Podcast: Unwort “artgerecht”

Podcast: Unwort “artgerecht” (MP3)

Warum wir uns an dem Wort und unterschiedlichen Gedanken, die hinter dem Begriff “artgerecht” stehen, stoßen. Wer schreibt einer Gruppe von Tierindividuen zu, was deren grundlegende Bedürfnisse sind und an welcher Stelle sollten grundlegende Bedürfnisse im Leben eines Lebewesens eingrenzbar sein? Provokativ könnte man auch fragen ob man auch Menschen artgerecht behandeln kann.

Artgerechtigkeit bezieht sich auf das ganze Leben, den ganzen Lebenskontext eines Tieres. Wenn man also nur nichtmenschliche Tiere “artgerecht” behandeln kann, Menschen aber nicht, dann legt man damit fest, dass im Leben eines Menschen weit mehr fließende Übergänge im Lebensablauf und in seinen Lebenskontexten stattfinden als bei nichtmenschlichen Tieren. “Artgerecht” – sprich: die Eingrenzung und Bestimmung von Bedürfnissen und wo diese ihre Grenzen und Prioritäten haben – ist zu einfach um die Lebenskontexte von Tierindividuen zu beschreiben. Derer jeglicher Tierindividuen.

Hier sind auch einige Snippets, die mit der Materie zu tun haben und die Euch hoffentlich ebenfalls zum Denken anregen können. Uns geht es darum, dass die Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung wirklich eigene sinnvollere Terminologien (insbesondere Schlüsselterminologien) entwickeln sollte, statt sich der Sprache der bedingt objektiven Wissenschaften und derjenigen gesellschaftlichen Mehrheitssegmente zu bedienen, die effektive keine tierbefreierischen Ansätze verfolgen und die kaum ursächlich motiviert sind Nichtmenschen unter freieren, autonomie-respektierenden Gesichtspunkten zu betrachten.

Der Begriff “artgerecht” stammt primär aus der Agrarindustrie, den Tierhaltungsystemen, den Zoos, auch den zoologischen Programmen zur Nachzucht gefährdeter Spezies … weniger den Schutzreservaten, denn ich glaube um so freier und “wilder” der erhaltene Lebensraum, um so absurder und überflüssiger wird die Eingrenzung einer Spezies in einen bestimmten, eingrenzbaren Bedürfnisrahmen. Außer es geht um den “Artenerhalt” in Form einer Sortierung bestimmter Spezies, die als ökologisch erwünscht oder die bzw. als “fremd” und “schädigend” für ein ökologisches System klassifiziert werden, wo der Mensch die unerwünschte Spezies zur gewaltsamen Eliminierung freigibt. Die Tötungsmechanismen werden dann häufig wiederum unter “artgerechten” Gesichtspunkten ausgewählt.

Gruppe Messel: Freiheit, insbesondere Tierfreiheit, hat nichts mit „artgerecht“ zu tun

Das Wort „Freiheit“ im Zusammenhang mit „Artgerecht“ ist problematisch, denn Freiheit wird von Tierrechtler_innen selbst tatsächlich oft „artspezifisch“ definiert, und ist somit also überhaupt keine Freiheit mehr. Wäre man konsequent, müsste das Wort „Freiheit“ den Begriff „artspezifisch” logischerweise aufheben. Wäre die Freiheit „artgerecht“, dann wäre sie keine Freiheit mehr. Die Freiheit wird nicht einer Art gerecht, sondern das Individuum ist frei.

Anastasia Yarbrough: Rassismus und Speziesismus. Sind beide miteinander austauschbar?

Rasse und Spezies sind willkürliche Unterscheidungen die ungefähr in der gleichen Zeit im europäischen Denken entstanden. Beide sind geleitet von phänotypischen Unterscheidungen aber tragen das Gewicht und die Legitimität als seien sie biologisch verwurzelt, und biologisch wird oft gleichgesetzt mit etwas „Fixiertem.“

Barbara Noske: Die Tierfrage in der Anthropologie

Im besten Falle wird unsere „Animalität“ (unser Körper) als materielle Basis betrachtet, aus der sich unser echtes „Menschsein“ (Verstand, Sozialität, Kultur, Sprache) entwickeln konnte. Ironischerweise gravitieren viele Wissenschaftler um essenzialistische Positionen (wie Rasse und Geschlecht), die sie selbst in Hinsicht auf den Menschen ablehnen, sobald aber eine andere biologische Kategorie in Sicht kommt, und zwar unsere Speziesbarriere, wird eine biobehavioristische wissenschaftliche Charakterisierung in den Begriffen beobachtbarer Verhaltensweisen und Mechanismen dargestellt, von denen ausgegangen wird, dass diese im genetischen Aufbau der Tiere eincodiert sind. Biologie und Ethologie sind irgendwie zu den Wissenschaften über die Tierheit (animalkind) geworden. Es ist von diesen Wissenschaften woher die Sozialwissenschaftler (die Wissenschaften über die Menschheit) ihr eigenes Bild von Tieren und Tiersein unkritisch und zum größten Teil unbeabsichtigt beziehen. Tiere sind an biologische und genetische Erklärungen gebunden worden.

Chris von Olde Ghost: Ein Statement zu veganer Intersektionalität

Eine der Situationen, die mich immer wieder perplex machen, verwirren und oft auch erschüttern, ist wie Leute, die sich so dem Schutz, dem Erhalt und der Wiederherstellung der natürlichen Umwelt widmen, ein so geringes echtes Verständnis haben von der Verbindung zwischen dem Veganismus und den Auswirkungen, die eine auf Fleisch basierende Ernährung auf die Umwelt hat. In solchen Diskussionen wurde mir häufig entgegenet „naja, das Fleisch, dass ich esse ist von Tieren aus artgerechter Haltung, und daher ist es ok“ oder man kam mir mit dem blinden Versuch das Thema abzutun, indem man mir von den Negativauswirkungen von Sojabohnenprodukten etzählte, oder von der Tatsache, dass die vegane Lebensweise einfach „extrem“ sei.

Steven Bartlett: Menschlicher Widerstand gegen Tierrechte, psychologische und konzeptuelle Blockaden

Unabhängig vom religiösen Dogma, aber ebenfalls den homozentrischen Stempel tragend, hat der zweite, spezies-zentrierte Anspruch menschliche Interaktionen mit Tieren durchdrungen, in dem die Tiere vergleichsweise zur menschlichen Spezies als in vielen Weisen minderwertig befunden wurden. Nach dieser Ansicht wird behauptet, dass Tiere Eigenschaften ermangeln oder komplett fehlen, auf die Menschen bei sich selbst stolz sind: Der Besitz von Vernunft, Sprach- und Symbolverwendung, Fähigkeit zur Reflektion, Bewusstsein des Selbst und so weiter. Historisch haben Befürworter dieser Sichtweise eine extreme Agilität gezeigt in der Verschiebung ihrer territorialen Ansprüche von einer putativ speziell den Menschen unterscheidenden Eigenschaft zur nächsten, während Biologie und Ethologie weiterhin vorangeschritten sind und empirisch beweisen, dass eine einzigartig menschliche Eigenschaft nach der anderen von Mitgliedern anderer Spezies geteilt wird.

In der Zusammenhang noch einen Auszug aus Bartletts Text den ich hier noch gerne anführen möchte, in allgemeiner Hinsicht im Bezug auf diskriminierende Eingrenzungen von Nichtmenschen aufgrund ihnen zugeordneter biologischer Parameter.

[…] Der homozentrische Peter Singer schlägt eine welfaristisch-utilitaristische Theorie vor, die Menschen dazu auffordert, ihre eigenen Bedürfnisse mit den Bedürfnissen nichtmenschlicher Tiere auszubalancieren, in der Form, dass dadurch unnötiges Tierleid vermieden wird ohne dabei die Priorität menschlicher Interessen zu kompromittieren. Für Singer kann das Vorhandensein von Unterschieden in der kognitiven Fähigkeit korrespondierende Unterschiede im Grad moralischer Wichtigkeit mit sich bringen, und indem er dies sagt, schlägt er implizit eine Position vor, die karikiert werden kann als insistierend: um so mehr sie wie wir sind, um so wertvoller sind sie. In anderen Worten, die Spezies-Barriere ist aufgeweicht – aber nur bis zu dem Punkt, an dem die Ähnlichkeit zur menschlichen Spezies deutlich bleibt. Diese Position ist voller Probleme: zum Beispiel, es mag einige Leser erstaunen, dass Singer bezweifelt, dass für Tiere auf dem Weg zur Schlachtung, ihr schmerzloser Tod wirklich überhaupt eine Beraubung um etwas ist.

