diskriminierungsformen und die Ungerechtigkeiten zu beschreiben, die von menschlichen Gruppen und/oder Individuen im Bezug auf nichtmenschliche Tiere und gegenüber der nichtmenschlichen Welt im Ganzen ausgeübt werden – in all deren Facettenhaftigkeiten in denen solche unterdrückerischen Mechanismen, Gedanken und Handlungen in den unterschiedlichen menschlichen kulturellen Ebenen, so wie in Religionen, Wissenschaften, Recht, Kunst, etc. in Erscheinung treten.

Ebenso brauchen wir Begriffe für das allgemeine Phänomen menschlicher Zerstörung und Destruktivität in diesem Punkte. Wir (die Gruppe Messel) beziehen uns hierauf als Faunazid, insofern es um nichtmenschliche Tiere geht. Wir alle sollten mehr beschreibende Begrifflichkeiten entwickeln, für das, was wir bezeugen, und unsere Wahrnehmungen und Schlussfolgerungen können dabei auch unterschiedlich sein. Hierzu der folgende Text:

Tierrechte: zentrale Begriffe und Begriffserweiterungen

In der Tierrechtsdiskussion benötigen wir Begriffe, um die Situation zu beschreiben, in der Nichtmenschen (nichtmenschliche Tiere) sich aufgrund von abwertendem, objektifizierendem Verhalten seitens von Menschen befinden. Wie wir diese Begriffe nutzen und prägen, bestimmt auch, in welche Richtung die Diskussion uns führen wird. Auch müssen wir allgemeine Begriffe neu und in spezifizierter Weise definieren, so wie beispielsweise die Terminologien rund um „Recht“ und „Freiheit“. Das heißt zum Beispiel Begriffe, die Stützpfeiler zwischenmenschlicher ethischer Übereinkünfte sind, die bislang jedoch implizit den Ausschluss von Nichtmenschen mitdefinierten, indem sie in spezies-hierarchischer und anthropozentrischer Ausrichtung gedacht wurden.

Zahlreiche Begriffe, wenn nicht die meisten, sind gegenwärtig noch gekoppelt an Weltbilder, die Nichtmenschen ein mehr oder weniger festgelegtes Terrain zuordnen, das sich von einem menschlichen Herrschaftsanspruch herleitet, in dem Nichtmenschen eine untergeordnete Rolle zu menschlichen Belangen zugedacht wird.

Eine Kritik am Anthropozentrismus unserer Sprachsysteme soll nicht besagen, dass wir „den Menschen“ als homogene monolithische Masse denken. Menschen sind niemals grundsätzlich gleichgeschaltet, und was die Tierfrage und Umweltfrage anbetrifft, teilen nicht alle Menschen die dominanten herabsetzenden oder reduktiven Anschauungen über Nichtmenschen und die nichtmenschliche natürliche Welt.

Aus Tierrechtssicht bewegt sich die Problematik von Verstößen gegen Menschenrechte in zwischenmenschlichen Konstellationen, auf der gleichen Landkarte ethischer Fragestellungen, die sich in der Menschheitsgeschichte der Rubrik „Unrecht“ zuordnen lassen, wie die bislang unbeantworteten Fragen nach Tierrechten und Rechten um Zusammenhang mit umweltethischen Belangen. Jeder Schwerpunkt wird dabei aber politisch kontextualisiert betrachtet und die Objektifizierung und Herabsetzung von Nichtmenschen und der natürlichen Umwelt trägt jeweils ihre eigenen Alleistellungsmerkmale.

Eine Kritik am Anthropozentrismus unserer Sprachsysteme soll einen dominierenden menschlich-destruktiven Kollektivismus in Fragen stellen, um damit zugleich auch Definitionen von zwischenmenschlichem „Recht“ aus Tierrechtsperspektive hinterfragbar zu machen.

Zum einen baut unser „Recht“ auf einem impliziten anthropozentrischen „Recht“ zur Objektifizierung der nichtmenschlichen Welt auf. Zum anderen haben wir als „Menschen“ aber kein „Recht“ solch einen impliziten Herrschaftsanspruch (den wir qua unserer Spezies erhalten und den wir über alle anderen Spezies ausüben können) nun wiederum als zugehörige zur Gruppe der Homo sapiens grundsätzlich zu kritisieren und ein vergleichbares Fundament von „Recht/en“ für Nichtmenschen einzuklagen – auf Grundlage der Fragen des „Rechts“ das unser menschliches „Recht“ begründet.

Die ethischen Bausteine, die unser Menschenrecht ausmachen, sind für die meisten Menschen ausschließlich. Die Gedanken von „Würde“ und „ursächlicher Freiheit“ koppeln sich für die meisten, an Begriffe, die mit Tierlichkeit nicht assoziiert werden sollen. Wir haben kurzum theoretisch unweigerlich „Rechte“ als Menschen, im gleichen Zuge in dem Nichtmenschen unweigerlich keine „Rechte“ haben dürfen.

Die Frage, ob diese Art Kontraktualismus auf Spezies-Ebene wirklich funktioniert, muss dabei deutlich verneint werden, sonst würde die automatische Berechtigung auf Menschenrechte (qua Spezieszugehörigkeit zur Spezies Mensch) garantieren, dass es keinerlei Verstöße gegen Menschenrechte mehr geben würde oder jemals hätte geben dürfen, und es würden auch keine Debatte darüber mehr geben müssen, was Menschenrechte eigentlich bedeuten und was nicht (man denke an den Konflikt zwischen Umweltschützer*innen und Menschen die Wirtschaft und Konsum in umweltschädigender Weise unterstützen).

Kollektive dominante abwertende Haltungen von Menschen gegenüber der nichtmenschlichen Welt sind nicht auf jeden Menschen, als Individuum oder in der Gruppe, automatisch zu beziehen qua Zugehörigkeit zur Spezies Mensch. Die dominante Herabsetzung und/oder Objektifizierung von Tieren, seitens der meisten Menschen in der uns bekannten Vergangenheit und in der Gegenwart, ist aber ein sozialer Umstand, dem als gesellschaftliches Phänomen auf globaler Ebene aus Tierrechtssicht unweigerlich Rechnung getragen werden muss.

Folgende Begriffe stehen gegenwärtig für zentrale Standpunkte in der Tierrechtsdiskussion und im Tierrechtsaktivismus: Tierrechte, Tierbefreiung, Speziesismus, Antispeziesismus, Anthropozentrismus.

Diese Begriffe werden von der Tierrechtsbewegung (und Tierrechtsaktivist*innen), wenn man genauer hinschaut, aber definitorisch unterschiedlich gebraucht. Dennoch einigt sich unsere Bewegung immer wieder auf ein paar kleinste gemeinsame Nenner zwischen den verschiedenen Ansätzen. Nichtsdestotrotz können die Ziele aber letztendlich völlig auseinanderdriften. Wir haben beispielsweise Tierrechtler*innen, die von einem „intersektionalen“ Diskurs her beeinflusst sind, wir haben Aktivist*innen, die sich eher an den Argumentationen der Umweltbewegung orientieren, wir haben einige „Schulen“ in der Tierrechtsbewegung, etc.

Bei der Anwendung von Begrifflichkeiten, die unsere Definitionen von Tierrechten kennzeichnen:

  1. Ist eine kritische Hinterfragung der Begriffe zulässig und weiterführend
  2. Sind alleinstehende Begriffe (z.B. „Tierrechte“), die als Übereinkünfte dienen, nicht ausreichend, um richtungsweisend fungieren zu können, sondern eine allgemeine Kontextualisierung der Begriffe ist maßgeblich
  3. Sollten Diskussionen selbstverständlicher und offener laufen. Die tragenden inhaltlichen Pfeiler sollten so stabil sein, dass der Ausbau an gedanklicher Architektur mit allen uns sprachlich zur Verfügung stehenden Bausteinen arbeiten kann. Solange erklärt wird, was mit Begriffen gemeint ist, durch Kontextualisierungen, besteht auch weniger Gefahr, dass Inhalte fahrlässig verwässert und/oder verwechselt werden; vermeintlich Emanzipatives sollte sich dann nicht als sein Gegenteil erweisen müssen.

Beispiele hierfür:

  • Nutze ich die klassische biologistische Insel zur Beschreibung meines Endruckes von Tieridentität, dann kontextualisiere ich meine Konstruktion von Tieridentität nicht über den biologischen naturwissenschaftlichen Rahmen hinaus. Eine primäre Zuordnung von Tierlichkeit zu den Naturwissenschaften ist jedoch z.B. sozial und philosophisch reduktiv, etc.
  • Das gleiche würde für das Modell von Religion und göttlicher Forderung nach Fürsorge für ‚die Schöpfung‘ gelten: hier fehlt eine außerreligiöse Kontextualisierung von Tiersein, welches sich nicht von selbst aus, in diesen Rahmen einordnen lassen muss.

Um der „freien Zone“ von Tierlichkeit Rechnung zu tragen, verwenden wir den Begriff der Tierautonomie.

