Insekten, unsere und ihre Kultur. Ein Interview mit Inox Kapell.

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Jahrgang 5, Nr. 2, Art. 1, ISSN 2363-6513, April 2018

Insekten, unsere und ihre Kultur. Ein Interview mit Inox Kapell.

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Einleitend: Inox Kapell ist ein berliner bildender Künstler, Musiker und Entomologe. Aus der Biologie her kommend hat er mit aufgespießten Insekten zwar leider kein völlig fundamentales Problem, doch inzwischen, so lesen wir auf seinen Seiten, sammelt er keine lebenden Tiere mehr, „nur ab und zu ein totes Exemplar zu dokumentarischen Zwecken oder für die Kunst.“ [2]

Was Inox Kapells Arbeit für uns so interessant macht ist, dass es als Künstler und Entomologe die Insekten als eine ganzheitliche Welt konstituierend begreift, so spricht er beispielsweise von den Insekten als demokratisch sich organisierenden Lebewesen. Und mittels künstlerischer Darstellung lässt sich solch eine umfassendere Sichtweise auf die Invertebraten noch ganz anders ausdrücken, als allein über biologische Beobachtungs- und Erfassungsmodelle tierlichen Lebens.

Unsere Gesellschaft richtet sich immer noch zumeist nach denjenigen Auffassungen über Nichtmenschen, die ihnen aus den Naturwissenschaften übermittelt werden. Langsam beginnt die Gesellschaft sich aber von weniger humanzentrischen Perspektiven her mit Nichtmenschen und dem natürlichen Raum auseinanderzusetzen.

Die Kunst als Medium der Beobachtung, Reflexion und des gestaltenden Ausdrucks, kann in Verbindung mit einer interessierten Empathie gegenüber Nichtmenschen und ihren Lebenswelten, auf ihre Weise erweiterte Verständnisse darlegen. Unsere zeitgenössische Kunst ist gegenwärtig oftmals noch speziesistisch, indem sie sich tierlicher Körperlichkeit und dem Tiersein in einer weitgehend objektifizierenden Art und Weise annähert. So werden häufig taxonomische Präparate verwendet, die Narrative nichtmenschlicher Perspektiven bleiben sekundarisiert. Eine künstlerische Annäherung an das Tiersein kann aber auch auf gleicher Augenhöhe mit den anderen Lebenswelten stattfinden. Genau hierin liegt eine besondere Freiheitsmöglichkeit schöpferischer Kreativität.

Bei Inox Kapell ist ein künstlerisch-entomologischer Grenzgang zu beobachten, bei dem sich der Rezipient aus dem rein anthropozentrischen Konzeptualisieren der Welt herausbewegen kann und anarchischer Phantasie Raum geschaffen wird, in der tierliches Anderssein Gestalt annimmt und einen unmissverständlichen Platz einnimmt, jenseits einer Dominierung durch Zeitgeist und anthropozän-erstarrter menschlicher Hybris.

Wir haben Inox im Rahmen seiner Arbeit auf Schloss Freudenberg in Wiesbaden besucht. Das Schloss und der Schlossgarten als museumspädagogisches Kunstprojekt, das ein Kollektivwerk darstellt und das sich als ein im-fortwähenden-Prozess befindendes Gesamtkunstwerk verstehen lässt, verfolgt insbesondere auch einen Ansatz, der die Gedankenwelten von Maria Montessori, bis Rudolf Steiner, Hugo Kükelhaus und Josef Beuys (und Weiteren) umgreift [3]. Die Verbindung von Sinneswahrnehmung und Kunst mit der natürlichen Umwelt, bildet dort den inhaltlichen Schwerpunkt kreativen Schaffens und künstlerischer Didaktik.

Schlagworte: Interview, Inox Kapell, Insekten, Invertebraten, Entomologie, Kunst, Post-Anthropozentrismus

TIERAUTONOMIE, Jg. 5 (2018), Heft 2.

Insekten, unsere und ihre Kultur. Ein Interview mit Inox Kapell.

Eine Übersicht über Aspekte des Insektenlebens von Inox Kapell. [1]

Mikrosensationalismus und taxonomische Sammlung

Tierautonomie: Insekten, die in Dekoartikeln eingebaut werden, wie lebende Käfer als Broschen und Ameisen in Uhren [1]. Was denkst Du, warum einige Menschen so etwas kaufen und manche andere so etwas als ‚witzig’ oder ‚okay’ tolerieren?

Inox Kapell: Ja, da wird so eine menschliche Reaktion angeregt. Wenn man so will, wie ‚Schock und spannend und interessant und farbenfroh oder komische Gestalt die eingegossen ist’. Dann kann man das auch noch kaufen, weil es ja sicher ist. Das hast du dann ja gegossen. Die Insekten sind meistens, wenn sie von der Industrie kommen, gezüchtet dafür. Ganz viele. Das ist sehr traurig. Wenn man dann überlegt, da ist ne ganze Industrie, z.B. in Thailand. Da gibt es eine ganze Industrie, die diese Rosenkäfer züchtet. Ich weiß nicht genau, ob sie sie dann direkt umbringen, ob sie sie sogar lebendig eingießen oder sterben lassen. Das weiß ich nicht. Aber ich glaube, dass der Umgang da nicht so gut ist. Also, allein zu züchten deswegen ist doof. Es gibt auch das andere, das sind Wildfänge, also dass man wild fängt und dann eingießt.

Tierautonomie: Wenn man die Tiere lebendig oder als Teile von Objekten – als Objekt – verwendet?

Inox Kapell: Ja es gibt ja auch diese Wanderausstellungen. Das ist auch ganz fürchterlich. Die Züchter sind eigentlich nur interessiert am fertigen Käfer oder an dem, was er dann wird wenn er geschlüpft ist, dass man dann verkaufen kann. Es ist eigentlich immer was wie ‚Aliens’, einfach interessant weil fremd, und das ist mit Spinnen auch so, weil sie so anders sind als wir.

Tierautonomie: Du selbst sammelst nur noch ausschließlich von selbst gestorbene Insekten. Könnte es eine Entomologie geben, die nur noch bereits existierende Präparate verwendet oder mit der Beobachtung der Tiere im natürlichen Lebensraum auskommt?

Inox Kapell: Genau, ich sammel nur tote, auf der Wiese. Ich nehm dann das Tablett und die Schönen werden dann zu Ringen oder zu Broschen … .

Tierautonomie: und für die Entomologie?

Inox Kapell: Sie werden Aufgespießt und die werden ja auch geklebt. Also ganz kleine Insekten werden aufgeklebt auf Papier. Sie werden umgebracht und dann aufgeklebt, weil dann sind die Beine noch beweglich, dann kann man sie schön gestalten, in die Form bringen, weil wenn ein Käfer stirbt, dann zieht es sich zusammen. Das heißt aber, wenn er dann gestorben ist, kannst du ihn noch auseinandernehmen. Das ist wie auch beim Menschen. Der kriegt ja auch eine Leichenstarre und dann kannst du ihn nicht mehr bewegen. Bei Insekten ist das ähnlich.

Also es gibt auf jeden Fall Familien, da muss man Präparate haben. Familien von Käfern z.B. oder Familien von Insekten, weil die so selten sind, und an einem lebenden Insekt – das hält nicht still, bei dem kannst du dann nicht die Fühler, die Glieder, die Beingliederungen, die Gelenke oder die Tarsen zählen. Das ist alles ganz wichtig, das kannst du bei einem lebenden dann nicht, und da ist natürlich ein Biologe geschult drauf das das schnell zu machen, ins Reagenzglas und umbringen, tot. Das ist ganz normal, das ist seit sagen wir mal 100 Jahren normal, das man das so macht. Da ist auch scheißegal, ob es dann weniger davon gibt, sondern da gehts dann darum, ist das ne neue Art? Und da gehts dann auch darum, dass sich Studenten auch einen Namen machen wollen. Es gibt aber ganz viele Insektenarten da muss man das nicht, weil, die kannst du so erkennen. Gibts auch.

Ein Miteinander von Insekt und Mensch zum ersten Mal entdecken

Tierautonomie: Kann man über Gedankenwellen oder -impulse, Gestik, Verhalten und aber auch das Einrichten von geschützten Lebensräumen und Kleinstbiotopen, usw. – also über eine eigene Art der ganzheitlichen Interaktion – mit Insekten in einen reziproken kommunikativen Akt treten?

Inox Kapell: Ja, das Wichtigste dabei ist, dass man es zulassen kann, dass man auf so ne Ebene kommt, wie es bei anderen Haustieren oder bei anderen Tieren überhaupt schneller der Fall ist, weil sie, domestiziert, schon lange beim Menschen leben oder eine ganz andere Prägung da ist. Wie wenn bei einem Kind eine Katze da liegt, dann erzählen die Eltern ja: ‚Katzen sind so und so’ und ja die Katze ist wuschelig, das ist beim Menschen dann natürlich ein ganz anderer Umgang.

Wenn jetzt das Menschenkind zum Beispiel bei einem Imker sieht – der ja schon grundsätzlich einen Zugang zu Insekten hat, nämlich zu den Bienen – dann ist das für ein Kind schon mal ein ganz anderer Zugang. Es kann dann schneller lernen, dass erstmal zu den Bienen, aber vielleicht dann aber auch zu den anderen Insekten, ein Zugang möglich ist. Weil der Imker-Onkel, oder wer auch immer das dann macht, schon diesen Zugang erfahren hat. Und wenn der dann noch weiter geht und vielleicht Anthroposoph ist bzw. ein anthroposophisches Denken hat, dann sieht der die Bienen auch nicht nur als Honigbringer, sondern auch als Bestäuber und eben auch als Freund des Menschen. Weil das passiert automatisch, wenn du zum Beispiel mal ne ganze Gruppe auf deiner Hand hast, eine Biene auf deiner Hand komplett sitzt oder es gibt diese Bilder von Imkern, deren ganzen Gesicht bedeckt ist mit Bienen. Dann kennen die deinen Geruch, das Bienenvolk kennt deinen Geruch und dann hast du einen anderen Zugang. Dann werden die dich auch nicht mehr stechen.

Und wenn das ein Kind sieht – ich sag jetzt mal Kind, weil beim Kind ist noch so viel möglich – dann kann das Kind, so wie ich selber mal so ein Kind war, sich dabei entwickeln. Und dann merkt es vielleicht, was noch alles möglich ist. Und genau dann passieren Dinge, die eben viele erzählen, die sie erleben mit ihren normalen Haustieren – mit Hunden, Katzen sowieso, Meerschweinchen, Hamstern, Schildkröten – die auch möglich sind beim Insekt.

Zum Beispiel, jetzt sitzen hier zwei Fliegen. Und jetzt ist die Frage: warum sitzen sie hier und nicht dort, dort oder da? Und für mich ist das, über meine jahrelange Erfahrung, über dieses Jahrelange Leben mit Insekten, heute schon so [wenn sie um mich herum sind], als wenn sie wüssten, dass ich von ihnen erzähle. Ich kann mir das nicht anders erklären. Ich meine über Hunde und Katzen wird nicht so viel geredet, da wir dann immer so: ‚ah du bist ein süßer Hund’ oder ‚du bist einer süße Katze’ oder ‚komm mal her’ und so … .

Tierautonomie: Also wir machen das auch, dass wir mit den Insekten bei uns im Haus z.B. auch reden.

Inox Kapell:  Ja in eine andere Dimension geht das. Das können wir noch gar nicht wissen, was da alles passiert. Auf jeden Fall passiert da was. Und das macht ja auch was mit dir.

Tierautonomie: Ja, dieser Zugang. Das ist ja auch immer das Experimentieren in der Kommunikation mit einem anderen Lebewesen, ein soziales Annäherungsexperimentieren.

Inox Kapell: Genau. Und es geht auch um Schwingungen, also man strahlt ja was aus sozusagen, man schwingt ja, da schwingt ja was, wer weiß was da passiert! Ich ruf dann irgendein Tier und das kommt dann. Das passiert mir auch bei Führungen, gerade wenn jetzt zum Beispiel der Frühling dann anfängt und die Tiere noch rar sind. Dann steh ich da mal – wie ein Ritual mache ich das dann – und ruf ein Tier und dann kommt das Tier. Und ich glaube das ist einfach über Jahrzehnte so entstanden.

Tierautonomie: Und das heißt ja auch nicht, dass so ein Tier nicht auch mal stechen kann oder beißen kann, das gehört ja auch mit dazu … .

Inox Kapell: Genau, das gehört dazu.

Perspektiven, Beobachtungen

Tierautonomie: Ich glaube manche Menschen sehen Insekten als so eine Art Kleinstroboter und nicht wirklich als fühlende Wesen. Warum sollte ein Lebewesen mit Außenskelett nicht ebenso komplettes fühlendes Lebewesen in seiner eigenen Art sein?

Inox Kapell: Auch da gibt es ja Aufklärung. Also, es gibt einfach wenig Menschen, die so Erlebnisse haben können, dass sie sagen ‚ja’ – das wird dann immer in andere Ecken gepackt. [Ein Insekt fliegt weg vom Tisch] Ja, es musste da jetzt weg fliegen, weil ich da jetzt drauf gehaun habe [an einer anderen Stelle, indirekt, nicht absichtlich auf den Tisch]. Insekten reagieren, glaube ich, sehr feinfühlig auf alles was sie umgibt. Das können wir nicht wirklich nachvollziehen, weil wir ja auch nicht eine Millionen Mal so stark riechen wie wir riechen, wie ein Insekt riecht. Für ein Insekt ist jetzt vielleicht hier in der Luft alles voller Spuren von irgendwelchen Stoffen, Kaffee, Zucker, Blut … und das beeinflusst das Insekt. Deshalb fliegt es eben so, deshalb fliegt es vielleicht merkwürdig für uns, weil wir uns anders bewegen. Und das Fremde wird immer gesehen als fremd. Und so ein Insekt, was ja nicht schreien kann, nicht reden kann, was auch noch stechen kann – und wo dann auch noch das ganze andere menschliche Gedenke dazu kommt, was oft ja gar nicht stimmt – das ist dann automatisch ein ‚Roboter’. Weil, das ist ja irgendwie klar und das ist auch ein Schutzmechanismus. Das heißt aber gar nichts.

Tierautonomie: Canetti hat das ja auch mal beschrieben, dass die Insekten in so einer anderer Lebenswelt sind, in einer anderen Dimension sind, dass der Mensch sie dann dadurch ganz leicht fälschlicherweise abwertet.

Inox Kapell: Fabre musst Du unbedingt erwähren, Jean-Henri Fabre. Der ist ein großes Vorbild für mich, weil, er hat vor hundert Jahren schon sein Haus geöffnet für Insekten. Er hatte Terrarien, und zwar hatte er ein Ameisennest in einem Terrarium, das Terrarium war aber oben auf, das heißt die Ameisen konnten raus und liefen dann überall rum. Sammelten sich aber in dem Terrarium. Das Nest war also nicht eingegrenzt und trotzdem beobachtbar. Fabre hat über Insekten ganz viele Kinderbücher geschrieben, die aber in Europa nicht bekannt sind, bis in die 1950er Jahre vielleicht schon, aber danach nicht mehr. In Japan sind seine Bücher aber Bestseller.

Räume wahrnehmen, Plätze schaffen

Tierautonomie: Wie kann man selber in unterschiedlicher Weise Lebensräume für Insekten schaffen? Mit, beziehungsweise aber auch ohne eigenen Garten?

Inox Kapell: Du kannst ganz klein anfangen. Wenn man sich vorstellt es gibt Ameisennester, die leben in einer Eichel, ein Ameisennest in einer Eichel. Auf deinem Balkon kannst du schon richtige Biotope schaffen, weil, viele Insekten sind nur wenig sichtbar, also viele Insekten sind ja auch klein.

Tierautonomie: Aber wichtig ist dann, dass man immer schöne Pflanzen fest da hat, so einen Mini-Dschungel.

Inox Kapell: Am besten heimische Pflanzen – muss nicht sein aber ist besser, weil du kannst ja auch einfach irgendwo hingehen, wo ein guter Garten ist und nimmst dir da die Erde und dann beobachtest du mal was passiert. Du gießt das ein bisschen, da ist auch genug Samen drin und Sonne hast du auch. So habe ich das auch als Kind gemacht.

Tierautonomie: Also auch die Pflanzen, die man hier auch oft als Unkraut bezeichnet, gerade auch die stehen lassen, weil die Insekten sich da auch zuhause fühlen.

Inox Kapell: Genau, Unkraut gibts nicht, das ist so wie Ungeziefer. Wenn wir jetzt diese Fliege da beschimpfen würden als Ungeziefer. Wie wichtig die Stubenfliege aber für uns Menschen ist. Die tanzen da auch noch so schön im Licht. Da kannst Du davon ausgehen, dass sie sich richtig gefreut haben, dass man das gerade gesagt hat. Also ich glaub ja an sowas. Nur dass wir das eigentlich nicht wahrnehmen, weil wir ja nicht in diese Dimensionen gucken können.

Tierautonomie: Ja ich denke auch das ist eine soziale Interspezies-Interaktion.

Inox Kapell: Ich will es jetzt auch nicht zu weit treiben damit, aber da ist auf jeden Fall ganz stark was vorhanden. Bei den meisten Menschen ist gar kein Bewusstsein entwickelt. Wir reden von Intelligenz: so, was ist Intelligenz? Nachhaltig denkend? Ist das der Mensch? Fragezeichen! Was bilden wir uns eigentlich ein, uns fehlt die Demut, das Mitgefühl. Hätten wir das, dann würde sich vieles auch sofort ändern.

Tierautonomie: Oder bei der Intelligenz ist ja auch die Frage, in welchem Rahmen ist was intelligent. In einem Land empfindet man vielleicht das eine als intelligent, in nem anderen Kontext ist das und das intelligent.

Inox Kapell: Genau, weil ne ganz andere Natur da herrscht usw.

Graswurzelpolitische Kunst

Tierautonomie: Stichwort ökologische Balance im Mikro- und Makrokosmos: Kunst kann ökopolitisch sein, wenn sie die Gesellschaft und den einzelnen Menschen dazu anregt, mehr Aufmerksamkeit und Respekt zu entwickeln für die wichtige und meist übersehene, komplexe Lebenswelt der Insekten. Im Bezug auf Bienen ist uns unsere Mit-Existenz mit der Insektenwelt, durch deren gefährdeten Status, inzwischen mehr ins Bewusstsein gerückt. Mit Deiner Kunst triffst Du auch eine graswurzel-ökopolitische Aussage, die sich gegen Pestizide, gegen die Zerstörung von Lebensräumen richtet, ohne dass man Dir aber vorwerfen würde, das wärest moralinsauer.

Inox Kapell: Wenn man Menschen hat, die da mit dem Gefühl arbeiten, da kommst du automatisch auf ne andere Ebene, wenn du mit diesem Gefühl arbeitest. Das glaub ich schon. Das ist meine Erfahrung. Wenn ich zu Kindern geh und den Kindern erzähle: ‚Guckt mal die Bienen, wie die sozial zueinander sind, wie die sich gegenseitig helfen, unterstützen, wie die sich füttern. Ja und jetzt überlegt mal, wie es wäre wenn wir das auch so machen würden’ – und schon machts klick.

Tierautonomie: Ja, dass man auch nicht immer so einen Schnitt macht und das ganz anders beurteilt, bei den Tieren oder Kleinstlebewesen, als bei den Menschen. Sondern dass man einfach mal guckt: ‚vergleicht das doch mal, lasst das doch mal zu, ohne es weiter zu bewerten’.

Inox Kapell: Genau. Und die haben auch ne Brutpflege. Die menschlichen Worte sind oft ganz doof. Brutpflege, dass würden wir ja nicht sagen zu unserem Kleinkind: ‚Das ist eine Brutpflege’ wenn wir ein Baby haben. Aber das nennen wir bei den Tieren so. Das ist eigentlich dämlich. Das ist aber das, was auch durch Prägungen entstanden ist, nämlich damit man die Tiere dann auch besser ausbeuten kann. Heute ist es ganz schlimm, weil heute hat  das, was du isst, kein Aussehen mehr von dem, wo es herkommt. Das macht es leichter [die Ausbeutung].

Tierautonomie: Ja, diese Reduzierung dann immer auf das Futtersuchverhalten oder die Brunft usw. Alles was Tiere anbetrifft wird dann immer eingegrenzt auf so gewisse Schwerpunkte, die für uns dann von Interesse sind.

Inox Kapell: Und die Kunst allgemein … ich glaube es liegt immer an dem Künstler.

Tierautonomie: Also da hat man eigentlich schon eine Möglichkeit ganz andere Zugänge zu schaffen.

Inox Kapell: Dass ein Künstler auch Visionär ist und eigentlich auch in der Pflicht steht, dem Volk was Gutes zu tun, dass er auch eine Meinung hat – das Politische, das haben viele vergessen.

Tierautonomie: Genau. Ich glaube Brecht hat auch mal gesagt, dass Künstler die Gesellschaft nicht nur spiegeln, sondern auch formen, mitgestalten sollten.

Inox Kapell: Ganz genau.

Tierautonomie: Also insofern auch so was Graswurzelpolitisches.

Inox Kapell: Genau, also ein Bodenanfang.

Wie sieht die Kunst den Künstler und dessen Sicht auf nichtmenschliche Tiere?

Tierautonomie: Wenn Du Kunst im Bezug auf Insekten machst, sind die Insekten für Dich dabei etwas rein Symbolisches? Sind sie sozusagen ‚Kunst-Nutzlebewesen’ für Dich? Es wird immer wieder von Kunstkritikern behauptet, dass viele Künstler nichtmenschliche Tiere in ihrer Kunst allein in einer symbolischen oder letztendlich metaphorischen Art und Weise verkörpert haben oder einsetzen, aber nicht um ihrer selbst willen. Kann man als Künstler auch einen ganz direkten Bezug zu Nichtmenschen haben, indem diese anderen Lebewesen nicht bloß als ästhetische „Medien“ dargestellt und portraitiert werden?

Inox Kapell: Ich glaub schon, dass das möglich ist. Das ist vielleicht eine sehr schöne Forschungsfrage fast, also das dahin zu wirken. Aber so Zeitgeist ist ja gerade ein anderer. Doch es bildet sich ja im Zeitgeist, der so stark ist jetzt, so einförmig, da bildet sich automatisch wieder Anderes. Also es gibt immer auch was, wo etwas im Sterben ist, ist auch schon das neue Leben, das kommt schon wieder, es ist schon da. Und das ist bei uns auch so.

Und jetzt könnt ihr mal da hoch gucken. Jetzt seht ihr da oben so eine Ameiseninstallation […]. Es ist eine Darstellung von etwas fast Feindlichem. Es geht aber darum, sich die Ameisen mal richtig anzugucken. Das passiert bei Kindern dann auch, wenn die hier sitzen [im Museumscafé]. Wenn du hier sitzt und Kaffee trinkst und dann da hoch guckst, da bist du erst mal so ‚Hu’?! Und dann macht es aber auch, dass man sich es dann anguckt und genauer anguckt.

Ameisengestalten an der Decke im Museumscafé.

 Tierautonomie: Also, dass man diese Tiere dann erstmal zeigt, es sind ja künstliche Figuren, die in einem Kontext als agierende Wesen dargestellt werden, um dadurch den Zugang zu den echten Lebewesen zu schaffen, um diese mit in den Raum und ins Denken mit einzubringen.

Inox Kapell: Und wenn du dann auch noch einen Menschen hast, der die Menschen nimmt und auf die Wiese bringt, dann ist natürlich was passiert!

Tierautonomie: Ohne den Tieren aber auch was anzutun. Ohne da einzugreifen, sondern einfach nur beobachten.

Inox Kapell: Einfach nur beobachten. Genau. Das ist ne Kunst und das ist auch wie eine Entschleunigung. Es ist eigentlich auch was Schönes für die Gesellschaft, weil du, sobald du dich da irgendwo hinhockst da draußen, und einfach mal auf ne Stelle guckst und dann läuft da was durchs Bild, dann ist das fast wie eine Meditation – für mich persönlich. Ich hab es auch auch von vielen anderen gehört, dass ich sie dahin bewogen habe, das zu tun und es wurde eine Art Meditation für sie. Also wie eine Entschleunigung, so ich zieh mich zurück, ich hab gerade viel im Kopf, jetzt geh ich einfach zum Ameisennest, setzt mich mal daneben und … .

Tierautonomie: Du lebst das ja auch wirklich vor. Wenn jemand Interesse hat und sieht, ‚oh da ist jemand, der einem so etwas tatsächlich auch vorlebt’, man sieht, man kann etwas auch so machen, dieser Weg ist gangbar.

Sehen, denken, handeln

Inox Kapell: Ja, genau. Es gibt in Filmen – und das ist ja auch ein großes Problem – im Film ist ja alles da, jede Idee wird zum Film, jede Lebensgeschichte, wenn sie interessant ist, wird zu einem Film. So, und dann guckt man das im Film, und ‚ah ja, hm hm’. Das muss alles wieder ins Leben rein, das muss alles wieder in die Realität. Es ist traurig, so was kann was bewirken, aber du kannst auch drin stecken bleiben, in dem: ‚ich habs ja gesehen, ich habs gesehen, das muss ich ja selber nicht tun.’ Und das ist genau der Schritt, den brauchen wir gerade. Es ist soviel Kraft da, aber es muss wieder dazu führen, dass wir uns bewegen, wir müssen handeln. Wir handeln nicht nur für uns, wir handeln auch für die anderen, für die Kinder, für die neuen Generationen, für die Umwelt. Und da kann Kunst schon viel machen. [Inox macht an dieser Stelle einen kleinen Exkurs zu Beuys und seinen lehrenden Tätigkeiten.] Es ist immer wichtig, wenn Du Menschen hast die die Dinge tun, die Dinge leben. Dann kannst du vieles besser verstehen. Rudolf Steiner hat ja auch immer gesagt, ich schreibe keine Bücher, ich halte Vorträge und zeichne meine Grafiken und nach jedem Vortrag könnt ihr mich fragen. Das ist mir lieber als ein Buch zu schreiben, das hier Fragezeichen hinterlässt und niemand kann sie beantworten. Also halte ich lieber tausend Vorträge und nach dem Vortrag sag ich: jetzt fragt mich und ich kann es direkt beantworten, dann versteht man es auch.

Tierautonomie: Eher sokratisch also.

Inox Kapell: Ganz genau und so ist es fast wieder schamanisch und indianisch, deswegen nannte sich auch Beuys dann irgendwann Schamane, weil er eben auch das tat. Er hat sich versammelt mit seinen Studenten und hat erzählt und dann war da Diskussion, dann konnt man reden. Daraus ist ja dann sowas entstanden wie die Grünen, wir brauchen ne Partei, die was ändert.

Tierautonomie: Das ist dann wirklich lebensverändernd.

Inox Kapell: [Inox schildert kurz einige Überlappungen von Kunst und der Punkbewegung in den frühen achzigern.] Das sind diese Beispiele von Bewegungen, wie sie entstehen. Sieh entstehen ja meist nur durch zwei, drei, vier, fünf Leute. Und das bräuchten wir mal wieder. Auch zu dem Thema.

Tierautonomie: Und dabei auch die Vernetzung und den Austausch mit Leute aus andern Ländern.

Inox Kapell: Genau. Aber da wird noch viel festgehalten an Altem. Ja und je länger du festhältst … du musst loslassen. Loslassen ist ein großes Thema. Je länger du festhältst, umso schwerer wird das Loslassen. Es fühlt sich dann so hart an, wenn auf einmal das Auto nicht mehr anspringt, wenn das Haus nicht mehr bezahlbar ist, weil du es ja eingeredet bekommst: wenn du kein Geld mehr verdienst, dann landest du auf der Straße. Es ist ja gar nicht alles so.

Tierautonomie: Genau, da muss man Öffnungen schaffen, damit man in diesem System nicht gleich einem Circulus vitiosus gefangen ist. Da muss man Aufbrüche schaffen.

Inox Kapell: Genau, und das macht man ja erstmal für sich selbst. Und wenn du dann sagen kannst, es hat funktioniert, dann können es andere auch angehen.

In der Welt Sein

Tierautonomie: Du sagst Insekten sind Musiker und Künstler. Eine ganz wichtige Aussage wie wir finden. Meinst Du das in ihrer Bedeutung für den Menschen alleine oder in ihrer Bedeutung an und für sich, für ihre Umwelt und für die Welt? (Das ist vielleicht eine suggestive Frage.)