Vasile Stanescu: Warum Tiere zu lieben nicht reicht, eine feministische Kritik

In meiner Präsentation heute möchte ich die Aussagen von Kathy Rudy und die Praktiken von Catherine Friend kritisieren, als emblematisch für eine größere Bewegung, die den Feminismus mit Rechtfertigungen für einen fortgesetzten Konsum von Tierprodukten zusammenführen will. Ganz in Gegenteil dazu glaube ich, dass gerade aus der Position sowohl der feministischen als auch der queeren Epistemologie heraus, wir die Aufzucht und die Tötung ganz gleich welcher Tiere kritisieren müssen, auch wenn solche Praktiken als „human“ oder „artgerecht“ gekennzeichnet werden.

[…]

Über das Falsche am ländlichen Bild vom „Happy Meat“ [„glücklichen Fleisch“], hat Alice Walker in ihrem Essay „Bin ich Blue? sagen meine Augen dir dies denn nicht?“ geschrieben [im Englischen bedeutet ‚blue’ sowohl blau als auch traurig]. In dieser Kurzgeschichte erzählt Walker von der Begegnung mit einem Pferd, das jedes der Kriterien aufweisen würde, die Rudy für eine humane, „artgerechte“ Tierhaltung voraussetzt. So trägt dieses Pferd beispielsweise einen Namen, es ist gut genährt, es wurde nicht geschlagen oder „misshandelt“ und es verfügt sogar über zweitausend Quadratmeter an „schöner“ Fläche Land, in denen es umher galoppieren kann.

Dennoch lehnt Walker (die auch glaubt, dass Tiere lieben können und Emotionen haben) die Behandlung von Blue ab, weil das weibliche Pferd, in das Blue sich verliebt hat, von ihm getrennt wurde […].

Vasile Stanescu: Das Judas-Schwein, wie wir “invasive Spezies” unter Vorgabe des “Naturschutzes” töten

[…] So stellt auch seine Kritik an „Fabrikfarmen“ keinen Aufruf zur Beendigung allen Fleischverzehrs dar, sondern es ist nur ein Aufruf dazu, den Mangel an „Fürsorge“ für die Tiere zu beheben. Sein zugrunde liegendes Argument und die Art und Weise in der er imstande ist von den verwilderten Tieren zur artgerechten landwirtschaftlichen Tierhaltung überzuleiten, basiert auf der zweiten Idee, die, so meine ich, seinen beiden Argumenten unterliegt: der Biopolitik, dem Argument also, dass die Menschen das Leben selbst verwalten müssten. Das heißt, der Grundgedanke scheint zu sein, dass die „Natur“ sich nicht um sich selbst kümmern kann, ohne ständige menschliche „Intervention“. Und trotzdem muss genau zur gleichen Zeit diese „Intervention“ kontinuierlich im Verborgenen gehalten werden. Gleich den unsichtbaren Händen der Märkte, die der fortwährenden menschlichen Regulation bedürfen, scheint dieser Aufruf – sowohl zur Entfernung der verwilderten Tiere als auch zur Aufzucht artgerechten Fleisches – in simultaner Weise die ständige Einmischung der Menschen innerhalb des sogenannten „Natürlichen“ zu fordern und zugleich zu leugnen.

[…]

Ich möchte also diesen Diskurs bezüglich der Tötung verwilderter Tiere im Zusammenhang mit dem Diskurs über die artgerechte Viehwirtschaft betrachten. In Wirklichkeit werden Tiere aus vermeintlich humaneren, sog. artgerechten Haltungsbedingungen immer noch genetisch manipuliert, grob misshandelt und im Babyalter in industriellen Schlachthäusern getötet (Stanscu, „Green Eggs and Ham“; „Why Loving Animals in Not Enough“; „Crocodile Tears“). Aber selbst wenn das nicht der Fall wäre, so wäre diese Praxis immer noch praktisch irrelevant, da 99,9 Prozent aller Tiere, die zu landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden, unter den Bedingungen von Fabrikfarmen bzw. in der Massentierhaltung aufgezogen werden (Farm Forward). Ich habe daher auch zuvor argumentiert (Stanescu und Pedersen, „The Future of Critical Animal Studies“), dass der ganze Reiz oder die ganze Nützlichkeit eines locavoren Produkts darin liegt, die beinahe universelle Realität des Fabrikfarmensystems zu maskieren, und, was noch wichtiger ist, die Realität der harten Wahl, die getroffen werden muss, zu maskieren – dass es im Wesentlichen nämlich unmöglich ist, Fleisch und Ethik, beides zu haben. In anderen Worten: das, was die Verbraucher zu einem erhöhten Preis kaufen, ist nicht das Fleisch per se, sondern das Vergessen, dass eine Wahl getroffen werden musste. Und als solche dienen diese wenigen Vorzeigetiere, die auf den vermeintlich humaner oder artgerecht betriebenen Höfen leben, in einer Art symbolischer Stellvertretung der Wiedergutmachung, vergleichbar mit der sonderbaren Praxis der Präsidenten der Vereinigten Staaten einen Truthahn vor Thanksgiving, zu dem in den USA Millionen Truthähne getötet werden, zu begnadigen (Fiskesjö). In ähnlicher Weise agieren diese Höfe, als begnadigten sie symbolisch einige wenige Tiere, um eine Wiedergutmachung für die schätzungsweise 70 Milliarden Tiere zu betreiben, die nun bald weltweit fast ausschließlich unter Farbrikfarmbedingungen getötet werden.

Podcast: Verbindungsstellen zwischen Menschen- und Tierrechten erkennen

Podcast: Die Verbindungsstellen zwischen Menschen- und Tierrechten erkennen (MP3)

Oft haben wir in den sozialen Feeds von uns intersektionalen Tierrechtlern nur dieses Ping-Pong zwischen einem Tweet für Tierrechte und einem für Menschenrechte … , aber kaum diskutieren wir die tatsächlichen Verbindungsstellen zwischen Unterdrückungsformen wie Rassismus und Speziesismus. Ich habe einige sehr interessante intersektionale Texte von englischsprachigen Autor_innen übersetzt, in denen klar wird, wo Unterdrückungsformen sich berühren und wie wir die Verbindung in logischer und vernünftiger Weise herstellen können: siehe einige Texte hier.

In Zeiten, in denen die Menschenrechte zunehmend zur Farce wegschrumpfen, Lebensräume für Menschen wie Tiere weltweit nurnoch dominiert werden von machtvollen Menschengruppen, wo Rassismus, Sexismus, Ableismus … und die Gewalt gegen Nichtmenschen in Form von Speziesismen und Gewalt gegen die natürlichen Lebensräume von Nichtmenschen sich zur totalen Zerstörung verdichten, können wir nicht sagen, wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, sondern wir sollten Kritik üben und Kritik überhaupt üben können in den täglichen Diskussionen mit Mitmenschen und bei unserem Output in sozialen Netzwerken zum Beispiel.

Dies ist ein Aufruf die Verbindung zwischen Menschen- und Tierrechten vermehrt zu verbalisieren, und nicht nur bei dem Nebeneinander der Tragödien zu verharren.

P.S. Es reicht meiner Meinung nach nicht für die Argumentation für die Schnittstellen von Menschen- und Tierrechten von der sensuellen Empfindsamkeit beider “Klassen” von Lebewesen (….) auf biologischer Grundlage zu sprechen. Ich weiß, dies tat Jeremy Bentham Ende des 18. Jahrhunderts schon als Utilitartist der er war sehr überzeugend, aber genau da ist der Knackpunkt: wir sollten uns seit der Diskussion über Tierethik und/oder Tierwürde, etc. seit dem 18. Jhdt. doch inzwischen ein bisschen weiter voraus wagen.

Podcast: Tierkörper in der Kunst und mal wieder PETA und die Tiereuthanasie

Podcast: Tierkörper un der Kunst und mal wieder PETA und die Tiereuthanasie (MP3)

Eine vielleicht nicht so gelungene aber immerhin nicht-speziesistische Möglichkeit der künstlerischen Verarbeitung des Themas Speziesismus in unserer Gesellschaft (von mir selbst angefertigte Zeichnung).

Warum wieder das lästige Thema Tiereuthanasie und PETA, habe darüber bereits vorher berichtet, siehe hier: http://www.simorgh.de/archive.htm. Im Podcats gebe ich unrichtigerweise an man solle in der Suchbox unten PETA eingeben, aber die Einträge zum Thema PETA und Euthanasie befinden sich in meinem Archiv. Also warum wieder dieses Thema, ganz einfach: weil es innerhalb der TR-Bewegung immer noch zumeist negiert wird und Fälle wie der der Hündin Maya in den USA einfach unsäglich tragisch sind.