Eine Beschreibung der zentralsten eigendefinitorischen Begriffe der Tiere-verteidigenden-Bewegungen

Tierrechte:

Bei diesem Begriff muss zu klären sein, was jeweilige Aktivist*innen/Autor*innen (Diskutant*innen und Rezipient*innen) unter „Recht/en“ grundsätzlich verstehen – sowohl in Hinsicht auf Menschen als auch auf nichtmenschliche Tiere, als auch in Hinsicht auf die natürliche Welt, um ein Bild vom großen und ganzen zu erhalten, als das Bezugsfeld, das zur Diskussion steht. Was ist „Recht“ an sich, was wird unter einer Qualifizierung für „Rechte“ verstanden, wie werden Rechtsbegriffe gebildet und wie können sie neu oder anderes gebildet werden und warum. Viele Menschen beziehen den Gedanken von „Recht/en“ immer auf ein bereits bestehendes Konstrukt von „Recht“, und legitimieren (willentlich oder unwillentlich) dabei die faktische Entrechtung von Nichtmenschen und des natürlichen Raums. Ein „Recht“ wird unserer Meinung nach dann nötig, wenn ein menschlicher Übergriff in den Lebensbereich anderer sattfindet und eingeschränkt oder verhindert werden muss (bezieht sich bislang in der Form in erster Linie auf Menschen). Ein „Recht“ kann aber auch als Ausdruck einer dominanten Machtposition verstanden werden, was der landläufigeren Vorstellung von „Recht“ entspricht, auch wenn die Dominanz mit viel ethischem Anspruch ausgekleidet wird. Es geht also darum die Idee von „Recht/en“ neu zu durchdenken und kritisch zu hinterfragen, um so Nichtmenschen und ihre Tierrechte und die natürliche nichtmenschliche Umwelt adäquat mit zu priorisieren und so grundsätzlich ethische Sekundarisierungen (und ethische Marginalisierungen) zu vermeiden.

Tierbefreiung:

Dieser Begriff wird allgemeinhin in der Bewegung von Menschen, die sich für Nichtmenschen engagieren, als der emanzipativste Begriff gehandelt. Problematisch ist, dass der leibliche Befreiungsakt hier in der Regel an Theorien gekoppelt ist, die mehr auf die Bekämpfung von „Ausbeutung“ fokussieren, statt auf „Unrecht“. Die Herabsetzung von Tieren in unseren Gesellschaften bedeutet jedoch das gleichzeitige in Abrede stellen der Kapazität zum Freisein. Dies bildet bei Tierbefreier*innen aber keinen Gegenstand in dem Anspruch auf eine menschliche Befreiungstat. Dass andere Menschen immer wieder und immer weiter Tiere einsperren, als Ausdruck dessen, was diese Menschen diesen Tieren in Abrede stellen, lässt sich allein durch das Öffnen von Mauern, Zäunen, Stall und Käfig nicht lösen. Die „theoretischen Käfige“ müssen mit geöffnet werden, damit überhaupt keine Käfige mehr gebaut werden und Lebensräume nicht geraubt werden.

Die Tierbefreiungsbewegung bemüht sich nicht um eine Enthebelung von kulturellen und theoretischen Entmachtungsfaktoren gegenüber der Tierlichkeit, allein indem sie große Ansprüche auf politische Unabhängigkeit ihrer eigenen Bewegung erhebt. Der Anspruch zum Beispiel darauf, dass verbriefte Rechte nicht nötig seien bei Nichtmenschen, bei einen selbst als Menschen aber schon, macht die Bewegung unglaubwürdig. Ebenso der sozio-ethische Ausschluss von Tierlichkeit. Wie sollen Tiere weltweit von einer Gruppe von Menschen „befreit“ werden, wenn diese Gruppe von Menschen selbst Mitträger von Entmachtungs- und Einsperrungsvorrichtungen sind – aufgrund ihres Unterlassens, die Mechanismen auf gesamtkultureller Ebene zu demontieren, die die konstante geistige Abwertung von Nichtmenschen ermöglicht?

Ein zu beobachtendes Problem ist, dass wenn ich einen Nichtmenschen körperlich befreie, ich ihn/sie weiterhin als Subjekt in objektifizierender Weise herabsetzen kann. Die Frage nach der Ursache und der eigentlichen Funktionsweise menschlicher Herabsetzung von Tieren findet eine zu vereinfachende Antwort in einem Begriff, der sich eigentlich eher ausdrücklich für konkrete Befreiungsaktionen eignet.

Der Anspruch derer, die Tierbefreiungen aktiv durchführen, kann weitreichender Natur sein. Die Bezeichnung „Befreiung“ im Bezug auf grundsätzliche Fragen von Unrecht (das man für sich selbst ja schließlich als Mensch auch einklagen können möchte – warum also nicht für Mitlebewesen?) täuscht aber vor, dass die Ursachen für Unrecht, und somit auch für körperliche Einsperrung und körperlichem Freiheitsentzug, mit dem körperlichen Befreiungsakt definitiv gelöst wären.

Die Tierbefreiung von menschlicher Unterdrückung an sich, müsste sich also den Fragen der Ursachen und Mechanismen, nicht nur von „Ausbeutung“, sondern von einem viel größerem Problem stellen, und zudem sollte vielleicht angesichts der Immensheit des Problems, etwas realistischer in der Eigenbezeichnung der politischen Agenda vorgehangen werden.

Speziesismus:

Dieser Begriff wurde jüngst von Aktivist*innen/Autor*innen kritisch hinterfragt, vor dem Hintergrund, dass die klassischen Ismen sich, geschichtlich und soziologisch betrachtet, auf zwischenmenschliche Ungerechtigkeiten beziehen, und immer den gezielten Ausschluss aus dem ‚vollen Menschsein‘ suggerieren und beinhalten würden, dass Nichtmenschen aber nicht aus diesem Kreis ausgeschlossen werden können, sondern, dass man die Herabsetzung/Objektifizierung von Nichtmenschen durch Menschen ganz in seinem eigenen Recht anschauen und analysieren müsste. Durch eine Gleichsetzung mit der Problematik innermenschlichen Konflikte, würde der Besonderheit der Problematik, der Tiere sich in Gegenüberstellung mit den Menschen sehen, nicht Rechnung getragen. Die Gleichsetzung von Speziesismus mit Rassismus und Sexismus sei also in sich problematisch.

Man könnte nun entgegnen, dass „Ismus“ grundsätzlich eine Herabsetzung bezeichnen kann, und dass dies nicht unbedingt in Korrelation zu zwischenmenschlichen „Ismen“ stehen muss. Auch könnte man die zwischenmenschlichen Formen von Ungerechtigkeiten auf einer Ebene betrachten, in der menschliche und tierliche Subjekte viel näher rücken, indem man von einer Kernindividualität ausgeht – dass die Zugehörigkeit zu einer diskriminierten Gruppe von Menschen damit auch nicht automatisch bedeutet, dass diese Identität das Ende des Eigenerlebens des betroffenen Subjekts sein muss.

Aber in Hinsicht auf soziologische und politische Komponenten und die benannte Gefahr der Verwechslung von Diskriminierungsmomenten, können wir die Kritik nachvollziehen. Zudem noch ein weiterer, ganz anderer Kritikpunkt an dem Begriff Speziesismus berücksichtigt werden kann. Die Frage ist nämlich auch, ob Speziesismus nicht bereits in sich einen Biologismus in seiner Anwendung auf die Herabsetzung von Nichtmenschen durch Menschen in die Diskussionsebene hineinträgt, der bei alternativen Begriffen vielleicht vermieden werden kann.

Der Fokus beim Begriff „Speziesismus“ liegt völlig auf der noch ungeklärten Frage nach dem, was wir eigentlich unter Spezies-Vielfalt verstehen. Unter Spezies-Vielfalt verstehen die meisten Menschen Lebensbereiche, die sie ausschließlich versuchen mit Biologismen zu erklären: Wir haben es also eher mit einem „Spezies-Biologismus“ zu tun.

Die Benennung von „Spezies“, als dem Angriffspunkt für die Diskriminierenden, ist noch gar nicht auf der ganzen Ebene geklärt, denn die Fragen bleibt offen, inwieweit unsere Vorstellung von „Spezies“ selbst – solange sie nichtmenschlich sind – diskriminatorisch ist.

Die meisten Menschen können sich in unseren Gesellschaften bislang überhaupt nicht vorstellen, nichtmenschliche Tiere anders zu sehen als speziesistisch, taxonomisch, in Rängen, als „Züchtungen“ und „artgerecht“ – was einen eklatanten Biologismus darstellt, indem Menschen ökosoziale und tiersoziale Komplexität und Differenziertheit eingrenzen zum Zwecke objektifizierender Zuordnungen.

Antispeziesismus stellt sich potenziell gegen alle Speziesismen. Wir haben Speziesismus und Antispeziesismus respektive als sich auf mannigfaltig verschiedene Speziesismen beziehend definiert. Wir gehen davon aus, dass Speziesismus im allgemeinen über Alleinstellungsmerkmale verfügt – wie zum Beispiel, dass kulturell normalisiert ritualisierte Gegessen-/Einverleibt-werden und/oder der extreme Objektstatus, beinahe Gegenstandsstatus. Was die Entmenschlichung im „Ismus“ ist, ist die Objektifizierung hin zum Gegenstand in der Herabsetzung von Tieren und Tierlichkeit. Speziesismen betreffen zahllose zwischenmenschliche Interaktionsebenen und sie betreffen verschiedene Gruppen und Individuen nichtmenschlicher Tiere in unterschiedlichen Weisen.

Alternative Begriffe für Speziesismus:

  • Spezies-/Tier-Herabsetzung
  • Spezies-/Tier-Objektivierung
  • Spezies-/Tier-Diskriminierung, etc.