Inox Kapell: Ja, auch für die Welt und auch für die Welt der Insekten. Weil, ich kanns ja nicht beweisen, aber ich glaube auch, dass in so einem Ameisennest, wenn man sich das mal anguckt, wie kunstvoll das gestaltet ist, allein die Klimaanlagen, wie kunstvoll die da sind bei unterschiedlichen Ameisenarten oder auch die Gebäude, die sie bauen – die die ja auch betrachten irgendwo.

Tierautonomie: Ja, dass die auch ihre Erlebniswelt haben.

Inox Kapell: Ja genau … weil das ja hat einen Sinn.

Tierautonomie: Ja, aber das ist merkwürdig, dass der Mensch da so einen totalen Cut macht zwischen „Mensch ist kulturschaffend, ist Geisteswesen und Tier ist das nicht“.

Inox Kapell: Genau, aber das ist jetzt der zivilisierte kapitalistisch denkende Mensch. Gehen wir jetzt zu den Indianern, zu den Urvölkern, da isses, gabs oder gibts immernoch auch das andere Verhalten, das mit der Natur. Und da seh ich so Bilder vor mir: kleine indigene Kinder mit großen Stabheuschrecken auf der Schulter oder mit ganz großen Schmetterlingen auch auf der Schulter oder auf der Hand, fast sprechend miteinander. Ja, also solche Bilder gibt es auch. Das liegt einfach daran, dass da der Zusammenhang, der Zugang – das alles ist da noch viel stärker vorhanden, zu dem Planeten auf dem wir leben, Planet Erde.

Insekten sind Bodengestalter und Baumgärtner

Tierautonomie: Es gibt bislang keine wirkliche Lobby für die Insektenwelt – als nichtmenschliche Tiere die sie sind, z.B. nehmen sich Tierrechtler ihrer Problematik bislang kaum an, weil selbst in den Tierrechten zumeist immer noch eine hierarchisierende Unterscheidung in „komplexere“ und „weniger komplexe“ Lebensformen betrieben wird, da wird immer noch von einem mensch-zentrierten Bild ausgehen im Bezug auf Wichtigkeit und Relevanz von Leben. Verstehst Du Deine Botschaft auch als eine Art Kritik an der ‚Hierarchisierung von tierischem Leben’ – sprich Homo sapiens = ganz oben und Invertebraten = ganz unten? Das würde zumindest auch beweisen, dass tieretisches Denken nicht unbedingt immer nur aus den Ecken stammt, von denen man es erwarten würde.

Inox Kapell: Das steht jetzt nicht so im Vordergrund bei mir, aber ich glaube das passiert dann automatisch. Ich kann durchaus ne Biene oder ne Ameise in ihrem sozialen Verhalten – also was ich jetzt selber erfahren habe über die ganze Zeit, kann ich das durchaus vergleichen mit dem Verhalten von Säugetieren. Und da komm ich auch dahin, dass ich sage, wenn man das jetzt hierarchisch sieht, dann müsste die Biene auch ganz oben sein und die Ameise auch und auch die Termite und auch die Wespe und die Hummel.

Tierautnomie: Also das würdest Du klar so postulieren, das könntest Du als Entomologe völlig unterschreiben?

Inox Kapell: Ja, auch in ner Abgrenzung zu andern Völkern, also das machen ja auch die Löwen oder die Wölfe und so weiter … auch Ameisen haben Wächter, auch Ameisen haben Kundschafter, das ist alles bei Säugetieren auch der Fall. Nur es ist vielleicht alles ein bisschen einfacher – das weiss ich ja nicht mal, weil ich das ja nur beobachte und weil die Tiere natürlich kleiner sind und alles was kleiner ist, wird immer weniger beachtet. Wir haben ja noch nicht mal gemerkt oder wissen ja heute noch nicht mal richtig … wir sagen ja es ist ne Darmflora und es ist eigentlich ne Darmfauna. Es sind ja Tiere, die in uns sind. Wir wollen das gar nicht wissen. Da hat der Mensch irgendwo ne Schramme. Ich kanns jetzt nicht anders sagen, weil ich das jetzt nicht so hart fühle, aber ich kann das nachvollziehen. Ich bin ja auch so aufgewachsen, drumrum sind ja auch alle heute ängstlich und haben dieses Denken. Und das Kleine ist immer das, das man einfach ausstellen und niedermachen kann.

Tieautonomie: Genau, man kann das leicht zerdrücken und zertreten, es ist verletzlich. Wir sind ja in einer mächtigen Position.

Inox Kapell: Und auch die Angst. Einmal gehört die Insekten, da gibt es Stechende dabei, oh ja, dann ist das schon der Feind, ‚ja also wenn das mich sticht’.

Tierautonomie: Oder wenn es mich auch nicht anlächelt, dann weiß ich nicht, was denkt ‚es’ überhaupt.

Inox Kapell: Genau, weil lächelnde Gesichter sind bei Insekten nicht so ausgeprägt.

Tierautonomie: Ne, und ‚das’ ist nicht so kuschelig.

Inox Kapell: Und das auch nicht, obwohl viele Insekten ja auch viele Haare haben, aber es sind ja fast alles Sinnesorgane.

Tierautonomie: Es sind sehr autonome Lebewesen, es gibt ja auch viel mehr Insekten, glaube ich, als es andere Tierlebewesen überhaupt gibt?

Inox Kapell: Ja, die Biomasse der Ameisen ist stärker als die aller Menschen zusammen. Also wenn du alle Mensch auf ne Waage tun würdest, auf die eine Seite, die Ameisen auf die andere, dann wiegen die Ameisen mehr als alle Menschen zusammen. Und da ist dann auch für mich klar, welch ein wichtiges Element eigentlich Insekten sind, also außer Feuer, Erde, Wasser, Luft, sind die Insekten eigentlich ein Element, weil aller Boden ist durchwoben von Chitinen, Proteinen, Eiweißstoffen, von allem eben, was die Insekten auch zurückgeben in die Erde, wenn sie sterben.

Tierautonomie: Die Gemeinschaft der Insekten ist also völlig untrennbar von der Natur, von der intakten Natur.

Inox Kapell: Ganz genau, und wir sind jetzt, genau jetzt zum ersten Mal menschheitstechnisch oder überhaupt, evolutionstechnisch vielleicht – ich meine vor 130 Millionen Jahren ist da mal ein Komet … das weiß man jetzt nicht, was es genau bewirkt hat – aber heute sind wir genau an so Punkten, wo jetzt die Insekten sehr stark sterben und wir die Folgen spüren werden. Wir haben schon Länder, da ist es schon soweit, da gibts schon ganz viele Vergiftungen, da ist schon alles Wüste sozusagen. In Amerika, die Japaner, die Chinesen haben riesen Probleme. Am Kirschblütenfest hat mans dann gemerkt, dass die Kirsche leidet, die Bienen sterben, ‚wir müssen das mit dem Finger machen, wir wollen dieses Blütenfest, das ist unsere Tradition’. Ja dann merkt der Mensch plötzlich, ‚ach so, die Biene ist ausgestorben, oh. Ja wie kann das denn passiert sein … .’

Tierautonomie: Völlig beängstigende Vorstellung.

Inox Kapell: Und es ist nicht nur die Biene, die bestäubt, sondern auch die ganzen Hummelarten, also vielleicht nicht ganz so stark oder konzentriert wie die Honigbiene, aber die tun das auch, und Wespen auch, aber eher zufällig. Ja Hummeln sind ja auch echte Bienen, gehören ja dazu zu den Bienen. Die machen das also alle. Und alle anderen Insekten, wie Schmetterlinge oder Ameisen, Käfer, die machen das eher zufällig, passiert aber auch. Und das Bestäuben ist eine wichtige Sache, die Bodengestaltung ist zum Beispiel eine andere und was weiß ich was da noch … so zum Beispiel Wasservorrat [bei den Bäumen] … .

Tierautonomie: Das ist ja wirklich auch eine gesamte Kultur, ne ganze Kulturlandschaft zwischen Fauna und Flora.

Inox Kapell: Regenwürmer sind so, so wichtig. Die siehst Du nirgendwo mehr. Wir machen Regenwurmführungen hier, da laufen wir nur rum und zeigen die Arbeit der Regenwürmer, dass die gerade mit ihrem Mund das Laub verarbeiten. Und die Kinder denken, ja das Laub fällt und dann vergammelt das. Nein, wenn es vergammeln würde, würde es überall stinken. Also das ist ein richtiger Prozess, dass das wieder Erboden wird. Wenn die das Laub nun alles rausziehen aus den Kulturwäldern, dann bildet sich nichts Neues. Und wenn wir uns in der Stadt die Bäume angucken, wie die da wachsen, da haben die gerade noch so viel drumrum, alles andere ist betoniert, die werden einfach … . Ich hab schon ne Performance gemacht bei umgehackten Bäumen, weil, die sind alle von innen verrottet. Die Städte werden alle irgendwann völlig uninteressant sein, vielleicht auf den Dächern wird sich was abspielen, aber den Beton muss man rausreißen … um Bäume zu pflanzen … . Es ist ganz furchtbar, das tun wir einfach so.

Tierautonomie: Ja und es wird kaum ein Bewusstsein dafür geschaffen und wenn, immer nur in Hinsicht auf die Nützlichkeit für den Menschen. aber nicht für die Natur selber.

Inox Kapell: Genau, und irgendwann haben wir auch in Deutschland, dass alles gleich aussieht.

Tierautonomie: Bodenversieglung.

Inox Kapell: Bodenversieglung, ja genau, und dann sind solche Wiesen wie hier die totalen Oasen.

Den Freiraum der Insekten in der Natur achten lernen, Anstöße vermitteln

Tierautonomie: Auf welcher Grundlage könnten Menschen akzeptieren, dass Insekten nicht nur wegen ihrer Nützlichkeit für die Menschen wichtig sind, sondern dass sie an und für sich eine besondere Rolle in der Welt einnehmen, indem sie selbst weltgestaltend und Lebensräume gestaltend sind?

Inox Kapell: Also ich geh jetzt mal wieder davon aus, dass, am meisten präge ich ja Kinder und Jugendliche, und wenn ich mit denen arbeite, dann passiert auch immer was, also ich mach Insektenmusicals, Theaterstücke, ich mach Hörspiele, usw. und das auch mit Kindern. Ich erarbeite Dinge, die die Kinder dann mit nachhause nehmen können, also, ob das dann kleine Insektenhotels sind oder Insektenhotels an deren Schulen oder ob das „nur“ Insektenführungen sind – „nur“  – da lernst Du auch was. Alles was Du mit denen machst, hat da auf jeden Fall ne Wirkung. Ansonsten ist ja in der Gesellschaft gerade ein großes Sterben in der Natur [Thema], und das ist natürlich auch wie ein: ja da leuchtet ja schon was, da kommt ja was zurück. Also wenn Du merkst ‚oh ich hab ja jetzt gerade gehört die Bienen sterben und es gibt schon diese Pflanze nicht mehr’ und so – dann macht das was bei Dir. Das kann dann weiterführen, je nachdem. Wie in einer Matrix sag ich jetzt mal wieder, weil viele sind ja nun mal ganz stark in ihrer Matrix, wie da gehandelt wird. Und da sind wir eigentlich – jeder ist da gefragt, jeder kann da handeln, jeder kann was erzählen. Der das natürlich mit Leidenschaft macht, ist der, der dann eher gehört wird, wie der Wissenschaftler, der halt nur sagt ‚Insekten haben sechs Beine, die haben ein Ausscheidungsorgan und sie haben Facettenaugen, die können fliegen und die machen auch das und das’ und das alles auch noch mit wissenschaftlichen Wörtern; da kommt nichts an. Das tolle bei Beuys war auch seine Sprache, weil, er konnte auf der einen Seite natürlich akademisch reden, aber er konnte auf der anderen Seite auch sehr einfach sprechen und dadurch hat er viele Menschen erreicht und das ist eben die Kunst.

Tierautonomie: Also auch das kreative, lebendige Kommunizieren, dass man z.B. nicht nur ne Petition weiterschickt, sondern auch noch ein paar eigene Gedanken dazu ausdrückt.

Inox Kapell: Genau, damit man es versteht … und so ist das eben mit den ganzen Insektenthemen auch. Also Hauptthema ist ja die Biene gerade, weil die Biene ja einfach so wichtig ist, nicht nur zur Bestäubung von Obst und Gemüse, sondern auch von Baumarten.

Tierautonomie: Ja und das ist ja brutal, was man mit Bienen in der Züchtung macht, dass man den Königinnen die Flügel abschneidet oder künstliche Besamung [5]. Das wissen viele Leute garnicht, was sich da hinter den Kulissen so abspielt.

Inox Kapell: das macht ein Demeter-Imker nicht, ein anthroposophischer Imker, wie wir ihn hier auf dem Schloss haben, macht das null, der ist da ganz anders drauf. Aber die Langnese, die ganzen großen Marken, das sind einfach Fabriken, das ist wie Massentierhaltung.

Tierautonomie: Wie auch bei den Seidenraupen [6].

Inox Kapell: Ganz genau.

Kreativ für Insekten Dinge schaffen

Tierautonomie: Kann Kunst nicht-anthropozentrisch sein, auch wenn der Kunstbetrachter ein Mensch ist. Anders gesagt, könntest Du Kunst für Insekten machen?

Inox Kapell: Ja, mach ich. Ich zeig es Euch wenn ihr wollt, hinten auf der Wiese gibt es Insektenhotels. Das ist Kunst für Insekten.

Tierautonomie: Das ist nicht einfach nur so lieblos, wie die Insektenhotels, die beim Gartenbedarf angeboten werden?

Inox Kapell: Also die in den Bauhäusern kaufbaren Insektenhotels, die sind häufig imprägniert, das ist gar nicht erforscht … [nach dem Motto] ‚so sehen also Insektenhotels aus, also dann machen wir die mal nach, da bohren wir ein paar Löcher rein’, das Holz ist häufig imprägniert, das heißt Du stellst das auf und da kommen gar keine Insekten rein. Das gibts nämlich auch, da ist im Kopf nur: ‚ich will mit nem Insektenhotel Geld verdienen, wie bau ich denn eins’, trotzdem werden sie gekauft, Da gibts noch dieses blöde – ja die Deutschen sind auch manchmal zu sarkastisch find ich – diese Hornbach-Werbung, da ist doch dieser Typ da im Garten und da fährt so einer mit nem Insektenhotel durch und dann: ‚muss denn das jetzt sein’ oder irgendsowat. Und ich hab mich so gefreut, ich denk irgendwie müsst man eigentlich dazu schreiben: ‚yeah endlich wieder Insekten, die an mir mal vorbei fahren’. Aber es ist wieder dieses ‚äh – da hat er ja recht wenn er sich beschwert, weil Insekten sind einfach scheiße’.

Tierautonomie: Ja genau.

Inox Kapell: Die kann man im Hotel haben, aber mehr nicht. Die Insektenhotel-Idee ist eigentlich ein Naturklassenzimmer zu machen, also das ist neben dem Gedanken ‚ich will dass Insekten gefördert werden’, auch dieses ‚ich guck sie mir dann an’. Das ist zum Beispiel die Vermittlung, die ich an Schulen mache. Wir bauen jetzt nicht nur nen Insektenhotel damit ihr dann dort eine Bestäubung habt, weil ihr habt nen Obstgarten und so, sondern ihr habt ein Naturklassenzimmer, ihr müsst jetzt nicht da in den Wald fahren mit dem Bus … .

Tierautonomie: Vielen Dank für das Gespräch lieber Inox!

Wir gingen dann hinaus zu den hinteren Wiesen des Schlossparks, die ein wahres Ökotop sind. Inox zeigte uns irre kunstvolle Insektenhotels, viel behüteten Lebensraum für die kleinen Invertebraten. Die Wiesen liegen direkt an einem Teil des Gartens, der eher einem Mischwaldstück gleicht … und siehe da die ganze Wiese war belebt von Insektendiversität!

In unseren Händen: Ordungsamt et la Politesse: Ameisen und Politik, Album von Inox Kapell und Pater Rene von Döll, ein Release von 2017. [7]

Verweise

[1] Inox Kapell, Grafik Quelle: http://www.schlossfreudenberg.de/typo3temp/dbgallery/75c0a73a5f.jpg , Stand 20.04.2018.

[2] Inox liebt die Insekten, http://www.inoxkapell.de/insekt.htm , Stand 20.04.2018.

[3] Schloss Freudenberg, Der U(h)rzeigerSinn, https://www.schlossfreudenberg.de/wir-ueber-uns/freudenberger-ursprung/vorbilder-und-anregung.html , Stand 20.04.2018.

[4] Voctorie Jaggard: Meet the Makech, the Bedazzled Beetles Worn as Living Jewelry. Käfer als Broschen: Der Artikel beschreibt die Herstellung von mit Gold und Edelsteinen verzierten Käfern, die bereits seit Jahrtausenden als lebendiger Schmuck getragen worden sein. http://www.smithsonianmag.com/smithsonian-institution/meet-makech-bedazzled-beetles-worn-living-jewelry-180955081/?no-ist, Stand 21.04.2018. Dass nicht alles, was von indigenen Kulturen stammt, automatisch eine sozialere Einstellung zu nichtmenschlich-tierlichen Lebewesen beinhaltet, beschreibt Noske (1997) aus anthropologischer Sicht. Speziesismus und Anthropozentrismus bestimmen auch in indigenen Kulturen oftmals die Mensch-Tier-Beziehung, vgl. Barbara Noske, Speziesismus, Anthropozentrismus und Nichtwestliche Kulturen, http://simorgh.de/noske/noske_3-15.pdf , Stand 21.04.2018. Und Ameisen in Uhren, Stephen Messenger, New Watch Holds Little Live Animals Captive On Your Wristhttps://www.thedodo.com/watch-holds-captive-ants-1057364913.html , Stand 21.04.2018.

[5] Die Informationen sind in zwei Features aus ‚The Vegan’ (1992) über die Honigbiene von Amanda Rofe zu finden: Die Honigbiene http://www.simorgh.de/vegan/bienen_v_S92.pdf , die Honigbiene II http://www.simorgh.de/vegan/bienen_v_H92.pdf , Stand 22.04.2018.

[6] Informationen über die Seidenproduktion sind nachlesbar z.B. in diesem Artikel vom ‚The Vegan’, von Robin Webb: Seidener Faden: Seidenraupentod (1990), http://www.simorgh.de/vegan/bombyx_S90.pdf , Stand 22.04.2018.

[7] Ordungsamt et la Politesse, Ameisen und Politik, Hafenschlamm Rekords, 2017, http://www.cargo-records.de/de/item/116671/katalog_art.75.html , Stand 22.04.2018.

Auswahl, Links zum Künstler

Die Webseite von Inox Kapell http://www.inoxkapell.de/
Schloss Freudenberg: https://www.schlossfreudenberg.de

Videos:
Pipinox Konfetti im Sinn: https://www.youtube.com/watch?v=lIzq-av0yhU , Stand 22.04.2018.
Phänomenica: https://www.youtube.com/watch?v=PsurclD9zuY , Stand 22.04.2018.
Arte Sendung über Insekten und Inox: http://cinema.arte.tv/de/artikel/zoom-insekten-im-kurzfilm , Stand 22.04.2018.

Artikel:
Im Universum von Inox Kapell: https://merkurist.de/wiesbaden/insektenforscher-im-universum-von-inox-kapell_dXI , Stand 22.04.2018.

Musik:
APJIK – berlinberlinberlin: https://soundcloud.com/laurent-rauner/apjik-berlin-please-validate-your-ticket , Stand 22.04.2018.
Love Dimension: https://www.youtube.com/watch?v=zkJY0hWLBg4 , Stand 22.04.2018.

Das Interview führte
Palang LY Prenzel, www.simorgh.de – ‚Open Access in der Tier-, Menschen- und Erdbefreiung’. Revised 4/2018.

Zitation
Tierautonomie Interview mit Inox Kapell (2018). Insekten, unsere und ihre Kultur. TIERAUTONOMIE, 5(2), http://simorgh.de/tierautonomie/JG5_2018_2.pdf.

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TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)

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Ein Auszug aus Tom Regans The Case for Animal Rights

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Tierautonomie, Jahrgang 5, Nr. 1, Art. 1, ISSN 2363-6513, April 2018. Edition Farangis: Animalistic Issue 80.

Eine Übersetzung eines gekürzten Auszugs aus: Tom Regan, The case for animal rights und ein Interview der Advocates for Animals mit Tom Regan

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Ein Auszugs aus: Tom Regan, The case for animal rights, in Peter Singer (ed.), In Defense of Animals, Basil Blackwell, Oxford, 1985.

[…] Zu den Zielen der Tierrechtsbewegung gehören:

Die völlige Abschaffung der Verwendung von Tieren in der Wissenschaft; Die völlige Auflösung der kommerziellen Tieragrarkultur; Die völlige Eliminierung kommerziellen Jagens, Jagens als Sport und der Fallenlegung.

Es gibt Leute, die angeben sie würden an Tierrechte glauben, die aber diese Ziele ausschließen. Diese Leute sagen, dass die Fabriktierhaltung falsch ist – sie verstößt gegen die Rechte von Tieren – aber traditionelle Tieragrarkultur sei akzeptabel. Toxizitätstests von kosmetischen Produkten an Tieren verstoßen gegen deren Rechte, aber „wichtige“ medizinische Forschung – z.B. die Krebsforschung – täte das nicht. Das Totschlagen von kleinen Seehunden ist grauenhaft, aber nicht die Tötung erwachsener Seehunde. Ich dachte ich könnte diese Denkweise verstehen. Ich kann es aber nicht mehr. Man ändert ungerechte ‚Institutionen’, d.h. ungerechte Systeme nicht indem man sie aufräumt.

Was falsch ist – fundamental falsch – mit der Art in der Tiere behandelt werden, sind nicht allein die Details, die von Fall zu Fall verschieden sind. Es ist das ganze System. Die Situation des Kalbes, das für Kalbfleisch gehalten wird ist erbärmlich, herzzerreißend; der pulsierende Schmerz des Schimpansen in dessen Gehirn Elektroden tief implantiert wurden, ist abstoßend; der langsame, grausame Tod eines Waschbären, der in einer Beinfalle gefangen ist, ist unfassbar schlimm. Aber was falsch ist daran ist nicht der Schmerz, das Leid, die Situation der Tiere selbst in denen ihnen alles aberkannt wird. Aus all diesen Dingen setzt sich das zusammen was falsch ist. Manchmal – häufig – machen diese Dinge es viel schlimmer. Aber sie sind nicht das fundamental Falsche.

Das was fundamental falsch ist, ist das System, das zulässt, dass wir Tiere als unsere Ressourcen betrachten können, dass sie für uns da seien – um gegessen zu werden, chirurgisch manipuliert zu werden oder um für Sportzwecke oder Geld ausgebeutet zu werden. Sobald wir diese Sichtweise über Tiere akzeptieren – Tiere als unsere Ressourcen zu sehen – ist der Rest so vorhersehbar wie erschütternd. Warum sollte man sich über ihre Einsamkeit, ihre Schmerzen, ihren Tod Gedanken machen? Da sie für uns existieren, um uns in der einen oder anderen Weise einen Vorteil zu bringen, bedeutet das was sie verletzt wirklich nichts – oder es bedeutet nur etwas, wenn es anfängt uns etwas auszumachen, wenn wir uns ein bisschen unwohl dabei fühlen wenn wir unser Kalbsschnitzel essen zum Beispiel. So, lasst uns die Kalbfleisch-Kälber raus aus der Einzelhaltung bringen, gebt ihnen mehr Platz, ein bisschen Streu, ein paar Artgenossen. Aber lasst uns unser Kalbsschnitzel beibehalten.

Aber ein bisschen Stroh, mehr Raum und ein paar Artgenossen eliminieren nicht das grundsätzlich Falsche, das verhaftet ist mit unserer Sichtweise und Behandlung dieser Tiere als unserer Ressourcen – diese Dinge berühren überhaupt noch nicht einmal das grundsätzlich Falsche. Ein Kalbsfleisch-Kalb (veal calf), das getötet wird um gegessen zu werden, nachdem es in einer extrem beengenden Haltung gehalten worden ist, wird in dieser Art gesehen und behandelt; aber genau so wird es ein anderes, das (wie sie sagen) „humaner/artgerechter“ gehalten worden ist. Um das Falsche an unserer Behandlung von Farmtieren richtig zu machen, braucht es mehr als die Aufzuchtsmethoden ‚humaner’ oder ‚artgerechter’ zu machen; es braucht die völlige Auflösung der kommerziellen Tieragrarkultur.

Wie wir dies machen, ob wir es machen, oder wie, in dem Fall von Tieren in der Wissenschaft, ob und wie wir ihre Verwendung abschaffen – dies sind vor allen Dingen politische Fragen. Menschen müssen ihre Sichtweisen ändern, bevor sie ihre Gewohnheiten verändern. Genügend Menschen, vor allen Dingen die in öffentliche Ämter gewählt sind, müssen an Veränderung glauben – müssen es wollen – bevor wir Gesetze haben werden, die die Rechte von Tieren schützen. Dieser Prozess der Veränderung ist sehr kompliziert, fordert sehr viel, ist sehr erschöpfend, benötigt die Bemühungen und viel Arbeit in Erziehung, Publicity, politischer Organisation und Aktivität, bis hin zum Eintüten und frankieren von Briefen … […].

[…] Manche Leute glauben, dass wir keine direkten Pflichten gegenüber Tieren haben, dass wir ihnen nichts schuldig sind, dass wir nichts tun könnten was ungerecht ihnen gegenüber wäre. Sie meinen stattdessen, dass wir falsche Handlungen machen können, die Tiere beinhalten, dass wir somit schon Pflichten bezüglich von Tieen hätten, aber nicht ihnen selbst gegenüber. Solche Sichtweisen werden als Standpunkte indirekter Pflichten bezeichnet. Um dies noch einmal zu illustrieren: nehmen Sie an Ihr Nachbar tritt Ihren Hund. Dann hat Ihr Nachbar etwas Falsches gemacht. Aber nicht etwas Falsches an Ihrem Hund. Das Falsche was er gemacht hat, ist das, was falsch Ihnen gegenüber ist. Immerhin sieht man es als falsch an Leute zu empören, und dass Ihr Nachbar Ihren Hund getreten hat empört Sie. Also sind Sie der, dem gegenüber etwas falsch gemacht worden ist, nicht Ihr Hund. Oder wiederum: indem Ihr Nachbar Ihren Hund tritt, beschädigt er Ihr Eigentum. Und da es falsch ist das Eigentum einer anderen Person zu beschädigen, hat Ihr Nachbar etwas falsches gemacht – Ihnen gegenüber natürlich, aber nicht gegenüber Ihrem Hund. Ihr Nachbar tut Ihrem Hund gegenüber nicht mehr an Falschem als Ihrem Auto etwas Falsches angetan werden könnte, wenn die Windschutzscheibe zerschlagen worden wäre. Die Pflichten Ihres Nachbarn bezüglich Ihres Hundes sind indirekte Pflichten Ihnen gegenüber. Allgemeiner: alle unsere Pflichten bezüglich von Tieren sind indirekte Pflichten gegenüber jemandem anderen – der Menschheit gegenüber.

Wie könnte jemand eine solche Sichtweise rechtfertigen? Jemand könnte sagen, dass Ihr Hund nichts fühlt und folglich durch den Tritt Ihres Nachbarn nicht verletzt wird, ihm der Schmerz egal ist, weil kein Schmerz gefühlt wird, er so unbewusst über Dinge ist, wie Ihre Windschutzscheibe. Jemand könnte dies sagen, aber keine vernpnftige Person würde das sagen, da, neben anderen Dingen die unter Berücksichtigung stehen würden, solch eine Sichtweise zwangläufig dazu führen würde, dass jemand die Position beziehen müsste, dass auch kein Mensch Schmerz fühlt – dass es Menschen auch egal ist, was ihnen passiert. Eine zweite Möglichkeit ist, dass obwohl Menschen und Ihr Hund verletzt werden, wenn sie getreten werden, es nur der menschliche Schmerz ist der zählt. Aber nochmal, keine vernpnftige Person kann das glauben. Schmerz ist Schmerz, wo auch immer er auftritt. Wenn es falsch ist, wenn Ihr Nachbar Ihnen Schmerz zufügt, wegen des zugefügten Schmerzes, können wir die moralische Relevanz des Schmerzes, den ihr Hund fühlt, nicht rational ignorieren oder ablehnen.