Das andere Thema: Tierkörper in der Kunst ist zur Zeit brandaktuell, weil sich die Geister in der TR-Bewegung zunehmend daran scheiden, was noch Kunst und was bereits Speziesismus ist.

Also dies sind hier einige Aspekte die mir dazu in den Sinn gekommen sind, und die ich Euch / Ihnen gerne mitteilen wollte – auch zur Ermutigung, dass der/die Zuhörer_in auch seine/ihre Meinung zu derart Themen öffentlich kundtut!

Verortung des tierlichen Gegenübers

Die Biologie kann keine fundamentalen, sondern nur kausalitätsabhängige Ursächlichkeiten beobachten. Ein vernünftiges Herantasten an das Thema ‘nichtmenschliche Tiere’ kann also nicht in der Biologie beheimatet sein: Es braucht neue Ansätze aus allen Himmelsrichtungen perspektvischer Ansätze, die einem zur Betrachtung des Phänomens Leben zur Verfügung stehen.

Spanish dog, by Farangis G- Yegane

Hat das Essen von Tierkörperteilen mehr mit Glauben oder eher etwas mit ideologischem Denken zu tun?

Ist das selbstbewusste Bekenntnis zum Fleischverzehr Ausdruck eines ideologischen Speziesismus oder selbst schon ein „Glaubensakt“?

Dieses Fragment als PDF

Man könnte den Verzehr des Fleisches nichtmenschlicher Tiere als der Evolution geschuldet bezeichnen, also auf der naturwissenschaftlichen Ebene argumentieren: aber die Evolution ist etwas in-sich-selbst im wandelbaren Begriffenes.

Vielleicht reicht es, dass Götter oder ein Gott das Opfer durch den Menschen von Nichtmenschen verlangen, aber vielleicht ist der Fleischverzehr selbst schon ein Glaube, denn Glaube und Ideologie liegen doch so nah beieinander und der Speziesismus ist gewiss ein ideologischer Akt.

Warum empfinden Menschen mit nichtmenschlichen Tieren nur nach eigenem Gutdünken Empathie? Warum sieht unser Mehrheitsethikbegriff Empathie mit dem Mitmenschen vor, aber nicht mit den Mittieren?

Es gilt sich eigene Ethikbegriffe zu schaffen, die in das Puzzle authentischer ethischer Realitätsbezüge mit hineinpassen; und diese kommen – wenn wir nicht-anthropozentrisch denken – aus allen Teilen der Realität, also nicht nur von den von anderen Menschen beschriebenen Perspektiven. Auch Dinge, die wir selbst unmittelbar erleben, in unserem individuellen Realitätsbegriff innerhalb des natürlichen Raumes, bilden ebenso relevante und ethisch gültige Realitätsbezüge.

Yet another fragment by the Gruppe Messel

Introspektionen und Distanz. Eine Eigenkritik am Vegansein, denn es umfasst noch nicht genug.

Was mich interessiert ist der Grund, warum die ‘vegane Bewegung’ im deutschsprachigen Raum so kaum kritisch mit sich selbst umgehen will. Das fällt mir besonders auf, bei der Kluft zwischen Wunsch und Realität in Sachen ‘wir sind moralisch ja doch überlegen – weil wir die Tiere in unsere Ethik mit einbeziehen’.

Meine lieben veganen Kolleg_innen werden ihrem Anspruch in einer eingegrenzten und praxisorientierten Ebene gerecht, aber die Ursachen von Speziesismus (als den Veganismus notwendig machende Unterdrückungsform) werden nicht weiter hinterfragt und ‘veganisiert’. Und so und anders ist der Veganismus noch lange nicht die letzte Station in Sachen umgreifender Gerechtigkeit, die wir jemals erlangen könnten.

Man denke an folgende offensichtliche Defizite:

Wie geht man mit dem veganen Konsumerismus um?

Das schlimme ist, dass immer nur ein Weg als der gangbare untereinander gefördert wird. So haben wir es auf der einen Seite mit der Gruppe Veganer_innen zu tun, die sagen, jeder Konsum ist gut, solange vegan… und mit der andere Seite, die da sagt, wir müssen alles in Richtung Postwachstum ausbauen und eine biovegane Landwirtschaft (1) als gemeinsame Utopie verfolgen. Die reell existierende Schnittmenge (denn wir alle sind gezwungen irgendwie zu konsumieren) und die bislang kaum wahrgenommenen Ruderalerscheinungen (andere, vielleicht auch weniger spektakuläre vegane Lebensmodelle) ringsherum fallen in der Selbstwahrnehmung der ‘veganen Bewegung’ generell unter den Tisch.

Wie geht man mit der veganen Entpolitisiertheit um?

a.) in Sachen Menschenrechten: die Veganer_innen in unseren Gefilden halten sich zumeist für interessiert an globalen Menschenrechten. Die Warte, die aber immer vorwiegend eingenommen wird, ist eine weiß-zentrische, patriarchal-freundliche, die die Folgen von Rassismus und (Post-)Kolonialisierung und das Ineinandergreifen unterschiedlicher Herrschaftsstrukturen und hegemonialer Unterdrückungsmechanismen als ‘Minderheitsprobleme’ (2) abtut. So kannst Du kaum erwarten, dass ein_e Veganer_in hierzulande sich dafür interessiert, was tatsächlich in einem anderen Land an Menschenrechtsverstößen los ist. Ein Mensch, der die vermeintlichen Vorteile unserer neoliberalen Demokratien genießt, braucht sich nur nach dem Soll zu richten, dass die Medien und ein allgemeines soziales Unwohlsein und schlechtes Gewissen in der Gesellschaft ihm vorgibt.

b.) auf welcher Ebene wird der Veganismus eigentlich beworben? Es gibt die Veganer_innen, die die gesundheitlichen Aspekte betonen, und diejenigen, die mit der ethischen Seite werben und primär argumentieren… soweit, dass Nichtmenschen ja auch fühlende Wesen sind; aber viel mehr wird auch nicht am anthropozentrischen Gerüst gekratzt … und das waren wohl auch schon beide Hauptströmungen im Veganismus. Beide sind in dem Punkt miteinander d’accord, dass sie auf die Ernsthaftigkeit der Tierunterdrückung nur mit einer Tierethik hinweisen, die Tiere immer noch als Objekte der Definitionshoheitsgebiete einer anthropozentrischen Naturwissenschaft, eines anthropozentrischen Rechts, solcher Religionen und Kulturen und Kulturverständnisse betrachten. Der eigentliche Unterdrückungsmoment ist also im weiß-zentrischen Veganismus immer noch nicht behoben.

Der Lösungsweg zur veganen Gesundheit und die Vorstellung von veganer Konsequenz liegt zumeist einerseits in der Propagierung eines konsumabhängigen Hebels (3) und Lifestyles, und andererseits haben wird den Anspruch auf vegane Kompetenz im kollektiven Aktivismus bei Demos, in sozialen Netzwerken, in Vereinen, bei Konferenzen, in der Obhut des Kulturindustriellen- und Bildungsindustriellen-Komplex… , wobei immer wieder Mehrheitsprinzipien begünstigt werden und dabei wenig pluralistisches Denken und Handeln zugelassen und/oder hervorgebracht wird. (4)

Der intersektionale Anspruch der ‘aufgeklärten’ Variante des weiß-zentrischen Veganismus klammert immer noch aus, den Tieren im politischen und soziologischen Zusammenhang als ‘animal bodies’ eine Autonomie zuzugestehen und die Menschen in einem weitaus größeren Geflecht zu betrachten als unter dem Gesichtspunkt weiß-zentrischer Narrative. Dies mag an den stagnanten Vorgehensweisen liegen die man wählt, oder daran, dass das Konzept des Veganismus selbst immer noch zu vage ist und in seinen politisch/ethischen/sozialen Forderungen nicht wirklich weit genug geht.

Ich denke immer noch man könne den Veganismus ausbauen, aber vielleicht muss man auch an neuen konkreteren Konzepten basteln. Und das Bewusstsein, dass Tiere mit in den ethischen und politischen Raum hineingehören, ist vielleicht einfach eines, das eh, ganz selbstverständlich im Zuge menschlicher Emanzipation fällig war.

(1) Die biovegane Landwirtschaft interessiert sich für die nichtmenschlichen Tiere, denen Raum zurückgegeben müsste, auch nur als ‘abwesenden Referenten”, indem ihnen in der Lebensgemeinschaft, für die man ‘Land’ in veganer Weise in Anspruch nimmt, keine tierliche Teilhabe zugestanden wird und man ihrer Problematik nur als indirekt adressierbar begegnet. Das Problem des Lebensraumes wird den Lebenshöfen überlassen, die als ‘Utopie’ und Lebensform weit weniger seitens des Veganismus durchformuliert werden. Siehe für eine Kritik an dieser Handlungsweise: Vegan Mergers: Sanctuaries, Veganic Land ‘use’ and Biotopes.