Anthropozentrismus:

Der Begriff Anthropozentrismus wirft im gleichen Zuge die Frage auf, was Zoozentrismus oder aber auch ein Zentrismus im Bezug auf alles Nichtmenschliche, also „die Natur“ im Ganzen wäre. Was verstehen wir unter „Mensch“? Die Antwort muss sich nicht auf ein verengendes Bild „des Menschen“ begrenzen lassen, das sich aus rein biologistischen Faktoren zusammensetzen müsste, sondern wir würden allgemeinhin auch Aspekte geistig-subjekthafter Individualität mit einbeziehen.

Viele Menschen würden aber an der Stelle, im Bezug auf alles sie umgebende nichtmenschlich-Tierliche oder -Naturhafte, die Ebene einer besonderen Prädeterminiertheit ihres Menschseins setzen, mit ganz klar verlaufenden Grenzen zu anderen „Geistern“ und „Seelen“ hin, die es aus ihrer Sicht nicht geben könnte – das „Subjektsein“ ist nicht zuletzt ein noch nicht ganz geklärter Begriff im Interspeziesbereich.

In den Vorstellungen der meisten Menschen wird eine geistig-subjekthafte Individualität nicht mit dem Verstand und dem Intellekt von Nichtmenschen assoziiert, und Nichtmenschen werden von vielen, wenn nicht den meisten Menschen, noch biologisch-naturwissenschaftlich und objektifizierend erklärt (und analysiert).

Die Rede von „Anthropozentrismus“ oder die Kritik an diesem, heißt nicht einfach Menschen nicht auch als zentrale „Perspetivnehmer“ akzeptieren zu können. Ein zentraler „Perspektivnehmer“ kann sich in unterschiedlicher Weise auf seine Mitwelt beziehen. Da wir den „Ismus“ in diesem Begriff haben, geht es aber um eine problematische Komponente, die hier ausgedrückt werden soll. Der kollektivistische, subsumierende und definitorische Aspekt spielt konkret beim Menschsein eine bekannte Rolle. Wir würden beim Anthropozentrismus an eine andere soziale Realität denken im Bezug auf das soziale Ganze, als wenn wir an Ökozentrismus denken. Ökozentrismus ist ein Begriff, der wiederum anthropozentrisch gedacht werden kann.

Anthropozentrismus bezeichnet die problematische Beziehung des Menschen als kollektiven Körper zu seiner nichtmenschlichen Mitwelt in seiner ausschließlichen und hierarchischen Selbstzentriertheit, bei der die anderen Lebewesen eine sekundäre Rolle zugeteilt bekommen. Wenn ich auch Teil einer anthropozentrischen Gesellschaft bin, und mich kaum daraus entfernen kann effektive, so kann mein Denken und mein Handeln, soweit es mir möglich ist, diesem Anthropos-Egozentrismus aber auch völlig entgegengestellt sein.

Syl Ko und Lindgren Johnson: Eine Rezentrierung des Menschen

kts8

Jahrgang 8, Nr. 1, Art. 1, ISSN 2363-6513, März 2021

Eine Rezentrierung des Menschen

Syl Ko und Lindgren Johnson

Die englischsprachige Originalfassung:

“Re-centering the Human” by Syl Ko (with Lindgren Johnson), accompanying Mooni Perry’s exhibit 코로지엄과식탁위에카오스 (English: CoroseumAndChaosOnTheTable), featured at the Um Museum in South Korea (May 15, 2021 to June 13, 2021) and Mooni Perry’s exhibit 짐승에 이르기를 (English: As to the Beast), featured at Hapjungjigu in South Korea (April 1, 2021 to June 13, 2021).

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Hintergrund: Was bedeutet es zu sagen, dass der Mensch ein moralisch gewichtiger Faktor sei. Menschen sind gewichtige Faktoren in dem Sinne, dass wir von ihnen verlangen, ihr Verhalten und ihre Weltanschauungen zu ändern. Mainstream-Tierethiker*innen wenden viel Zeit damit auf darzulegen, dass ‚Spezies‘ im Punkte moralischer Erwägungen ein irrelevanter Faktor sei, was dem Aspekt widerspricht, dass Menschen selbst das Problem darstellen, dass sie es sein müssen, die sich verändern, und dass diese ethischen Argumente schließlich auf Menschen abzielen. Es kann nicht einerseits von Menschen verlangt werden sich abstrahierend von ihrem Menschsein abzuwenden, wenn es auf der anderen Seite genau das „Menschsein“ ist, das der zentrale Fokussierpunkt in der ethischen Auseinandersetzung sein muss. Dabei geht es nicht um menschliches Überlegenheitsdenken. Ungerechtigkeit gegenüber Tieren muss in seinen eigenen Begrifflichkeiten reartikuliert werden, damit Parallelen zu zwischenmenschlichen Ungerechtigkeiten als Stützpfeiler unnötig werden. Die Gleichsetzung von zwischenmenschlicher Ungerechtigkeit mit menschlicher Ungerechtigkeit gegenüber Nichtmenschen, verdeckt den Grad, in dem Ungerechtigkeit gegenüber Tieren eine einmalige Form des Leids ist, für die wir verantwortlich sind. Solche Reformulierungen sind entscheidend, um einen kognitiven Wechsel im Sinne der nichtmenschlichen Tiere sicherzustellen.

Schlagworte: Tierrechte, Menschenrechte, Ökologie, Soziologie, Tiersoziologie

TIERAUTONOMIE,  Jg. 8 (2021), Heft 1.

Eine Rezentrierung des Menschen

Syl Ko und Lindgren Johnson

Der Mensch als universeller Bezugsrahmen wird typischerweise als Hauptursache unserer heutigen planetaren Leiden betrachtet. Um dies klar zu machen: Es ist nicht einfach so, dass Menschen die Verursacher des Niedergangs der Erde sind, indem eine große Mehrheit ihr Leben in der Art leben wollen oder leben müssen, dass Nachhaltigkeit und die Berücksichtigung anderer Lebewesen oder natürlicher Landschaften abwesende Prioritäten darstellen. Sondern, man geht davon aus, dass es ist die grundsätzliche Positionierung ist, in der Menschen sich selbst als Mittelpunkt im Bezug auf den Rest der natürlichen Welt platzieren, durch die der Planet oder immerhin viele Myriaden seiner Bewohner, einschließlich des Menschen selbst, auf einen Kurs ins Vergessenwerden oder in erbärmliches Elend gesetzt wurden. Was daraus folgt, ist die Annahme, dass die einzige Hoffnung auf eine Umkehr dieses Verfalls teilweise darin liegt, den Menschen zu de-zentrieren, nicht allein als vermeintlich großen Nutznießer all dessen, was die natürliche Welt zu bieten hat, sondern vor allem insofern, als dass die menschliche Perspektive nicht mehr als die zentrale betrachtet werden sollte.

Diese Ausgangspunkte skizzieren zwei Seiten, die in begrenzter, aber bedeutsamer Weise an die Debatte zwischen der römisch-katholischen Kirche und den frühen säkularen Humanisten erinnern, als es um die Position der Erde im Sonnensystem ging. Kurz erklärt verfügte die Kirche, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei, statisch, und die Sonne und andere Himmelskörper würden um sie kreisen, während die Beobachtungen und Berechnungen einiger früher Astronomen ein deutlich anderes Bild aufzeigten; nämlich, dass es die Erde war, die sich um die Sonne drehte, und darüber hinaus, dass die Erde sogar nur eines von vielen anderen stellaren Objekten war, die diese Bahnen zogen. In anderen Worten, die Erde steht nicht im Mittelpunkt und sie ist auch nicht einmalig. Die Folgen der Dezentrierung der Erde waren zweierlei: erstens wurden exponentielle Fortschritte in der Astronomie/Astrophysik erzielt, die unser Leben und unser wissenschaftliches Denken in vorher unvorstellbarem Maße veränderten, und zweitens fand ein Wechsel in der Autorität von Wissenschaftlichkeit statt. Die frühen säkularen Astronomen stellten die Kirche als eine glaubwürdige Quelle für Fragen bezüglich der natürlichen Welt in Frage, wodurch infolgedessen nicht nur die Position der Erde im Kosmos hinterfragt wurde, sondern auch die Stellung des Menschen in der natürlichen Ordnung.

Der Erfolg, der durch die frühen säkularen Humanisten durch die Dezentrierung der Erde erlangt wurde, befördert aber auch eine andere, entmutigende Lektion, mit der diejenigen, die den Menschen dezentrierten möchten, sich auseinandersetzen sollten, und die – eingangs – nicht nur beunruhigend, sondern regelrecht entgegengesetzt zu ihren Zielen erscheinen könnte. Die Lektion beinhaltet die sorgfältige Unterscheidung zwischen dem Akt der evaluativen Zentrierung und der methodologischen Zentrierung. Dabei ist ersteres eine Beurteilung, die über die objektive Zentralität einer bestimmten Einheit oder Idee getroffen wird, und das zweite ist ein Anfangspunkt, von dem aus ein bestimmtes Projekt begonnen werden kann. Die frühere Verfügung der Kirche, dass die Erde der tatsächliche Mittelpunkt des Sonnensystems sei, und dass alle stellaren Objekte, einschließlich der Sonne, sich um sie herum bewegten, ist ein Beispiel evaluativer Zentrierung. Eine evaluative Zentrierung rechtfertigt typischerweise eine weitere moralische Schlussfolgerung, basierend auf der Beurteilung über die vermeintliche Zentralität einer bestimmten Einheit oder Idee. In diesem Fall ist die Erde der Ort eines besonderen einmaligen moralischen Narrativs, wie es in der Bibel dargelegt ist, dass die Erde angeblich der Mittelpunkt des Sonnensystems ist, sie von einer ganz anderen Beschaffenheit ist als alle anderen Himmelskörper und sie ist statisch. Die Astronomen, die für ein heliozentrisches Modell des Sonnensystems plädierten, unternahmen jedoch eine methodologische Zentrierung der Erde. Das heißt, es wurden Berechnungen und Beobachtungen angestellt, bei denen die Erde der bewusste Bezugspunkt war. In der Tat war es der methodologischen Zentrierung der Erde durch die Astronomen geschuldet – das heißt all die Kalkulationen und Beobachtungen wurden als auf der Erde stattfindend verstanden, Formeln und Erkenntnisse bezogen sich auf die Erde zur Venus und so von der Venus zur Sonne, usw. anstelle von Berechnungen „aus dem Nichts“ oder aus Sicht theologischer Beobachtungen aus einer „Perspektive Gottes“ – dass sie in der Lage dazu waren, die Erde somit evaluativ zu dezentrierten.