Philosophen die Sichtweisen indirekter Pflichten annehmen – viele tun dies immernoch – sind zu der Einsicht gekommen, dass sie die beiden gerade beschriebenen Mängel vermeiden müssen, und zwar, sowohl die Sichtweise, dass Tiere nichts fühlen, als auch den Gedanken, dass nur menschlicher Schmerz moralisch relevant sein könne. Unter solchen Denkern ist die Sichtweise die jetzt bevorzugt wird, die eine oder andere Form von dem was Kontraktualismus genannt wird.

Dies ist sehr grob umrissen die Idee, die dem Kontraktualismus zugrunde liegt: Moralität besteht aus einem Set von Regeln, dem Personen freiwillig zustimmen diese für sich anzunehmen, so wie wenn wir einen Kontrakt also einen ertrag unterzeichnen (daher der Name Kontraktualismus). Diejenigen, die die Begriffe des Kontraktes verstehen und akzeptieren, sind direkt durch ihn abgedeckt; sie haben Rechte, die durch den Kontrakt geschaffen werden und durch ihn anerkannt und geschützt werden. Diese Kontraktoren können auch bewirken, dass ein Schutz für andere ausgesprochen wird. Andere von denen ausgegangen wird, als dass sie nicht dazu imstande sind Moralität zu verstehen, und die somit den Kontrakt selbst ‚nicht unterzeichnen’ können, die aber geliebt werden oder für die gesorgt wird, von denen die es können, können ebenso von solch einem Kontakt abgedeckt werden. So sind zum Beispiel kleine Kinder nicht imstande den Kontrakt ‚zu unterzeichenen’ und haben ersmal keine unmittelbaren [selbst erwirkten] Rechte. Aber sie werden trotzdem geschützt durch den Kontrakt, wegen des emotionalen Interesses anderer, vor allen Dingen ihrer Eltern. Wir haben dann also Pflichten in bezug auf diese Kinder, aber keine Pflichten ihnen direkt gegenüber, sondern unsere Pflichten sind indirekte Pflichten gegenüber anderen Menschen, normalerweise deren Eltern.

Was Tiere anbetrifft, da sie Verträge nicht verstehen können, können sie klarerweise nicht ‚unterzeichnen’; und da sie nicht unterzeichen können, haben sie keine Rechte. Wie Kinder, sind aber manche Tiere die Objekte des emotionalen Interesses anderer. Sie, oder jemand anderes, lieben zum Beispiel Ihre Katze oder Ihren Hund. So werden die Tiere, die genügend Leuten etwas bedeuten (Haustiere, Wale, Baby-Robben, der amerikanische Weißkopfadler z.B.), obwohl sie selbst keine Rechte haben, geschützt, wegen des emotionalen Interesses anderer. Ich habe somit dem Kontraktualismus zufolge, keine direkte Pflicht Ihrem Hund gegenüber oder gegenüber irgendeinem anderen Tier, noch nicht einmal die Pflicht ihnen keine Schmerzen oder kein Leid zuzufügen; meine Pflicht diese Tiere nicht zu verletzen, ist eine Pflicht die ich den Leuten gegenüber habe, denen es etwas bedeutet was mit ihnen geschieht. Bei Tieren, denen kein oder fast kein emotionales Interesse gegenüber bestehet – wie im Fall von Farmtieren zum Beispiel oder Laborratten – werden die Pflichten ihnen gegenüber immer weniger und weniger, vielleicht bis zu dem Punkt, wo gar keine mehr bestehen. Der Schmerz und den Tod den sie durchleiden, ist, obwohl er reell ist, nicht falsch, wenn er niemanden etwas bedeutet.

Was den moralischen Status von Tieren anbetrifft, könnte Kontraktualismus einen schwierigen Standpunkt darstellen, was die Infragestellung anbetrifft, wenn er eine adäquate theoretische Herangehensweise and den moralischen Status von Menschen darstellen würde. Er ist aber nicht adäquat als Herangehensweise in diesem Punkt, dadurch wird seine Adäquatheit in bezug auf Tiere auch streitbar. Zum Beispiel ist zu bedenken, dass Moralität, nach der (groben) kontraktualistischen Position, die uns hier vorliegt, aus Regeln besteht, denen Leute zustimmen, dass diese für sie Gültigkeit besitzen. Welche Leute? Immerhin so viele, dass sie bestimmend sind – so viele, dass sie kollektiv die Macht haben, die Regeln in Kraft zu setzen, die durch den Kontrakt festgelegt werden. Das ist sehr angenehm und zum Vorteil der ‚Unterzeichnenden’, aber nicht so vorteilhaft für jemanden, der dabei nicht gefragt wird ‚zu unterzeichnen’. Und es gibt nichts im Kontraktualismus der Art die wir gerade diskutieren, das garantieren oder erfordern würde, dass jeder eine gleichberechtigte Chance hätte bei der Schaffung des Rahmens für die Regeln von Moralität mit teilzunehmen. Das Resultat ist, dass diese Herangehensweise an Ethik die blatantesten Formen sozialer, ökonomischer, moralischer und politischer Ungerechtigkeit sanktionieren könnte, was von einem repressiven Kastensystem bis hin zu systematischer rassischer oder sexueller Diskriminierung reichen könnte. Macht schafft – nacht dieser Theorie – Rechte. Die, die die Opfer von Ungerechtigkeit sind, werden leiden gelassen wie sie leiden werden. Es bedeutet nichts, so lange es keinem anderen – keinem Kontraktor oder zu wenigen von ihnen – etwas bedeutet. Solch eine Theorie raubt einem den moralischer Atem … zum Beispiel wäre nichts falsch an der Apartheid in Südafrika gewesen, wenn wenige Südafrikaner dadurch empört wären. Eine Theorie die so wenig enthält was für sie spricht, in Hinsicht auf die Ethik dessen wie wir andere Menschen behandeln, kann nicht mehr bieten was für sie spräche, wenn es zu der Ethik dessen kommt wie wir mit Tieren umgehen.

Die Version des Kontraktualismus die wir gerade betrachtet haben, ist, wie ich bereits gesagt habe, eine grobe Ausgabe, und in Hinsicht auf das Potenzial an Überzeugungsfähigkeit von Kontraktualismus muss gesagt werden, dass viel detailliertere, subtilere und einfallsreichere Varianten möglich sind. Zum Beispiel hat John Rawls in seinem Buch ‚A Theory of Justice’ eine Version des Kontraktualismus niedergelegt, in dem zufällige Eigenschaften eines Menschen ignoriert werden sollen – zum Beispiel ob er schwarz oder weiß ist, weiblich oder männlich, genial oder einen bescheidenen Intellekt hat. Nur indem solche Eigenschaften ignoriert werden, glaubt Rawls, können wir sicherstellen, dass die Prinzipien von Ungerechtigkeit, auf die die Kontraktoren sich einigen würden, nicht auf Vorurteilen oder Voreingenommenheit basieren würden. Trotz der Verbesserung solch eines Standpunktes, im Vergleich zu den groberen Formen des Kontraktualismus, bleibt er mangelhaft; er verneint systematisch, dass wir direkte Pflichten gegenüber Menschen haben, die beispielweise kein [a.d.Ü.: von der Gesellschaft wahrgenommenes] Gerechtigkeitsempfinden haben – zum Beispiel kleine Kinder und viele geistig behinderte Menschen. Doch zugleich scheint es wohl ziemlich klar, dass wenn wir ein kleines Kind oder einen geistig behinderten Erwachsenen foltern würden, wir etwas täten, was falsch ihm oder ihr gegenüber wäre, und nicht etwas das falsch wäre, wenn (und nur wenn) andere Menschen mit einem Gerechtigkeitsempfinden dadurch empört wären. Und da dies wahr ist im Fall dieser Menschen, können wir dasselbe nicht rational verneinen im Fall von Tieren.

Standpunkte indirekter Pflichten, einschließlich der besten unter ihnen, versagen somit dabei unsere rationale Zustimmung zu erhalten. Um welche ethische Theorie es auch immer geht, wir sollten Rationalität und Vernunft akzeptieren, daher muss eine ethische Theorie zumindest davon ausgehen, dass wir einige Pflichten Tieren direkt gegenüber haben, so wie wir einige Pflichten direkt gegenüber einander haben. Die nächsten zwei Theorien die ich umreiße, versuchen dieser Erfordernis zu gerecht zu werden.

Den ersten nenne ich ‚cruelty-kindness view’ (Standpunkt über Grausamkeit und „Gutsein“). Einfach gesagt bedeutet dieser Standpunkt, dass wir direkte Pflichten haben uns gut gegenüber Tieren zu verhalten und eine direkte Pflicht haben ihnen gegenüber nicht grausam zu sein. Trotz der Geläufigkeit dieses sich selbst rückbestätigenden Kreislaufs der Idee, glaube ich nicht, dass dieser Standpunkt eine adäquate Theorie bietet. Um dies zu verdeutlichen: Betrachten Sie das „Gutsein“. Eine liebevolle oder gutherzige Person handelt aus einer bestimmten Art des Motivs – Mitgefühl oder Betroffenheit zum Beispiel, was eine Tugend ist. Es gibt aber keine Garantie, dass eine gute Handlung auch eine richtige Handlung, im Sinne einer gerechten Handlung ist. Wenn ich z.B. ein großzügiger Rassist bin, werde ich mich wahrscheinlich gut gegenüber Zugehörigen meiner eigenen Ethnie verhalten. Ich würde deren Interessen als wichtiger als die anderer erachten. Mein „Gutsein“ währe echt, und so weit es reichen würde auch gut. Aber es ist wohl nur zu klar, als dass es hier des Arguments bedürfe, dass meine guten Handlungen wohl nicht mehr als eine moralische Eingeschränktheit darstellen würden – sie könnten tatsächlich sogar falsch sein, da sie auf Ungerechtigkeit basieren würden. „Gut zu sein“ kann also, trotz seines Status als einer positiven Tugend die gefördert werden soll, keine Theorie richtiger Handlungsweisen tragen.

Grausamkeit schneidet hier nicht besser ab. Leute oder deren Handlungen sind grausam wenn positives Interesse aufgrund von grundloser Antipathie unmöglich ist, sie eine grundlose offensive Antipathie zeigen oder, schlimmer noch, wenn jemand Spaß am Leid eines anderen (Tieres) hat. Grausamkeit ist in all seinen Erscheinungsformen eine schlimme Sache, ein tragisches menschliches Fehlverhalten. Aber so wie wenn eine Person dadurch motiviert ist ‚gut zu sein’, nicht garantiert, dass er oder sie tut was richtig ist, so stellt die Abwesenheit von Grausamkeit nicht automatisch sicher, dass er oder sie vermeidet zu tun was falsch ist. Viele Leute die Abtreibungen durchführen z.B. sind keine grausamen, sadistischen Leute. Aber diese Tatsache alleine löst noch nicht die furchtbar schwierigen moralischen Fragen im Zusammenhang mit Abtreibungen. Der Fall liegt nicht anders wenn wir die Ethik unserer Behandlungsweise von Tieren betrachten. Sicher, lasst uns für das ‚Gutsein’ und gegen Grausamkeit sein. Aber lasst uns nicht davon ausgehen, dass für das Eine und gegen das Andere zu sein die Frage über moralisches Recht und Unrecht beantwortet.

Manche Leute denken, dass die Theorie nach der wir hier Ausschau halten der Utilitarismus sein müsse. Ein Utilitarist geht von zwei moralischen Prinzipien aus. Das erste Prinzip ist das der Gleichheit: Jedem seine Interessen zählen und gleiche Interessen haben eine gleiche Wichtigkeit und müssen gleich gewichtet werden. Weiß oder schwarz, Amerikaner oder Iraner, Mensch oder Tier – jedem seine Schmerzen oder seine Frustrationen sind von Bedeutung und sie zählen genauso viel wie ein äquivalenter Schmerz oder eine Frustration von irgendeinem Anderen. Das zweite Prinzip eines Utilitaristen ist das der Utilität: Wird eine Handlung das beste Gleichgewicht erzeugen zwischen ‚Zufriedenstellung’ und ‚Nicht-Zufriedenstellung’ für jeden der durch den Ausgang der Handlung betroffen ist.

Als Utilitarist würde ich an die Aufgabe dessen, was ich moralisch richtigerweise tun sollte, in folgender Art herangehen: Ich muss mir die Frage stellen wer dadurch betroffen sein wird, wenn ich mich dafür entscheide das eine zu tun statt etwas anderem, wie stark jedes Individuum dadurch betroffen wäre und wodurch sich dann die besten Resultate für jeden ergäben – anders gesagt, welche Option die besten Resultate dabei bringen würde, das optimalste Gleichgewicht zwischen ‚Zufriedenstellung’ und Frustration oder ‚Nicht-Zufriedenstellung’ herzustellen. Diese Option – welche auch immer es dann wäre – ist die, die ich wählen müsste. An dieser Stelle würde meine moralische Pflicht liegen.

Der große wesentliche Anreiz des Utilitarismus liegt in seinem kompromisslosen Egalitarismus: Jedem seine Interessen zählen und sie zählen so viel, wie die entsprechenden Interessen von irgendjemand anderem. Die Arten ungerechter Diskriminierung, die einige Formen des Kontraktualismus legitimieren können – Diskriminierung aufgrund von Rasse oder Geschlecht zum Beispiel – scheinen im Utilitarismus vom Prinzip her ausgeschlossen zu sein, wie auch der Speziesismus, der eine systematische Diskriminierung auf Basis der Spezieszugehörigkeit darstellt.

Die Gleichheit die wir im Utilitarismus finden, ist aber nicht die Art der Gleichheit, die ein Verfechter von Tier- oder Menschenrechten im Sinn haben sollte. Der Utilitarismus lässt keinen Raum für die gleichen moralischen Rechte verschiedener Individuen, weil er keinen Raum lässt für deren gleichen inhärenten Wert. Was zählt für den Utilitaristen, ist die Zufriedenstellung der Interessen eines Individuums, nicht das Individuum selbst, dessen Interessen es sind. Ein Universum, in dem einem sein Wunsch nach Wasser, Nahrung und Wärme – oder auch anderer Dinge – befriedigt ist, ist besser als ein Universum in dem diese Wünsche frustriert werden. Das Gleiche trifft hier auch zu auf ein Tier, das die gleichen Wünsche hat. Aber weder man selbst noch das Tier haben irgendeinen Wert im eigenen Rechte. Nur die Gefühle haben diesen Wert.

Hier ist eine Analogie um den philosophischen Punkt etwas klarer zu machen: Eine Tasse enthält verschiedene Flüssigkeiten, manchmal süße, manchmal bittere, manchmal eine Mischung von beidem. Was Wert hat sind die Flüssigkeiten: Um so süßer um so besser, um so bitterer um so schlechter. Die Tasse, der Behälter, hat keinen Wert. Es ist was hineinkommt, was in sie hineingeht, das Wert hat. Für den Utilitaristen sind Sie und ich die Tasse; wir haben keinen Wert als Individuen und daher auch keinen gleichen Wert. Was Wert hat, ist das was in uns passt, für das wir Empfänger sind; unsere Gefühle von Zufriedenheit haben einen positiven Wert, unsere Gefühle von Frustration haben einen negativen Wert.

Ernsthafte Probleme entstehen im Utilitarismus wenn wir uns bewusst machen, dass er uns dazu ermahnt, die besten Konsequenzen zu erzielen. Was bedeutet das? Es bedeutet nicht die besten Konsequenzen für mich alleine, oder für meine Familie oder Freunde oder irgendeine andere Person als Individuum genommen. Nein, das was wir laut Utilitarismus machen müssen verläuft grob etwa so: Wir müssen (irgendwie!) die separaten Zufriedenheiten und Frustrationen von jedem, der durch unsere Entscheidung betroffen wäre, zusammenrechnen, die sich daraus ergebende Zufriedenheit in eine Kolumne setzen und die Frustrationen in die andere daneben. Wir müssen diese Kolumnen für jede vor uns liegende Option zusammenrechnen. Das ist auch was es bedeutet, wenn man sagt, dass diese Theorie ‚aggregativ’ ist. Dann müssen wir die Option wählen, die die höchste Wahrscheinlichkeit besitzt, die beste Balance der zusammengerechneten Zufriedenheiten zu den zusammengerechneten Frustrationen zu bringen. Welche Handlung auch immer dieses Ergebnis dann erfüllen würde, ist die Handlung, die wir moralisch richtigerweise vollziehen sollten. An dieser Stelle würde unsere moralische Pflicht dann liegen. Und diese Handlung, mag dann klarerweise nicht eben genau die sein, die die besten Ergebnisse für mich selbst bringen würde, oder für meine Familie oder meine Freunde oder für ein Versuchstier. Die besten aggregierten Konsequenzen für jeden Betroffenen sind nicht notwendigerweise die besten für jedes Individuum.

Dass der Utilitarismus eine aggregative Theorie ist – die verschiedenen Zufriedenstellungen oder Frustrationen werden zusammengerechnet, summiert, zu einem Ganzen gefasst – ist der Punkt, der den Utilitarismus entscheidend angreifbar macht. Meine Tante Bea ist alt, kaum aktiv, eine griesgrämige unzufriedene Person, wenn auch nicht physisch krank. Sie hat vor noch ewig zu leben. Sie ist auch ziemlich reich. Ich könnte ein Vermögen machen, wenn ich jetzt an ihr Geld käme. Geld, das sie vorhat mir sowieso zu geben nachdem sie stirbt, aber das sie mir jetzt noch nicht geben will. Um zu vermeiden, dass ich extrem viel an Steuern zahlen muss, habe ich geplant einen recht großen Anteil meiner Profite an das örtliche Kinderkrankenhaus zu spenden. Sehr viele Kinder werden so von meiner Großzügigkeit profitieren, und deren Eltern, Verwandte und Freunde werden das auch gut finden. Wenn ich das Geld nicht bald bekomme, wird aus all diesen Plänen nichts. Meine einmalige Chance enormen Reichtum zu erwerben wird für immer vertan sein. Vielleicht sollte ich meine Tante Bea, die alles verhindert, einfach umbringen? Klar, ich könnte geschnappt werden. Aber ich bin nicht dumm, und außerdem könnte ich auf ihren Arzt zählen, dass er dabei kooperieren würde (er möchte in der gleichen Weise investieren und ich weiß zufälligerweise ziemlich gut über die Schattenseiten seiner Vergangenheit bescheid). Die Tat könnte – sollen wir sagen … professionell begangen werden. Die Chance ertappt zu werden ist sehr gering. Und was mein Gewissen anbetrifft und dass ich mir Schuldvorwürfe machen könnte, ich bin ein progressiver Typ und werde mich – wenn ich am Strand von Akapulko liege – lieber ausgiebig damit befassen die Freuden und Vorteile zu kontemplieren, die ich so vielen anderen bereitet habe.

Nehmen wir an Tante Bea wird umgebracht und der Rest der Story nimmt den Verlauf wie gerade geschildert. Hätte ich etwas Falsches begangen? Irgendetwas Unmoralisches? Man würde denken dem sei so. Aber nicht wenn man sich an die Theorie des Utilitarismus hält. Da das was ich getan habe das optimalste Gleichgewicht zwischen der addierten Zufriedenstellung und Frustration für all die durch den Ausgang betroffenen gebracht hat, ist meine Tat nicht falsch. In der Tat würden der Arzt und ich dadurch Tante Bea zu töten, sogar das tun, was die Pflicht von uns verlangen würde.

Die gleiche Art der Argumentation kann in allen möglichen Fällen wiederholt werden, wodurch Fall für Fall sichtbar würde, wie die utilitaristische Position zu Resultaten führt, die unparteiische Personen für moralisch verwerfbar halten. Es ist falsch meine Tante Bea im Namen dessen umzubringen, was für andere die besten Resultate bringen würde. Ein gutes Ende rechtfertigt keine bösartigen Mittel. Jede adäquate Moraltheorie muss erklären können, warum das so ist. Der Utilitarismus versagt in dieser Hinsicht und kann somit nicht die Theorie sein, nach der wir suchen.

Was sollen wir machen? Wo sollen wir noch einmal anfangen? Der Punkt an dem wir ansetzen sollten, denke ich, ist an der Stelle der utilitaristischen Sicht über den Wert des Individuums oder beziehungsweise des nicht Vorhandenseins dieses Wertes. Nehmen wir nun stattdessen an, dass Sie und ich zum Beispiel einen Wert als Individuen besitzen, den wir als inherent value oder inhärenten Wert bezeichnen wollen. Zu sagen, dass wir solch einen Wert haben, bedeutet, dass wir etwas mehr sind und etwas anderes als bloße Rezipienten. Darüber hinaus müssen wir, um sicherzustellen, dass wir nicht den Weg für solche Ungerechtigkeiten wie Sklaverei oder sexuelle Diskriminierung bereiten, davon ausgehen, dass alle die inhärenten Wert haben, es in einem gleichen Maße haben, unabhängig von deren Geschlecht, Rasse, Religion, Geburtsort und so weiter.

Was gleichermaßen als irrelevant herausgenommen werden muss, sind jemandem seine Talente oder Fähigkeiten, Intelligenz und Reichtum, Persönlichkeit oder Pathologie, oder ob jemand geliebt und verehrt wird oder verachtet und abgelehnt. Das Genie und das retardierte Kind, der Prinz und der Bettler, der Hirnchirurg und der Obstverkäufer, Mutter Theresa und der skrupelloseste Gebrauchtwagenhändler – alle haben inhärenten Wert, alle besitzen ihn gleichermaßen und alle haben ein gleiches Recht mit Respekt behandelt zu werden und in einer Weise, die sie nicht auf den Status von Dingen reduziert, als existierten sie als Ressourcen für andere. Mein Wert als ein Individuum ist unabhängig von meiner Nützlichkeit für Sie. Ihr Wert ist nicht abhängig von Ihrer Nützlichkeit für mich. Den Anderen in Arten und Weisen zu behandeln die seinen unabhängigen Wert nicht respektieren, bedeutet für beide von uns unmoralisch zu handeln; es bedeutet gegen die Rechte des Individuums zu verstoßen.

Einige der rationalen Vorteile dieser Sichtweise – die ich den ‚rights view’ [a.d.Ü.:  Sichtweise über Recht, als sich aus dem inhärenten Wert des Lebenwesens ableitend] nenne – sollten klar sein: Im Gegensatz zum (grobgefassten) Kontraktualismus zum Beispiel, verneint der ‚rights view’ vom Prinzip her die moralische Tolerierbarkeit jeglicher Form rassistischer, sexueller oder sozialer Diskriminierung und im Gegensatz zum Utilitarismus verneint diese Sichtweise prinzipiell, dass wir gute Resultate durch die Anwendung grausamer Mittel, die gegen die Rechte eines Individuums verstoßen, rechtfertigen könnten – die Sichtweise verneint zum Beispiel, dass es moralisch sein könnte meine Tante Bea umzubringen um vorteilhafte Konsequenzen für andere zu erlangen. Eine Sanktionierung des respektlosen Umgangs mit dem Individuum im Namen dessen was soziale Vorteile verschaffen könnte ist etwas, was der ‚rights view’ niemals – kategorisch niemals – zulässt.

Ich glaube, dass der ‚rights view’ [die inhärent-basierenden Rechte eines Individuums] rational die befriedigendste Moraltheorie darstellt. Er ist allen anderen Theorien voraus in dem Maße, in dem er die Fundamente unserer Pflichten gegenüber einander beleuchten und erklären kann – als Aufgabengebiet menschlicher Moralität; in diesem Punkt stehen die besten Gründe und die besten Argumente auf seiner Seite. Wenn es natürlich möglich wäre aufzuzeigen, dass nur Menschen durch diesen Rahmen umfasst wären, dann würde eine Person wie ich, die an Tierrechte glaubt, gezwungen sein woanders weiterzuschauen. […]

Ein Interview der Advocates for Animals mit Prof. Tom Regan (erschienen in den Advocates for Animals News, Herbst 2002)

Im August 2002 hatten die Animals for Advocates, Schottland (GB) das Privileg den berühmten Tierrechtsphilosophen Tom Regan zu einem Vortrag einzuladen. Tom Regan hat mehr als 25 Bücher über die Tierrechtsphilosophie veröffentlicht und lehrt seit langem als Professor Philosophie and der North Carolina State University, USA. Sein wegbereitendes und einflussreiches Buch ‚The Case for Animal Rights’ wurde für den Pulitzer Preis nominiert und gilt als als Pflichtliektüre der Tierrechtsbewegung.

AA: Wie kamen Sie zur Tierrechtsbewegung?

TR: Ich wuchs in einer Arbeiterfamilie während der Depression auf. Fleisch wurde gleichgesetzt mit Erfolg und ich arbeitete sogar als Metzger während ich zum College ging. Es war als ich an der North Carolina State University zu lehren begann, als ich den Gedanken Gandhis begegnete. Die Botschaft der Gewaltlosigkeit sprach mich an, und ich begann mich zu fragen wie ich meine Anti-Kriegs- und Anti-Gewalt-Einstellung bewahren kann während ich immer noch Körper toter Tiere in meinem Kühlschrank hatte. Der letzte ausschlaggebende Punkt war als der über alles geliebte Hund meiner Familie überfahren wurde und dabei starb. Der Tod meines Hundes öffnete mein Herz, und ich war plötzlich fähig diese Gefühle auf Kühe, Schafe, Hühner und Schweine zu übertragen.

AA: Was war der wichtigste Sieg bei dem Sie persönlich eine aktive Rolle mitgespielt haben?

TR: Ich war an der 4-tägigen Besetzung des National Institute for Health (NIH) in Amerika beteiligt. Das NIH finanzierte Experimente über Kopfverletzungen, die an der Universtiy of Pennsylvania durchgeführt wurden. Die Forscher hatten sich tatsächlich selbst dabei gefilmt wie sie in einer hydraulischen Einrichtung Pavianen Gehirnschäden zufügten und die Tiere dann quälten und sich darüber belustigten. Die Filmdokumente zeigen inadäquat anästhesierte, geschlagene Paviane, die sich versuchen unter den Festhaltungsvorrichtungen zu wehren. Man sieht die Vivisektoren Zigaretten rauchen und wie sie auf den Boden gefallene chirurgische Instrumente weiterverwenden. Sie hätten sich niemals erträumt dass ihre Videodokumentation in die Hände von Tieraktivisten fallen würde.

101 Personen kamen als eine Gruppe bei dem Büro an, riefen Parolen und liefen direkt hinein. Das NIH war darauf nicht vorbereitet. Die Beamten und die Polizei hatten erwatet, dass der Protest bald wieder vorüber sein würde, da wir keine Lebensmittel oder Kleider zu wechseln dabei hatten. Die Beamten und die Polizei versuchten alles um uns zum Gehen zu zwingen – sie stellten sogar die Belüftung auf volle Leistung damit es uns zu kalt wird.

Wir beendeten den Protest am vierten Tag, als uns mitgeteilt wurde dass man die Finanzierung des Laboratoriums eingestellt hatte. Das Schönste an allem war, dass als wir das Gebäude schließlich verließen, wir mit einem klaren und entschiedenen Sieg hinausgingen. Das war der Tag an dem ich mich am lebendigsten fühlte. Ich glaube immer noch, dass wenn wir unsere Kampagnen gut wählen, es möglich ist Veränderungen durch ziviles ungehorsam herbeizuführen.

AA: Tier-Gruppen können oft sehr verschieden Wege dabei gehen wie sie Kampagnen durchführen, was manchmal zu Reibungen führt. Wie können diese Unstimmigkeiten gelöst werden?

TR: Es wird immer Leute geben, die für größere Käfige kämpfen um das letztendliche Ziel zu erreichen. Ich glaube nicht, dass das bedeutet unrealistisch zu sein, da wir uns alle dafür einsetzen die Mauer Stein für Stein abzubauen. Woran wir denken müssen ist, dass Ungerechtigkeit zu reformieren bedeutet Ungerechtigkeit zu verlängern. Alles, was die größeren Käfige erreichen, ist die Ausbeutung von Tieren ‚akzeptabler’ zu machen.

Für Tierrechtsleute ist Leid nicht das was fundamental das Übel darstellt, sondern es ist, dass Tiere an allererster Stelle überhaupt in Käfige gesperrt werden. Wir wollen nicht einfach das Leid beenden – wir müssen die Ausbeutung beenden. Zum Beispiel, man hat keinen Kompromiss mit der Schottischen ‚hunting bill’ (Jagdgesetz) gemacht. Das Schottische Parlament entschied nicht, dass berittene Fuchsjagden eine begrenzte Anzahl von Füchsen pro Jahr töten könnten, oder dass die Jagdhunde bei der Jagd Schutzschilder aus Hartgummi tragen sollten! Sie verboten das Töten von Füchsen mit Hunden ganz grundsätzlich.