(2) Zur Unsichtbarkeit neoliberalen Post-Rassismus: Neoliberal Racism’s Post-Racial Playbook, wobei der ‘Unsichtbarkeit’ als soziales Problem der Unterdrückungsmechanismen überhaupt fortwährend und übergreifend begegnet werden muss.

(3)  “Bei vielem der Rhetorik, die sich um das koloniale Weißsein windet, geht es um Ängste bezüglich des Körpers und um Reinheit. Und dann schließlich, ein Konzept das nun eher neu dazukommt: Neoliberalismus: dass eine Veränderung effektiv nur durch die individuelle Macht der Konsumenten herbeigeführt werden kann, nicht aber durch strukturelle Veränderungen. Alles was du zu tun hast, ist ein veganes Produkt zu kaufen um damit einen gesunden Körper zu erlangen.” – A. Breeze Harper: Vegane Nahrungsmittelpolitik: eine schwarze feministische Perspektive.

(4) Das Denken, als Notwendigkeit und Chance im Aktivismus, fällt im Veganismus noch zu viel unter den Tisch, und so wird kein zugrunde liegendes Konzept, kein Rahmenwerk einer ‘veganen’ Ethik entwickelt. Die antirassistische Tierbefreiungs-Aktivistin Aph Ko äußert dazu folgende Kritik:

“Viele Leute bereifen nicht, dass das Denken tatsächlich einen Teil unseres Aktivismus ausmachen sollte. Das Denken wurde schon viel zu lange von der akademischen Welt vereinnahmt und so meinen wir, dass wir Theorie und Gedankenentwicklung eben ‚diesen’ elitistischen Menschen überlassen sollten … wenn genau aber dies doch einen Teil der öffentlichen Domäne ausmachen sollte.
[…]
Da zahlreiche unkritische Menschen Führungspositionen in den Bewegungen einnehmen, verlässt man sich auf sehr einfache, an der Oberfläche verharrende Taktiken um Menschen zu einem politischen Lebensstil hingehend zu „schocken“. Daher hat der Veganismus auch einen entsprechend schlechten Namen erhalten … er bleibt an der Oberfläche und ist sensationalistisch. Bildlichkeit kann funktionieren, insbesondere wenn sie an ein neues Rahmenwerk gebunden wird … aber die Schaffung neuer konzeptueller Rahmenwerke ist generell genau der Teil, der übersehen wird.”

Siehe: Eine antirassitische Aktivistin, die für die Tierbefreiung kämpft. Ein Interview von Mark Hawthorne mit Aph Ko.

Krokodil @veganerbund

Sich mit der ethischen Seite des Veganismus befassen

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Der Veganismus ist keine perfekte Allround-Lösung für alle Probleme, die die Fragen betreffend der menschlichen Ausbeutung von Tieren und die menschliche systemische Gewalt gegen sie anbetreffen. Aber der Veganismus, als praktische Ethik, ist ein unerlässlicher Schritt und es gilt seine Ansätze weiter zu optimieren auf dem Weg eine gerechte Gesellschaft zu schaffen, die ein Bewusstsein für die Bedürfnisse und die Würde ihrer Mitlebewesen entwickeln will.

Ein Problem, das der Veganismus bislang noch nicht gelöst hat, ist die Frage, inwieweit er sich mit den Ursachen von Gewalt gegen die Tierwelt auseinandersetzen sollte. Das wäre fast eine Aufgabe einer ‘veganen Soziologie’.

Man bezeichnet die Problematik der menschlichen Abwertung gegenüber Tieren in ihrer systemischen Form als “Speziesismus”. In Hintergrund der meisten Veganer_innen schwirrt selbstverständlich der Gedanke, dass man hauptsächlich etwas Gutes für Tiere bewirken will – der Veganismus selbst hat sich eindeutig auf diesem Anspruch begründet. Aber vordergründig gerät genau dieser Punkt oft ins Abseits, und statt einer Diskussion über den Speziesismus sehen wir in den meisten veganen Blogs hauptsächlich alles andere was rund um den veganen Lifestyle noch so von Interesse sein kann. Und kaum einer protestiert. Warum wohl?

Wir alle müssen den Anfang selber machen liebe Veganer_innen

Wir denken es ist Zeit sich mit der veganen Ethik als Diskussionsgegenstand zu befassen. Wir befürchten, dass der Mangel an einer breiteren Diskussion über den ethischen Veganismus, in der veganen Szene selbst, letztendlich dazu führt, dass die Tierfrage im Veganismus immer uninformierter behandelt wird. Es geht um Tiere beim Veganismus, und wir setzen die Tierbefreiung und die Befreiung der Menschen und unser Umweltbewusstsein *weitestgehend* auf eine Stufe, jedoch in der ethischen Diskussion weist der Veganismus noch über zu große Lücken auf.

Was genau ist eigentlich Speziesismus – außer einem Statement das besagt, dass wir Sexismus, Rassismus und Speziesismus allesamt gleichermaßen verwerflich finden? Es ist der Ausschluss der nichtmenschlichen Tiere aus unserem allein für uns selbst beanspruchten ethischen Selbstverständnis, das heißt wir beanspruchen Freiheiten und eine *absolute* Würde für uns, die wir der Tierwelt auf allen möglichen Ebenen absprechen. So haben wir es beim Speziesismus mit einer ganzen Latte von Argumentationssträngen zu tun, die uns allesamt beweisen sollen, dass Tiere im Vergleich zum Menschen weniger “Wert” sind. Diese Argumente können biologisch begründend sein, sich auf Kultur und Traditionen berufen, religiös sein, philosophisch, soziologisch,  usw. usf. Die Dichotomie, die Menschen zwischen sich zur Tierwelt und Natur kreiert haben, scheint geschichtlich gesehen kulturell übergreifend gewesen zu sein und sie ist es bis heute, und diese ethische Separierung umfasst – mehr oder weniger sichtbar – so gut wie alle Lebensbereiche.

Wir alle erleben Speziesismus in unserem täglichen Leben, aber wir sprechen kaum darüber. Warum fehlt uns der Mut dazu und warum versuchen wir nicht diese Barriere zu brechen und ein Vokabular zu entwickeln, mit dem die gesellschaftlichen Funktionsweisen des Speziesismus für uns diskutierbar werden? Nur so können wir das Thema effektiv zunehmend in das Bewusstsein der Gesellschaft rücken.

Mankos in der veganen Bewegung, die sich aus einem Mangel an kritischer Diskussion über den Speziesismus ergeben, fallen uns zur Zeit auf in solchen Punkten wie:

  • Das Rätselraten einiger Veganer_innen darüber, ob der Veganismus überhaupt antispeziesistisch zu sein hat
  • Der biovegane Landbau einerseits als Planung und Zukunftsvision der veganen Selbstversorgung und Nahrungsmittelpolitik, aber andererseits die fehlenden Überlegungen über die Schaffung von neuen Lebensräumen für gerettete ‘Farmtiere – hier fehlt einfach die gesammelte Vision statt es bei einigen ‘isolierten’ Lebenshöfen zu belassen
  • Die Fokussierung auf das den Menschen betreffende Politische in der intersektionalen Diskussion im Veganismus, der fehlende Vorstoß der Politisierung der Speziesismus-Problematik in dem Zusammenhang
  • Mängel an Pluralität in der veganen Bewegung, geistig- kultureller Konsumerismus und Konformismus als Gruppenidentität im Veganismus
  • die fortwährende Fokussierung auf eine Abschaffung der Massentierhaltung statt der Forderung auch die einzelne Tötung von Tieren in der ökologischen oder in der ‘traditionellen’ Landwirtschaft durch öffentliche Thematisierung als ethisches Problem ins Bewusstsein der Gesellschaft zu rücken.
  • Die Unterscheidung von Tierausbeutung bei unterschiedlichen Tierspezies, insbesondere abhängig von Geographie oder Status der Tierspezies in unserer Gesellschaft

Gruppe Messel @veganwerden, tierautonomes Netzwerken.

Sind (Lebens-) Rechte ein Privileg des Stärkeren (Menschen)?

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Bild: Farangis G. Yegane: Women and Doves, oil on canvas, http://www.farangis.de/early/page/2/

Sind (Lebens-) Rechte ein Privileg des Stärkeren (Menschen)?

Palang LY Arani-Prenzel

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Wenn wir über Rechte sprechen, sollten wir uns dabei bewusst machen, was für Rechte wir meinen:

1. Meinen wir ein Recht, das wir haben oder das uns fehlt?
2. Oder meinen wir das Recht, das ein anderer Mensch hat, das er nicht hat und das er haben müsste?
3. Meinen wir auch, dass alles, was nicht Mensch ist, kein wirksames Recht auf Leben hat und haben kann, oder weniger Rechte hätte autonom von unserem Herrschaftsanspruch zu existieren, weil wir alle anderen Lebewesen letztendlich unseren Wünschen, Vorstellung und vermeintlichen Bedürfnissen unterwerfen können?