Nichts davon soll besagen, dass Forschungen in den Naturwissenschaften sich verhalten würden wie Forschungen in der Ethik. Es geht einfach darum, die Frage aufzuwerfen, was damit gemeint ist, wenn viele darauf bestehen, dass der Mensch dezentriert werde müsse, als ob der menschliche Bezugsrahmen und die Beurteilungen, dass menschliche Bedürfnisse und Wünsche objektiv zentral seien, identische Ansprüche seien. Wenn wir uns spezifisch den Fall nichtmenschlicher Tiere anschauen, dann wird die Gefahr deutlich, die in der Verwechslung beider Modalitäten der Zentrierung liegt, obgleich der grundsätzliche Punkt hier im Weiteren auch auf andere Fälle bezogen werden kann.

„Speziesismus“ ist der Begriff, der den weitläufigen und grundsätzlichen Mangel an Berücksichtigung von Tieren, die anderen Spezies als Homo sapiens angehören, beschreibt und erklärt. Der Begriff vermittelt, dass die Ungerechtigkeiten, die nichtmenschlichen Tieren widerfahren, in relevanter Weise vergleichbar sind mit Ungerechtigkeiten, die Menschen aufgrund menschlicher Konflikte widerfahren, so wie etwa Rassismus und Sexismus. Dieser Überlegung folgend ist das, was den “Speziesismus” vergleichbar zu Rassismus und Sexismus macht, dass in all den drei Fällen eine Eigenschaft, die moralisch arbiträr sein sollte – ob Rasse, Geschlecht oder Spezies – in moralische Überlegungen einbezogen wird, anhand derer ein Vorurteilsdenken gerechtfertigt wird. Mainstream-Tierverteidiger argumentieren dann, dass die Beachtung von Spezies im ethischen Denken, insbesondere der Gedanke, dass ein Mensch zu sein ein Grund für eine positive moralische Berücksichtigung sein könne, sich nicht anders verhält, als wenn jemand die Idee vertritt, dass weiß zu sein oder ein Mann zu sein ein Grund sein könne, um als moralisch relevant bewertet zu werden.

Ich beziehe mich auf Sichtweisen, bei denen angenommen wird, dass die Spezieszugehörigkeit bei moralischen Überlegungen irrelevant sein solle, als spezies-objektivistische Sichtweisen.  Der Spezies-Objektivist betrachtet den Menschen aus einer Perspektive außerhalb des menschlichen Beobachtenden, so dass er/sie Eigenschaften, Fähigkeiten oder Züge über Menschen in so ziemlich gleicher Weise betrachten kann, wie wenn er/sie sich irgendein anderes Tier ansieht. Für diejenigen, die auf der Seite der nichtmenschlichen Tiere stehen, lautet die Schlussfolgerung, dass es keine Eigenschaft gibt, keine Fähigkeit und kein Merkmal, über die Menschen verfügen, über die nicht immerhin eine Art von Tier ebenso verfügt. Aus diesem ‚objektiven, idealen‘ Bezugsrahmen heraus, dessen Inhalte sich auf die Naturwissenschaften beziehen, ist die Betrachtung, dass das Menschsein selbst ein moralisch gewichtiger Faktor ist, schlichtweg eine Frage des Vorurteils.

Spezies-Objektivisten können Menschen nur evaluativ dezentieren, indem sie Menschen methodologisch dezentrieren. Diese Strategie beinhaltet eine Abstrahierung hinweg von der Tatsache, dass Menschen sich selbst aus zweierlei Perspektiven betrachten; die erste ist dabei – wie Spezies-Objektivisten erkennen – eine Sicht aus einer externen Perspektive, so wie wenn wir eine Fledermaus oder einen Elefanten betrachten würden. Aber Menschen betrachten sich selbst auch und primär aus einer internen Perspektive, ein Blickpunkt, den wir nicht über andere Tiere einnehmen können und somit ein Zustand, über den wir im Bezug auf andere Tiere schweigen müssen. Auch wenn es stimmt, dass viele andere Tiere Freude erleben und Schmerz erfahren, eine Vielzahl von Emotionen erleben, sich erinnern, sich Dinge vorstellen und so weiter, so sind wir doch nicht in der Lage auf die Internalität dessen zuzugreifen, wie diese Erfahrungen aus derer Perspektive erlebt werden. Einfach gesagt sind wir nicht in der Lage dazu, die Sichtweise eines anderen Tieres subjektiv zu erleben.

Sichtweisen, die auf die innere Perspektive des Menschseins fokussieren, auf die ich mich als spezies-subjektivistische Sichtweisen beziehe, zeigen auf, dass die Frage über unsere Verpflichtungen gegenüber nichtmenschlichen Tieren besser begriffen wird, indem man sie explizit aus unserer Perspektive als Menschen her lokalisiert, statt innerhalb eines angeblich neutralen wissenschaftlichen Bezugsrahmens „aus dem Nichts“. In anderen Worten, im Gegensatz zu den Spezies-Objektivisten, glauben Spezies-Subjektivisten, dass der beste Weg um Menschen evaluativ zu dezentrieren darin liegt, den Menschen methodologisch zu zentrieren. Für diese Herangehensweise liegen zwei wesentliche Motivationen vor. Zuerst erkennt der Spezies-Subjektivismus, dass das, was Menschen ein moralisches Gewicht zuschreibt, nicht eine besondere Eigenschaft, Fähigkeit oder ein gewisses Merkmal ist, sondern, der Mensch selbst ist das Objekt menschlich moralischer Hinterfragungen, und das sich daraus ergebende Verhalten, legt die Bedingungen fest, unter denen andere Tiere (und andere Menschen) zu leben haben. Dies ist der gleiche Grund, warum wir unsere moralischen Erwartungen beispielsweise Bruno, der Katze, nicht aufzwingen; es wäre falsch zu sagen, dass Bruno intellektuell oder kognitiv in schwerem Maße behindert wäre, oder – auf der anderen Seite – dass es ihm an Empathie mangeln würde oder er antisoziale Tendenzen hätte, und er somit nicht wirklich Teil der Ergebnisse unserer moralischen Überlegungen sein könne, so wie wir es vielleicht für einige andere Menschen sagen würden. Stattdessen gehört Bruno zu einer anderen Lebensform, die seiner besonderen Spezies eigen ist, die uns insofern verschlossen bleibt, über die wir intellektuell keinen Besitz ergreifen können (und es auch nicht versuchen sollten zu tun) und die sich auch nicht in unsere intellektuellen Kategorien einordnen lässt.

Dies bindet sich eng an die zweite Motivation für eine Spezies-Subjektivistische Herangehensweise, die beinhaltet, dass eine echte und substanzielle moralische Berücksichtigung nichtmenschlicher Tiere erfordert anzuerkennen, dass andere Tiere selbst gleichermaßen spezies-spezifische Arten und Weisen haben, subjektiv in der Welt zu existieren, und dass sie über den Raum und die Freiheit dazu verfügen sollten, ihre eigenen Arten zu Leben zu gestalten und an ihrer eigenen Form zu leben teilzuhaben, ohne unsere Eingriffe oder zumindest nur mit einem Mindestmaß an Eingriffen unsererseits, in Fällen bei denen es nicht verhindert werden kann oder durch die zu einer gegenseitigen Bereicherung in ihrem Interesse beigetragen werden kann. Während eine spezies-objektivistische Herangehensweise darauf basiert nach den Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und anderen Tieren zu schauen, als Grundlage für eine Tierethik, so akzeptiert der Spezies-Subjektivismus hingegen, dass Grenzen zwischen den Spezies existieren, und dass ein Teil dessen andere Tiere zu respektieren erfordert, eine Aufoktroyierung einer menschlichen Idee dessen, was ein (gutes) Leben für sie sei, ihnen gegenüber zu vermeiden. Die Anerkennung dessen, dass subjektive Realitäten für alle Tiere existieren, als primäre Orientierung in der Ethik, beginnt mit der Anerkennung dessen, dass wir, als Menschen, über eine spezifische subjektive Realität verfügen, die wir offenlegen müssen (denn wir sind ebenso Tiere) bevor wir für uns behaupten können, die subjektive Realität und die Formen von Leben anderer Tiere zu respektieren.