Wovon all die die Tiere ausbeuten abhängig sind, ist, dass wir aufgeben und einfach verschwinden. Sie setzen zunehmend Einschüchterungstaktiken ein, um uns in den Medien als Übeltäter darzustellen weil wir ein Dorn in ihren Augen sind. Alles was wir tun können, ist positiv zu bleiben und die Öffentlichkeit dazu zu ermutigen einen Schritt in ihrer Sicht von Tieren voran zu tun, in dem Moment wo sie überhaupt keinerlei Notwendigkeit zur Bewegung empfinden.

AA: Die Beteiligten an Tierexperimenten und in der Agrarkultur betonen oft wie wichtig ihnen Animal ‚Welfare’ (das Wohlergehen der Tiere) ist. Was ist Ihre Meinung hierzu?

TR: Das ist ein grausamer Schwindel. Viele Wissenschaftler und Farmer sagen, dass gesunde Tiere im größten Interesse der Industrien sind – dass es die Profite oder Resultate beieinträchtigen würde, wenn sie sich nicht um das Wohlergehen der Tiere in ihrer ‚Obhut’ kümmern würden. Aber wenn Sie sich anschauen was sie tun, Zwangsfütterung toxischer Chemikalien, Verbrennung, Organzertrümmerung … dann denken Sie „was ist hier mit dem ‚Welfare’ geschehen?!“

Was Welfare (das Wohlergehen) diesen Leuten wirklich bedeutet, ist, dass während diese Praktiken fortlaufen, die Tiere einen sauberen Käfig und einen Zugang zu Nahrung und Wasser haben sollen. Es ist einfach die Public#Relations-Rhetorik der Tierausbeuter von ‚Animal Welfare’ [Tierschutz] zu sprechen.

AA: Denken Sie, dass ihre Ansichten über Themen sich immer noch ändern, obwohl Sie so viele Jahre schon über die Tierrechtsbewegung geschrieben haben?

TR: Ich verstehe die Dinge anders. Die Welt ist ein wirklich schlimmer Ort wenn Sie ein Tiermensch sind. Deprimierend, fast unerträglich. Was die schlimmen Dinge steigert ist, dass Menschen, entweder direkt oder indirekt, Spaß an den Praktiken haben, die Tiere verletzen. Ihnen macht es Spaß sie zu essen. Ihnen macht es Spaß in den Zirkus zu gehen. Das mach es noch härter für diejenigen, die sich wirklich um Tiere Sorgen machen.

Wir müssen die Botschaft der Öffentlichkeit rüberbringen, dass wirklich eine Verbindung zwischen ‚Animal Liberation’ [Tierbefreiung] und ‚Human Liberation’ [der Befreiung der Menschen] besteht. Das Leben der Menschen wäre so viel besser und reicher wenn sie beenden würden Spaß an den Früchten menschlichen und tierischen Leids zu haben.

Hinweis: Besuchen Sie im Web die Culture and Animals Foundation, gegründet 1985 von Nancy and Tom Regan, auf www.cultureandanimals.org.

Übersetzung
Gita Yegane Arani-May, www.simorgh.de – ‚Open Access in der Tier-, Menschen- und Erdbefreiung’. Revised 4/2018.

Zitation
Edition Farangis (2018). Eine Übersetzung eines gekürzten   Auszugs aus: Tom Regan, The case for animal rights und ein Interview der Advocates for Animals mit Tom Regan. TIERAUTONOMIE, 5 (1), URL: http://simorgh.de/tierautonomie/JG5_2018_1.pdf.

TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)

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Autonomierechten einen Namen verleihen: Namensgebung für nichtmenschliche (nm-)Tiere als Zeugnis und Ausdruck sozialer Bezugnahme

Autonomierechten einen Namen verleihen:
Namensgebung für nichtmenschliche (nm-)Tiere als Zeugnis und Ausdruck sozialer Bezugnahme

Palang Yeganeh Arani-Prenzel, @nonhumanism (Gruppe Messel)

Das Bild von Farangis G. Yegane links stellt die Tauroktonie im Mithraskult in Gegenüberstellung mit der Kreuzigung Christi dar.

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Ich denke wir brauchen eine Praxis der Umsetzung von Tierrechten, nicht allein im juristischen, aber auch im einem ganz grundlegenden Sinne. Wir müssen uns dazu fragen: Erkennen wir denn selbst (auf allen Ebenen und soweit es uns möglich ist) Tierrechte, der nm-Tiere mit denen wir leben und derer, die wir indirekt repräsentieren wollen, an? Und wenn ja welche Rechte erkennen wir dabei an und was verstehen wir denn genau unter Tierrechten? Und damit einhergehend stellt sich auch die Frage: Wie kann die Praxis, die solchen Rechten ihr Gesicht verleiht, im alltäglichen Leben noch über eine intersektionale ethische vegane Lebensweise hinausgehen?

Wir werden im Vergleich miteinander feststellen, dass wir alle mitunter ein sich unterscheidendes Verständnis davon haben, was entscheidend für die Umsetzung von Tierrechten ist und was nicht, und was wir überhaupt unter Tierrechten beim genaueren Hinsehen verstehen. Ich persönlich nehme die Autonomierechte (d.h. die „Freiheit von einer menschlichen Definitionshoheit über das Tiersein“) von nm-Tieren besonders wichtig. Es gibt Tierrechtler, die meinen, nm-Tiere seien überhaupt nicht wirklich autonomiefähig, die meinen, nm-Tiere seien durch Instinktverhalten prädeterminiert.

Für den einen wären es mitunter ultimative Tierrechte, wenn er einen Lebenshof betreiben oder fördern und besuchen kann. Für jemand anderen sind die politischen Tierrechte besonders wichtig, auf der Ebene verbaler Agitation und Aufklärung. Der eine versteht darunter dann wiederum aber beispielsweise eher den Einsatz für die Abschaffung von Massentierhaltungs- und Schlachtungsanlagen, der andere legt den Fokus auf die Abschaffung der Tötung aller Tiere in der Menschengesellschaft ganz grundsätzlich.

Nun greife ich mein Ziel mal heraus, aus dem Wust von Zielen und Vorstellungen, die wir alle als Tierrechtler auf unsere Weise als persönliche Prioritäten wählen. Mein Fokus ist das Recht auf Autonomie im Sinne einer weitestgehenden Selbstbestimmtheit.

Mir wäre auf dem Weg zu diesem hohen Ziel, in der Praxis meiner sozialen Interaktionen mit nm-Tieren und Menschen, wichtig, dass nm-Tiere einen Rufnamen zur Anrede und Identifikation erhalten, ohne dabei eine „Vermenschlichung“ zu betreiben. Die Wahl des Namens entscheidet, ob ein Rufname für ein Tierindividuum humanzentrisch erdacht oder korresponsiv-sozial bezugnehmend auf mein individuelles Gegenüber ist. Ein Rufname ist schließlich eine individuelle, verbal intonierte Anredeform meines Gegenübers. Es ist eine Art Kommunikations- und Verständigungscode. Mein Gedanke dabei: Ich denke die Möglichkeit besteht, nm-Tiere (ich sage im Weiteren abkürzend nur ‚Tiere’) als Familienmitglieder oder Zugehörige mit einzubeziehen und hier ein klares Statement abzugeben: „Ich lebe mit diesem Tier zusammen und wir sind Freunde, dieses Individuum ist Teil meiner Lebensgemeinschaft und unter gegenwärtigen Umständen im gewissen Sinne mein Schutzbefohlener. Dieses Tier soll von meinen Rechten, soweit wie möglich, profitieren. Ich setze meine Rechte für seine/ihre Rechte ein.“ Das „Haustier“ muss nicht untergeordneter Lebensgenosse sein und ich sollte mir genau überlegen, dem/den Tieren einen so optimalen Rahmen für ihr Leben in Gemeinschaft mit mir zu schaffen, wie dies auch nur möglich sein kann, am besten in anderer tierlicher Gesellschaft.

Meine ganzen Vorstellungen in Hinsicht auf Tierrechte, wie meine Tierfreunde in der Praxis im gemeinschaftlichen Leben in einem Hausstand mit mir leben können, sollten ein klarer Ausdruck größtmöglicher Wahrung der Autonomierechte, in Schutz und Geborgenheit vor speziesistischen Repressalien soweit das möglich ist, darstellen. Und mein menschliches Umfeld sollte über diese bewusste Haltung informiert werden. Wir müssen, in diesen für Tiere widrigen Umständen, die in humanzentrischen Gesellschaften herrschen, nun einmal Lebensgemeinschaften bilden. Das optimale wäre, wenn wir zunehmend Grünflächen „nutzen“ könnten, auf denen neben einem ökozentrischen Naturschutzgedanken auch Tiere, z.B.auch befreite Tiere, beispielsweise Hühner aus Haltungshöllen, Enten, Gänse, Puten, leben könnten.

Hier muss ich einen kurzen Abstecher machen, denn das ist nämlich übrigens ein Punkt, der mich in einem Aspekt der Einseitigkeit an der bioveganen Landwirtschaft verwundert. Folgendes: a.) Wir nutzen Raum b.) der vegane Gedanke ist im Sinne der Tiere und ihrer Rechte angedacht worden c.) der vegane Landbau klammert die Tiere als Wesen, die grünen Lebensraum benötigen, jedoch gänzlich aus und fokussiert auf den Anbau und die Nutzbarkeit von Böden. Wir brauchen aber im Veganismus Land auch immer als Habitat von Tieren, als geschützte Räume, und dies sollte ebenso benannt werden wenn über Landnutzung im großen Stil gesprochen wird. Zudem ist tierliche Diversität immer ein Mitleben im natürlichen Raum und dieser Punkt sollte nicht in den Hintergrund veganer Erörterungen stehen dürfen.

Das heißt, neben einer bioveganen Agrarfläche kann auch Land anberaumt werden, das einen sicheren Lebensraum für Tiere bietet, und das nicht nur im Rahmen designierter Lebenshöfe sondern jeder veganen „Nutzung“ von Land. Die Frage, nach möglichen Refugien für Tierdivestität ist mitnichten unkompliziert und benötigt ebensoviel ökopolitischen Einsatz wie die Sorge um das menschlich leibliche vegane Wohl. Es ist bedauernswert, dass die Tierrechtsfrage im Kontext mit Veganismus immer wieder ‚Essen’ (primär für Menschen) und ‚(grundsätzliches) Lebensrecht’ (für Tiere) Seite-an-Seite stellt. Aber im Moment schlucke ich diesen Klotz, der Kürze halber. Das Problem ist dem Speziesismus in Hinsicht auf seine einverleibungsideologischen Aspekte geschuldet, die die nm-Tiere in die Nähe von Agrarfragen gerückt haben.

Der Lebenshof „Animal Place“ in Kalifornien hat seinen bioveganen Landbau mit seinem Lebenshofprojekt verbunden. Sinnvoll, denn Tiere aus unseren Planungen und dem Bedarf an Nutzflächen wegzurationalisieren – auch damit die Tiere in Zukunft nicht mehr leiden müssen (eine indirekte Implikation vieler Argumentationen über Lebensraum-, Ökologie- und Tierfragen) – kommt einer stillschweigenden Form speziesistischer Entrechtung gleich. Tiere leben auf der Welt und benötigen ihren natürlichen Lebensraum. Ich denke die Frage nach Lebensraum und der Wahrung und Schaffung dessen ist eine der ganz großen Prioritäten für eine vernünftige Tierethik, zumindest sollte sie das sein.

Zurück zur Namensüberlegung. Die Benennung mit einem Rufnahmen drückt die lebendige, soziale, anteilnehmende Bezugnahme zu meinem Gegenüber aus. Es würde meiner Meinung nach perfekten Sinn machen, die Namensgebung legitim als Schritt zur fernen Utopie allgemeingültig anerkannter Rechte mit zu etablieren. Name your beloved friend, write it down. Put it as a stance for making nonhuman animal rights become a reality in our society. Oder so.

Ein bekannter Tierrechtler aus den USA sagte mal zu mir, Tiere könnten überhaupt nie autonom sein, solange sie nicht befreit sind. Er verstand Autonomie in erster Linie allein als die nackte, leibliche Autonomie. Ich denke Autonomie ist etwas Substantielles, das sich im Sein, im rein Existentiellen, bereits befindet. Autonomie begründet Freiheitsfähigkeit, denn sie ist das Ich-Sein eines Individuums, und dies betrifft bei Tieren vor allen Dingen den Punkt ihres Denkens, das ihnen fortwährend aberkannt wird. Ich frage mich immer wieder was für eine merkwürdige Tierbefreiungsbewegung wir sind, die sich aufs Leibliche aber nicht auf das Geistige der Tierwelt beziehen mag. Diesen Fokus auf die leibliche Tierbefreiung finden wir immer wieder, während wir gleichzeitig auch immer wieder feststellen können, dass Vorurteils- und Urteilsstrukturen (insbesondere) aus den Naturwissenschaften und der Philosophie kontinuierlich von Tierrechtlern selbst mit kolportiert werden, statt eigene Terminologien der Tierbefreiung zu entwickeln, zu postulieren und zu etablieren. Der grundsätzliche Schritt zur Revolution im Denken fehlt, weg von den klassischen kausalistischen, entgeistlichten und den ans ‚Lebenssezierend-Biologische’ gebundenen Beobachtungswarten, hin zur Auseinandersetzung mit dem allumfassenden Faktum des Tierseins.

Nicht explizit verortete Tiefreundlichkeit: Tiere vorführen, um sich für ihre Rechte stark zu machen

Was zeige ich hiermit: ein Tier und ich als Retter mit auf dem Foto. Der Haltungsansatz Tiere zu zeigen, auf Fotos, Videos, in der bildenden Kunst, in unseren Texten, sie zu diskutieren, als seien sie selber nicht-denkende passive, nicht mitreflektierende, nicht den Menschen mitbeobachtende Rezipienten. Tiere sind andere Kulturen. Sie sind keine evolutionär reduzierten Wesen in Hinsicht auf ihr soziales Reziproksein und ihr Denken. Das wäre eine hierarchische Sichtweise auf unsere Freunde, zu meinen, nur wir können über sie reden, aber sie nicht über uns. Tiere haben ihre Sprachen. Und um klarzustellen, dass Tiere schlichtweg andere Kulturen sind (eben nichtmenschliche tierliche Kulturen) müssen wir noch nicht einmal den Rückgriff auf Darwins Evolutiontheorie vornehmen und uns brüsten, dass wir diese „Verwandten“ halt leider durch „survival of the fittest“ intellektuell im Anthropozäns hinweg evolutioniert haben und schon lange geistig überholt haben. Nein, sie sind in ihrer Entwicklung historisch in ihren Lebenszyklen an der Stelle, an der sie sind, sie haben ihre Kulturen über Jahrmillionen entwickelt und tradiert, sie praktizieren allesamt ein Leben, das einen tiefen, ultimativen Bezug zum Naturhaften hat. Sie sind nicht auf das Biologische zu reduzieren.

Die menschlichen Kulturen haben sich in letzter Konsequenz darauf geeinigt, die Natur als entseelt zu betrachten und ihr objektifizierend und verdinglichend zu begegnen. Alles Beseelte ist für uns an mehr oder weniger religiöse Vorstellungen gebunden, und unsere Religiosität haben wir als Machtmittel und als Mittel menschlicher Vereinheitlichung hingenommen. Sehen wir Spiritualität freier und ungebundener, wird klar, dass unsere Bezüge zur Natur ähnlich wertschätzend und bedeutungsvoll sein können, wie die der Tierkulturen. Dass auch wir fähig sind das All-Leben zu wahrzunehmen, vernunftsmäßig zu begreifen, statt es als Ressource auf ein Mittel zum Zweck zu degradieren. Und der starke Bezug der Tiere zum ‚Naturhaften’ weist weder auf eine Entseeltheit noch auf eine fundamentale ‚Materialität’ hin. Denken wir über das Universum nach, stellt die Materialität (oder aber auch das nicht Vorhandensein von Materie respektive) ja auch keinen Mangel in den Zuordnungen von Komplexität dar. Unseren Gesellschaften ermangelt es an der Anerkennung der Natur als Seinsvielfalt. Tierliche Individuen praktizieren aber eine solche interaktive, wertschätzende Lebenspraxis mit dem naturhaften Raum.

Resultierend aus der Dichotomie, die wir zwischen Mensch und Natur geschaffen haben, sprechen wir immer wieder über Tiere in aller Liebe, aber in entmündigender und vorführender Art und Weise. Wir weisen hin auf ihre Fähigkeiten und Sensibilitäten (gemessen an Dingen, die menschlichen Kollektiven vorrangig wichtig sind) als müsste man nochmal darauf hinweisen. Wir sprechen über sie in einer speziesistischen Gesellschaft, als wollten wir eine Beschwichtigungstaktik gegenüber den speziesistischsten aller Argumente betreiben. Nein, der Speziesismus negiert selbst dies alles, und er tut das ganz offenkundig, und nur wir harmlosen Tierrechtler meinen die Welt sei gerade aus dem Ei geschlüpft und wir müssten die anderen Menschen nochmal erweckenderweise darauf aufmerksam machen, dass Tiere sensibel und klug sind, in dem Maße aber bitteschön nur, wie die Biologen es ihnen momentan attestieren.

Ich denke es gibt noch andere Möglichkeiten um für Tierrechte aktiv zu sein, statt in dem erklärenden Modus zu verharren, in dem ich als Mensch, zu den anderen als Menschen und Gleichgestellten, über „die Tiere“ als die spreche, über deren Köpfe hinweg wir nun einmal sprechen wollen. Ich kann das dritte beteiligte Gegenüber durch meinen Ansatz bewusst mit einbeziehen und seine Rechte, auch wenn dieser Andere abwesend ist, in jedem Punkte mit berücksichtigen und verteidigen (das heißt also auch kein Appeasement gegenüber den speziesistischen Klassikern: Religion, Naturwissenschaften und Philosophie), oder ich kann primär einen Meinungsstreit zwischen zwei unterschiedlichen Positionen austragen, bei denen der Kontrahent im Mittelpunkt steht, die Argumentation dabei aber zu kurz greift, weil ich das Gegenüber ja nicht überfordern kann und dieses Gegenüber ja sowieso meint die Welt sei eine Scheibe. Ich kann in dem Moment die Wahrheit postulieren, auch wenn das Gegenüber in wirklich fast jedem Punkte widersprechen mag. Und ich sollte dies tun.

Denn wollen wir tatsächlich an der Stelle stehen bleiben, an der wir behaupten, wir hätten die Definitionshoheit als menschliches Kollektiv über das Tiersein und die Tierlichkeit (in all ihren individuellen Ausprägungen und inklusive der Spezies Mensch)? Oder schaffen wir es mit den Speziesismen in Religion, Recht, Philosophie, Soziologie, usw. kategorisch zu brechen und uns mal die feinen Details aller möglicher existenter Speziesismen anzuschauen? Indem wir dies täten, würden wir die Enge, die der Anthropozentrismus allem Sein verordnet, bloßstellen und zumindest unser eigenes Denken und Handeln würde sich grundlegend verändern und somit auch anderen einen Anstoß auf einer ganz grundlegenden Handlungsebene geben können.

Rev. 21.02.2018

Für den Lebensschutz ökopolitisch agieren

Portrait einer Kuh von Farangis G. Yegane.

Für den Lebensschutz ökopolitisch agieren

Gita Yeganeh Arani-Prenzel

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Der ökologische Fußabdruck einer veganen Ernährungsweise im Vergleich zur omnivoren / carnivoren Ernährung

Eine Ernährungsumstellung auf die vegane Ernährungs- und Lebensweise ist, sowohl auf individueller als auch auf gesellschaftlicher Ebene, der folgenreichste Schritt zur Reduzierung  unseres ökologischen Fußabdrucks der getan werden kann. Ein vierköpfiger Haushalt der eine Woche lang auf Fleisch, Eier und Milchprodukte verzichtet, macht sich dadurch um vergleichsweise soviel umweltverträglicher, als würde dieser Haushalt ein dreiviertel Jahr lang auf das Autofahren verzichten, so die amerikanische Umwelt-NGO ‚Environmental Working Group’ (http://www.ewg.org/).

Was wir essen

Fleischesser bzw. Carnivore (oder auch Omnivore, die „alles“ essen) verzehren das Fleisch domestizierter und wildlebender Tiere, einschließlich „Geflügel“ (also Vögel) und „Fisch“ (also Fische). Ovo-Vegetarier essen Eier, aber keine Milchprodukte, und Lakto-Vegetarier wiederum essen Milchprodukte, aber keine Eier. Ovo-Lakto-Vegetarier essen sowohl Eier als auch Milchprodukte. Man könnte sagen, dass ein echter oder strikter Vegetarier einem Veganer ziemlich nah kommen müsste in seiner Ernährungsweise. Veganer_innen essen kein Fleisch, keine Eier, keine Milchprodukte, und, was aber hinzu kommt, auch keinen Honig! Darüberhinaus vermeiden Veganer jeglichen Konsum, Gebrauch und Verzehr tierischer Produkte und derer Derivate und Nebenerzeugnisse. Die Vegan Society in Großbritannien empfiehlt den Veganismus konsequent in allen Lebensbereichen durchzusetzen, soweit es für den einzelnen praktizierbar ist.

Was ich esse ist doch umweltverträglich, oder?

Das Global Footprint Network (http://www.footprintnetwork.org). eine Denkfabrik die sich mit der Nachhaltigkeitsforschung befasst, sagt, der ökologische Fußabdruck „bemisst das Maß, in dem wir Ressourcen konsumieren und Abfallstoffe produzieren, verglichen mit der Kapazität der Natur. unsere Ausstöße zu verarbeiten und neue Ressourcen zu schaffen.“ Der Kreislauf von Lebensmittelkonsum und -herstellung ist ein wesentlicher Bestandteil des ökologischen Fußabdrucks. Man bemisst diesen Kreislauf zumeist daran, wie viel Hektar biologisch-produktiver Anbaufläche und Meeresfläche benötigt wird, um den Nahrungsbedarf eines Individuums oder einer Gemeinschaft zu decken.

Was macht da das Fleisch?

Im Jahr 2006 erklärte die Food and Agriculture Organization (FAO) der Vereinten Nationen, dass die Nutztierhaltung inbesondere zur Fleischproduktion, verantwortlich sei für etwa ein Fünftel der Treibhausgase weltweit; man gab öffentlich auf hoher Ebene zu, dass die Nutztierhaltung massiv zur globalen Erwärmung beiträgt. Eine neuere Untersuchung des Woldwatch Institute (http://www.worldwatch.org/), einer Umwelt-Denkfabrik aus Washington D.C., erfasst aber noch weitere versteckte Faktoren der „Nutztier“-haltung, die zu den Emissionen beitragen, und man kommt in deren Studie auf einundfünfzig Prozent aller Treibhausgase, für die die Nutztierhaltung weltweit verantwortlich zu machen sei. [1]

Die größeren Zusammenhänge

Ein Faktor, der auch in die empfindliche Waagschale des zerstörten ökologischen Gleichgewichts, und dem nicht enden wollenden menschlichen Konsum, mit hineingeworfen werden muss, ist die Frage nach der Wasserknappheit, insbesondere den Dürren und den auf sie folgenden Engpässen in der Sicherheit zur Verfügung stehender Nahrungsmittel. [2] Eine Nahrungsmittelknappheit könnte die Welt zum Vegetarismus zwingen, titelt ein Artikel im ‚Guardian’ vom August 2012: [3]

„Die Annahme einer vegetarischen Ernährungsweise“ [konsequenterweise müsste es eine vegane Lebensweise heißen, da, wenn Tiere Milch, Eier und Leder produzieren sollen, sie dazu auch zur Körperausbeute gehalten werden müssen], so der Artikel im ‚Guardian’, „ist ein Weg, um in einer zuhnehmend klimagestörten Welt die Wassermengen zu erhalten, die nötig wären zum Anbau von mehr Nahrung, […] tierische proteinreiche Lebensmittel brauchen zu ihrer Erzeugung zehn Mal mehr Mengen an Wasser, als die vegetarische Nahrungsmittelerzeugung. Ein Drittel der kultivierbarsten Landfläche der Welt wird zum Anbau von Ernten verwendet, die der Tierfütterung dienen. Zu den anderen Optionen, die dabei helfen könnten Menschen zu ernähren, gehört eine Reduzierung von [Lebensmittel-] Abfällen und eine Steigerung des Handels zwischen denjenigen Ländern, die Überschüsse an Nahrungsmitteln produzieren mit denjenigen Ländern, in denen ein Mangel herrscht.“

Der „Viehzucht“-Sektor bietet für zahllose Menschen in den ärmsten Regionen der Welt Nahrung und Einkünfte, so argumentieren manche Befürworter der Fleischindustrie. Das ‚Heifer Projekt’ beispielsweise, sieht seine Aufgabe in einer Art humanitärer Arbeit, die daraus besteht, Armen und Bedürftigen in Schwellen- und Entwicklungländern „Nutztiere“ als argarwirtschafltiche Einkunftsquelle und Nahrungslieferanten auf Spendenbasis zu liefern. Auch gibt es Förderungsprogramme westlicher Nationen, wie die sogenannte ‘Livestock Revolution’, die ihre Fördermaßnahmen mit der Übernahme viehzüchterischer Techniken und Handhabungsweisen als Bedingungsvariablen verknüpfen.

Die speziesistische Behauptung, Menschen sei durch die Ausbeutung von Tieren geholfen, soll glauben machen machen, dass die argarwirtschaftliche Tierhaltung etwas den Menschen Gutes und Förderliches sei, und nicht zuletzt ist in den meisten Kulturen der Welt tatsächlich eine Trennung des Einsatzes nichtmenschlicher Tiere als Lebensressourcen von menschlicher Identität, Kultur und Gesellschaft noch immer kaum denkbar.

Der Mythos rund um die Nostalgie des Kleinbauern erscheint aber zunehmend als umstrittener. Offenkundig wird das erkennbar bei der Kritik an den westlichen Biobauern, bei denen ihr Fauxpax in der Langzeitutopie sichtbar wird, man könne den Fleischkonsum-in-Maßen retten im Zeitalter des Massenkonsums. Daneben existiert in der Bioindustrie auch noch das weitaus größere Problem der Missstände in der Tierhaltung, die sich in den großen Agrareinrichtungen und den kleinen Bauernhöfen kaum unterscheiden. Tiere sind eben fühlende, freiheitsbegabte und tierlich-denkende Lebewesen, und keine Form der Ausbeutung und Tiertötung, zu gleich welchen menschlichen Zwecken, kann da eine Ausnahme bilden. Was die Nutztierhaltung in den Entwicklungsgebieten der Welt anbetrifft, so muss man sich darüber im Klaren sein, dass Kleinbauern auch Teil des Systems der Ausbeutung tierlicher Körper sind.

Kleinbauern sind durch Großbetriebe ersetzbar um einen zunehmenden und stimulierten Bedarf an tierischen Produkten zu decken, der sich aus komplexen kulturellen und wirtschaftlichen Faktoren zwangsläufig heraus entwickelt. Sowohl bewaldetes und „wildes“ Land, so auch die Böden, die als freie Anbauflächen bestellt werden können, verschwinden in Zuge eines argarwitschaftlichen „Erwachens“ und werden einer industriellen Nutzbarkeit unterworfen. Mehr als 80 Prozent des Wachstums im Viehzucht-Sektor kommt heute von den industriellen Produktionssystemen. Die Viehzucht ist ein Faktor, der knappes Land, sauberes Wasser und andere natürliche Ressourcen für die ärmsten der Menschen schluckt und der freien Lebensraum für Tiere zerstört. Die Abhängigkeit von einem zunehmend industrialisierten Lebensstandard, auch wenn solch ein Standard sich auf einem Minimum bewegen mag, ist kaum wieder aufzulösen. Auch ist die Vorstellung vom Fleischkonsum als einem Ausdruck von sozialem Prestige, ein Glaube, dem Menschen immer noch allzu leicht weltweit verfallen.

Wie groß ist Dein ökologischer Fussabdruck, wenn Du (ethisch) vegan lebst …?