Meinen wir, wenn wir zumindest an unsere Rechte denken, primär das Recht, das wir in unserer Gesellschaft, in dem Staat in dem wir leben, genießen? Wann und wie haben diese Rechte begonnen und womit begründen wir das Recht, Rechte haben zu können und zu dürfen?

Zumeist nehmen wir an, die Dinge seien, was Rechte anbetrifft, einfach so wie sie sind, und das Rechte etwas sind, das der, der sie vorgibt, erteilt und wahrt, diese Rechte – auch wenn dadurch die Rechte Dritter tangiert sind – in deren Sinn, Zweck und Logik selbst festlegen kann, solange diese Rechte ihren Legitimationsrahmen im mehrheitlichen menschlichen Kollektivinteresse finden.

Und wenn sich unsere Gesellschaft mit Berufung auf ihr allgemeines Rechtsempfinden und ihre Rechtsbegrifflichkeit geeinigt hat, dass die Rechte an einer bestimmten Grenze enden können/sollten, dann endet unser Rechtsverständnis in der Regel an eben dieser Grenze. Nämlich, zu unterschiedlichen Graden, an den Grenzen von Spezieszugehörigkeit (was über den anthropozentrischen Rahmen hinausgeht), sozialer Identität, körperlicher Befähigung, Ethnizität und Staatszugehörigkeit, Einkommensverhältnisse, Besitzstatus, usw. Weder haben die Menschen innerhalb unserer Gesellschaften zwangsläufig alle die Rechte, die sie zu ihrem unversehrten Leben bräuchten, noch haben es die Lebewesen, die sich außerhalb des menschliche-sozialen Kreises befinden.

Die meisten Menschen glauben, es gäbe einfach nur die Rechte, die sie in ihrem oder einem verwandten gesellschaftlichen System besitzen können, und es gäbe andererseits nur vermeintliche Naturrechte, wobei aber der Begriff von „der Natur“ ein völlig vager bleibt. Und von dieser Gleichung her wird zumeist abgeleitet – nicht viel besser als sei es gottgegeben – wo sich irgendwer auf der Rechteskala befindet.

Recht als Privileg

Durchgesetzt wird der Grad an Rechten die jemand besitzt, nicht allein in juristischer Hinsicht oder als tägliches Privileg in der einen oder anderen Form („dass wir hier halt mehr Rechte haben, weil wir ja auch mehr erwirtschaftet haben“ zum Beispiel, usw.), sondern ganz „banale“ Rechte werden dem Menschen und den anderen Lebewesen tagtäglich im sozialen und environmentalen Miteinander zu- oder abgesprochen; in einer Lebenspraxis, die nicht unbedingt mit in unsere Rechtsdefinitionen mit hinein fällt.

Und wegen dieser schwammigen Angelegenheit, ab wann ein Diskriminierungsmoment und ein Akt der Antidiskriminierung sich mit zur Definition von „Recht“ (und Unrecht) einbinden lassen sollten, scheinen auch viele Tierrechtler in ihrer Argumentation darüber, welche Rechte Tiere haben sollten, nicht den Ernst der Frage nach der Bedeutung von dem was Rechte alles mit ausmacht, zu begreifen.

Viele Tierrechtler kämpfen dafür, dass Tiere zwar Rechte haben sollten, fügen meist aber mildernd speziesistisch hinzu, dass man damit natürlich nicht das Recht meine, zu wahlen zu gehen oder das Recht auf Bildung, usw. In dem Moment schließen sie aber das basal politische in der Frage nach Rechten im Bezug auf Tiere mit aus, was sie als Tierrechtler eigentlich nicht tun sollten.

Rechte sind etwas grundsätzlich politisches, weil es bei Rechten um die Frage der Interessen und des Schutzes und der Wahrung von eben den festgestellten oder anerkannten oder auch aberkannten Rechten geht. Wir stellen uns Rechte in einem allein anthropozentrischen Kontext vor. In dem Moment aber, in dem unsere Rechtsbegriffe und unsere eigenverordneten Rechte in das Leben anderer eingreifen, wird die Situation des Rechts des anderen berührt.

Wenn wir sagen es ist unser Recht jeglichen Baum abzuholzen und einen Wald neu zu pflanzen und zu bewirtschaften, dann greifen wir in den Lebensraum und in den ökologischen Kontext anderer Spezies ein, oder aber, wenn wir sagen, wir haben das Recht, Tiere zu unseren Zwecken, unter von uns festgelegten Voraussetzungen zu „nutzen“, was heißt, sie zu töten als objektifizierte Wesen, dann greifen wir mit unserer Vorstellung über Sinn und Zweck und Wertigkeit des Seins und der Existenz anderer, mit unserer Definition von dem was wir als Recht begreifen ein. Wir beanspruchen für uns eine Festlegung dessen, was Recht ist, so wie eine Flagge, die wir in unbesiedeltes Terrain zur Behauptung unseres Besitzstatus aufstellen.

Eine Recht vor diesem „Recht“ des vermeintlich Stärkeren geschützt zu werden, muss grundsätzlich immer möglich sein, da eben unser Recht in das Leben und in die Systeme, die neben uns auf dieser Erde existieren, eingreift. Ein Recht, das wir uns nehmen, das wir für uns postulieren und festsetzten, bringt die Frage des Rechts darauf mit sich, vor diesem Übergriffs-Recht, das durch uns ausgeübt wird, geschützt zu werden.

Die Behauptung, es gäbe keine Notwendigkeit, vor dem Übergriff durch unsere Rechte geschützt werden zu müssen, geht meistens mit speziesistischen Empfindungen einher, dass Nichtmenschen ja auch weniger wert seien, weniger leisteten, weniger intelligent seien, weniger verlieren würden wenn sie sterben, ja allein durch Instinkte, aber nicht durch Denken funktionierten … und so errichtet man eine Hierarchie, die letztendlich unendlich fragwürdig ist, weil Tiere eben anders sind und auch anders sein dürfen, ohne, dass sich ihre Qualitäten an unseren bemessen lassen müssten.

Oder wir fangen damit an zu begründen, dass es da ja noch den gewichtigsten aller Gründe dafür gäbe, warum nur wir Rechte haben, weil wir diese ja auch formuliert und erfunden hätten und überhaupt nur wir Rechte durchsetzten könnten. Das heißt aber auch, dass wir nur unsere Definition von dem, was einem Recht auf Rechte zugrunde liegt, anerkennen. Moralische Wertigkeit, Sinn, Bedeutsamkeit in dieser Welt sprechen wir nur uns zu, dabei macht unser anthropozentrisches System nur ein Fragment innerhalb von Lebenssystemen aus, von denen wir allein aus Sicht unserer menschenzentrischen Hybris etwas begreifen.

Wir erteilen Rechte letztendlich nach unseren hierarchischen Vorstellungen – sei es in so drastischer Form wie einer völligen Negierung von Seinsautonomie, wie bei allen nichtmenschlichen Wesen (Anthropozentrismus), oder innerhalb unserer menschlichen Gesellschaften (Klassismus, Ableismus, Sexismus, Rassismus, Ageismus, usw.), wo in der einen oder anderen Form Rechte immer wieder übertreten werden, selbst wenn man sie im Zuge der Menschenrechte erst einmal postuliert und etabliert hat. Recht sollte eigentlich immer das sein, was man dem anderen an Würde zugesteht und zugestehen muss, und nicht das Recht des vermeintlich Stärkeren.

Speziesmismus, und so auch eine rechtlich-juristisch und sogar bioethisch argumentierender Speziesismus, ist ein kollektivistisch geleitetes Moment, das uns in unserer Fähigkeit unser moralisches Denken zu entwickeln hindert. In dem wir die Welt weiterhin unter anthropozentrischen Gesichtspunkten betrachten, bleibt unser Interesse an unserer nichtmenschlichen- und natürlichen Umwelt eigentlich ein allein auf uns selbst gerichtetes.

Eine antirassitische Aktivistin, die für die Tierbefreiung kämpft. Ein Interview von Mark Hawthorne mit Aph Ko.

Ein Interview von Mark Hawthorne mit Aph Ko

Aph Ko: Eine antirassitische Aktivistin, die für die Tierbefreiung kämpft

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Quelle dieses Interviews mit Aph Ko ist Mark Hawthornes Blog ‚Striking at the Roots: Animal activism around the world’: Aph Ko: Anti-Racist Activist Fighting for Animal Liberation, https://strikingattheroots.wordpress.com/2016/05/31/aph-ko-anti-racist-activist-fighting-for-animal-liberation/. Übersetzung: Gita Yegane Arani-Prenzel, mit der freundlichen Genehmigung von Aph Ko und Mark Hawthorne.