Wie sieht es aus, wenn wir Menschen methodologisch zentrieren? Eingangs muss gesagt werden, dass eine methodologische Zentrierung des Menschen darauf verzichten würde, Ungerechtigkeit gegenüber Tieren als „Speziesismus“ zu beschreiben oder zu erklären. Da wir den Menschen nicht aus der externen, sondern aus der internen Perspektive beschreiben, erkennen wir, dass menschliche Ungerechtigkeiten gegenüber anderen Menschen, und Ungerechtigkeiten, mit denen andere Tiere sich aufgrund von menschlichen Verhaltensweisen konfrontiert sehen, sich grundsätzlich voneinander unterscheiden. Die Schlechtigkeit (zwischen-)menschlicher Ungerechtigkeiten, so wie Rassismus oder Sexismus, rühren aus dem Ausschluss bestimmter menschlicher Populationen oder Individuen aus der grundsätzlichen Idee des „Menschseins“. In der Tat greifen rassistische oder sexistische Ideologien darauf zurück, Nichtweiße und Frauen respektive, entweder als Abweichungen vom idealen Menschen oder als nicht komplette Menschen zu deuten. Ein Mitglied der Spezies Homo sapiens kann dann von einem anderen Menschen als nicht-menschlich bezeichnet werden, als Tier, als Untermensch, als halber Mensch, etc. und es ist dieser Mechanismus, der die schädlichen menschlichen Ismen und die daraus folgenden negativen Konsequenzen erzeugt. Diese Schäden sind normalerweise nicht nur physisch, sondern von ihrer Qualität in besonderer Weise innerlich, als Schmerz der Entmenschlichung. Im spezies-objektivistischen Modell kann solch ein Mechanismus nicht erklärt werden, denn aus einer externen Perspektive ergibt es kaum Sinn zu sagen, dass ein Mensch kein Mensch ist. Aus einer externen Perspektive ist jedes Mitglied der Spezies Homo sapiens ein „richtiger“ Mensch und so macht es auch keinen Sinn zu fragen, warum als „Mensch“ betrachtet zu werden, eine Bedeutung haben kann in Fällen, bei denen es ausschließlich um Menschen geht.

Wenn der Ausschluss von Menschen aus der Idee des „Menschseins“ ein Mechanismus ist, der hinter zwischenmenschlichen Ungerechtigkeiten steckt, dann kann dieser Mechanismus Ungerechtigkeit gegenüber Tieren mit Sicherheit nicht erklären, denn es wäre absurd anzunehmen, dass eine positive moralische Berücksichtigung von Tieren beinhalten müsse sie als Menschen zu betrachten. Und mit Sicherheit verursacht die Zurkenntnisnahme dessen, dass andere Tiere keine Menschen sind, nicht von selbst aus eine negative, oder nicht vorhandene moralischen Berücksichtigung ihrer. Eine methodologische Rezentrierung des Menschen lässt somit einen wichtigen Weg zur evaluativen Dezentrierung von Menschen erkennen: Tierverteidiger müssen einen Weg finden, der allgemeinen Öffentlichkeit und sich selbst gegenüber, Ungerechtigkeit gegenüber Tieren in seinen eigenen Begrifflichkeiten zu reartikulieren und zu reformulieren, so dass Parallelen zu zwischenmenschlichen Ungerechtigkeiten als Stützpfeiler unnötig werden. Auch wenn dies guten Intentionen folgt, so verdeckt die Besessenheit damit, die Ungerechtigkeit gegenüber nichtmenschlichen Tieren zu erörtern als verhielte sie sich in relevanter Weise gleich zu zwischenmenschlicher Ungerechtigkeit, den Grad, in dem Ungerechtigkeit gegenüber Tieren eine einmalige Form des Leids ist, für die wir verantwortlich sind. Proteste, die sich gegen zwischenmenschliches Unrecht richten, befördern zwangsläufig (und zu Recht) die Fragen dessen, wie wir dies anderen Menschen antun können – das sind Gefühle, die ihre langen Schatten werfen, in dem Moment, in dem wir hier das Leiden eines Nichtmenschen mit zur Seite stellen.

Zusätzlich führt die Verwendung zwischenmenschlicher Ungerechtigkeit als Schablone zum Verstehen von menschlicher Ungerechtigkeit gegenüber Tieren logischerweise zu lächerlichen Anwendungen des „Inklusions“-Narrativs, das für die Sicherstellung von Gerechtigkeit für menschliche Gruppen, die geschichtlich gesehen von der Teilhabe an der Gesellschaft ausgeschlossen wurden, essentiell war. So sollen nichtmenschliche Tiere, in Konsequenz dessen, Heilmittel für das Unrecht sein, das wir ihnen antun. Obgleich die moralische Berücksichtigung von nichtmenschlichen Tieren selten ernsthaft verfolgt wird, so ist es doch lächerlich anzunehmen, dass die Ermutigung zu ihrer buchstäblichen Inklusion in Räume, die entworfen waren, um Menschen dienlich zu sein, die Antwort auf die Frage dessen sein kann, was es heißt, sie in unser moralisches Denken mit einzubeschließen.

Was hier beachtet werden sollte, ist, dass Spezies-Subjektivismus so auf eine enorme Spannung hinweist, die der Spezies-Objektivismus für ein allgemeines moralisches Denken benötigt. Spezies-Subjektivisten erkennen an, dass Menschen in praktischen Angelegenheiten – einschließlich ihres moralischen Denkens und Handelns, das auf einer täglichen Basis stattfindet – in erster Linie aus einer internen Perspektive heraus funktionieren. Die erfolgreichen ethischen Beziehungen, deren Beispiele wir in Freundschafen, Ehen, bei Menschen im Bezug auf ihre tierlichen Freunde, in Familien, etc. finden, bieten eine reiche Grundlage, um zu untersuchen, wie die lokalen Schemata und Netze des Lebens, die wir errichten und erhalten, intrinsisch die Parameter dessen bereitstellen, wie wir uns zueinander verhalten sollten. Von Individuen zu fordern, sich aus dieser Perspektive herausnehmen – der Perspektive auf der moralisches Denken stattfindet und aus der alle anderen positiven moralischen Beziehungen her rühren – um stattdessen die externe Perspektive anzunehmen, als Mittel zur Reflektion moralischer Fragen im Bezug auf nichtmenschliche Tiere, erscheint ein unnötiges Unterfangen zu sein. Wenn wir einen weitreichenden kognitiven Wechsel im Bezug auf nichtmenschliche Tiere erwirken wollen, dann kann dies nicht der Weg sein.

Ich habe versucht zu zeigen, dass ein unglaublicher Wert in der Hervorhebung einer Art der Zentrierung liegt, die eigentlich verschwinden soll, in Gegenüberstellung zu einer Art der Zentrierung, die für den Akt des Verschwindens unerlässlich ist. So wie die Dezentrierung der Erde in der Astronomie, so kann die Dezentrierung des Menschen in der Ethik tiefgreifende Auswirkungen haben, sowohl materiell – insofern, wie wir einen Unterscheid für die Gesundheit des Planeten und seinen Bewohnern bewirken können – sowie kognitiv – insofern, wie wir den Umfang und die Bandbreite ändern können, im Bezug auf Wesen, die als moralisch-zu-berücksichtigen gelten sollten und wir so unsere Position in der ethischen Ordnung rekalibrieren. Obgleich Menschen nicht weiter davon ausgehen können, dass sie evaluativ die Mitte bilden, wenn der Trend unseres kollektiven Verhaltens, das sich auf den Planeten auswirkt, umgekehrt werden soll, so ist es doch ein Fehler im gleichen Zuge zu glauben, dass dieses Projekt die Dezentrierung des menschlichen Bezugsrahmens erfordert. Es stimmt, dass wir versuchen die Welt zu ändern, aber um dies zu schaffen, müssen wir an aller erster Stelle den Menschen selbst ändern. Wenn irgendeine Hoffnung darauf besteht, dass eine moralische Revolution in den nächsten Jahren stattfinden sollte, dann muss dies eine Revolution menschlicher Perspektiven sein, und als solche muss die menschliche Perspektive an vorerster Front stehen und die Mitte bilden.

Kontakt: sylko@protonmail.com

Anmerkungen des Übersetzenden:

Ich verwende im Übersetzungstext für einen einfacheren Lesefluss das generische Maskulinum, damit soll inhaltlich aber keine Genderform ausgeschlossen werden.

Um sowohl Tierrechtler*innen als auch Tierbefreier*innen und mögliche weitere Tieraktivist*innen zu bezeichnen, übersetze ich das englische Wort „animal advocate“ hier als „Tierverteidiger“.

Den Begriff „human injustices“, den Syl Ko und Lindgren Johnson hier explizit auf Ungerechtigkeiten bezieht, die Menschen untereinander verüben, bezeichne ich differenziert in Hinsicht auf seine Bezugspunkte zum Teil als „zwischenmenschliche Ungerechtigkeiten“.

Ich verwende das Wort „Spezies,“ und nicht den im deutschen alternativ zur Verfügung stehenden Begriff „Art“, um das englische Wort ‚species‘ zu übersetzen, da das Wort „Art“ den Menschen sprachgebräuchlich nicht problemlos oder missverständlich umfassen könnte in den Bezeichnungen: Spezies-Objektivismus und Spezies-Subjektivismus.

Über die Autorinnen

Syl Ko ist Mitautorin von ‚Aphro-ism: Essays on Pop Culture, Feminism und Black Veganism‘ (2017); sie hat Philosophie an der San Francisco State University und an der University of North Carolina at Chapel Hill studiert, mit den Schwerpunkten Geschichte der Philosophie, Sozialontologie und Tierethik. Sie arbeitet als unabhängige Forscherin in Portland, Maine (USA).

Lindgren Johnson ist Autorin des Buches: ‚Race Matters, Animal Matters: Fugitive Humanism in African America, 1840-1930‘ (2018). Sie ist Dozentin an der University of Virginia (USA) am Department of English und ist dort auch Fakultätsberaterin für die Animal Justice Advocates der UVa.