Eine vegane Lebens- und Ernährungsweise bringt viele ökologische Vorteile mit sich. Dennoch, wer vegan ist, sollte sich über die größeren Zusammenhänge, über Ursachen und Wirkungsweise von Umweltzerstörung und Speziesismus Gedanken machen und seinen Lebensstil auch gemäß seiner neu gewonnenen Erkenntnisse korrigieren. Ein weitreichendes, umfassendes Denken ist nötig, um geringere Schäden anzurichten als man es mit seiner gegenwärtigen Lebensweise vielleicht noch tut. Denn sogar die potenziell pazifistischste aller Lebensweisen, die vegane Lebensweise, kann immer noch optimiert werden.

Von der Schaffung einer veganen Ökologie

Die Fleischproduktion hat sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges vervierfacht. Das war in dem Zuge, in dem die volle Industrialisierung der „Nutztier“-haltung und die moderne Tier-Agrarindustrie entstanden. Heute wächst der Bedarf für tierische Produkte in den Großnationen wie China und Indien in einem unabsehbaren Maße an – dort, wo die Mittelklasse einen „typisch westlichen“ Lebensstil noch für etwas Nachahmenswertes hält. Auf der anderen Seite sehen wir Nahrungsmittelknappheit, Mangelernährung und Hunger in großen Teilen der Welt. Wir sind konfrontiert mit der globalen Erwärmung, dem Klimawandel, der Verschmutzung der Umwelt durch Abfälle und Gifte. Die Zerstörung ökologisch hoch komplexer Gleichgewichte, die wir Menschen durch beinahe alle Bereiche unseres täglichen Lebens verursachen, ist allgegenwärtig. Wir bezeugen die Rate der Entwaldung auf den Kontinenten, die wachsende Wasserknappheit und die Auslöschung von Spezies. Und all das geschieht hauptsächlich, weil Land zum Anbau von Futtermitteln gebraucht wird, um den unerschütterlichen Hunger der Menschen für Fleisch, Milch und Eier zu stillen, und um Industrien aufrecht zu erhalten, die sich von Tierprodukten als billiger und selbstverständlicher Ressource wirtschaftlich abhängig gemacht haben.

Es gibt keine ökologisch vernünftige und realisierbare Gleichung, die den Bedarf der großen Konsumnationen und derer marktwirtschaftlichen Mechanismen und andererseits notwendiges Menschenrecht weltweit miteinander vereinbar werden ließe. Die Menschheit vernichtet durch ihren Zwang zur Umweltzerstörung ihre eigene Lebensgrundlage durch Produktions- und Konsumprozesse. So befinden wir uns inmitten der größten kulturgeschichtlichen Aporie, der die Menschheit sich, in ihrem Exklusivheitsstatus, mit dem sie sich von der Natur abzugrenzen suchte, je selbst ausliefern konnte.

Wir als Veganer_innen sollten unsere Negativauswirkung auf die natürliche Umwelt, die nichtmenschlichen Tiere und die soziale Menschenwelt in allen Aspekten stetig zu reduzieren suchen und weiterhin abwägen, was für die Welt wirklich beiträglich ist und sein könnte. Wir sollten uns nicht unüberlegt treiben lassen durch das, was die Gesellschaft und das eigene Fortkommen gerade von uns zu verlangen scheinen. Veränderungen müssen auf allen Ebenen geschehen.

Das Autofahren auf das Nötigste zu reduzieren, Wasserverschwendung zu meiden, energieeffizienter die Abläufe im Haushalt und Draußen planen, Urlaub neu zu definieren und sich nicht einfach in den Flieger zu setzen, das sind alles Schritte die wir tun sollten. Was wir als „Standard“-Veganer aber auf jeden Fall schaffen – und das ist zweifellos der Punkt größter ethischer Relevanz – ist den grundsätzlichsten Beitrag zum Schutz unserer Umwelt zu leisten, durch unsere pflanzliche Ernährungsweise. Tier-, Menschen- und Erdrechte gehören zusammen und diese Zusammenhänge in unserem täglichen Leben und unseren täglichen Entscheidungen zu berücksichtigt ist unser fortlaufend angestrebtes Ziel. Immerhin haben wir einen veränderungswirksamen Entschluss getroffen.

Vegan zu leben wirkt dem Welthunger entgegen

Die FAO (die Food and Agriculture Organization der UN) erklärt in einem Bericht von 2005, dass mehr als fünf Millionen Kinder jedes Jahr an Hunger sterben. Man rechnet damit, dass sich die Zahl der Weltbevölkerung bis zum Jahr 2050 von 6 Milliarden auf 9 Milliarden Menschen erhöhen wird. Eine der zentralsten Fragen des 21. Jahrhunderts wird sein, wie die Menschheit sich in Zukunft ernähren will oder kann.

Die Verfügbarkeit anbaufähigen Landes ist eines der Haupthindernisse in der Nahrungsmittelerzeugung. Die Welt hat nur ein begrenztes Maß an Land, das zum Anbau eingesetzt werden kann. Es ist daher also entscheidend, wie solches Land bestellt wird um damit ausreichend Menschen versorgen zu können.

Die typische Ernährungsform des Westens, die primär auf tierischen Produkten basiert, spielt eine wesentliche Rolle dabei, dass Menschen in den ärmeren Regionen der Welt der Zugang zu ausreichend und gesunden Lebensmitteln verwährt ist. Die Funktionsweisen der Tieragrarindustrie und des Marktes sind komplex und schwer durchschaubar, aber die Zusammenhänge zwischen Welthunger, Mangelernährung und der Tierausbeutung durch die Agrarindustrien bestehen.

Feststeht, dass unterschiedliche Studien aufzeigen, dass die vegane Ernährungsweise (und die vegane Lebensweise insgesamt in ihrem Verzicht auf alle tierischen Produkte un Nebenerzeugnisse) nur ein Drittel der Anbaufläche bedarf, als das für die typische westliche tierprodukt-dependente Lebensweise nötig ist.

Fruchtbare Äcker und intaktes Land

Zu Gründen für die gefährliche Bodendegradation zählen die Überweidung zu 35%, die Entwaldung zu 30% und landwirtschaftliche Vorgehensweisen zu 27%. [4] Diese Schädigungsursachen sind direkt oder indirekt verbunden mit dem Verbrauch tierischer Produkte.

Das World Recources Institute (WRI, http://www.wri.org/) erklärt, dass fast 40% der Agrarlandfläche weltweit ernsthaft degradativ geschädigt sind. Das International Food Policy Research Insitute (IFPRO, http://www.ifpri.org/), das sich mit nachhaltiger Nahrungsversorgung und Welthunger befasst, geht davon aus, dass wenn Land und Anbaufläche weiter wie im gegenwärtigen Maße geschädigt werden, zusätzliche 150 bis 360 Millionen Hektar Land bis zum Jahr 2020 nicht mehr zum Anbau nutzbar sein werden. [5]

Der Zuwachs der Weltpopulation ist somit nicht der einzige Faktor, der in Betracht gezogen werden muss, wenn Prognosen für die zukünftige Nahrungsmittelsicherheit gestellt werden. Die Fläche fruchtbaren Landes, das zum Anbau von Ernten eingesetzt werden kann, verringert sich zunehmends, und die Weiterführung intensiver Produktion auf bereits geschädigtem Land stellt keine nachhaltige Lösung dar.

Der Teufelskreis der unvermeidlich entsteht, ist der, dass Menschen wegen weniger fruchtbarer Böden die Bestellflächen ausdehnen müssen. Die damit einhergehende Entwaldung verursacht eine weitere Verschlechterung der Böden. Ein circulus vitiosus und Gipfel unserer allein nutzungsorietierten landwirtschaftlichen Praktiken.

Eine vegane Ökonomie sollte idealerweise bedarfs- statt gewinnorientiert sein, und statt blindem Konsumentenverhalten, sollte eine Ausrichtung auf die natürlichen Notwendigkeiten und der Einklang mit der natürlichen Welt angestrebt werden. Die Natur, statt die durch den Konsum angeregten Lebensfiktionen, sollte zum Fokalpunkt im Realitätsbewusstsein der Menschen werden. Ein veganer Lebensstil und ein neues ethisches Denken, das den Veganismus als Idee umfasst, können dabei wirksam sein, die weitere Zerstörung wertvollen fruchtbaren Landes und der Natur zu verhindern.

Keine kompromittierenden Kompromisse und kein Flexitarismus können helfen

Spätestens seit dem United Nations FAO Bericht von 2006 gilt speziell auch die Geflügelindustrie als besonders umweltgefährdend, nicht zuletzt weil sie einen noch stark anwachsender Zweig der tierausbeutenden Industrien darstellt. [6] [7]

Die Wahl der bevorzugten Tierspezies zum Verzehr und zur Ausbeutung und die pervertierte „artgerechte“ Perfektionierung in den Voraussetzungen zur Haltung von nichtmenschlichen Tieren, spiegeln einen prinzipiellen fortlaufenden Versuch das alte Bild und stereotype Ideal vom Menschen als omnivor-carnivoren Prädatoren und Jäger und Sammler zu retten, statt sich über die gegenwärtigen ökologischen Notwendigkeiten tatsächlich Gedanken zu machen. Die Vernunft und das Bewusstsein, die es braucht um über die ethische „Miteinanderschaft“ von Mensch und Tier in der natürlichen Welt nachzudenken, sind in unseren Kulturen noch immer weitestgehend unterentwickelt.

Wälder retten

Wir alle brauchen Wälder zum Leben, in jeder Hinsicht. Sie sind unsere Lungen, sie schlucken enorme Massen an Kohlendioxid und spenden dafür Sauerstoff, sie regulieren die Klimaverhältnisse, schützen vor Überflutungen, schützen kostbare Böden und beheimaten Millionen verschiedener Tierarten/Tierindividuen und beherbergen ihre unglaublich reichen und faszinierenden Pflanzenwelten und Welten anderen organischen Lebens. Auch das Fortbestehen tausender indigener Völker hängt vom Schutz ihrer Heimatwälder ab. Aber der Wald wird rapide zerstört, ohne jegliche Möglichkeit das, was der Welt, den Tieren und den Menschen dadurch verloren geht, jemals wiederherzustellen.

Wie das, was wir auf unseren Tellern haben einen effektiven Unterschied macht, auch in Sachen globaler Entwaldung

Außer dass Abholzung geschieht wegen der Gewinnung von Holz, Papier und Brennstoffen, findet die Entwaldung auch statt um Weideland zu gewinnen und für den Futtermittelanbau für diejenigen Tiere, die permanent oder überwiegend in Agrareinrichtungen in Hallen oder anderen Einsperrungssystemen gehalten werden. Schätzungen des World Recources Institute gehen davon aus, dass 20-30% der einstig bewaldeten Landfläche der Erde bereits der Agrarkultur weichen mussten und für Agrarzwecke abgeholzt wurden. Da das Agrarland aber zunehmend geschädigt ist, muss zur Ersetzung der depletierten Flächen wiederum eine weitere Entwaldung stattfinden. [8]

Die Ausweitung von Agrarland ist für mehr als 60% der weltweiten Entwaldung verantwortlich. Das meiste dieses erschlossenen und genutzten Landes wird zur Fütterung von Rindern zu Agrarzwecken benutzt. Der UN FAO Bericht ‚Livestock’s Long Shadow’ hält fest, dass „bis zum Jahr 2010 Rinder auf etwa 24 Millionen Hektar neotropoischen Landes grasen werden, das im Jahr 2000 noch bewaldet war.“ [9] Dieser Prozess wird zynischer- und grausamerweise als die „Hamburgerisierung“ der Wälder bezeichnet – in den USA nennt man „Hackfleisch“ umgangssprachlich auch „Hamburger“.

Die vegane Lebensweise kann durch ihre Praxis und Ethik wesentlich dazu beitragen, die Ausbeutung des Reproduktivsystems nichtmenschlicher Tiere zu bekämpfen und damit einhergehend auch die Wälder der Welt zu schützen. Die natürliche Integrität der nichtmenschlichen Tiere und der Natur müssen zusammen geschützt werden, um zu einer vernünftigen Sinngebung unserer eigenen menschliche Existenz in der Welt zu gelangen und den Prozessen ökozidaler Zerstörung direkt entgegenzuwirken.

Tierrechte, der Schutz der Artenvielfalt und Schutzhöfe für unsere „domestizierten“ Tierfreunde

Unser Veganismus hat vor allem eines zum Ziel: den Schutz von Tierindividuen und den Erhalt von Tierpopulationen in der Freiheit. Mit Hinsicht auf diese beiden Tiergruppen werfen sich zweierlei Fragen auf. Einerseits besteht die dringende Frage danach, wie die natürlichen Lebensräume von Tierpopulationen erhalten werden können, und andererseits muss Lebensraum wiederhergestellt oder tatsächlich neu geschaffen werden. Was ist nun die beste Herangehensweise um solchen Problemen konstruktiv und effektiv zu begegnen?

Lebensräume erhalten, Lebensräume schaffen

Eine genaue Zahl wieviel Tierspezies es auf der Erde eigentlich gibt ist nicht zu ermitteln. Diese Unzählbarkeit ist auch gegeben durch die unterschiedlichen Habitate in denen Tiere leben und die wir noch nicht alle bis in jeden Winkel durchkämmt oder aber auch zerstört haben. Die faszinierende Artenvielfalt geht bis hin zu den Kleinstlebewesen, so macht die Insektenwelt allein den mit Abstand größten Teil der von uns unendeckten Tierwelt aus. Und so klein ein Wesen in seinem Lebensraum auch sein mag, so wichtig ist die Beziehung eines jeden Tieres mit seiner natürlichen Umwelt, denn all das Leben gemeinsam bildet ein in sich geschlossenes und funktionierendes Ökosystem.

Die durchschnittliche Schätzung über die Zahl verschiedener Tierarten liegt bei etwa 10 Millionen. Davon sind etwa 1,4 Millionen erfasst, und nur eine kleine Prozentzahl der erfassten Arten wurde bislang auch erforscht und genauer klassifiziert. Für die Tierindividuen ist es oft besser unentdeckt zu bleiben, denn die Erforschung einer Art bringt immer noch mit sich, dass das Tier als ein biologisches Objekt untersucht wird, in seiner Anatomie, seinem Verhalten, dem, was man an seiner Gattung als stereotypes Verhalten (z.B. Brut- und Fressverhalten, seine kognitiven Fähigkeiten) ethologisch beschreiben kann.

Was die Tiere – ob erfasst oder unerfasst – wirklich ausmacht ist das, was sie in ihrem Lebenskontext mit einer natürlichen und freien Umwelt sind. So müssten wir sie, um sie wirklich zu verstehen, weitestgehendst in Ruhe lassen, uns ihnen mit unseren menschlichen Erfassungswünschen nicht aufzwängen und vor allen Dingen die Umwelt überhaupt erst einmal gar nicht zerstören. Wir müssen die Umwelt schützen oder wiederherstellen soweit das möglich ist, gegen all die Widerstände die bestehen.

Für eine Tierspezies als Tiergruppe kann es allerdings auch von Vorteil sein wenn sie erfasst ist und erforscht wird, und zwar allein in dem einen Sinne, dass sie unter Umständen als gefährdet gilt und so einen Schutzstatus erhält. Schwierig wird es wenn die Tiere, die geschützt werden sollen, in die Captive Breeding Programme zur arterhaltenden Nachzucht geraten, denn das heißt auch, dass sie damit der Handhabe durch zoologische Projekte ausgeliefert sind und ihre tierliche Autonomie gänzlich verlieren [10].

Die sogenannten „Nutztiere“ – die Tiere denen per Definition angehängt wird sie seien dazu geboren um ausgebeutet zu werden – machen etwa 20 % der gesamten „Tier-Biomasse“ der Welt aus (so die biopolitische Bezeichnung von Organisationen wie der FAO, der Food and Agriculture Organization der UN). Das Land, das die „Tier-Biomasse“ der „Nutztiere“ nun zwangläufig besetzt, ist selbstverständlich das Land, das zuvor von wildlebenden Tieren als deren Lebensraum genutzt wurde. [11]

Der Veganimus kann im Bezug auf die Problematik beider Tiergruppen (der wildlebenden und der „domestizierten“ Tiere) Lösungen bieten

Die grüne Bewegung konzentriert sich eher auf die Biodiversität wildlebender Tiere und den Schutz ihrer Lebensräume, während die ethischen Belange „domestizierter Nutztiere“ konzeptuell den Vorstellungen agrarwirtschaftlicher Interessen und den Interessen von „Verbrauchern“ untergeordnet bleiben sollen. Dahinter verbirgt sich, wenn auch nicht unbedingt in einer ganz bewussten oder offen dargelegten Weise, ein Gedanke menschlicher Dominanz rührend von einer vermeintlich archaischen Identität als „Jäger und Sammler“ und der Wunsch nach einer kontinuierlichen Fortsetzung dieses Ideals eines vermeintlichen Einklangs mit der Natur nach altertümlicher Vorstellungsweise und auf Kosten der dem Menschen zum Opfer fallenden getöteten Tierindividuen.

Der Veganismus hingegen setzt sich außer mit dem konsequenten Schutz wildlebender Tiere (einschließlich der Ablehnung der Jagd) und ihrer Lebensräume, auch mit dem Schutz und den notwendigen Rechten der sog. „Nutztiere“ auseinander. Also auch mit den Rechten der Tierindividuen und Spezies, deren Repoduktivsysteme kotinuierlich missbraucht werden, allein damit der Mensch die tierliche physische Existenz herabwerten und das damit Tiersein überhaupt herabwürdigen kann, indem er nichtmenschliche Tiere als Objekte des menschlichen Verzehrs und Gebrauchs klassifiziert.

Die allgemeine Ethik des Veganismus etabliert ein Bewusstsein, sowohl für die Rechte wildlebender- als auch „domestizierter“ (versklavter) Tierindividuen und Tierarten, und der Weg, der zur effektiven Einflussnahme begangen wird, liegt in der Ablehnung des Konsums tierischer Produkte und Nebenerzeugnisse. Darüber hinaus wird alles was Tieren schadet und ihnen schaden könnte in kritischer Form erkannt und zum Gegenstand aufklärerischer Informations-Flows.

Schutz! Realisierbare Schritte und ferne Utopien

Schutzräume zu schafffen, die weitesgehendst frei und wo nötig auch bewacht sind, und die den Tieren gewährleisten, dass Menschen keinen intrusiven Zugang auf ihre körperliche Integrität haben, sind ein Baustein in der veganen Vision, die sich heute in der Form von ‚Animal Sanctuaries’ / Schutzhöfen oder Lebenshöfen zunehmends etabliert. Die Umweltfrage beinhaltet aus veganer Sicht politisch auch die Frage der Tierrechte.

Festzuhalten als Ziele des ethischen Veganismus sind:

  • Tier-Diversität muss in der Freiheit geschützt werden und die freien Lebensräume müssen erhalten und wiederhergestellt werden.
  • Domestizierte Tiere dürfen nicht zu den Sündenböcken der Biopolitik spezisitischer Unterdrücker gemacht werden. Ihnen müssen Schutzhöfe geschaffen werden, mit dem letzendlichen Ziel der Auswilderung oder der permanenten Beheimatung in Schutzgebieten der in ferner Zukunft überlebenden Tierindividuen und Tiergruppen.
  • Zoos müssen durch Rehhabilitationszentren und den Schutz in freien Reservaten ersetzt werden.

Dies nun sind implizite Punkte des Veganismus, die sich explizit so nicht auf irgeneiner Liste zusammengestellt finden, aber in den verschiedenen ideellen Botschaften und Zielsetzungen veganer Projekte als angenommene ethische Selbstverständlichkeiten hervorgehen und artikuliert werden.

Biodiversität schützen

Die rote Liste gefährdeter Arten der International Union for Conservation of Nature (IUCN / World Conservation Union, http://www.iucnredlist.org/) zeigt, dass 18% aller Wirbeltiere, die

im Jahr 2002 in deren Unteruchungen mit einbezogen wurden, vom Aussteben bedroht sind. Betroffen sind 24% der Säugetiere und 30% der Fische. Auch gelten 49% der erfassten Pflanzenarten als vom Aussterben bedroht. Man geht davon aus, dass die gegenwärtige Rate des Artensterbens 1.000 bis 10.000 mal höher liegt als sie das unter natürlichen Umständen wäre, d.h. ohne den zerstörerischen Enfluss der Menschen auf die Biosphäre [12].

Statistiken wie diese lassen viele Umweltexperten zu der Folgerung kommen, dass wir hier der Problematik eines präzedenzlosen Massenausterbens gegenüberstehen. Man kann in der Tat von einem Speziezid, Zoozid und Ökozid sprechen (von einer massenhaften Annihilierung von Leben auf einer Grundlage biologisitischer Argumentationen). Die Vernichtung anderer Arten hat eine ganz eigene und andere Tragweite als innermenschliche Konflikte, aber auch das Töten oder das provozierte Aussterbenlassen von Arten, ist eine Frage der Verletzung von Lebensrechten, seien diese Lebensrechte auch Gegenstand von kontinuierlichen Anfechtungen. Hier geht es um ethisches Versagen.

Was uns aus veganer Sicht an dieser Stelle auch Sorgen machen muss, ist die Auswirkung des Artensterbens, d.h. des Verlusts genetischer Diversität, in der Pflanzenwelt, die die Nahrungsmittelsicherheit und den Welthunger, die Nachhaltigkeitsplanung insgesamt also unmittelbar mit anbetrifft. Das durch den Menschen verursachte Aussterben biologischer Diversität verursacht Parallelprobeme, deren Ausmaß wir heute noch kaum abschätzen können.

Nur eines ist klar, dass wir als VeganerInnen in wirklich jedem Punkt dazu aufgerufen sind, den Prozessen von Naturvernichtung entgegenzuwirken. Durch unsere Lebensweise tun wir den wesentlichsten Schritt dazu.

Menschen zerstören Lebensraum

Die Zerstörung von Lebensraum ist der Faktor, der als Hauptverursacher gilt für das Aussterben von Tier- und Pflanzenarten. Entwaldung, Landdegradation und die Intensivbewirtschaftung zu Argarzwecken, sind die Vernichter der Ökosysteme. Und gerät ein Ökosystem einmal aus seinem Gleichgewicht, so ist auch in sekundärer Folge mit einem massiven Verlust an Biodiversität zu rechnen.

Ein von der FAO der UN, dem USAID (United States Agency for International Development) und der Weltbank in Auftrag gegebener Bericht zum Stand der Umweltzestörung durch die Tieragrarkultur, zog den Schluss, dass die industrielle Viehzucht zum Verschwinden der Artenvielfalt beiträgt, durch die „dafür gebrauchte Versorgung mit konzentrierten Futtermitteln, der die Verwendung von Land angepasst werden muss, und, für die Ernteertäge erhöht werden müssen. Die Produktion von Getreidefutter insbesondere ist Ursache für eine zusätzliche höhere Belastung für die Biodiversität, durch den damit einhergehenden Lebensraumverlust und die Schäden an der Funktionsweise der Ökosysteme.“ [13]

Tropische Regenwälder, obgleich sie bloß 10% der Erdoberfläche bedecken, beherbergen fast 90% aller Tier- und Pflanzenarten, von denen viele bislang unerforscht sind. Die Zerstörung von bewaldeten Gebieten zum Zwecke der Futtermittelversorgung für Farmtiere, ist der Grund für den Verlust tropischer Artenvielfalt. Zu anderen Faktoren, die das Artensterben mitverursachen, gehören die Umweltverschmutzung, der Klimawandel (Veränderungen in den Charakteristiken regionaler Klimata, der Temperatur, Feuchtigkeit, Regenfälle, Wind und Extremwetterlagen), die globale Erwärmung (die Gesamterwärmung des Planeten) und die durch den Menschen verursachten biologischen Verschiebungen durch transgeographisch eingeführte Arten.

„Die Viehzucht spielt eine wesentliche Rolle in der gegenwärtigen Krise für die Biodiversität. Sie ist verantwortlich sowohl direkt wie auch indirekt für die Verursachung von Biodiversitätsverlust, auf lokaler wie auch auf globaler Ebene“, so der United Nations FAO Bericht von 2006. [14]

Die vegane Lebensweise bricht die wesentlichen Ursachen dieses circulus vitiosus, der zwischen der Zerstörung der Artenvielfalt auf der einen Seite, und der Tötung domestizierter Tierarten auf der anderen Seite besteht (die Lebenswürde aller Nichtmenschen wird letztendlich seitens unserer „normalen“ speziesistisch lebenden Gesellschaft negiert). Der ethische Veganismus schafft das durch die Betätigung des mit Sicherheit wirksamsten Hebels: durch den Verzicht auf den Konsum tierischer Produkte und die Absage an den Speziesmus. In ihrem Gesamtpotenzial beinhaltet die ethisch vegane Lebensweise eine gigantische Palette an Chancen eine ökologisch verträglichere Gesellschaft zu gestalten.

Biodiversität ist keine pure Funktionserfüllung

Wir sollten nicht vergessen, dass es beim Schutz von Biodiversität nicht einfach um ökologische Funktionen geht, die durch die „Arten“ in der natürlichen Welt eingenommen werden. Artenvielfalt ist Natur selbst in ihrer intakten Form. Die Lebewesen haben ihre Heimat und ihren eigenen uns vielleicht niemals wirklich ganz ergründlichen eigenen Sinn, und so auch ihre eigenen Rechte innerhalb ihrer Welt, die die (intakte) Natur für sie darstellt. Das Gleichgewicht eines Ökosystems mit seinen Tieren und Pflanzen, und das eines ganzen natürlichen geographischen Gefüges, mitsamt eines dort herrschenden Klimas, hat sich über einen unvorstellbar langen Zeitraum entwickelt, in einer Facettenhaftigkeit, die Menschen künstlich nicht nacherzeugen können. Die natürliche Welt ist unfassbar komplex. In jedem Lebensraum sollte die Komplexität der natürlichen Welt zugelassen werden, und diese Komplexität muss in jeder nur machbaren Weise geschützt werden.

Hortikultur als Lebens- und Naturraum

Ein tiefgreifendes Problem ist das der Gestaltung neuer Lebensräume. Gebraucht werden die großen Reservate, die Schutzhöfe / Lebenshöfe, in denen Tiere und die Pflanzenwelt ihren Platz zurückgewinnen. Wenn es um den normalerweise flächenmäßig kleineren Privatbesitz von Land geht, dann stellt sich die Frage nach der Möglichkeit Gartenkultur zur Lebensraumkultur für Fauna und Flora als zusätzliche Option im Umweltschutz zu entdecken; selbst Kleinstlebensräume können wichtigen Platz bieten für Diversität.

Solche Lebensräume müsssen Naturräume sein, in denen nicht alles der Nutzbarkeit und Ästhetik für den Menschen untergeordnet wird, sondern Freiraum für tierliche und pflanzliche „Wildnis“ herrschen kann.

Die Permakultur bietet hier nicht ganz die optimale Lösung, denn sie ist, auch im Falle dass sie vegan betrieben wird, eine Anbauvariante und fällt dann in den Bereich veganer Landwirtschaft (also in ein anderes separat zu behandelndes und auch komplexes Kapitel). Wovon hier die Rede ist, ist die Suche nach der richtigen Einstellung zur Notwendigkeit Naturfläche zur Verfügung zu stellen und adäquat zu pflegen: Naturfläche in der Tiere und pflanzliche Natur Platz haben für sich selbst. Und der einzige Zugriff, den der Mensch hier ausüben würde, ist der, das Ganze zu erhalten im Sinne der Gewährleistung von Schutz und Rechten.

Quellen:

[1] Robert Goodland, Jeff Anhang: Livestock and Climate Change, World Watch November/December 2009, http://www.worldwatch.org/files/pdf/Livestock%20and%20Climate%20Change.pdf  Stand, 27.11.2012.

[2] A. Jägerskog, T. Jønch Clausen (eds.): Feeding a thirsty world: Challenges and opportunities for a water and food secure world, Stockhold International Water Institute, 2012, http://www.siwi.org/sa/node.asp?node=52&sa_content_url=%2Fplugins%2FResources%2Fresource.asp&id=318 , Stand 27.11.2012.

[3] John Vidal: Food shortages could force world into vegetarianism, warn scientists, The Guardian, 26. Aug. 2012, http://www.guardian.co.uk/global-development/2012/aug/26/food-shortages-world-vegetarianism , Stand 27.11.2012.

[4] United Nations Environment Programme, GEO: Global Environment Outliook, Land degradationhttp://www.unep.org/geo/geo3/english/141.htm , Stand 30.11.2012.