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Wer sich im letzten Jahr aktiv in der veganen Bewegung engagiert hat, der hat bestimmt bereits schon etwas von Aph Ko gehört. Aph ist im Bereich sozialer Gerechtigkeit aktiv und setzt dazu in effektiver Weise die sozialen Medien ein. Sie hat 2015 das Projekt ‚Black Vegans Rock’ gegründet, nachdem sie als vegane Aktivistin einen Bericht mit einer erstmaligen Auflistung 100 schwarzer Veganer_innen verfasste, und, sie ist die Gründerin von Aphro-ism – einer Webseite, die sich der schwarzen veganen feministischen Analyse widmet, und die sie gemeinsam mit ihrer Schwester Syl Ko betreibt. Beide fordern dort das, was sie als eine „epistemologische Revolution“ bezeichnen, indem sie über die Unterdrückung von Tieren und rassifizierte Unterdrückung schreiben. „Wir glauben, dass wir mitunter mehr für die Tiere und uns selbst tun können, indem wir die Art und Weise ändern, wie wir tatsächlich begreifen, warum Unterdrückung überhaupt geschieht,“ erklärt Aph in dieser beeindruckenden Rede, die sie anlässlich der Intersectional Justice Conference im Staate Washington gehalten hat, und bei der ich die Ehre hatte Aph und einige andere beachtenswerte Aktivist_innen im März dieses Jahres kennen zu lernen.

Aph ist auch eine Produzentin unabhängiger Medien und die Schöpferin der Comedy-Webserie ‚Black Feminist Blogger’. Man braucht wohl kaum erwähnen, dass Aph außerordentlich beschäftigt ist, ich bin ihr daher also besonders dankbar, dass sie sich die Zeit genommen hat, mir auf einige Fragen über ihren Aktivismus per Email zu antworten. Ich denke Ihr werdet von ihren Denkanstoß gebenden Antworten sehr begeistert sein.

Aph, du bist im Punkte digitaler Medien unheimlich bewandert – bloggen, Videos, die sozialen Medien, Online-Artikel. Bist Du der Meinung, dass es eine Form gibt, die sich für den Aktivismus für soziale Gerechtigkeit in ihrer Effizienz ganz besonders eignet?

Ich denke all diese Formen dienen einem einmaligen und spezifischen Zweck. Videos sind hilfreich dabei, bestimmte Narrative voranzutreiben, in einer Weise wie es das Bloggen nicht kann; Bloggen hingegen ist eher persönlich. Es hilft mir dabei, meine eigene Stimme auszutesten, während ich anderen dabei zugleich gute Ressourcen empfehlen kann. Ich denke deine Stärken geben dir vor, welches Medium du am besten verwenden solltest. Wenn du mehr Fähigkeiten darin besitzt, deine Gedanken expressiv zu artikulieren und Zusammenhänge eher über das Sprechen herleitest, dann ist es wahrscheinlich besser wenn du ein Video machst. Wenn du deine Gedanken aber besser über das Schreiben organisieren kannst, dann ist es von Vorteil, wenn du ein Blogposting verfasst.

Ich glaube viele Veganer_innen sind sich in dem Punkt einig, dass die digitalen Medien dabei geholfen haben, die vegane Botschaft voranzubringen. Denkst Du, dass die digitalen Medien auch dabei hilfreich waren, Fortschritte bei den Themen zu erwirken, die die marginalisierten Gruppen anbetreffen?

Ich würde sagen ja und nein. Es hat einige Zeit gedauert, bis ich realisiert habe, wie ich die digitalen Medien dazu gebrauchen wollte, um meine Stimme zu verstärken, während ich mir aber gleichzeitig mein Gefühl für die Gemeinschaft bewahrt habe. Ich denke, dass die digitalen Medien und das Internet insgesamt bloß eine Erweiterung der realen Welt, in der wir leben, darstellten, und so beherrschen Rassismus und Sexismus selbst auch diese digitalen Räume. Aus diesem Grund erhalten auch bestimmte Stimmen mehr Aufmerksamkeit als andere. Bestimmte Versionen der Realität werden verbreitet, während andere zur Seite gedrängt werden.

Und das ist auch warum das eurozentrische Denken und das Weißsein [1] beinahe alle Bewegungen sozialer Gerechtigkeit befallen – selbst online. Weiße Menschen schreiben zum größten Teil die Literatur, die verbreitet wird. Ihre Sichtweise über Unterdrückung und Befreiung wird als einzige oder als die maßgebliche Perspektive betrachtet. Und, da sie die über die meisten Ressourcen verfügen, sind sie auch imstande dazu, zu den bestimmenden Autor_innen in den Forderungen nach sozialem Wandel und im Aktivismus zu werden, was allerdings verheerende Konsequenzen mit sich gebracht hat.

In der Vergangenheit habe ich Stunden damit verbracht, die Art zu bekämpfen wie Weiße ihre Arbeiten erledigen, bis ich eines Tages gemerkt habe, dass mich das Ganze einfach nur noch langweilte. Die weiße Realität fortwährend zu bekämpfen, lässt einen zu dem Eindruck gelangen, als sei deren Realität tatsächlich die einzige die existiert. Ich musste meine eigenen Erfahrungen validieren indem mit People of Color [2] sprach, indem ich für und an People of Color schrieb und indem ich Texte von People of Color las. Und hierbei halfen mir die digitalen Medien. Ich habe meine Herangehensweise an die Themen Unterdrückung und Befreiung dabei absolut revolutionieren können und bin dafür vielen schwarzen radikalen Autor_innen dankbar, die unermüdlich online arbeiten um qualitativ hochwertige und wegweisende Analysen zu bieten.

Für minorisierte Menschen ist es schwer online miteinander zu kommunizieren, ohne einem weißen, sich einmischenden Kontrollblick ausgesetzt zu sein und ohne Appropriationen. Sobald einige Minderheiten bemerken, dass Weiße ihnen zuschauen, ändern sie ihr Verhalten oder fangen an ihre Artikel auf ein weißes Publikum zuzuschneiden.

Ich kann dir nicht sagen wie viele Vegans of Color Essays und Artikel FÜR Weiße schreiben, während sie dabei die farbige Leserschaft total außer Acht lassen.

Und daher denke ich, dass abhängig davon wo man sich gerade in seinem Aktivismus befindet, die digitalen Medien entweder ein Werkzeug zur Befreiung sein können, dass einem dabei hilft sich mit Leuten zu verbinden, die ebenso dabei engagiert sind sich für einen positiven Wechsel in der Welt einzusetzen, oder sie können dir dabei helfen, die weiße Version der Realität (ungeachtet deiner Hautfarbe) zu reproduzieren.

Es ist (wirklich) schwer einen echten Wechsel online zu erleben, wenn das digitale Terrain auf dem wir stehen, sich im Besitz Weißer befindet.

Welchen Rat hast du für Leute, die damit beginnen wollen, die digitalen Medien für ihren Aktivismus zu gebrauchen?

Meine Antwort hängt zum größten Teil davon ab, wer mir solch eine Frage stellt. Der Kontext spielt hier definitiv eine Rolle. Wenn du eine weiße Person bist, die eine Webseite oder ein digitales Projekt über Tierrechte oder Feminismus oder Antirassismus starten will, dann halte inne und überlege mal, warum du meinst du müsstest dies tun wenn es bereits so viele Räume gibt, die von Weißen geschaffen worden sind. Bietest du wirklich eine Perspektive die es nicht schon da draußen gibt, oder willst du einfach ein wenig digitales Land für dich einnehmen?

Wenn du eine Person of Color bist, würde ich dir zuerst einmal zur Vorsicht raten, bevor du damit beginnst, deine Ideen kostenfrei dort in die Welt zu tragen. Es gibt vermehrt Belege dafür, dass Ideen und Gedanken, die von People of Color online gestellt werden, immer öfter gestohlen werden. Das heißt, dass eine Urheberschaft von People of Color nicht gekennzeichnet wird, oder auch, dass sie für ihre Ideen nicht kompensiert werden, was wiederum bedeutet, dass farbige Aktivist_innen wirklich vorsichtig sein sollten, wenn sie die digitalen Medien verwenden um andern ihre Gedanken mitzuteilen.