Tierautonomie

Herausgeber: www.simorgh.de – ‘Open Access in animal-, human- and the earth liberation’. Revised 03/2021. Veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung den Autorinnen. Übersetzung: Gita Yegane Arani.

Zitation

Ko, Syl/Johnson, Lindgren (2021). Eine Rezentrierung des Menschen. TIERAUTONOMIE, 8(1), http://simorgh.de/tierautonomie/JG8_2021_1.pdf.

(Rev. 21.03.2021)

TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)

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Tierrechte und Tierrechte

Tierrechte und antibiologistische Tiersoziologie: Der Tierrechtsdiskurs kann nicht weniger komplex geführt werden, als Diskurse über Menschenrechte.

Gita Yegane Arani

Umso engstirniger und reduktiver unser Weltbild in Hinsicht auf Tiere ist, umso einfacher werden unsere Erklärungsmodelle über das menschliche Verhältnis zu dessen nichtmenschlicher Mitwelt. Und so flachen auch die Erklärungen darüber ab, wer Tiere sind, was deren Rechte beinhalten und was diese Rechte wiederum in unserer Gesellschaft bedeuten müssten – für die Menschen, die den ganzen Planeten mit ihren definitorischen und räumlichen Herrschaftsansprüchen dominieren.

Kann man wirklich ausreichend viel bewirken und was genau bewirkt man, wenn alle zusammen an der Verwirklichung einfacher Modelle für Tierrechte mitarbeiten, wenn es also kein inhaltliches Durcheinander gibt, weil wir uns bei Tierrechten weniger Pluralismus im Diskurs erlauben wollen als in Sachen Menschenrechten?

Sollte sich nicht vielleicht lieber jede*r, genauso wie in punkto Menschrechte, selbst mit allen Aspekten seines/ihres kritischen Denkens und seiner/ihrer fein nuancierten Beobachtungsgabe mit einbringen, statt nur nach den vielleicht offensichtlicheren Möglichkeiten Ausschau zu halten, die in der Vereinfachung eines in Wirklichkeit genauso komplizierten Sachverhalts liegen?

Das Problem ist natürlich, dass wir selbst bei Menschrechtsfragen oftmals lieber weniger hören wollen von den Geschichtegestalter*innen von unten. So haben wir selbst hier die Tendenz zu ein paar vermeintlich „richtigeren“ großen Strömungen in der Beantwortung von Fragen und den dazugehörigen Fragestellungen. Im Tierrechtsbereich (inkl. Tierbefreiung) ist der Mangel an echter Pluralität und basisdemokratischer Kommunikation aber völlig eklatant.

Der Anspruch auf die eigenen Menschenrechte hat natürlich den Vorteil, im Vergleich zum indirekten Einklagen von denjenigen Rechten, die wir für unsere nichtmenschlichen Nächsten einfordern, dass qua Menschenrecht jede*r an sich als vollwertiges Subjekt-von-Rechten vom Grundsatz her anerkannt wird, und dass jede*r theoretisch, und von dem uns ethisch einigenden Grundsatz her, ein Recht darauf hat seine/ihre Meinung frei zu artikulieren. Von der Prämisse der Menschenrechte her, darf ich für mich selbst als Mensch sprechen. Für die Rechte von nichtmenschlichen Tieren muss ich eine weitaus grundsätzlichere Leistung an Argumentation erbringen, da hier bislang fast nur speziesistische Übereinkünfte in sämtlichen die Tiere betreffenden Bereichen vorherrschen.

Die Artikulation von seinsphilosophisch relevantem Tun und Denken wird Tieren abgesprochen in unserem naturwissenschaftlich geprägten Zeitalter, mit der Begründung, dass sie Instinktwesen seien (gekennzeichnet als evolutionsbiologisch zu unterscheidender Antipode zum Menschen) und immer auch mit der Begründung, dass sie den qualifizierenden Parametern des Menschen nicht entsprechen, die sich dazu berechtigen würden, vollwertige Subjekte unabhängiger Rechte auf Freiheit und auf Unversehrtheit von menschlicher Gewalt zu sein, usw.

Die Konsequenzen der rechtlichen Disqualifizierung lehnen Tierrechtler*innen grundsätzlich ab und bekämpfen sie. Die Ursachen aber für die Entrechtung werden noch nicht ausreichend differenziert analysiert und kritisch hinterfragt. Infolgedessen werden Ursachen von manchen Tierrechtler*innen teils sogar selbst unbewusst weiter aufrecht gehalten.

Bei unseren Menschenrechten merken wir ständig, dass wir den Einsatz für unsere Rechte als Mensch auch ständig selber antidiskriminatorisch mit verwirklich müssen – im Alltag als einzelnes Individuum sowie im Einsatz für das Große und Ganze. Beim Speziesismus soll das jetzt anders aussehen. Tierrechte und Speziesismus sollen inhaltlich vermeintlich viel einfacher zu lösende Diskriminierungsmomente sein. Die Diskriminierung von Tieren soll vergleichsweise ein insofern weniger komplexes Thema sein, da es sich mit dem Ziel der körperlichen Unversehrtheit von Tieren bereits komplett beantworten ließe. Ich bezweifle jedoch, dass solange die bislang nicht offengelegten Ursachen in einer anthropozentrischen Gesellschaft noch weiterhin außer Acht gelassen werden, wir zeitgleich eine wirkliche Lösung für die Tiere betreffenden Probleme finden können.

Wenn man aber sagt, die alleinige Forderung nach physischem Schutz reicht noch nicht um Tierrechte auf seine adäquaten Fundamente zu platzieren, dass es um noch mehr geht und wir immer noch eine in so vielerlei Hinsicht extrem reduktive Sicht auf das Tiersein haben, dann wird einem potenziell im Gegenzug unterstellt, man wolle dem schlimmsten Übel, das den Nichtmenschen physisch geschieht, nicht mit helfen politisch entgegenzutreten.

Soll der Grund, wieso es überhaupt Speziesismus gibt – oder wie auch immer wir das Problem noch nennen könnten (Tierhass, Tierunterdrückung, usw. usf.) – etwa nicht zu komplex diskutiert werden, angesichts der schier unbeschreiblichen Extremheit der Situation und der gebotenen Eile Veränderungen herbeizuführen? Das könnte ich verstehen. Aber ich finde bislang noch nicht mal einfache verbale Beschreibungen für die Extremheit der Situation vor. Ich plädiere für Begriffe wie Faunazid oder Zoozid um die Extremheit zu bezeichnen.

Die Situationen, die wir im Alltag im Bezug auf Tiersein und Tierlichkeit bezeugen, sollen vergleichsweise einfacher beantwortbar sein als die, wenn mir selbst etwas vergleichbares als „Mensch“ geschehen würde? Ich brauch mir nicht vorstellen, was wäre, wenn mir selbst so eine Art Unrecht widerfahren würde? Ich soll also theoretisch mein Erlebnis Subjekt zu sein als Tierrechtler*in völlig dissoziieren von tierlichen Subjekten? Wer entscheidet das, wenn nicht ich selbst?

Warum es wichtig ist ein fundamentales Pluralitätsbewusstsein im zivilgesellschaftlichen Aktivismus einzufordern. Tierrechte bilden da keine Ausnahme, sondern ganz im Gegenteil!

Das Thema Tierrechte ist kein inhaltlicher Monolith. Es besteht zugleich auch keinerlei zwangsläufige Einheitlichkeit in den allgemeinen Weltanschauungen von denjenigen Menschen, die sich proaktiv mit dem Themenkomplex auseinandersetzen. Gerade wenn es um unser Bild von Tieren und deren Rechte geht, steht auf einmal so viel bislang Ungeklärtes zur Frage, und es muss derart viel neu durchdacht werden, dass wir dabei vielleicht manchmal vergessen, dass auch dieses neu erscheinende Denken erst im Zusammenhang mit dem Entsteht, was uns bereits vorher beschäftigt hat.

Damit zeigen sich meiner Beobachtung nach auch die verschiedenartigen Vorstellungen von dem, wie Rechte nicht-anthropozentrisch verstanden werden können, und wie der Blick von Menschen auf Nichtmenschen völlig divers ist. Immerhin ist unser typisches, normales, durch die menschliche Hybris gekennzeichnetes Bild von Nichtmenschen ein sich immer nur an der Oberfläche befindendes unzureichendes Projektionswerk gewesen. Ein einzelner Mensch hat sich, introspektiv betrachtet, aber seine/ihre eigene Meinung bilden können.

Das Thema Tierrechte und unsere Betrachtungen über menschliche Sichtweisen auf Tiere als einfach zu beschreiben, würde bedeuten das Denken über Tiere auf einen Tunnelblick begrenzt zu halten. Die Komplexität in menschlichen Herangehensweisen an das Thema bildet nicht einfach ein sinnloses Chaos, sondern sie bildet idealerweise einen wichtigen hilfreichen Hintergrund für die Klärung von dem, was wir dann letztendlich gemeinschaftlich in differenzierter Weise unter Tierrechten verstehen können.

Wir können Tierrechte nur dann sinnvoll definieren, wenn wir dabei transparent machen und offen mit einbeziehen, dass es um unsere eigenen richtigen und falschen Approximationen geht, dass sich hier unsere Vorstellungswelten spiegeln, die es ermöglichen uns den Fragen anzunähern, und wir uns so und nicht anders den Nichtmenschen in ihrer Autonomie von menschlichen Beherrschungsansprüchen konstruktiv oder destruktiv begegnen können.