[5] News & Views – A 2020 Vision for Food, Agriculture, and the Environment – March 1999: Are We Ready for a Meat Revolution? (IFPRI, 1999, 8 p.), How Large a Threat Is Soil Degradation? http://www.nzdl.org/gsdlmod?e=d-00000-00—off-0fnl2.2–00-0—-0-10-0—0—0direct-10—4——-0-1l–11-en-50—20-about—00-0-1-00-0–4—-0-0-11-10-0utfZz-8-00&cl=CL2.10.6&d=HASH0152336f21ea37b260b944e2.3&x=1 , Stand 30.11.2012.

[6] Steinfeld H, Gerber P, Wassenaar T, Castel V, Rosales M, de Haan C. Livestock’s Long Shadow: Environmental Issues and Options. Rome: Food and Agriculture Organization of the United Nations; 2006. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2367646/ , Stand 30.11.2012.

[7] P. Gerber, C. Opio and H. Steinfeld, Poultry production and the environment – a review, Animal Production and Health Division, Food and Agriculture Organization of the United Nations, Viale delle Terme di Caracalla, 00153 Rome, Italy, http://www.fao.org/AG/againfo/home/events/bangkok2007/docs/part2/2_2.pdf , Stand 30.11.2012.

[8] Porter, G. and J. W. Brown, Table of Deforestation and its Effects, https://confluence.furman.edu:8443/display/Lipscomb/Deforestation+and+Effects+(MB) (Vgl. auch Global Environmental Politics (Westview Press, Boulder, Colorado) 1991.) Stand 30.11.2012.

[9] UN FAO, Livestock’s long shadow, Chapter 5, Biodiversityftp://ftp.fao.org/docrep/fao/010/a0701e/a0701e05.pdf , Stand 30.11.2012.

[10] Zoos geben einen lebensbejahenden Sinn vor, indem die Präsentationen der verschiedenen Tierarten als Kontrast dienen sollen zu einer anthropozentrisch homogenen und monokulturhaften Welt. Vgl: Acampora, R., Off the Ark: Restoring Biophilia, Metamorphoses of the Zoo: Animal Encounter After Noah, ed. Ralph R. Acampora, 2010, S. 1. Zur Diskussion der ethischen Problematik zoologischer Gärten siehe auch: Acampora, Extinction by Exhibition: Looking at and in the Zoo, Human Ecology Review, Volume 5, Summer 1998, Number 1, 1998. http://www.humanecologyreview.org/pastissues/her51/51acampora.pdf , Stand 7.12.2012.

[11] FAO, Agriculture and Consumer Protection Department, Spotlight / 2006, Livestock impacts on the environment, http://www.fao.org/ag/magazine/0612sp1.htm , Stand 7.12.2012.

[12] European Commission, Environment, Nature & Biodiversity, What is Biodiversity? http://ec.europa.eu/environment/nature/biodiversity/intro/index_en.htm , Stand 15.12.2012.

[13] C. de Haan, H. Steinfeld, H. Blackburn, Livestock & the environment: Finding a balance, Report of Study by the Commission of the European Communities, the World Bank and the governments of Denmark, France, Germany, The Netherlands, United Kingdom and The United States of America, Chapter 4: Industrial livestock systems & the environment, http://www.fao.org/docrep/x5303e/x5303e0c.htm , Stand 15.12.2012.

[14] Food and Agriculture Organization of the United Nations, Livestock’s Long Shadow, Environmental Issues and Options, Rome, 2006, S. 182, http://www.fao.org/docrep/010/a0701e/a0701e00.HTM , Stand 15.12.2012.

An Interview with Andy Martin (Apostles, Unit)

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Jahrgang 4, Nr. 1, Art. 1, ISSN 2363-6513, Oktober 2017

A listen-and-read interview with Andy Martin
Singer and songwriter of the anarcho-punk band The Apostles, writer and with the band Unit today.

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Background: Andy Martin is the former singer of The Apostles, the band initially formed as a punk band, but they took a special role within specifically the very insider anarcho-punk scene. As Andy describes in the interview he has never understood himself as a punk though. We however know The Apostles from their involvement in the early 1980ies stream of the punk movement that was intensely political and critical of social mechanisms of almost all segments of society. This fraction occurring within (or alongside) punk also brought forth a diverse range of Animal Rights / Liberation music of protest culture, which, as impactful as it has been in this subculture over the due course, is still being neglected by the cultural reception about the Animal Rights / Liberation movement’s history. The independent voicing of criticism of a speciesist society in this music scene is unique and hardcore bands have been continuing the thus paved paths, whereby of course contextualities of time have changed effects and they always differ in how to such expressive impacts can be culturally located. Andy Martin’s work is continuously critical and does not stick to patterns of mainstream, but stays outstandingly original, he does not sell out his own originality like many artists did by taking up underground mainstreamism. The form of independent expression by the Apostles and Unit inspire the recipient for individual thought and expression, one of the rare artforms that can bolster critical thinking, inclusively for the Animal Rights / Liberation ( Autonomy protest culture.

Tags: Interview, Andy Martin, Unit, The Apostles, political and anarcho-punk history, music as art, social justice and individualism.

A listen-and-read interview with Andy Martin

Please note: Andy prefers the uploads of all tracks on the Unit channel, for time limitation reasons we uploaded onto our server some recordings with a slightly poorer sound quality. For the optimum versions please use Andy’s music file collection.

Transcending subversiveness

Andy Martin: Preface: it was my original intention to type most of my replies in German but I discovered (to my shame) my grasp of the language is inadequate for the task so – regrettably – I must restrict myself to English. I am obliged to state this because it disturbs me that well over 50% of the world wide web is written in English (even by people for whom English is not their first language) yet far less than 50% of the world speaks and writes English. This, therefore, is an example of cultural dominance that is not acceptable. The worst example of this is pop music – how many European and even Japanese pop and rock groups sing in English? This is daft! After all, how many British and American groups sing in, say, French, Italian, German…or Japanese? This is why I respect the German group Rammstein – they proudly sing in their own language – although their music is horrible! It is also why I enjoy the Japanese pop group Shocking Lemon (who sing in Japanese) even though their CD titles and the names of their tracks are printed in English…a provocative fact. This is partly why UNIT include numbers in German. However, my predilection for Latin titles is pure self indulgence on my behalf – I love Latin!

Tierautonomie: Where do you personally locate subversive change in our current Zeitgeist?

Andy Martin: When Guy Debord wrote his interminably tedious book Society Of The Spectacle, many of his descriptions apply to much of the devices (and the concomitant behaviour patterns they generate among the twittering mutter line of humanity addicted to its brightly flashing lights) that we call ‘social media’. I am reluctant to use the term because ‘social media’ implies a form of technology that involves people engaged in communication whereas the reality is rather different. Indeed, communication is not the appropriate word – deception and empty gestures are much more accurate descriptions. People are encouraged to create avatars for themselves in which they can appear as personalities re-invited (Frankenstein monsters for the digital age) on their websites and Face Book sites. We may give ourselves new names, new faces and even new personalities (on-line) in order to create a false impression of who we are. This deception is able to function because we are also encouraged (indeed often obliged) to spend most of our time staring at computer screens, smart phone screens, tablets, i-pads and whatever other high faluting device they’ll invent next month, rather than engage in genuine social communication where we talk to each other without the intercession of electronic hardware. As much of our communication is now filtered through digital technology, it seems to me we talk more yet actually say less.

Where, then, do I locate subversive change in our current zeitgeist? Es ist furchtbar schwierige! When a person refuses to be connected to the internet at home (so advertising companies and multinational corporations do not have instant access to that individual) then they create a tiny bubble of uncertainty, a discontinuity in the mutter line. This is not merely the desperate bleating of a man unable to utilise or even comprehend most modern digital technology (although that, too, may be a contributing factor); it is a plea for sanity. Yes, that is how crucial I perceive the issue to be. Walk along a street – any street – in any industrial nation. How many people do you see staring at mobile devices, thumbs twitching back and forth? Sit on a bus or a train and count how many people stare at these same mobile devices while the war, the countryside – real life – whisks by the windows outside. I see a group of people with laptop computers, smart-phones and i-pads staring at a digital recreation of a glorious sunrise above a waterfall (look how skilfully the computer generated images replicate cascading water droplets) while outside is an actual glorious sunrise above a waterfall…completely unseen by any of those same people.

Fringe theatre, alternative radio and grime (the non-commercial, counter-cultural response to rap and hip hop) are the 2 areas where I have seen and heard genuine subversion. Punk (in Britain anyway) was never subversive because its exponents sought to attain fame and celebrity status: one bunch of miserable white middle class bastards sought to impress another bunch of miserable white middle class bastards. This is why the punk movement here was tolerated – even encouraged – by our society: it never posed a threat to anyone anywhere because its members, being white and middle class, had a stake in that society. They had too much to lose in the event of genuine revolutionary change. Punks in Britain merely wanted to shock mummy and daddy for a couple of years before they discarded their silly costumes, returned to college and joined the regime after their brief flirtation with the appearance of rebellion. This is why you never saw punks involved in Class War. In a genuine revolution, their parents might lose their social status and that would be intolerable, especially if daddy lost his job and couldn’t provide the family with all those lovely trinkets to which they had become accustomed.

Class War was a genuinely revolutionary movement, an angry political group scattered across the nation. It remains the only political organisation to which I was ever affiliated because it was the only such group who spoke on behalf of people like me. It actually represented me and my peers. What did punk represent for me? Boredom, idiocy and excess – a lot of noise, waving and shouting that signified absolutely nothing. The music was horrible, too! Indeed, it was ridiculous – a punk band makes a racket that is enjoyed only by other punks who already agree with the sentiments expressed in the music. Where, then, is the ability to proliferate subversive content? The phrase ‘preaching to the converted’ comes instantly to mind. Mein Gott, there is more genuinely revolutionary content in a single bar of Charles Mingus, Ornette Coleman or Gil Scott Heron than any number of puerile pox ridden punk bands. I despise these white middle class clothes hangers with their wretched slogans and tedious cacophony bereft of any hint of individuality or originality. Punk rock is merely ineptly played rock and roll with swear words and safety pins.

What can even be subversive, when subversiveness functions more like a label, a superficial claim where no question marks are set that would reach beyond the small and big boulders of society’s-continuously-kept status-quos? Does our ‘seemingly continuous enlightenment’ – a society where everything and nothing is subversive – seem to overlook some odd mechanisms that undermine self-critical debate and thought?

Here I return to fringe theatre, alternative radio and grime. Note: I do not include allegedly anti-establishment political groups in this. Marxists are profoundly offensive to me, their inanely messianic utopianism reserved only for people who kneel at the altar of tenets and injunctions which insist everyone must possess the same beliefs. Their notion of an alternative society to the one we have now is a nation where everyone is forced to adopt the same set of social behaviour patterns and political beliefs. It is the source responsible for ‘political correctness’ which I utterly despise. The only reason I never joined the British National Party is because I don’t see any advantage in hating a person purely because their skin colour happens to be different to my own. That said, the BNP speaks for more working class people than any number of Marxists. Do you require proof of this statement? Look at any march by the BNP or their Rottweilers, the English Defence League – there you can see almost exclusively working class people in their ranks. What kind of people comprise the crowds who attend loony left marches? Middle class geeks who, being innately insecure, want everyone else in the world to be just like them.

There is a radio station in London called Resonance. (I invite people to go to https://www.resonancefm.com/.) This is the voice of genuine subversion…which is why it is a local radio station not allowed to broadcast to the wider population. The government are (at the moment anyway) able to tolerate its presence because they can claim they defend freedom of expression…but if Resonance was given a massive financial grant by an eccentric millionaire and suddenly able to broadcast nationwide, we would soon see just how far the government was prepared to sanction freedom of expression. In 2012 and early 2013 it hosted a weekly programme called Sick Notes, presented by Michael Colville, a 17 year old working class lad who invited his friends into the studio to play various examples of rap, hip hop and grime interspersed with social commentary that included fiercely critical diatribes against the police, the British legal system, the British education system, American foreign policy and the rise of far right political groups in Europe. For the first time in many years I found myself able to listen every week (indeed I never missed a single programme) to a programme I realised was genuinely subversive.

I admit I had virtually no interest in the music. True, I’d much rather listen to 60 minutes of grime than 60 seconds of punk rock but it still did not appeal to me. Remember, of my approximately 200 CDs, nearly 160 of them are of classical works (baroque and 20th century mainly), the others comprising progressive rock plus a few discs of selected tracks by The Pop Group and Wire. These latter 2 groups are as close to punk rock as I am ever liable to go. I turn to J S Bach, Henry Purcell, Marc Antoine Charpentier and Jean Philippe Rameau for inspiration, not some dreary old pop group. Punk rock is utterly irrelevant to me – it always has been and probably always will be. Anyway, this mention of my passion for classical music provides me with more than merely an excuse to place a social signifier on the world wobbly web. Passaggio by Luciano Berio (1925 – 2003) composed in 1962 assaults the social conventions that govern opera. The text (by Umberto Eco) upset, irritated and annoyed many people involved in the realms of classical music, especially opera – how dare one of their own composers attack such a sacred cow? This is what I consider a genuinely subversive act. There are plenty of others – turn to Luigi Nono, Bernd Alois Zimmermann, Hans Werner Henze or even Iannis Xenakis if you feel particularly adventurous. These are all 20th century composers who utilised their privileged position in society to attack elements of it they considered profoundly offensive even though it generated hostility and suspicion with a concomitant absence of recordings and performances of their works, at least for a while.

The great American free jazz pianist Sun Ra provides another superb example of a man able to commit subversive acts even in the absence of blatantly obvious texts. At a time in America when (in certain States) racially mixed music groups and theatre troupes were not allowed – or at least publically vilified – Sun Ra took his group (The Arkestra) which included black, Hispanic and white musicians into regions where the police and the senators were either members of the ku klux klan or supporters of it. This has no equivalent in punk rock, of course – they’d never have the courage!

I am not convinced by your assertion that these days everything / nothing is subversive. Perhaps it is different in Germany but in Britain it is now considered subversive to criticise (for example) multi-culturalism and multi-racialism. Anyone who calls for an end to immigration is castigated as a Nazi sympathiser. There are even people who used to write to me who have since severed all communication with me as a consequence of their interpretation of what they perceive to be my right wing political views. Well, I find this incredible. I have never made any attempt to disguise or deny my political beliefs. In 1991 we released Europe Awake, an audio cassette, which includes statements of these beliefs. I am not obliged to defend a single one of them. If other people are allowed to be communists, socialists, anarchists, liberals or fascists then I, too, am allowed to be…whatever it is I am. In fact I find it impossible to describe my beliefs by any label because there does not appear to be a verbal category in existence yet which accurately describes them. To be honest, I think the difficulty (for other people, not for me) arises because I really don’t consider politics at all important. There are far more interesting reasons to indulge in arguments and debates!

Tierautonomie: Do crowd and group dynamics (i.e. facebook popularity / ”likes”) hinder individual expression because other people (and the more people the better) have to approve of someone’s message? If someone doesn’t get ‘likes’ she/he either self-censors or stays out/shuts up in that network. Does ‘the crowd’ define ‘the individual’ as the individual is immediately measured by group dynamics, still like we had it in the past within actual physical groups in which tendencies for social hierarchies existed?

Andy Martin: Ah yes, here we go! I sent a series of emails to various people on our mail list earlier this year to celebrate a dubious achievement: our You Tube site gained its 100th subscriber. Well, let me modify that: the achievement itself is not dubious – it was my desire to celebrate the event which is dubious. You see how pernicious this can be – even I began to be sucked into the swirling vortex of yapping morons on the mutter line. Now we have 103 subscribers, by the way…but so what? Does that make me superior in some manner to you or to some other group or individual with only, say 30 subscribers? Of course not!

I think it is advisable to enter into a difficult discussion here because I mentioned various classical composers earlier with reference to their assaults on bourgeois culture and I am aware critics could complain I have no right to be so abusive to punk bands on the one hand yet appear to defend the purveyors of bourgeois culture on the other. I accept this is a legitimate criticism. In fact, the German composer Hans Werner Henze addressed this issue in his work Der Langwierige Weg In Die Wohnung Der Natascha Ungeheuer (1971) in which he set to challenging but infinitely rewarding music a magnificent prose poem by the Chilean born German political poet Gaston Salvatore. This text (which really has to be read in the original German as even a good quality English translation simply fails to do it justice) has formed the basis for numerous musical settings by me since 1992 onwards.

What does a middle class person do if he / she originates from a wealthy family whose parents occupy a position of privilege in society yet the person concerned genuinely cares (or appears to care) about the plight of poverty stricken people in their nation? How do they express their concern without appearing to be patronising and condescending? I notice how often Marxists shout loudly about the injustices done to poor people in third world countries yet ignore the same concerns that afflict working class people in their own countries. If you are poor and homeless in Germany, what possible relevance to you is the misfortune of a man or woman in, say, Colombia or Ethiopia who happens to endure even worse depredations? Their woeful plight is not your business and you are not to blame for it – knowledge of their struggle is scarcely liable to assist your own problem. Mein Gott, I despise Marxists so vehemently I wouldn’t even piss on them to put them out if they were on fire.

Consider this: traditional Jews observe the Sabbath – Saturday – in which, for 25 hours, they do no work. This proscribes the use of mobile phones, i-pads, televisions and even the cooker. Driving cars is prohibited. To me this sounds severe and yet consider what could happen to a family who elected to observe the Sabbath seriously: with no work and, more crucially, no distractions, they will have to spend time together and communicate, perhaps on a more meaningful level than at any other time of the week. I am not a Jew (heaven forbid) but I suggest this simple if strict religious practise has something useful to teach us in an age where the majority of people wander around in a dopey daze as they gaze at little electronic screens, stupefied by the mutter line.

Face Book is a big, fat nothing. It merely provides multinational corporations with an opportunity to advertise their garbage on a global scale. I never use Face Book. Why should I? We have a website and en email site so we have absolutely no use for twitter, Face Book or any of these other ‘social media’ contrivances which I assert are designed to maintain us in a state of alienation. We sit at home and stare at computer screens rather go out on the streets to express our dissent in demonstrations – stuff that! It is a fact of physics that the Sun is a slightly variable star. It endures a cycle of maxima and minima every 22 years. During a time of extreme excitement (in a maxima) it may emit many millions of tons of excited electrons in a solar storm. If a particularly vociferous wave of charged (ionised) particles hit us, it would disable 90% of the artificial satellites that orbit the Earth and annihilate our digital communications networks in a matter of seconds. Mobile phones and the entire internet would crumble into obsolescence. Imagine that! How would most people in industrial nations survive bereft of mobile phones, i-pads and the internet? Well, I say: bring it on!

Meanwhile, before that happens, I urge people, in all seriousness, to ignore and forget The Apostles and concentrate on what we do NOW. We have to think ahead! All 664 of the works recorded by UNIT (so far) are now available free of charge on our You Tube site. Type ‘UNIT Andy Martin’ into Google and it will take you to our site. I recommend Eagle, 1985, Who, Ming Hai, Orders of The General, Grange Hill, Osaka Boy, Hup Soon Heng and New Order as decent starting points. Almost every track recorded (ineptly) by The Apostles was recorded again (properly) by UNIT so if you wish to hear the proper, definitive renditions of these works then listen to those by UNIT rather than the vastly inferior attempts by The Apostles.

Tierautonomie: Can we change something ‘from beneath’ meaning without being popular, without catering to standards and status quo, finally also without the help of the cultural industrial complex (i.e. Kulturindustrie) and its consumers-of-content, or should we just ‘go with the flow’ if it happens to run under the right flag and label, and let others who have some ‘public support’ speak for us; can the individual otherwise have a valid, distinct voice? Sound, No Sound, breaking and creating codices.

Andy Martin: The most depressing answer, briefly, is: no. Sorry – and I mean I am genuinely sorry – but I do not believe independent groups (drama troupes, artists, musicians) are able to effect change in society. Writers (possibly) may be more successful but only in the age of the internet where it is now easier (and cheaper) to disseminate subversive literature. You see, with (to take the most familiar example) music, it is generally limited in its appeal by whatever idiomatic language it adopts. Folk music will usually appeal only to people who like folk music, jazz to jazz hats, punk rock to punks (or morons) and so on. Literature is able to proliferate its contents across a wider range of people – William Burroughs and Anthony Burgess are read by hippies, punks (those who can actually read), students and intellectuals. The only people not affected by this literature are skinheads, obviously, because their only purpose on the planet is to provide animated punch-bags for niggers who wish to advance their training as boxers. Do skinheads serve any other useful functions? I suppose you might use them as door-stops and draught excluders.

Digression: in Britain, skinheads are as extinct as the Dodo. In the mid 1980s, a group of Asians in Bradford decided they would no longer tolerate racially motivated assaults by gangs of skinheads in their area: they fought back – hard! The effect of this upon the rest of the nation was utterly incredible. Within 2 years, skinheads simply vanished from our streets. Skinheads never attacked niggers (unless the odds were 5 to 1 in their favour) because niggers are usually big, burly and able to fight back. Wogs and Pakis were considered safe targets…until Bradford 1985. After this initial fracas, groups of Asian youths (including mixtures of Indians, Pakistanis and Bangladeshis, itself a highly unusual occurrence) patrolled Bradford, Leeds and other areas of the country where they simply hunted down skinheads and battered them – splendid! Suddenly Pakis were no longer fun to punch. The words ‘coward’ and ‘skinhead’ are mutually interchangeable.

Actually, black people seem to be more adept at the creation of subversive acts within the arts than any other racial group. This observation may be a consequence of living in Britain – perhaps if I lived in South America or Africa I might be obliged to alter or modify my assertion. I think primarily of the Black Panthers (naturally – all power to them and peace be upon their name) but also Charles Mingus, Ornette Coleman, Gil Scott Heron, The Last Poets and, in more recent times, Ice T, NWA and The Bad Brains, all of whom were genuinely subversive. Can white people be subversive then? Well, yes, of course they can…but it has to be what I call genuine subversion and not merely a desire to emulate some miserable Marxist clique or socially acceptable form of dissent like the campaign for nuclear disarmament, for example. The State is remarkably proficient at taking subversives and recuperating them into its paradigm. Animal rights campaigners in the 1980s were initially subversive but by the end of the decade we had Boy George and other media celebrities claiming to support animal rights…although I wonder how many of Boy George’s cosmetics were tested on animals?

No, I don’t believe it is advisable to allow media spokespeople to represent us. It was tried in the early 1980s in Britain when a pop group called The Jam appeared to win a major battle: suddenly the national pop charts contained songs which included political sentiments critical of the government und kulturindustrie…or did they? How revolutionary was that pop group? I argue: not at all. This is not a criticism of Paul Weller (the man who wrote 90% of the group’s works) rather an observation on the ability of their record company (Polydor) to market rebellion successfully, just as another major record company (CBS) marketed rebellion when they released records by The Clash, a band whom I absolutely despise, by the way. Ugh! Give me The Jam any day – at least their songs were decent. Polydor tried to capitalise on this again when they signed The Wall to their label but they found The Wall too much to handle. They could not recuperate The Wall and turn them into pop idols, despite the obvious strength of their lyrics and music. This is why Polydor decided not to promote the group but use them as a means by which to obviate their tax returns.

Note: a national socialist (Nazi) party in Germany recently managed to acquire 13% of the national vote in a general election. The Freedom Party of Austria is still immensely popular. Does this mean lots of Germans and Austrians are secret Nazis? Honestly, no, I don’t believe it does. Fair enough, a tiny minority of those voters will be morons and cretins who still worship Herr Hitler but I am convinced the majority vote for these parties not so much because they support their policies but because the more conventional parties have failed to represent their concerns – mass immigration being the most pertinent. To be opposed to immigration (as I am) does not mean you are automatically a Nazi. Anyway, the only people able to represent us is ourselves.

Tierautonomie: I want to ask you about the inspiring quality of some of your tunes.

Andy Martin: Ah, the secret of my success – well, this is not going to please the punk punters out there but my ability to write unusual works with interesting harmonies and memorable melodies is a direct consequence of my musical environment. Until late 1979 the only music to which I listened was classical – baroque and 20th century mainly. I raised myself on Bach, Purcell, Charpentier, Rameau and their peers. To me, contemporary music meant Berio, Nono, Henze, Xenakis, Penderecki and Messiaen, not the pop pish peddled in the pop charts everyone at school enjoyed. 2 school pals (Eric Cooper and his girlfriend Susan Wilkins, peace be upon their names) managed to introduce me to the group Wire (the album 154 and its free EP). Until then, I literally took no notice of pop music. It was irrelevant to me. Thus in 1982 when I began to write music for The Apostles, I had no idea how one was supposed to construct pop songs. I applied my lessons (self taught) in harmony and counterpoint to pop songs which is presumably why they sounded so odd. In fact, they were wrong! I really didn’t understand improvisation, repeated riffs and pop song structures.

Other bands were influenced by which ever pop groups they listened to during their formative years…which is perhaps why so many pop groups sound so similar (to my ears anyway). My influences were Bach or Xenakis…which meant my pop music was inevitably destined to sound rather weird. It may also explain why The Apostles sold records by the tens while other groups sold records by the thousands. Most people did not like my music – I can appreciate now why this should be but at the time it perplexed me. Why did so many people detest my music? What was wrong with it? After a while I learned simply to accept I was not going to rival The Jam or Wham for popularity and continued to sit in my room and contrive increasingly strange pieces destined to appeal to only the most adventurous listeners or those with unusual musical tastes. C’est la vie.

You see, I was not able to emulate other pop groups because I simply had no idea what they sounded like…with the corollary that my own works sounded highly individual. It allowed me to cultivate a distinctive style (albeit a most unpopular style) that did not sound like anyone else…well…usually. However, there are 2 embarrassing exceptions: Wire and Joy Division. I can’t remember now who introduced me to the work of Joy Division but for a mercifully brief period, their music had an effect on me and I am ashamed to admit this becomes apparent in some of the pieces I wrote during the mid 1980s. (The primary offenders are The Victim, The Sword, New Face In EH4 and, of course, Walking Away which – as someone revealed to me a couple of years ago – is basically Day Of The Lords with slightly different chords.) Paradigm and The Shadow Out Of Space both sound like cover versions of obscure songs by Wire although I do not find this a source of shame or embarrassment.

However, later in the decade when I became acquainted (although not through choice) with other pop music (even, occasionally, the odd punk band) when various band members of The Apostles tried (with a spectacular lack of success) to interest me in their music or, at any rate, forms of music other than those genres I favoured, I realised how lamentably limited and conservative it all sounded. I made no distinction between The Exploited, Metallica, Crass, Spandau Ballet or Soft Cell – it was all rigid, fixed, old fashioned and tediously predictable. It made me more determined than ever to write music that was nothing remotely similar to their dreary old tat. My harmonic language is derived from a study of scores by J S Bach (Der Kunste Der Fuge) and the Austrian 19th century composer Anton Bruckner (Symphony No.9) although I never actually quote from these works.

I have included actual quotes from classical works in my pieces: The Land Of The Mountain & The Flood by Scottish composer Hamish McCunn (The Loch & The Glen), the Nocturne In Eb by Frederick Chopin (the bass guitar melody in Pale Blue Eyes) and the Symphony No.6 by Franz Schubert (Danny Wentworth) are the most celebrated examples. Look, take a track by a pop group,  any pop group. You hear them play a riff. Can you predict what will happen next? I can do so without even hearing it – they’ll repeat the riff another 3 times then – if you’re lucky – they’ll change into a different key and play another riff 4 times. When I hear a piece of pop music, I usually predict what the next chord will be, too. People in pop groups are generally bereft of imagination as well as talent and skill. Mind you, presumably they know what they’re doing since most pop groups sell more CDs than we do!

The Apostles – The Cripple: Audio link (mp3)
Unit version of The Cripple: Video link

Tierautonomie: Our interpretation: In this song you were discussing social isolation within a questionable society, the rules of how someone is supposed to look to count as lovable by society, physical abled-ness as the standard, the subtle ways of sorting someone with a ‘disability’ out, and even if you don’t want to belong to this majority group (or the defining majority) you are being humiliated, devalued on the basis that you would stand outside of that majority group. This is how I understand the message of the song. What were / are the main ideas behind this song? Do you think anything has changed about the perception of disability in society?