Ich würde sagen, dass man nicht all sein Vertrauen in das Internet oder die sozialen Medien stecken sollte. Zum Beispiel ist es kein Zufall, dass weiße Männer einige der erfolgreichsten Plattformen sozialer Medien, die wir heute verwenden, geschaffen haben. Dies sollte Activists of Color, die diese Räume gebrauchen um antirassistische Befreiungsprojekte [3] zu schaffen, etwas signalisieren. Das Rohmaterial, das wir in unserem Aktivismus gebrauchen, spielt eine Rolle.

Ich musste das in einer unliebsamen Weise herausfinden. Meine Ideen wurden gestohlen, neu verpackt, und ich habe zusehen müssen wie andere dafür Gelder einstrichen – für genau die Dinge, die ich zuvor geschrieben hatte (selbst Activists of Color haben meine Arbeiten verwendet). Ich bin dadurch viel vorsichtiger damit geworden, meine Texte online zu veröffentlichen. Wenn man etwas Neues oder Interessantes zu sagen hat, dann haben Leute häufig die Neigung, sich in deine Richtung zu bewegen und dann tatsächlich Dinge zu übernehmen, die du geschrieben hast. Um ehrlich zu sein, betrachte ich das Bloggen insgesamt durch diese Erfahrung in einem ganz andern Licht.

Ich denke People of Color müssen lernen die geschäftliche Seite des Aktivismus zu begreifen, bevor sie sich der digitalen Welt anschließen und beginnen, ihr zu vertrauen … denn nicht zuletzt ist der Aktivismus selbst zum größten Teil ein Geschäft. Im überwiegenden Maße besitzen Weiße die größten Non-Profits und die korporativen Aktivist_innen-Seiten und -Räume. Den People of Color ist dies nicht ganz so bewusst, da wir eher dazu tendieren an den Aktivismus aus Gründen des Überlebens zu kommen und nicht so sehr wegen des Geschäfts (dies trifft allerdings nicht auf alle Fälle zu).

Wenn marginalisierte Menschen also die digitalen Medien für ihr Überleben einsetzen, und man die Leute der dominanten Klasse hat, die digitale Medien für Geschäftszwecke nutzen, dann kannst du dir wohl ausmalen als wie predatorisch und brutal sich das digitale Territorium für einige von uns entpuppen kann.

Ich entwickle ein zunehmendes Misstrauen der Onlinewelt gegenüber als ein Vehikel für den sozialen Wechsel. Und deshalb erkunde ich zusätzliche Möglichkeiten was zum Beispiel die Printmedien anbetrifft. Minorisierte Aktivist_innen sollten meiner Meinung nach viel mehr Kraft in das Verfassen von Buchpublikationen oder in die Schöpfung eine Zines stecken … als etwas haptisches, das man besitzen kann, statt das weiße digitale Land einzusetzen um ihre intellektuellen Gedanken zu kultivieren.

Existieren neben BlackVegansRock.com und Aphro-ism.com weitere schwarz-zentrische Online-Räume die du Aktivist_innen empfehlen würdest – insbesondere welche, die dich beeinflusst haben?

Defnitiv. Mich haben Seiten wie das Sistah Vegan Project und Striving with Systems sehr beeinflusst. Ich schaue mir auch gerne digitale Räume an, die nicht unbedingt über Tierrechte sprechen, jedoch aber über andere ebenfalls systemische Probleme. Ich liebe For Harriet, Black Girl Dangerous, Crunk Feminist Collective, alles von Dr. Brittney Cooper und Autostraddle (bei denen man einige großartige queere schwarze Autor_innen findet).

Du hast an anderer Stelle gesagt, dass die Tierrrechts-/vegane Bewegung sich zu sehr auf Bilder verlässt und zu wenig auf das kritische Denken. Kannst du uns das ein wenig erklären?

Ich bin bekannt für meine Aussage: Menschen sind nicht durch einen Schock zum Fleischessen gekommen und sie werden sich auch nicht durch einen Schock wieder davon wegbringen lassen.

Ich will das ein wenig erklären: das größte Problem, das die weiße Tierrechtsbewegung hat, ist, dass sie es nicht wirklich schaffen zu orten WARUM Tierunterdrückung stattfindet. Sie sehen die Unterdrückungsfolgen – die sehen die Opfer – aber die meisten dieser Aktivist_innen haben konzeptuell keine Ahnung weshalb Tiere systematisch verletzt werden. Manchmal tut es einem weh Aktivist_innen der dominanten Klasse dabei zu beobachten, wie sie versuchen Kampagnen zu entwerfen, die die Unterdrückung von Tieren beenden sollen (ohne zu begreifen, dass sie sie in Wirklichkeit fortsetzen) und andere Male ist es beinahe lachhaft.

Weiße Leute scheinen nicht zu versehen, dass das weiße Überlegenheitsdenken Tieren systematisch schadet [4]. Weiße möchten nicht aus ihrer Führungsrolle hinaustreten, sie wollen aber die Tierunterdrückung beenden, was soviel heißt wie, sie wollen Verhaltensweisen, die Tiere diskursiv verletzen, nicht verändern.

Da zahlreiche unkritische Menschen Führungspositionen in den Bewegungen einnehmen, verlässt man sich auf sehr einfache, an der Oberfläche verharrende Taktiken um Menschen zu einem politischen Lebensstil hingehend zu „schocken“. Daher hat der Veganismus auch einen entsprechend schlechten Namen erhalten … er bleibt an der Oberfläche und ist sensationalistisch. Bildlichkeit kann funktionieren, insbesondere wenn sie an ein neues Rahmenwerk gebunden wird … aber die Schaffung neuer konzeptueller Rahmenwerke ist generell genau der Teil, der übersehen wird.

Taktiken die primär Bilder nutzen, erinnern mich an so manche Feminist_innen, die sich auf eine sexualisierte Bildmetaphorik, in der Frauen dargestellt werden, stützen, um Menschen dahingehend zu schockieren, damit sie beginnen sich gegen Sexismus einzusetzen … es ist so … wenn du Menschen kein neues Rahmenwerk bietest, mit dem sie problematische Verhaltensweisen begreifen lernen können, dann ist alles was sie da sehen, einfach noch mehr Bebilderung von jeweiligen Objekten die hier objektifiziert werden.

Ich will damit nicht sagen, dass Leute ihr Verhalten nicht ändern könnten, wenn sie solche Bilder gesehen hätten; was ich sagen möchte ist, dass ich nicht gezwungenermaßen davon ausgehe, dass dadurch ein langfristiger Wechsel stattfinden wird. In unseren Bewegungen konzentrieren wir uns zu sehr auf die Opfer, ohne dabei zu verstehen, weshalb diese Körper eingangs überhaupt zu Opfern geworden sind. Sie sind schließlich nicht über Nacht zu Opfern geworden und wir müssen ebenso konzeptuell arbeiten um dieses Problem zu lösen. Viele Leute begreifen nicht, dass das Denken tatsächlich einen Teil unseres Aktivismus ausmachen sollte. Das Denken wurde schon viel zu lange von der akademischen Welt vereinnahmt und so meinen wir, dass wir Theorie und Gedankenentwicklung eben ‚diesen’ elitistischen Menschen überlassen sollten … wenn genau aber dies doch einen Teil der öffentlichen Domäne ausmachen sollte.

Zu einem großen Anteil ist die Tierunterdrückung nicht allein eine Problematik, die ausschließlich die Tiere anbetrifft. Das Problem liegt vielmehr im weißen menschlichen Überlegenheitsdenken, und so müssen wir den entsprechenden Punkt auch mitsamt seiner Wurzeln ans Tageslicht befördern, bevor wir kontextlos auf die Opfer hyperfokussieren. Doch genau das ist was geschieht: wir sollen die Bildquellen von Tierunterdrückung, ohne irgendeinen Kontext hinsichtlich dessen, wer der echte Unterdrücker ist, anschauen, was aber letztendlich zu so viel Verwirrung im Punkte der Strategien zur Beendigung der Tierunterdrückung führt.

In der Tierrrechts-/veganen Bewegung existieren zahlreiche innere Zwistigkeiten, und es scheint, dass es in den letzten Jahren eher noch schlimmer geworden ist. Hast Du irgendeinen Rat für einen Neuling in der Bewegung, der durch diese Zwiste vielleicht verwirrt ist?

Ich habe eigentlich nicht den Eindruck, dass die internen Streitereien schlimmer werden … ich denke das weiße Überlegenheitsdenken in der Bewegung wird einfach leichter erkennbar. Ich glaube, dass die Menschen in der dominanten Klasse, die sich niemals über marginalisierte Menschen und deren Perspektiven den Kopf zerbrechen mussten (einfach weil das Spiel immer abgekartet war), inzwischen begreifen, dass minorisierte Menschen ihre eigenen Bewegungen betreiben, und dass das bei ihnen ein gewisses Unwohlsein verbreitet.