Es existiert kein zwangsläufiges Bild, das alle Menschen im Bezug auf Tiere teilen. Mehrheitlich multiplizieren sich Stereotype, die über Identitäten gebildet werden. Mehrheitlich, kann man speziesistische Attributisierungen, im Sinne dass das Menschliche „gut“ und das Tierliche „schlecht“ sei betreiben. Das ist aber ein dünnes ideologisches Konstrukt, dass sich im Moment der unabhängigen Reflektion der tierlichen Gegenüber schnell auflöst auf den individuellen Erlebnisebenen von Menschen. Und es sind auch nicht alle kulturellen Überlieferungen klinisch rein von dem, was antispeziesistisch verträglich oder hilfreich ist.

(Mit „richtigen“ und „falschen“ Annäherungen an das Thema meine ich das gleiche „richtig“ und „falsch“, das auch immer wieder neu in den Menschenrechten austariert werden muss, wenn es um die Anerkennung von Rechten geht und um die Erkenntnis über Unrecht damit einhergehend. Zu allen Zeiten werden Diskriminierungsmomente auch gegen Menschen ausgeblendet und kaschiert.)

Ursachen des Faunazids benennen

Mein eigener Hauptfokus in der Frage dessen, was Tierrechte bedeuten müssen, ist eine antibiologistische Herangehensweise an das Thema. Mir ist über die letzten vollen zwanzig Jahre in der Tierrechtbewegung (und in der Tierbefreiungsbewegung) aufgefallen, dass immer noch eine Sichtweise über Nichtmenschen als normal vorausgesetzt wird, die Tiere in erster Linie mit biologischen Terminologien liest, und dass Tieren infolgedessen selbst in diesen Bewegungen eine, philosophisch betrachtet, verminderte Rolle im Gesamtgeschehen zugeordnet wird.

Das ist ein Anthropozentrismus, der bestimmte Vorstellungen von „Menschsein“ als einzig gestaltend im Weltgeschehen in den Mittelpunkt rückt, und bei dem dieses Menschsein als qualifiziert erkannt wird, anhand von den Merkmalen, die im Laufe der jüngeren Menschheitsgeschichte als biologische Unterscheidungsmerkmale in wertender Weise gekennzeichnet wurden.

Anhand von biologischen Merkmalen wird hergeleitet, welche Handlungen gesamtgeschichtlich für die Menschheit relevant sind und welche bedeutungslos und marginalisierbar sind. Wird der Blick (etwas fortschrittlicher) auf die ganze Natur biozentrisch gerichtet, dann bleibt der biologistische Anthropozentrismus erhalten, indem die Naturgeschichte eine Zone ist, in der nichts vergleichbares wie das menschliche Denken stattfindet.

Das menschliche Denken wird anhand der eigenen Früchte des eigenen menschlichen Handelns abgelesen, und in seiner Unvergleichlichkeit unter allen biologischen Lebewesen als maßgeblicher verstanden, insofern, dass der Mensch über eine unbedingte Selbstbestimmtheit als biologische Einheit verfügen würde.

Die zentrale Frage ob wir tierliches Denken endlich nicht mehr als einen kausalistischen sondern als einen freien Prozess anerkennen, wird in bislang in keiner Weise komplex diskutiert und über überhaupt als relevant für Tierrechte (und die Tierbefreiung) lokalisiert. Die Verbindung von nichtmenschlicher Intelligenz im gesamten nichtmenschlichen Raum – das heißt auch: Tiere als Meister in ihrer Ökosozialität – … ist für uns also noch kein Kriterium um Intelligenz ausreichend neu zu bedenken.

Ich fordere meine Kolleg*innen immer wieder auf, dass wir auch die theoretischen Käfige aufbrechen müssen. Das heißt, die Erklärungswelt über Tiere benötigt eine Erweiterung in der Wahrnehmungssensibilität und in der Wahrnehmung beschreibenden Sprache von Menschen. Die Gesellschaft tut sich, selbst in ihren widerständlerischen Segmenten, noch außergewöhnlich schwer mit einem Paradigmenwechsel in der Perspektivität, die sie zur Beschreibung der nichtmenschlichen Welt anwendet.

Vielversprechendere Ansätze als die des „weißen Mainstreams“ finden sich teils bei Autor*innen, die von einem eher dekolonialen Hintergrund her kommen und deren Sichtweisen über das Mensch-Tier-Verhältnis sich zum Teil erkennbar unterschiedlichen Kosmologien zuordnen lässt. Es scheint, dass indem das Konstrukt „Mensch“ ein anderes ist, das „Tier“ sich auch immerhin abweichend lokalisieren lässt, und wir so zumindest erkennen können, dass die Sichtweisen auf Nichtmenschen kulturell nicht immer so ganz einhellig sind.

In der soziologischen Zuordnung der Tierfrage und der Tierrechte innerhalb des Antirassismusdiskurses findet sich die Beobachtung, dass Tieren ein Nicht-Ort zugeschrieben wird, an dem sie eigentlich, in dem was sie selbst in Wirklichkeit sind, überhaupt nicht erkannt werden. Eine neue, explizite Beschreibung von solchen nichtmenschlichen Räumen findet bislang aber nicht weiter in den Diskussionen statt. Es wird erkannt, dass etwas nicht erkannt wird. Aber auch hier finde ich bislang keine explizite Kritik an den Alleinstellungsmerkmalen vom Speziesismus (Tierhass, Tierunterdrückung, usw.), die eine prioritäre, fallgerechte Analyse einläuten würde.

Der Speziesismus hat logischerweise die wirklich perverse Eigenschaft, dass er in negativer Form im Umkehrschluss darauf hinweist, was die Negierung von Tieren eigentlich überhaupt alles an Tieren verneint. Schauen wir uns die Unterdrückung von Tieren und Tierhass, etc. nicht genau an, erkennen wir auch schwerlich wo die Widerstände exakt bei den Menschen liegen, das heißt wo der Mensch „nicht richtig funktioniert“ – wo er ungerecht ist und im Unrecht gegen andere-als-menschliche Tiere handelt. Außer natürlich wir gehen davon aus, dass es im Prinzip evolutionsgeschichtlich ganz normal war, dass wir Tiere opfern und töten mussten. Wir gehen aber nicht alle davon aus!

Eine sehr große Gruppe unter den Aktivist*innen für Tierrechte lassen sich jedoch immer noch mit zu der mehrheitlichen Gruppe von Menschen zählen, die das klassische Narrativ des Jägers und Sammlers ohne den geringsten Zweifel unterschreiben. Tierrechtler*innen die dies tun, begrenzen die Geschichtsschreibung über ‚den Menschen‘ – vielleicht unwillentlich – auf das Kollektivistische und das Mehrheitliche und Dominante.

Wenn ich diese Gruppe aus meiner Tierrechtssicht her kritisiere, dann steht hinter solch einer Kritik mein Bewusstsein dessen, dass Tierrechte gleichermaßen differenziert erörtert werden können wie Menschenrechte. Wenn wir Tiere erkennen, als mit-ihren-Geschichten-vollständig-bedeutsam, können wir verstehen, warum wirklich konstruktive Auseinandersetzungen mit Tierrechten niemals einem politischen „Einparteienprogramm“ gleichen sollten. Dabei geht es um den Kern des Problems, nämlich die mehr oder weniger reduktiven Sichtweisen auf Tiere, und in dem Zuge die Verknüpfungen mit sozialen und ökologischen Fragen, die demokratische Räume anbetreffen.

Die Mehrheit der Tierrechtler*innen erzeugt leider genau den Einparteien-Effekt, indem sie beinahe geschlossen vor allem biologistisch an das Thema herantreten. Der Biologismus im Speziesismus ist für mich die Folge der dominanten menschheitsgeschichtlichen Entwicklungen in Philosophie und Religion, und den weiteren kulturellen Orten, die Menschen zur Selbstorientung und zur Definition ihrer Mitwelt geprägt haben und prägen.

Der aktuelle Ort, an dem eine radikale Trennung zwischen Menschsein und Tiersein geschaffen werden konnte, war der, an dem sie gänzlich der naturwissenschaftlichen Fokussierung auf ihr Physisches untergeordnet wurden, als gedachten Ort einer vollständigen Erklärbarkeit ihres Seins.

Man kann natürlich in gleicher Weise auch für Tierrechte kämpfen, indem man sagt, die Geschichte spielt keine Rolle, ich muss sie auch nicht weiter hinterfragen und es geht darum, was jetzt getan werden muss. Das hieße aber, dass wir auch der Geschichte derjenigen Tiere, die in der ganzen Menschheitsgeschichte bislang untergeordnet wurden, nie einen Raum in der aktuellen Diskussion über Tierrechte geben können. Es heißt auch, zu sagen, Tiere seien überhaupt geschichtslos im historischen Sinne, weil es nur eine anthropozentrische und biologistisch geprägte Sicht auf die Gesamtweltgeschichte geben kann. Klar können wir Tiergeschichte überhaupt erst mitreflektieren, wenn wir Tiere überhaupt erst anders reflektieren.

Reicht es ihnen, den Tieren einen Raum zuteilen zu wollen, an dem sie körperlich geschützt sein sollen, aber weiterhin den extremst unterdrückerischen und absurdesten Definitionen untergeworfen werden sollen? Wie würden die normalen heutigen Mainstream-Tierrechtler*innen dann das Problem mit Speziesismus und Religion zum Beispiel lösen wollen? Mit anthropozentrischer „Gnade“ aber ohne Rechte? Und mit welcher Begründung werden die Annexionen von Tiersein in juristischen, politischen, philosophischen und anderen kulturellen Räumen dann ausgeräumt, die immer wieder den optimalen Nährboden zur Legitimation von Speziesismus in der Gesellschaft bieten?