Andy Martin: My initial motivation behind this ballad is selfish. I was born with severe dyspraxia (although I did not know its name until many years later) which meant, in theory, I would never be able to participate in any sports that involved hand to eye co-ordination nor play any musical instrument. I knew I was different to almost everyone else in school but I didn’t comprehend why. Everyone else could play football, tennis, cricket and rugby so why couldn’t I? Nobody else was anywhere near as clumsy as was I. It soon became apparent to me that I was also abnormally ugly; the other boys and girls subjected me to ridicule without mercy, day after day, week after week, month after month, for being a spastic and for being a troll. During my final year in school I also realised what I felt toward 3 particular boys (Wayne Johnson, Danny Wentworth and, most of all, Paul Novak) was what other boys felt toward girls. This detestable aspect of my character proved more than I could tolerate and it is the reason I tried to commit suicide in late 1980 which resulted in my incarceration in Springfield Psychiatric Hospital. I could accept being ugly and partially disabled; I could not accept being queer. Anyway, with reference to the first two problems, I describe this attitude of pupils and teachers in my 3rd book, Faded Fragments Of Distant Dreams, the 1st of my 3 autobiographies. The book is important because it is one of the rare examples of a narrative that describes, in detail, how children (pupils) were actually treated by adults (teachers) in secondary schools in Britain during the 1970s. That I am involved in the accounts is not a reason for its importance, of course.

What concerned me (which found its expression in this ballad) was a factor with regard to disability which nobody wished to mention or discuss: sexuality, almost as if spastics and cripples are not supposed to possess sexual passions. Stuff that! Why should a boy with motor neurone disease not be allowed to have sex with a girl he finds physically attractive? There is (or was) in Britain an organisation of prostitutes who specialised in the provision of sexual services for disabled people. Various newspapers and media commentators heaped odium on this group, citing moral outrage as justification for their consternation…so do they really believe disabled people should be denied sexual encounters? I do have a slight problem with this ballad: my disability is minor and certainly does not merit much sympathy compared to someone with cystic fibrosis, motor neurone disease or polio, to provide just 3 examples. The text could give the impression (erroneously) I ask for sympathy or pity – this is absolutely not the case.

Actually, a far superior piece (at least in terms of the technical aspects of both the text and the music) is Thalidomide because it successfully addresses a topic that is not motivated from purely selfish concerns.

The Apostles – Anarchy, Peace & Freedom: Audio link (mp3)

Tierautonomie: In this song you formulate a critique of the anarchist pacifist counterculture on the 80ies, you pick up intersecting power-and-oppression-cornerpoints, like the oppressive structures of the state, racism, animal torture (speciesism), how nazis have pacifists on their death lists and communists wish to enslave them, that it’s inadequate to react to oppression with a pattern of being stoned (escapism maybe), being into Crass (some ‘cool band with a cool message’), how everything is drowned in the idea of being a pacifist while criticising any form of defensive violence. Is this rightly understood more or less? Does the ideal of pacifism mute controversy and tend to overlook the quality of conflicts which can’t be easily solved?

Andy Martin: All 3 members of the original version of The Apostles (Pete Bynghall, Julian Portinari and Dan MacKintyre) tried to convince me Crass had a viable message for British youth and for dispossessed working class people. The more they described what Crass believed, the more horrified and disgusted I became. The proliferation of totalitarian regimes in the 20th century is not a single phenomenon with a general character. Distinction must be made between (for example) Nazi Germany and Soviet Russia. Nazism is a tumour generated by monopoly capitalism, a form of barbarism produced by capitalism at the end of its tether. Soviet rule is a species of tyranny, the domination of populations by unassailable elites, a natural consequence of Marxism partly exacerbated by a global struggle with capitalist powers. Both represent a perversion of traditional socialist aspirations for revolutionary change through the agency of a politicised working class.

British colonialism found its expression in the late 20th century through its treatment of Irish prisoners. I am old enough to remember the hunger strikes in which Irish member of parliament Bobby Sands literally starved himself to death while held in detention in the establishment at Long Kesh (the infamous H Blocks) along with dozens of other Irish prisoners. Did we emerge victorious against the Nazi regime through pacifism, group hugs and tofu burgers? My utter fury expressed in this anthem is a consequence of my disgust for the sentiments expressed by typically middle class spoiled brats terrified of genuine revolutionary change, the kind of scum I mentioned earlier. These were teenagers from safe, often privileged families who sought to dictate to me how I should express my dissent against the British government of the time. What monumental arrogance! Who the hell did these buggers think they were? To whom did they think they were speaking and writing? I can answer that: they thought they had a right to adopt an officious attitude toward me because, being accustomed to giving orders (just like their parents) and being obeyed by their inferiors, they assumed I (a working class rat bag) ought to shut up and behave.

Every bleating pacifist platitude is an insult to the slaughtered masses of the holocaust, the Jewish victims at Katyn in Poland (murdered by Russian troops in 1943) and every Irish prisoner tortured and murdered by occupation forces in Ireland. What increased my rage was the audacity of these punks who dared to try to dictate to me what my response should be to the gross injustices committed by regimes around the world when a) I was not a punk, b) I was not directly involved in the punk scene, c) The Apostles was not a punk band and d) these people (I’ll call them ‘people’ in a token attempt to be polite) so obsessively worshipped their pop heroes (Crass in this case but the name of the band is immaterial) they insisted everyone else in the world ought to be the same as them…which is an attitude typical of socialists and one shared by religious zealots such as Jehova Witnesses.

Ethical praxis

The Apostles – The Sword: Audio link (mp3)

Tierautonomie: This is a very unique song to me, because you refer directly to the ‘moral’ proverb of ‘he who lives by the sword will die by the sword’ and contextualize this with the situation of being bullied. This song seems ‘empowering’ because it gives a sort of motivating idea by making use of an ‘experiential wisdom’ type of phrase. This is something that would have probably not occurred in pop / charts / commercial music which prefers to represent a current Zeitgeist and fashion most of all and not old sayings. The solution to the problem described in this song is kind of brought about by something described in a ‘moral’ phrase, and morals and wisdom had a difficult position in the 1980ies already too? Is this song in itself a moral song in some way, as it does not leave the problem with the affected person or victim alone but postulates an entire structure of ‘moral fallacy’ concerning the oppressive agent / the bully?

Andy Martin: In 1986 I met a young man who called himself Animal. He was (I think) 2 or 3 years younger than I. He attended Amery Hill School which is where I spent my teenage years. It was the first (and remains so far the only) occasion on which I met anyone else who attended that wretched establishment. When he realised I also used to go there, he spoke about the teachers and the prefects with particular emphasis on their behaviour. The vile practises I witnessed there during the 1970s evidently continued after I returned to London and it so disgusted me I felt motivated to write a ballad about it…but the trauma I experienced in that place formed part of the reason I was incarcerated in a psychiatric hospital and the emotional turmoil proved beyond my ability to endure so I had to express my reaction to the school in an oblique manner…which is how The Sword came to be written.

This number is indirectly (or perhaps directly) related to Anarchy, Peace & Freedom because it defends the right of the victims of bullies to use violence – brutal, glorious violence – against bullies. Here’s a lesson for weak, liberal pacifists who, being from pampered middle class families, speak and write from a position of ignorance: during my 1st, 2nd and 3rd years in Amery Hill School, I was consistently bullied, mainly by other pupils but also by prefects and teachers; during my 4th and 5th years in Amery Hill School, nobody ever tried to bully me again. Why? What changed? I changed! My pal Eric Cooper and his magnificent older sister Karen (who taught unarmed combat in a local airforce base) gave me regular self defence lessons every Saturday morning. They taught me how to fight and how to inflict maximum damage against assailants who were bigger and stronger than I. These lessons were extremely effective…as the bullies discovered to their cost. It is an unfortunate fact there are occasions when the only effective means with which to combat and beat fascism is by the use of fascist methods.

I am aware there may be readers who think it wrong to physically fight bullies – people who believe ‘violence only leads to more violence’. Christ but I’m so sick and tired of this dreary old debate…but let’s do it anyway. The New Testament teaches us to ‘turn the other cheek’ and forgive our enemies. Right then, so this brainless 4th year thug at school batters 1st year girls and swipes their dinner money. He tells them to give him 50 pence each Monday morning if they want to avoid a bashing. This behaviour will continue until someone physically stops it. A girl tells him she understands his emotional turmoil and she forgives him. ‘Great,’ the bully thinks, ‘an easy conquest’. Then this other girl – let’s call her Sandra – she’s from the 4th year and decides she really doesn’t want to tolerate this abusive behaviour. She grabs the boy during break-time, knees him in the crotch, head butts his nose and punches him on the jaw. He collapses to the ground so she delivers three hefty kicks to his body. ‘Every girl you bash from now on results in a bashing from me in return – it’s your choice’ she says. Suddenly his former activity is no longer fun – no fun at all. Who benefits from this new reality? Every girl in the 1st year who would otherwise have to give their dinner money to this odious 4th year boy. This is not a fantasy concocted to support my argument – it is a description of an event that actually happened in my school. I witnessed it.

Now take the argument onto the streets of Colombia in the 1990s where death squads hunted down homeless children for fun and shot them dead. Does this vile practise still continue today? I sincerely hope not. However, suppose a group of homeless children encounter one of these gun toting gangs. One of the boys – perhaps he’s a Christian – tell the gang he forgives them and pleads for his life and the lives of his pals. What is liable to be the reaction of that gang? Well, obviously, they’re going to shoot every one of those children, saving that boy until last probably…but only after they’ve stopped laughing. If you forgive a transgressor, what you actually do is allow their antisocial behaviour to continue. Worse – you imply that behaviour is acceptable. No, this simply cannot continue. Let’s adopt my method now. The death squad enter a cul-de-sac and there are those homeless children. Instead of some weak, wimpy Christian boy, there’s a sneering feral child armed with a spray can and a Stanley knife. The children erupt into action, tearing at the faces of those gang members. Yes, some of them are quick enough to fire their guns and yes, some of the children die…but those who survive pick up the guns of the fallen gang members and blast to fragments the faces of every remaining death squad member. This begins to happen in other cul-de-sacs, on other streets. See what I mean?

The history of the human race is one of wars, battles, riots, putsches, pogroms and internecine squabbles. Thugs and bullies don’t understand kindness, decency and intelligence. You might just as effectively communicate with them in ancient Greek. However, such people do understand violence – the only language in which they are fluent – so that is how to address the issue. Any other solution is mere madness or, at best, fatuous fol-de-rol.

The Apostles – Proletarian Autonomy: Audio link (mp3)

Tierautonomie: This song covers a basic political approach in a very concentrated form, phrased in political punk terms: how self-organisation within a community can be brought about by the individual/s; implying that political concepts and utopias seem to overlook this factor (i.e. individuality) in its potentiality. Is the individual maybe the one who is continuously silenced and deconstructed in cultures and societies, and only the person of the crowd taken as the entitled ‘citizen’? (The term individualism though has been of course hijacked by neoliberalism pretty much, as a denominator of social-darwinist egotism, but this is referring to the actual real individual in the ‘strict’ sense of basically being one living entity.)

Andy Martin: No! Absolutely not. With respect to you, this anthem is not phrased in ‘political punk terms’. It has absolutely no relation to punk rock at all. There is nothing ‘punk’ in the text of this number. I noticed many pop and punk numbers that addressed political topics only ever moaned, whined and complained about this or that aspect of society. Nobody ever sat down and thought about writing a song, ballad or anthem which featured a possible solution…so I did!

In fact the lyric was inspired by a lecture I heard on BBC Radio 3 on two 20th century philosophers, Herbert Marcuse and Hannah Arendt, 2 Germans who emigrated to America to escape from the 3rd Reich. Modern society is not simply aggressive, exploitative and dominated by an overwhelmingly powerful ruling class; it has also acquired the capacity to absorb into itself the forces which might seek to oppose it. This is true not only of the industrial working class which entered into a collusive relationship with elements of capitalism that claimed to administer to its needs. This also applies to aspects of ideas, science and the arts. The bland mediocrity of modern existence informed by a detergent uniformity imposed by the corporate media is a consequence of this absorption. Modern reality is oppressive because it denies the power of dissent. Only given ‘facts’ possess reality and ideas, claims or fantasies which cannot be accommodated by (and assimilated into) the pragmatic requirements of the ruling elite are either dismissed or given a positive (but sanitised) function within the prevailing paradigm.

However, I must admit this anthem is not completely honest as an expression of my beliefs. Aware my right wing political beliefs might cause trouble for my fellow band members, I attempted to concoct a mechanism by which a pseudo-anarchist form of self government might conceivably function – thus was the text to Proletarian Autonomy created. I genuinely wanted to believe this could be utilised as a blueprint for society but I had to admit (secretly, to myself) most people simply could not be trusted to behave themselves if such an attempt was made…which is why I believe a strong form of government essential, primarily to keep the rabble under control.

The popularity of radical protest culture

The Apostles – Mob Violence cover by Burnt Cross: Video link

Tierautonomie: This rather dynamic song is one of these hardcore anthems that you created. It seems to me that Burnt Cross have taken up this song giving an idea into today’s somewhat different punk-related social manifestations of resistance. The original sounds harsher, rougher.

Andy Martin: In 1984 I joined Class War, inspired by the noble presence of Ian Bone, a man for whom I have infinite respect, patience and admiration. It is most unfortunate this anthem is associated with punks because in fact the text (of which I am justifiably proud) is my first genuine attempt to engage with a form of radical politics not informed by my right wing past. The music is trite nonsense and frankly the text deserves a much better musical setting but I was under pressure to complete the piece in time for the record on which it is featured (Smash The Spectacle, our 5th EP) so I contrived this rather mediocre series of riffs which I consider a poor response to such a clever lyric. By the way, I really don’t care how conceited that sounds – it is a clever lyric! After a further attempt (on the album Kämpfbereit) we finally managed to record the definitive account of this anthem on our album Rock In Opposition: Phase 5 in 2014. The ‘original’ sounds harsher, rougher, because none of us could play it properly (apart from Chris Low whose drumming was always decent). I am pleased (and, let’s be honest, rather flattered) to find another group have recorded an account of one of my numbers.

Tierautonomie: You give some info about how this song came into existence in the description of the Unit 1996 version. What did you feel was missing in this song when you wrote it and you noticed it’s getting more popular than you maybe thought it ought to be?

Andy Martin: I realise I have already answered most of this in my response to your previous question. Actions speak louder than words: I invite readers to type ‘You Tube UNIT Mob Violence Andy Martin’ into Google and listen to the 2014 recording. They will realise (if they are familiar with the earlier versions from 1984 and 1996) why I was personally not satisfied with it. The lyric certainly deserves the popularity it acquired; the music – especially the poor performance by The Apostles – does not.

There is another, more important, problem with this number. It is a problem that afflicts any group who sings a number concerned with direct political action. If we were so concerned about taking direct political action against the State, we would not have time to march into a recording studio and sing songs about direct political action – we would instead march onto the streets and do it rather than sing about it. Without going into detail (for obvious reasons) it is true some of us (including myself) were involved in direct political action during the 1980s but does that make my anthem legitimate? Do I have the right to encourage other people to engage in direct political action when all I’m doing is standing in front of a microphone in a recording studio and bawling out a lot of words that could be conceived as merely an expression of the rhetoric of crisis? I admit I have no satisfactory answer to this.

The Apostles – Punk Squatters: Audio link (mp3)

Andy Martin: This allows me to provide a rare example of a brief, simple answer to one of your questions. I find nothing about the song to criticise in terms of its text, music or arrangement. My complaint is the extremely daft (and obviously fake) London accent I adopted in our works at this time which is especially prevalent on this number. In fact it could be longer – it is an expression of alienation (but humorous) since it describes my brief period living in 281 Victoria Park Road. I lived in the attic in splendid isolation while everyone else in the place belonged to what other people referred to as the Hackney Hell Crew. We had almost nothing in common. They never washed, they listened to heavy metal records and they were all unemployed. I dressed smartly, kept myself scrupulously clean, worked as a landscape gardener and listened to BBC Radio 3.

Tierautonomie: Shows that punk has not been a monolith, but rather a diverse mix of social backgrounds, denominators and positions and that it was only a peer group, fragmented, insofar as “others just would not care”, that society was ignorant of a lot of things. Can you give us more about the background of what made you write this track?

Andy Martin: I think I have already answered this in my response to your previous question. The track was a humorous (and unusually good natured) satire on the typical daily lives of punk squatters. I enjoyed being able to write a number about punks that, for once, did not have to insult and vilify them! That said, in my experience, ‘punk’ means ‘white white white as far as the eye can see’ (Ernest Hemmingway). There was never a diverse mix of social backgrounds – punks were always spoiled middle class brats. Perhaps it was different in Germany. I am given to understand it was certainly different in America…could that be why it is mainly Americans who visit our You Tube site and who purchase our CDs?

Animal Rights in the early 1980s punk movement: as for the Apostles

In The Name of Science, original Apostles version: Audio link (mp3)
Unit version of In The Name of Science: Video link

Tierautonomie: This song is a classic in hardcore animal rights history. It’s radical, metaphoric, dares to express that the emotional response to speciesism is a fundamental one. Hardcore punk brought Animal Rights into the protest culture of the second half of the 20th century [1] and an ongoing vivid trail of following lyricists and musicians in the related music scenes have knitted on this tradition. You were basically intersectional with the inclusion of Animal Rights into the discussion of social relevance.

Andy Martin: Most become vegetarians as a result of their disgust at the manner in which animals are maltreated in our societies. I became a vegetarian in 1982 for a daft reason: I met a 15 year old lad called Matthew Pond, the son of newspaper columnist Sheila Macleod and pop singer Paul Jones (real name Paul Pond). He was a) a spoiled middle class brat who thought everyone else in the world existed purely to serve his own requirements, b) a punk rocker, c) a Crass worshipping pacifist and d) one of the most odiously conceited, arrogant and profoundly selfish people it has ever been my misfortunate to encounter…4 reasons to absolutely despise him! He informed me he had become a vegetarian and thus was superior to me. Purely to spite him I, too, decided to become a vegetarian, determined to beat him. I was convinced he’d revert to carnivorous behaviour before I did…so imagine my delight when he did! To be fair – it was a chicken and mushroom pastie that did the damage so it could be argued he suffered intolerable provocation since how many other people in his situation would be able to resist such a repast?

Brief digression: I met Paul Jones (who used to sing for a group called Manfred Mann) when he visited my attic in 109 Foulden Road. He called to collect Matthew to take him to the west end or the zoo. I found Mr Jones to be pleasant, affable, honest and a genuinely decent person – even though he was a devout Christian. How could this splendid man generate such a foul and loathsome specimen for a son?

Now I faced a problem: how could I tell people the reason I was a vegetarian was purely because I sought to spite a middle class brat? It would sound silly – well, I suppose it was silly, just a bit. The issue intrigued me – why did people become vegetarians? I thought vegetarians were hippies and eccentric health food fanatics. Therefore I began to investigate the matter of animal rights. It took me about 3 days to digest (forgive the pun) the information I discovered courtesy of Little @ Printers where, a year later, I would be employed as a dark room assistant. Anyway, I have absolutely no memory of the sources of this information but I suspect they were pamphlets rather than books, perhaps those issued by the Hunt Saboteurs Association and the Animal Liberation Front. I could scarcely believe what I read – the texts included actual photographs for verisimilitude.

Let’s not trivialise the issue here: I loved to eat meat! I scoffed liver, bacon, sausages, kidneys, steak, chicken, duck and pork. The only meat I did not like (indeed have never liked) is beef and hearts. I loved chicken and mushroom pasties, Cornish pasties and pork pies. How the hell was a carnivore of my status ever going to remain a vegetarian? Well, the power of those ALF pamphlets proved sufficiently strong even when set in opposition to my carnivorous nature. I managed to remain a vegetarian and I even tried to be a vegan for a brief period. I managed it for barely 2 years. The problem here was tea. I am addicted to tea…yet it has to have milk in it (but not sugar – anyone who puts sugar in tea is a barbarian). I managed to survive on tea with soya milk but after nearly 2 years I could no longer tolerate it. Anyway, I have remained a strict vegetarian to this very day. I do have months where I refuse (almost) all dairy products except for milk in my tea.

However, I do not know many vegetarians. There is a reason for this: most people who claim to support animal rights (especially those below a certain age) adopt an attitude of insufferable superiority over others. I observe a similar attitude among Marxists and fundamental Christians. What these people seek to prove is this: ‘we are better than you; we are superior – only when you adopt our belief system and act like us will we accept you just might be acceptable to our social circle’. Well, I most definitely have no wish to be accepted into such a social circle…because if these kind of people did accept me then imagine what a tedious wretch that would make me! It is right for me to be an atheist, to espouse right wing libertarian politics, support animal rights and be a strict vegetarian – it may not be right for someone else. Who the hell am I to tell other people how to live their lives? I can tell them why I am not a Christian, why I despise Marxism and why I am a vegetarian – but it is not my business to try to change their lives unless (and only unless) their behaviour impinges upon my freedom and diminishes the quality of my own life. This is the problem with Marxists, Christians and a certain type of animal rights activist – they are crusaders who believe it is their duty to evangelise and convert everyone else in the world to adopt their own belief system.

Tierautonomie: I wonder about the problems faced momentarily and over the long run in terms of land possession and political entanglements with the inherited structures of the monarchy and aristocracy in the UK regarding hunting, the badger cull and other wildlife management, that are marked as a patriotic act almost, seen in front of this historical background. One notices that the hunt sab movement in the UK seem to stand for a form of fundamental resistance against traditional speciesism in ‘British hunting’ that is much associated with the aristocracy and those loyal to them.

When I joined the Hunt Saboteurs Association in the 1980s, the initial impetus was my hatred of the aristocracy rather than a love of animals. I was never impressed by those sickening little posters of cute and cuddly baby seals on ice floes that commanded us to take action against seal hunters. I thought instantly of eskimos who, if they turned vegetarian, would starve to death. Anyway, the landed gentry have always hunted victims – in the dark ages they took our land by brute force and created feudal societies where people like me were obliged to work for our lords and masters or starve…or face summary execution. When civilisation began to develop (during the 17th century) the aristocrats decided to find other methods to pass the time and relieve the tedious boredom experienced by excessively wealthy people…such as hunting and killing harmless animals.

Why do we have a royal family in Britain? Because King William The 1st of Normandy invaded England and quite literally stole land from our people. The British monarchy has consisted of foreigners from 1066 onwards – quite literally. King Harold was the last British monarch who was genuinely indigenous to this nation; all the others since are invaders. In the early 18th century we even imported parasites from Holland and Hanover (William Of Orange followed by George The 1st) in order to continue the tradition. How stupid is that? In 1914, the royal family changed their name from Sax-Coburg to Windsor as it didn’t seem politic for our monarch to have a German name when our young men were being slaughtered on the fields of France by German troops. What a shameful embarrassment that in 2017 there is still a royal family in Britain and, even worse, we still have aristocrats who live in castles and mansions built on land that once belonged to ordinary working people!

Acts of cruelty and brutality (be they against animals or human beings) are often legitimised by their perpetrators when those people are too cowardly to stand up like men and simply admit they perform such acts for enjoyment. When a gang of thugs roams the countryside to kill badgers, they never have the courage to admit they enjoy hunting and killing living beings – they concoct the most absurd and fantastic reasons to justify their abominations against nature – it’s our patriotic duty – it’s for the benefit of all the other animals – it’s to protect farmland – it’s part of our national heritage. If an aristocrat sat on his horse and, with a sneer of utter petulance common to such people, announced his intention to hunt stags and foxes because he enjoys the infliction of cruelty, I would have more respect – or perhaps less contempt – for him than for his peers who contrive all manner of bizarre reasons to account for their despicable behaviour.

Tierautonomie: Is this a right impression that the hunt sabs stand for a political ground against traditional land politics and classist forms of animal oppression? It seems like the UK has the strongest or at least most noticed hunt sab movement worldwide.

Andy Martin: Yes, I agree with you. Unless I am in error (which is quite possible) I believe Britain, more than any other European nation, specialises in the infliction of cruelty upon animals with zealous pride…which is ironic when you consider Britain is known as ‘a nation of animal lovers’. I wonder who invented that phrase…someone high on industrial amounts of LSD 25 probably. In China and other nations in south east Asia, cruelty to animals forms an integral facet of their national character. I expect Japs to hunt whales and eat dogs because they’re savages who don’t know any better. However, in their defence, the Chinese sincerely believe it is perfectly acceptable to maltreat cats and dogs – they never try to hide their vicious cruelty behind those absurd excuses contrived by English aristocrats. We are given to expect Europeans to be more civilised…but apparently we are not.

It is hardly a surprise Britain has such a strong tradition of hunt saboteurs given the demographic nature of what is essentially a class war. Working class people generally do not form gangs and hunt down stags, foxes and mink apart from those hired thugs who work for the gentry because they possess insufficient intelligence to perform more useful tasks for the nation. Wolverhampton football hooligans famously joined an association of northern hunt saboteurs in the late 1980s, not because they cared about the plight of the animals but because they simply wanted an excuse to batter the hell out of a few aristocrats…which is fine by me!

Tierautonomie: In context of this song, which is also my personal favourite, I would like to point out that your vocals are unique in hardcore punk by being somewhat melodic, really almost as in some type of folklore, however in a sense ‘aggressively melodic’. This is a vocal style somehow, or let’s say if we take it as that, what do you think of different singing styles, do vocal styles express something important in a sense, in whatever possible ways?

Andy Martin: I have no doubt my vocal style is ‘unique in hardcore punk’ but then is my vocal style actually unique? I doubt it. The vocal styles of Dolly Parton, Tom Waits and David Hasselhof would also be unique in hardcore punk…but then since none of those singers are hardcore (or any other variant) of punk, the question is scarcely relevant! As I am not (and have never been) a ‘punk’ nor a member of a punk band, my vocal style (or the style of instrumental playing of myself or of any other band member) is irrelevant to hardcore punk. Indeed it is related more to avant garde jazz or traditional Scottish folk music, if it is related to any genre at all (and it may not be, of course). Unfortunately one of the reasons my singing sounds unique is because most of the time I have the voice of a homosexual crow with influenza. I can sing in time and in tune but I have a crap voice and it frustrates me. When I sing double and treble tracked vocal harmonies, it doesn’t sound too abominable (as on Workers Autonomy, Blue Life and Hup Soon Heng) but really, I am not much of a singer…I wish I was but (sigh) I have to admit I am not.

Although I am not a fan of pop music, if I had to pick a favourite pop singer of recent times then it would be Liam Gallagher. Oasis are one of the few pop groups whose music I consider sufficiently impressive for me to include 3 discs of their selected tracks in my CD collection. By contrast, one of the worst singers I have ever heard is that git who whines interminably for Radiohead. Look, if you have lyrics you want people to hear and comprehend then you have a duty to sing them clearly and with precision.

Tierautonomie: Since we are mainly a blog dedicated to the concept of nonhuman autonomy I post these excellent lyrics of your song In The Name of Science here. Although I wished I had all mentioned songs’ lyrics in a written form. I hope they will be available sometime, is there any chance they’ll be accessible online some time?

In The Name of Science

They call it vivisection……………………..I use another name;
compulsory infections………………..is it some brutal game?
and lethal dose injections…………….Are animals to blame?

Ever since the fall they’ve practised bloody genocide
so hear the call – let’s pay them back with homicide.
We’ll have them all, no matter where they try to hide.
We won’t fake it anymore; we shall even up the score.
Pacifism is a bore, so let’s wage a bloody war.

We shall revenge every animal who has bled;
we’ll drag experimenters from their beds
and gouge the eyes from their heads
then mutilate their bodies till they’re dead.
Experiment on scientists instead.

In the name of science………………you justify your cause.
In a metal appliance……….you clamp a creatures’ claws.
You display defiance……………….to mother natures’ laws.

So we shall fight to free each creature tied and bound.
We have the right to burn laboratories to the ground.
Behold the sight of rescued animals safe and sound!
It’s often occurred to me mother nature had a plan
and it’s plain enough to see she made a mistake creating man,

for when I witness mankinds’ cruelty
I realise how repulsive he must be.
I despise the arrogance of humanity
and I’m ashamed to think that it’s a part of me,
when profit and murder join in an alliance in the name of science.

Text & Music – Andy Martin.

Andy Martin: I include (almost) all the lyrics for our works in my book Dare To Be Different which is available from Lulu.com. More recent lyrics are included in a short section of my book Fast – Clean – Cheap which is finished and should be available before the end of the year, also from Lulu.com. It is my intention to include all our lyrics in an entry on our website but Zhang Yao Min (UJ) is the young man in charge of that and he only has limited time at his disposal (he has a full time job teaching film students) so I am not certain when this will be completed.

Tierautonomie: which further reading that gets the reader into your work would you recommend? There are great texts on the Unit site, I especially fancy your thoughts about language on there.