Viele weiße Menschen beanspruchen einen nicht zu hinterfragenden Besitzstatus über Tierrechte (und Tiere generell). In dem Moment aber, in dem schwarze Menschen Tierkörper (‚animal bodies’) mit in ihre antirassitsichen Bewegungen mit einbeschließen, lassen Weiße ihre soziale Kraft in Erscheinung treten, indem sie unsere Räume kommentieren und unsere Intentionen hinterfragen.

Viele Aktivist_innen in der dominanten Klasse setzen ihre Privilegien dazu ein, andere Aktivist_innen, die abweichende Meinungen haben, zu ignorieren, was furchtbar ist, da eine echte Veränderung nur stattfinden kann, wenn wir plurale Bewegungen und Stimmen zulassen. Wir müssen alle Ideen auf den Tisch bringen, denn die Tierunterdrückung ist ein derart ernsthaftes Problem.

Der Akt dessen, andere, die abweichende Meinungen haben oder andere Strategien verfolgen, zum Schweigen zu bringen, hat einfach nichts mir der Befreiung von Tieren zu tun, sondern dient stattdessen dem Erhalt der gleichen Systeme, die Tiere unterdrückt halten.

Jedem/r, der/die neu ist in der Tierrechtsbewegung, würde ich empfehlen sie gleich wieder zu verlassen (haha). Man braucht diese verkörperschaftlichte, weißgewaschene Bewegung nicht um Tieren zu helfen. Die Vorstellung man müsse sich durch die großen Bewegungen und Organisationen hindurch bewegen um Veränderungen zu bewirken, ist ein kapitalistischer Nonsens. Wenn Du eine Person of Color bist, würde ich dir empfehlen in deiner antirassitsichen Bewegung zu bleiben und nach Wegen zu schauen, wie du die Tierkörper (‚animal bodies’) in deine Analyse mit einbeziehen kannst … versuche nicht dich der weißen Mainstream-Tierrechtsbewegung anzuschließen, denn du wirst dadurch letztendlich nur frustriert und verwirrt.

Teil des inhärenten Problems der Tierrechtsbewegung ist tatsächlich, dass das Weißsein das Rahmenwerk dieser Bewegung bildet. Was wir brauchen, sind Leute, die den Aktivismus für Tiere mit in die anderen Ziele sozialer Gerechtigkeit einbeziehen, statt sich in die nebulöse Blase der Tierrechtsbewegung mit einzubringen. Deshalb bezeichne ich mich auch selbst nicht als Tierrechtsaktivistin. Ich bin eine antirassistische Aktivistin, die für die Tierbefreiung kämpft. Ich wüsste nicht wie ich sonst für Tiere kämpfen sollte, außer aus meiner Sichtweise als schwarzer Frau … ich weiß nicht wie weiße Menschen sich für eine andere Gruppe einsetzen können, ohne ihre eigene Position mitzuberücksichtigen … und das ist weshalb ihre Bewegungen problembehaftet sind.

Was tust Du um ein Burnout zu vermeiden?

Ein Erschöpfungszustand trifft dich in dem Moment, indem du eine bewusst-denkende politische Woman of Color bist, gleich ob du Aktivistin bist oder nicht. Ich bin hauptsächlich deshalb Aktivistin geworden, weil ich die Unterdrückung leid war, und es satt hatte, dass die dominante Klasse mir mein Narrativ und meine Geschichte vorschreiben will. Das war ein Burnout. Ich bin also nicht freiwillig zur Aktivistin geworden, sondern es war ein Akt des Überlebens; ich wurde zur Aktivistin weil ich unter einem Burnout durch den Rassismus und Sexismus in meinem täglichen Leben gelitten habe.

Ich bin mir auch nicht sicher, ob überhaupt eine funktionierende Methode existiert um ein Burnout zu verhindern, solange das weiße, die Überlegenheit in Anspruch nehmende Patriarchat weiter existiert. Um ehrlich zu sein hilft mir oft, aus dem Internet rauszugehen.  Ein Raum außerhalb der digitalen Welt hilft, was die Prioritäten anbelangt, denn man wird dort leicht eingesogen von Dingen die im Prinzip total irrelevant sind. Ich stelle also immer sicher, dass ich viel Zeit offline verbringe.

Noch etwas, das ich gelernt habe um ein Burnout zu verhindern, ist es, nicht davon beeindruckt zu sein, dass weiße Leute meine Arbeit mögen. Wenn Du in einem System einer weißen Überlegenheitsgläubigkeit lebst, dann kann eine Menge an Aufmerksamkeit (seitens dieses Systems) als ein_e Minderheitsangegörige_r sich anfühlen, als seist du nun ganz oben auf … als hättest du das Richtige getan. Ich würde aber jedem Menschen, der einer Minderheit angehört, empfehlen sehr vorsichtig mit solch einem Gefühl umzugehen, weil es dich in eine Situation der Ausbeutung hinein katapultieren kann und du beginnst Dinge umsonst für weiße Leute zu tun. Ich musste wirklich lernen „nein“ zu sagen wenn mir weiße Leute Möglichkeiten in Aussichten stellten, mir aber keinerlei finanzielle Kompensation für meine Arbeit boten. Der leere Ruhm und die Möglichkeit in Erscheinung zu treten, sind immer wieder instrumentalisiert worden um farbige Menschen glauben zu machen, dass die Arbeit die du umsonst tust, eines Tages zu einem Gewinn führt, und normalerweise tut es das nicht.

Als Woman of Color habe ich auch gelernt nicht mehr auf Menschen in der dominanten Klasse zu hören und mich mit ihnen auseinanderzusetzen, wenn sie meine Arbeit und mich kritisieren. Ich habe gelernt den Kanal zu switchen und meine Arbeit einfach weiterzumachen. Wie Toni Morrison gesagt hat, macht Ablenkung einen großen Teil im Rassismus aus, und so lerne ich, Ablenkung zu meiden. Statt auf jede Person, die einen verleumderischen, unwahren Artikel über meine Arbeit oder mich schreibt, zu reagieren, mache ich einfach mit meiner Sache weiter. Ich muss mich ja nicht auf jeden überflüssigen Quatsch einlassen.

Und schließlich ist es wichtig wenn man seine gegenwärtige Arbeit erledigt, über Arbeit, die in der Zukunft getan werden muss, nachzudenken. Es geschieht so leicht, dass man vergisst warum man jeden Tag so hart arbeitet. Und das ist auch warum ich den Afrofuturismus so sehr liebe. Er hat mir dabei geholfen zu verstehen, dass es einen Tag geben wird, an dem ich durchatmen und entspannen kann. Aber der Preis, der dafür gezahlt werden muss, ist der Kampf heute, den ich auch weiter führen werde.

Ich danke Aph sehr für dieses Interview. Schaut euch ihre Seite/Arbeit an bei Black Vegans Rock und Aphro-ism und besucht auch ihre Facebook-Seite.

Anmerkungen zur Übersetzung:

[1] Zur Bedeutung des kanonischen Begriffs des Weißseins: „Weißsein ist die soziale Lokalisierung von Macht, Privileg und Prestige. Es ist ein unsichtbares Päckchen unverdienter Vorteile. Als eine epistemologische Überzeugung ist es manchmal eine Handhabe der Verneinung. Weißsein ist eine Identität, eine Kultur und eine oft kolonialisierende Lebensweise, die Weißen zumeist nicht bewusst ist, aber selten nicht den ‚People of Color’ [Nicht-Weißen]. Das Weißsein trägt auch die Autorität innerhalb des größeren Kulturraums den es beherrscht, indem es die Bedingungen festlegt wie jeder Aspekt von Rasse diskutiert und verstanden wird. Das Weißsein verfügt so über einen Facettenreichtum und ist durchsetzend. Das systemische Weißsein liegt im Mittelpunkt des Problems von ‚Rasse’ innerhalb dieser Gesellschaft.“ Zitiert aus: Barbara J. Flagg, Foreword: Whiteness as Metaprivilege, Washington University Journal of Law and Policy 1-11 (2005).

[2] People of Color, siehe Definition bei Wikipedia.de: https://de.wikipedia.org/wiki/Person_of_color

[3] Habe ‚racial liberation projects’ übersetzt mit ‚antirassistische Befreiungsprojekte’; diese abweichende Übersetzungsweise ergibt sich aus der anderen Verwendung des Begriffs „Rasse“ als politisiertem Begriff in der Diskussion über soziale Gerechtigkeit in den USA.

[4] Siehe auch folgende Präsentation von Anastasia Yarbrough bei der Sistah Vegan Conference 2013: Weißes Überlegenheitsdenken und das Patriarchat schaden Tieren, https://simorgh.de/about/yarbrough_weisssein_patriarchat_tiere/

Alle Links: 21.06.2016