Über Tierrechte sprechen, Perspektivenvielfalt erörtern

Es gibt viele Weltanschauungen. Und so gibt es auch viele verschiedene Anschauungen, wie Menschen meinen können, die Rechte anderer mitzurealisieren. Die Vielfalt dieser engagierten Sichtweisen kann erst erkennbar machen und klären, was das Gegenteil von Speziesismus in der Gesellschaft wirklich ausmacht – Speziesismen sind allgemeine Übereinkünfte über Tiere, die getroffen wurden/werden. Sie lassen der pazifistischen Begegnung zwischen menschlichen und tierlichen Subjekten keinen Raum. Eine verengende Diskussionsführung spiegelt diesen besonderen Istzustand tierfreundlichen und antispeziesistischen Denkens in Teilen der Gesellschaft kaum wieder. Und es ist egal, ob es sich dabei vielleicht um einer Minderheit in der Minderheit handelt.

Ich habe den Eindruck, viele Menschen wollen Pluralität tendenziell nicht wirklich in die Praxis umsetzen oder halten sie für wenig effektiv. Das Hierarchische wird stillschweigend weiterpraktiziert, indem immer wiederkehrende Priorisierungsakte von ähnlich konstruiertem „Wichtigen“ und „Unwichtigen“, „Relevantem“ und „Irrelevantem“ vollzogen werden. Gleich wie sich die Menschheitsgeschichte verändert, bestimmte Mechanismen werden kaum hinterfragt und ändern sich daher kaum.

Ich glaube die Adressierung der Tierrechtsproblematik stagniert immer noch mehr wegen der verkrusteten Strukturen innerhalb menschlicher Kommunikationswege, und nicht wegen der Fragen selbst. Das heißt, das Thema ist so imminent und explosiv, aber die Art, wie wir darüber reden, ist verengend und zu vereinfachend.

Wir erleben hier eine Zeit, die vergleichbar sein muss mit den Zeiten der großen schwierigen Paradigmenwechsel in der Entwicklung von menschlichen Sichtweisen auf die Welt. Im Punkt Menschenrechte sind wir bemüht um inhaltlich große Schritte. Im Punkt Mitwelt belassen wir die Welt ethisch und politisch als „zweidimensionale Scheibe“. Wobei dieser Vergleich natürlich hinkt, denn das Verständnis von Objektivität in den Naturwissenschaften war in der Betrachtung der Menschen von ihrer nichtmenschlichen Mitwelt niemals das neutrale Mittel zur Erkenntnisgewinnung. Niemand hat sie kritisch hinterfragt und nicht zuletzt ging es um eine seinsgeschichtliche Konstellation, an der sich das „Menschsein“ selbst in zerstörerischer Weise abgearbeitet hat.

Viele Menschen setzen sich weniger mit irgendwelchen eigentlichen Inhalten auseinander, statt mit dem Pool an Informationen, die als die wichtigsten und richtigsten innerhalb einer Gesellschaft ausgetauscht werden. Kritisches, hinterfragendes Denken kann aber nicht in Schienen von Informationsaufnahme und Informationsabfragung verlaufen, die zum Teil aber selbst durch Methodiken im akademisches Denken eingeübt werden. Akademisches Denken läuft meiner Meinung nach oftmals Gefahr geschlossene gedankliche Kreise zu erzeugen, anhand der Verifizierung von Ideen, bei der die Berufung auf Quellen überbetont wird – die in ihren inhaltlichen Aussagen aber nicht an und für sich als neutral vorauszusetzen sind, sondern auch immer nur Abbild eines weiteren geschlossenen Gedankenkreises, der durch weitere Berufungen auf Quellen generiert wurde. Ein Inhalt wird erst durch eine*n Autor*in und deren Ranking mehr oder weniger relevant. Inhalte an und für sich können nicht quellenlos diskutiert werden. Manche Problemkomplexe und Fragenstellungen, etc. lassen sich so aber nicht thematisieren. Es gibt tatsächlich Themen, zu denen wirst du nichts finden, die aber trotzdem täglich auf dich einwirken. Oder du findest vielleicht nur tendenziöse Texte (Ich erinnere mich da (un)gerne an meine Suchen in alten philosophischen und literarischen Texten zum Thema ‚Weiblichkeit‘, geschweige denn später zu den Themen ‚Natur‘ und ‚Tiere‘. Wenn wir uns heute auch nur auf Quellen aus der Gegenwart beziehen würden, bliebe die Geschichte immer noch weiterhin ein Kontinuum).

Aus akademischer Sicht wird implizit zudem eine Sicht eingeübt, dass nicht-akademisch geschulte Menschen weniger in der Lage wären wichtige Beobachtungen auszudrücken, oder dass diese allein noch nicht bedeutungsvoll genug sind um als Fundamente für Demokratie zu funktionieren. Eine Gefahr die ich im akademischen Denken sehe ist, von einer intramenschlichen soziologischen Ebene her betrachtet, ein gesellschaftlicher Elitismus. Es werden Perspektiven eingenommen aus einer intellektuellen Vogelsicht, die für zivilgesellschaftliche Prozesse äußerst hinderlich sein können – wenn es um die Weiterentwicklung von Bürgerrechten aber auch um die Entwicklung von neuen emanzipativen Prozessen in der Gesellschaft wie Tierrecht und Umweltschutz geht. Auch Umweltschutz ist kein Thema, dass nur technokratisch adressiert werden kann. Die Naturwissenschaften können zwar Zahlen und Fakten von technisch messbarer Umweltzerstörung nennen und zu einem veränderten Verhalten ermahnen, etc. Mehr eigentlich aber auch nicht.

Bürgerrechte, einschließlich Tierrechte und Umweltschutz – die beiden großen Themenkomplexe die das Mensch-Mitwelt Verhältnis anbelangen – müssen von allen (mit-)gedacht und von allen (mit-)praktiziert werden. Einigungen und Fortschritte können nur ausgehandelt werden zwischen allen. Selbst ökonomische Veränderung bedürfen aller demokratischer gesellschaftlichen Bausteine; man denke an eine Realisierung einer Postwachstumsgesellschaft und an die Praxis von Konsumkritik.

Tierrechte funktionieren nicht anders als Menschenrechte. Genauso der Umweltschutz. Wenn nicht jede*r diese emanzipativen Prozesse mitdenken und mitmachen und mitentwickeln kann, dann ist alles nur von oben verordnet und kein demokratisches Wachstum.

Ich verstehe nicht warum Tierrechte zunehmen akademisiert werden, als klassisches Aktivismusgebiet. Man sieht diese Tendenz aber in einigen Aktivismusgebieten und diese Tendenzen werden auch von einigen Aktivist*innen kritisch beurteilt. Nur nicht so in den Tierrechten. Der Tierrechtsaktivismus gibt sich vorwiegend monolithisch, indem er eine einfache Haltung zum Thema einnimmt, statt komplexe Fragen, wie es in den anderen Bürgerrechtsbewegungen Praxis ist, aufzuwerfen. Vielleicht meint er mehr Schlagkraft aus einem geeinten Auftreten zu erzielen und zu viel Heterogenität scheint das geeinte Auftreten zu zerstreuen. Ich glaube aber nicht, dass das der vernünftigste Weg ist.

Eine Vereinfachung der Problematik ist meiner Meinung nach unrealistisch und wenig überzeugend, und spiegelt weder die Realität der Tiere und ihrer erlebten Geschichten noch die Realität der Menschen, und ihrer Erlebnisse im Engagement für Tiere wieder. Es scheint mir eher das laute Geläut sich hierarchisch organisierender Cluster und Gruppen zu sein, die Inhalte selbst zu einem großen Teil unsichtbar machen. Die Vereinfachungen des Themas werden dem Thema nicht gerecht, aber vermitteln den Eindruck, als wäre die Einfachheit dem Thema geschuldet. Das ist meiner Meinung nach ein Fauxpas im aktivistischen Ansatz, der allzu offensichtlich zu sein scheint. Ich frage mich, ob in der Mainstream-Tierrechtsbewegung und Tierbefreiungsbewegung gegenwärtig nicht zu kurz gedacht wird.

Systemimmanenter Speziesismus als gesellschaftlicher Istzustand


Wenn man Speziesismus auf der kulturellen und nicht auf irgendeiner technokratischen Ebene betrachtet, dann ist einem klar, dass wir kulturell immer noch in einem speziesistischen System leben.
Aktivismus, der vorgibt der Faunazid wäre eine Beiwerk menschlicher Uninformiertheit, ignoriert, dass Speziesismus eine Geschichte intentionierter Abwertung von Nichtmenschen und deren Kulturen ist.
Wird auf sekundäre Symptomatiken, die infolge des Faunazids auftreten, als Argument gegen Speziesismus ausgewichen, bleibt das Verhältnis von Menschen immer noch bestehen, dass Tiersein und Tierlichkeit kulturell und gesamtethisch nonexistent und bedeutungslos wären.
Antibiologistische Tiersoziologie

All things animal are attributed a deficit

Two fragments:

It occurs that organic farmers and vegans come together under a technocratic understanding of progress,

focussing together on the environmental impacts of the agricutural faunacide

on their own desired future:

without redress to animal stories.

And more angles of destructivity:

+ All things animal are attributed a deficit.

+ Current environmentalism is socially disconnected from animality.

+ Anthropocentric homogeneity acts sanctified

antispekunst