Andy Martin: I know of only 3 – our website, our You Tube site and the on-line publisher responsible for my books.

There are currently 8 books available. I mention this because I realise our music – particularly those works composed by me – will not appeal to most people and it is not reasonable to expect such strange music to be popular. However, I am convinced most of my books are far more accessible (apart from The Workshop which is an exercise in avant garde literature that many readers will possibly find excessively tedious).

  1. Progressive Rock – The Music That Dare Not Speak Its Name
  2. Chinese Cinema 1905 – 2005
  3. Faded Fragments Of Distant Dreams (autobiography)
  4. The Essays (science, history, politics and the arts)
  5. The Workshop (dream diaries and cut-ups)
  6. I Wish I Was Dead (autobiography)
  7. Dare To Be Different (interviews and articles)
  8. Not In Front Of The Children (a study of Grange Hill 1978 – 1993) with photographs, episode synopses, cast lists and a contemporary debate on the programme with a group of teenagers from a local housing estate plus a historical survey of childrens’ television drama 1960 – 1990).

4 further volumes are in preparation

  1. Fast – Clean – Cheap (a collection of art, poetry, stories, essays and articles by various contributors including past and present members of UNIT)
  2. My Very Brief & Unsuccessful Career As A Human Being (autobiography including a history of The Apostles, Academy 23 and UNIT)
  3. Civil Disobedience (a collection of short stories for children)
  4. Behind The Bike Shed (a novel for children)

I am not familiar with the more arcane aspects of the internet and I have severe problems with modern technology so I really am not the best person to ask about this. However, I appeal to people to avoid any You Tube site that claims to include uploads of Apostles tracks – these are taken from cassettes and records with no effort made to improve the quality and no information included in the notes. By contrast Luc Tran and I have made almost every track by The Apostles available on our own You Tube site and it is this resource people are advised to use if they are eccentric enough to want to insult their ears by listening to such feeble trash.

There are just 2 studio tracks not currently available – not due to personal censorship (far from it) but because I do not possess copies of them. The tracks – Four Small Worlds and Imagine Think Dream – are by Dave Fanning, performed by the definitive version of the group (myself, Dave, Malcolm ‘Scruff’ Lewty and Chris Wiltshire) and originally intended for the 3rd album but omitted from it for reasons I cannot remember. Certainly they are vastly superior to many of the tracks that do appear on the original record. If anyone possesses a copy of these tracks, please contact me at unitunited@yahoo.com.

Finally, I must add this addendum: the opinions, assertions and statements made in this interview are mine and mine alone. They are not intended to represent those of Fabian Fritze and Colin Murrell, the other members of UNIT. It is essential people appreciate this as I am convinced they would both disagree strongly with some of my statements.

Tierautonomie: Thank you indeed Andy for this insightful interview and for your excellent work!

Addendum

Andy Martin: Volente nonfit injuria – in my enthusiasm to address a set of questions of an intelligence and perception unusual in interviews, I managed (shamefully) to omit a couple of important commentaries. I present them here purely for your edification. Both issues are in fact related. In my intense haste to complete the interview I forgot to mention a crucial anomaly within the punk movement although, to be fair, it affects virtually every other youth subculture: the role of girls and women which is either subservient or absent entirely. In fact it could be stated (with generosity, true, but also not without a degree of accuracy) the punk movement has treated its female contingent with slightly less contempt than, say, skinheads or mods.

The pop groups offer proof of this. The Slits aside (for they are a supreme and notorious example who had the sense and decency to reject their association with punk fairly soon after their initial recordings) women can be found in plenty of other groups (or so it might seem) such as The Wall (Claire Bidwell, the bass guitarist), The Adverts (Gaye Advert, another bass guitarist), Girls At Our Best (2 men and 2 women), Liliput (4 women), The Banshees (Siouxsie Sue, the singer), X Ray Spex (the singer and the saxophonist), Pneumania (the singer), The Vice Squad (the singer) and so on. However, these form a distinct (and extremely small) minority within a subculture whose music was provided by otherwise male groups. Crass allowed their 2 women a few token rants of a pseudo-feminist nature but otherwise it was the men who did most of the work. What about their alleged enemies, the Oi bands? No, it’s all boys and men as far as the eyes can see…boring!

There is one glorious exception: Hagar The Womb. Mind you, I prefer not to regard them as a punk group because their lyrics are intelligent and manage often to combine anger with humour – generally a highly effective coalition in the promotion of social and political ideas. Added to this is their music which has more in common with bright and breezy pop than the tedious and thoroughly miserable dirges associated with punk dross. They quickly became associated with the fanzine Kill Your Pet Puppy which should come as no surprise. Hagar The Womb commenced life as a group of 4 girls and a temporary male drummer. They were also racially mixed – an extreme rarity in those days. Indeed, in London I think The Apostles were the only other group with an Asian member (John Soares, our guitarist for a year). The KYPP collective were also able to present a healthy mixture of men, women and racial groups. I believe they were probably unique in this respect…so they thus offered a far closer representation of the demographic constitution of London than any of their peers. Also, Kill Your Pet Puppy was not centred purely around punk bands or indeed bands at all. It featured a splendid mixture of political essays, social commentary, fashion, humour and colour. I mean this literally: theirs was the only publication which provided a splash of colour across the dreary monochrome mess of punk junk that otherwise infested our neighbourhoods with their turgid repetition of Crass quotes and tediously predictable slogans.

I am obliged to explain the name of their fanzine, of course, particularly since my responses to the questions appear in an internet forum called Tierautonomie! Britain is known as ‘a nation of animal lovers’. It was the first nation anywhere in the world to pass a government act that prohibited (albeit in a limited fashion) direct cruelty to animals in 1872. However, this was extended in the Protection Of Animals Act of 1911. Indeed, Section 1 specifically states ‘it is prohibited to wantonly or unnecessarily perform any act which causes unnecessary suffering to any animal’. I wonder what the landed gentry with their fox hunts and stag hunts thought of this piece of legislation…not very much, probably.

I urge people to go to the Kill Your Pet Puppy website (http://killyourpetpuppy.co.uk/) where their writers provide a detailed yet succinct explanation of their curious name but briefly I interpret it in this manner: concern for animals in Britain is often related to mawkish sentiment. We’re back with those wretched seal cubs again: ah, look at the cute and cuddly puppy – how could anyone be cruel to such a lovely fluffy animal? However, dolphins, sharks, whales, elephants, rhinoceroses and hippopotamuses are not cute and cuddly so they can all be hunted down and served up on plates. How many parents are aware that certain dogs (especially after they have licked excrement as canines are prone to do) can, if they lick the faces of small children, cause an infection of the eyes that results in blindness? When William Burroughs expresses his disdain for dogs, dismissing them as ‘ugly, fawning, shit eating beasts’ he seeks to attack and insult their owners rather than the creatures themselves. He stated in one of his university lectures in 1976 that he does not hate dogs – he hates what human beings have made of them.

I harbour a similar opinion with regard to horses. I despise horses! They are stupid, clumsy beasts who allow people to enslave them. Look, I cannot, indeed will not, respect any animal that allows a person to sit on its back and steer it around a track like a racing car. That does not mean I would ever be cruel to a horse – but as far as I am concerned, nobody who possesses a horse in order to ride it can claim to love horses. What they actually love is their animal slave…and I am vehemently opposed to slavery. In fact, if I want to be really radical I suppose I could suggest men have adopted women as their personal slaves for the past 3,000 years but perhaps I’m simply being awkward for the hell of it. Mind you, consider the first genuinely civilised people anywhere in the world: the ancient Greeks. I am a student of ancient Greece and classical Rome (my 2 favourite cultures – indeed my favourite historical hero is Alexander The Great) but I am forced to concede their treatment of women was vile. Women could not participate in assemblies in the polis and possessed no political power. Even that notorious race of savages, Great Britain, managed to produce a superb warrior in Queen Bodicea!

Notes
[1] Tierautonomie: No, it was not Peter Singer who phrased anything so radical at that times and obviously not on the level of grassroots and protest culture, although today’s AR people like to act as if Peter Singer initiated the modern AR movement with his book Animal Liberation. But here we go again talking about the efficacy of subversiveness and I should add in contrast to academic ivory towers and academic elitism (i.e. cite, quote, refer, otherwise not a valid point and no valid reasoning within academic discourse).

[2] Andy uses the N-word in context with discussing the ridicule of the skinhead movement which he somehow describes. Nevertheless using the N-word is problematic, though given Andy’s cultural background with seeing society overall critical and as highly oppressive, we assume that this is not to be categorized as racist, but probably a variation of white ignorance in some way – this would needed to be sorted out. We did not do that and we leave this question and problem open right now. We however are clearly and an anti-racist intersectionally oriented project and thus distance ourselves from the usage of discriminatory and historically painful and unjust vocabulary whoever would be affected by it – if it’s not a self-description, like Andy uses the word cripple referring to his own experience of physical disability or impairment and being discriminated against. We see a lot of ‘political correctness’ these days (and this is not said to lessen the problem of discriminatory language) that still nevertheless purports subtle and even more obvious forms of oppressive content. Given the vast range of social dilemmas that we face today, we let this stand now as it is, hoping that the reader can understand our partly dumbfounded position. We would however also be thankful for input / critique on our decision on how to handle double and triple standards, our own, left, right, inbetween and beyond today in better and perhaps more appropriate ways. Finally, Andy also writes in the interview above about subversiveness: “…I think primarily of the Black Panthers (naturally – all power to them and peace be upon their name)” and so forth.

Tierautonomie
Editor-in-chief: Gita Yegane Arani, www.simorgh.de – ‚Open Access in der Tier-, Menschen- und Erdbefreiung’. Revised 11/20147.

Citation
Martin, Andy (2017). Interview by Tierautonomie: A listen-and-read-interview with Andy Martin. TIERAUTONOMIE, 1(4), URL: http://simorgh.de/tierautonomie/JG4_2017_1.pdf.

TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)

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Vandana Shiva: Wie das Wirtschaftswachstum zu etwas Lebensvernichtendem geworden ist

Ich hatte diesen Artikel bereits im November 2013 hier gepostet. Reposte ihn aber hier noch mal aus unterschiedlichen Gründen.

Die Göttin Ma’at von Farangis G. Yegane.

Vandana Shiva: Wie das Wirtschaftswachstum zu etwas Lebensvernichtendem geworden ist

Eine Sucht nach Wachstum hat unsere Sorgen über Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit und menschliche Würde in den Hintergrund gedrängt. Menschen sind aber keine Wegwerfware – der Wert von Leben liegt außerhalb der wirtschaftlichen Entwicklung.

Dr. Vandana Shiva: http://www.navdanya.org/

Dieser Artikel ist im The Guardian vom 1. November 2013 veröffentlicht: How economic growth has become anti-life, http://www.theguardian.com/commentisfree/2013/nov/01/how-economic-growth-has-become-anti-life.

Übersetzung: Gita Yegane Arani, mit der freundlichen Genehmigung von Dr. Vandana Shiva.

Dieser Text als PDF

Unbegrenztes Wachstum ist die Fantasie von Ökonomen, Unternehmen und Politikern. Man betrachtet es als Maßstab von Fortschritt. Hieraus hat sich das Bruttoinlandsprodukt (BIP), das angeblich das Wohl einer Nation bemißt, sowohl als die mächtigste Variable als auch als das herrschendste Konzept unserer Zeit hervorgetan. Dennoch trägt das Wirtschaftswachstum verborgen in sich die Armut, die es durch die Zerstörung der Natur verursacht, die widerum zur Folge hat, dass Gemeinschaften außerstande sind, für sich selbst zu sorgen.

Das wirtschaftliche Wachtstumskonzept wurde als ein Maßstab eingesetzt um während des Zweiten Weltkriegs Ressourcen zu mobilisieren (http://en.wikipedia.org/wiki/Military_production_during_World_War_II#Gross_domestic_product_.28GDP.29). Das Bruttoinlandsprodukt fußt auf der Schaffung einer künstlichen, imaginären Grenze, die unter der Annahme funktioniert, dass, wenn einer etwas produziert das er selbst konsumiert, er eigentlich gar nichts produziert. Tatsächlich bemisst das „Wachstum“ die Umwandlung von Natur zu monetären Werten und von öffentlichem Gut zu Handelsgütern.

Die beeindruckenden in der Natur herrschenden Erneuerungszyklen des Elementes Wasser und von Nahrungsstoffen werden auch als Nichtproduktion definiert. Die Kleinbauern der Welt, die 72% der Nahrungmittel liefern, produzieren ebenso nicht. Frauen die Anbau betreiben oder das meiste der Hausarbeit verrichten, passen auch nicht in dieses Paradigma des Wachstums. Ein lebendiger Wald trägt zum Wachstum nicht bei, aber wenn die Bäume gefällt und als Nutzholz verkauft werden, dann ist das Wachstum. Gesunde Gesellschaften und Gemeinschaften tragen nichts zum Wachstum bei, aber Krankheiten schaffen Wachstum, durch beispielsweise den Verkauf patentierter Medikamente.

Wasser, das als ein öffentliches Gut frei geteilt und von allen geschützt wird, versorgt uns alle. Es schafft aber kein Wachstum. Wenn aber Coca-Cola eine Betriebsanlage errichtet, dort Wasser fördert und in Plastikflaschen abfüllt, dann wächst die Wirtschaft. Dieses Wachstum basiert auf der Schaffung von Armut und Verelendung – sowohl was die Natur anbefrifft, als auch die lokalen Geneinschaften.

Wenn Wasser über ein Maß seiner natürlichen Fähigkeit zur Erneuerung und Wiederherstellung gefördert wird, entsteht Wassernot. Frauen müsssen dadurch längere Strecken laufen, um an Trinkwasser zu kommen. Im Dorfe Plachimada in südindischen Staat Kerala, sagte die örtliche Stammesfrau Mayilamma (http://www.hindu.com/2007/01/08/stories/2007010811660400.htm), als der Weg der bewältigt werden musste um an Wasser zu kommen,schließlich 10 km lang wurde, dass es nun reicht. Sie könnten dort nicht noch weitere Strecken laufen und Cocal-Cola müsse verschwinden. Die Bewegung, die diese Frau mit ihrer Protestaktion ins Leben rief, führte tatsächlich zur Schließung des Werks (http://www.thehindu.com/todays-paper/tp-national/tp-kerala/plachimada-activists-vow-to-keep-cocacola-plant-shut/article756289.ece).

Auch hat die Evolution uns gleichermaßen mit Saatgut beschenkt. Bauern haben es ausgewählt, gezüchtet und divesifiziert – das Saatgut bildet die Grundlage der Nahrungsmittelproduktion. Ein Same der sich selbst erneuert und vervielfältigt, schafft die Saat für die nächste Saison und er erzeugt Nahrungsmittel. Nichtsdestotrotz tragen die von Bauern gezüchteten und von Bauern bewahrten Saaten nicht zum Wachstum bei. Diese Saaten schaffen und erneuern Leben, aber sie erzeugen keine Profite. Wachstum beginnt dann, wenn Samen modifiziert, patentiert und genetisch verriegelt werden (http://www.viewingspace.com/genetics_culture/pages_genetics_culture/gc_w03/terminator_abc/terminator_seed.htm, a.d.Ü. die sogenannte Terminatortechnologie bzw. V-GURT Genetic Use Restriction Technology), wodurch die Bauern dazu gezwungen werden, jede Saison mehr Saaten zu kaufen.

Die Natur ist erschöpft, die Biodiversität erodiert und freie, offene Ressourcen werden zu patentierten Handelsgütern umgewandelt. Der jährliche Kauf von Saaten führt unweigerlich zur Verschuldung der ärmsten der indischen Bauern (http://www.huffingtonpost.com/vandana-shiva/from-seeds-of-suicide-to_b_192419.html). Seit die Saatenmonopole ihr Geschäft aufgenommen haben, haben Bauern sich zunehmend verschuldet und seit 1995 begingen mehr als 270.000 dieser indischen Kleinauern, die in der Schuldenfalle getappt sind, Selbstmord (http://www.thehindu.com/opinion/columns/sainath/farmers-suicide-rates-soar-above-the-rest/article4725101.ece).

Die Armut wird noch weiter getrieben wenn öffentliche Versorgungsinrichtungen privatisiert werden. Die Privatisierung von Wasser, Elektrizität, des Gesundheitssystems und der Bildungseinrichtungen erzielt Wachstum durch Profite. Aber sie generiert ebenso Armut, indem sie Menschen dazu zwingt, ernorme Mengen an Geld aufzubringen für etwas, dass eigentlich zu bezahlbaren Kosten als ein gemeinschaftliches Gut zur Verfügung stünde. Wenn jeder Aspekt des Lebens kommerzialisiert und kommodifiziert wird, dann wird das Leben teuer und die Menschen werden ärmer.

Beides, die Ökologie und die Ökonomie sind der gleichen Wurzel entwachsen – „Oikos“ (οἶκος) ist das griechische Wort für Haushalt. Solange die Ökonomie sich auf die Instandhaltung der Hauswirtschaft begrenzte, respektierte sie und erkannte ihre Grundlage in den natürlichen Ressourcen und den Grenzen ökologischer Erneuerbarheit an. Die Ökonomie sorgte innerhalb dieses Rahmens für die wesentlichen menschlichen Bedürfnisse und mit ihrem Schwerpunkt auf die Haushaltung war diese Ökonomie zentriert auf die Frauen. Heute verhält sich die Ökonomie im Verhältnis zur den ökologischen Prozessen und den grundlegenden Notwendigkeiten in einem abgesonderten und opponierenden Verhältnis. Im Zuge einer Argumentationsführung, die die Zerstörung der Natur mit dem Zwecke der Wachstumsgenerierung begründet, ist die Armut gestiegen und Enteignung findet in vermehrtem Maße statt. Und während dabei nicht nachhaltig gedacht wird, so ist dies gleichermaßen auch eine ökonomische Ungerechtigkeit.

Das herrschende Model ökonomischer Entwicklung ist tatsächlich zu einem Antilebensfaktor geworden. Wenn Ökonomien nur noch im Sinne des Geldflusses berechnet werden, werden die Reichen reicher und die Armen ärmer. Nur mögen die Reichen monetär reich sein; im weiteren Kontext dessen, was es eingentlich heißt Mensch zu sein, sind sie doch auch verarmt.

Zu dieser Zeit führen die Nachfragen, die sich aus dem Gegenwartsmodel der Wirtschaft ableiten, zu Ressourcenkriegen, Ölkriegen, Wasserkriegen und Nahrungsmittelkriegen. Im Rahmen nicht nachthaltiger Entiwicklung spielen drei Ebenen der Gewalt eine besondere Rolle. Der erste Grad ist die Gewalt gegen die Erde, die nun ihren Ausdruck in der ökologischen Krise findet. Der zweite Grad ist die Gewalt gegen die Menschen, die sich in der Verarmung, der Not und dem Verlust von Heimat wiederspiegelt. Die dritte Ebene ist die Gewalt durch Kriege und Konflikte, als den machtvollen Griff nach den Ressourcen, die in den anderen Gemeinschaften und Ländern liegen, die einen schier unendlichen Appetit stillen sollen.

Die Zunahme der Geldflusses durch das GDP (Gross domestic product), das Bruttoinlandsprodukt, hat sich von den echten Werten entfernt, aber diejenigen, die finanzielle Ressourcen ansammeln, können ihren Anspruch auf die echten Ressourcen der Menschen geltend machen – auf deren Land und ihr Wasser, ihre Wälder und ihre Saatgüter. Dieser unstillbare Durst führt sie noch dazu, Jadg auf den letzen Tropfen Wasser und den letzten Flecken Erde in dieser Welt zu machen. Das ist kein Ende der Armut, das ist ein Ende von Menschrechten und Gerechtigkeit.

Die mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Ökonomen Joseph Stiglitz und Amartya Sen haben eingeräumt, dass der GDP den tatsächlichen menschlichen Zustand nicht bemessen kann (http://www.nytimes.com/2009/09/23/business/economy/23gdp.html?ref=business&_r=1&) und sie haben darauf gedrängt, dass andere Wekrzeuge hier zu Hand genommen werden sollten, um das Wohl von Nationen beruteilen zu können. Das ist auch warum Länder wie Bhutan einen Maßstab des Grades der Glücklichkeit, einen Gross National Happiness-Wert statt des Gross Dosmestic Products eingesetzt haben, um so ihr Verständnis von Forschritt bemessbar zu machen. Wir brauchen andere Maßstäbe, die über den eines Bruttoinlandproduktes hinausgehen und wir brauchen Ökonomien die mehr als ein globaler Supermarkt sind, um so echten Wohlstand wiederherstellen zu können. Wir sollten uns daran erninnern, dass die echte Währung des Lebens, Leben selbst ist.

Alle Zugriffe: Stand 17. November 2013.

(Eventuelle orthografische Korrekturen werden noch vorgenommen.)

 

Haben wir einen Kanon in der Tierbefreiungsbewegung?

Podcast: Haben wir einen Kanon in der Tierbefreiungsbewegung? (MP3)

Existiert ein brauchbarer, grundlegender und auch weiterführender Kanon über Tierrechte, Tierbefreiung und Tierethik?

Tierrechtstheoretiker_innen: reicht es in einem tierrechtsrelevanten Kanon Name-Dropping zu betreiben, im Sinne dessen primär auf einzelne prominente Positionen einiger weniger Autoren zu fokussieren statt einer primären Auseinandersetzung und dem kritischen Diskurs über unterschiedliche inhaltsbezogene Begrifflichkeiten?

Zu welchem Zeitpunkt im Laufe der jungen Geschichte der Tierrechtsbewegung und innerhalb welcher Rahmen haben Singer, Regan, Francione und Adams beispielsweise ihre Thesen formuliert und wer hat sie rezipiert? Sind die Kernaussagen von Singer, Regan und Francione, als den Tierrechtstheoretikern, die am häufigsten herangeführt werden um grundlegende Positionen der TR-Bewegung zu schildern, wirklich zur Zeit noch als repräsentativ für die aktuelle TR-Bewegung anzusehen? Bedarf es einer kritischen Auseinandersetzung mit diesen Autoren?

Feministische Ansätze, Begrifflichkeiten und Positionen in den kritischen Tierstudien, Tierbefreiungspositionen in der schwarzen ethisch-veganen Bewegung und andere in der TR-Bewegung in Erscheinung tretende tierethische Ansätze werden in dem was zumeist als Tierrechtskanon zitiert wird, als sekundär und marginalisiert behandelt. Inhaltspluralität wird abgewürgt.

Podcast: Unwort “artgerecht”

Podcast: Unwort “artgerecht” (MP3)

Warum wir uns an dem Wort und unterschiedlichen Gedanken, die hinter dem Begriff “artgerecht” stehen, stoßen. Wer schreibt einer Gruppe von Tierindividuen zu, was deren grundlegende Bedürfnisse sind und an welcher Stelle sollten grundlegende Bedürfnisse im Leben eines Lebewesens eingrenzbar sein? Provokativ könnte man auch fragen ob man auch Menschen artgerecht behandeln kann.

Artgerechtigkeit bezieht sich auf das ganze Leben, den ganzen Lebenskontext eines Tieres. Wenn man also nur nichtmenschliche Tiere “artgerecht” behandeln kann, Menschen aber nicht, dann legt man damit fest, dass im Leben eines Menschen weit mehr fließende Übergänge im Lebensablauf und in seinen Lebenskontexten stattfinden als bei nichtmenschlichen Tieren. “Artgerecht” – sprich: die Eingrenzung und Bestimmung von Bedürfnissen und wo diese ihre Grenzen und Prioritäten haben – ist zu einfach um die Lebenskontexte von Tierindividuen zu beschreiben. Derer jeglicher Tierindividuen.

Hier sind auch einige Snippets, die mit der Materie zu tun haben und die Euch hoffentlich ebenfalls zum Denken anregen können. Uns geht es darum, dass die Tierrechts-/Tierbefreiungsbewegung wirklich eigene sinnvollere Terminologien (insbesondere Schlüsselterminologien) entwickeln sollte, statt sich der Sprache der bedingt objektiven Wissenschaften und derjenigen gesellschaftlichen Mehrheitssegmente zu bedienen, die effektive keine tierbefreierischen Ansätze verfolgen und die kaum ursächlich motiviert sind Nichtmenschen unter freieren, autonomie-respektierenden Gesichtspunkten zu betrachten.

Der Begriff “artgerecht” stammt primär aus der Agrarindustrie, den Tierhaltungsystemen, den Zoos, auch den zoologischen Programmen zur Nachzucht gefährdeter Spezies … weniger den Schutzreservaten, denn ich glaube um so freier und “wilder” der erhaltene Lebensraum, um so absurder und überflüssiger wird die Eingrenzung einer Spezies in einen bestimmten, eingrenzbaren Bedürfnisrahmen. Außer es geht um den “Artenerhalt” in Form einer Sortierung bestimmter Spezies, die als ökologisch erwünscht oder die bzw. als “fremd” und “schädigend” für ein ökologisches System klassifiziert werden, wo der Mensch die unerwünschte Spezies zur gewaltsamen Eliminierung freigibt. Die Tötungsmechanismen werden dann häufig wiederum unter “artgerechten” Gesichtspunkten ausgewählt.

Gruppe Messel: Freiheit, insbesondere Tierfreiheit, hat nichts mit „artgerecht“ zu tun

Das Wort „Freiheit“ im Zusammenhang mit „Artgerecht“ ist problematisch, denn Freiheit wird von Tierrechtler_innen selbst tatsächlich oft „artspezifisch“ definiert, und ist somit also überhaupt keine Freiheit mehr. Wäre man konsequent, müsste das Wort „Freiheit“ den Begriff „artspezifisch” logischerweise aufheben. Wäre die Freiheit „artgerecht“, dann wäre sie keine Freiheit mehr. Die Freiheit wird nicht einer Art gerecht, sondern das Individuum ist frei.

Anastasia Yarbrough: Rassismus und Speziesismus. Sind beide miteinander austauschbar?

Rasse und Spezies sind willkürliche Unterscheidungen die ungefähr in der gleichen Zeit im europäischen Denken entstanden. Beide sind geleitet von phänotypischen Unterscheidungen aber tragen das Gewicht und die Legitimität als seien sie biologisch verwurzelt, und biologisch wird oft gleichgesetzt mit etwas „Fixiertem.“

Barbara Noske: Die Tierfrage in der Anthropologie

Im besten Falle wird unsere „Animalität“ (unser Körper) als materielle Basis betrachtet, aus der sich unser echtes „Menschsein“ (Verstand, Sozialität, Kultur, Sprache) entwickeln konnte. Ironischerweise gravitieren viele Wissenschaftler um essenzialistische Positionen (wie Rasse und Geschlecht), die sie selbst in Hinsicht auf den Menschen ablehnen, sobald aber eine andere biologische Kategorie in Sicht kommt, und zwar unsere Speziesbarriere, wird eine biobehavioristische wissenschaftliche Charakterisierung in den Begriffen beobachtbarer Verhaltensweisen und Mechanismen dargestellt, von denen ausgegangen wird, dass diese im genetischen Aufbau der Tiere eincodiert sind. Biologie und Ethologie sind irgendwie zu den Wissenschaften über die Tierheit (animalkind) geworden. Es ist von diesen Wissenschaften woher die Sozialwissenschaftler (die Wissenschaften über die Menschheit) ihr eigenes Bild von Tieren und Tiersein unkritisch und zum größten Teil unbeabsichtigt beziehen. Tiere sind an biologische und genetische Erklärungen gebunden worden.

Chris von Olde Ghost: Ein Statement zu veganer Intersektionalität

Eine der Situationen, die mich immer wieder perplex machen, verwirren und oft auch erschüttern, ist wie Leute, die sich so dem Schutz, dem Erhalt und der Wiederherstellung der natürlichen Umwelt widmen, ein so geringes echtes Verständnis haben von der Verbindung zwischen dem Veganismus und den Auswirkungen, die eine auf Fleisch basierende Ernährung auf die Umwelt hat. In solchen Diskussionen wurde mir häufig entgegenet „naja, das Fleisch, dass ich esse ist von Tieren aus artgerechter Haltung, und daher ist es ok“ oder man kam mir mit dem blinden Versuch das Thema abzutun, indem man mir von den Negativauswirkungen von Sojabohnenprodukten etzählte, oder von der Tatsache, dass die vegane Lebensweise einfach „extrem“ sei.

Steven Bartlett: Menschlicher Widerstand gegen Tierrechte, psychologische und konzeptuelle Blockaden

Unabhängig vom religiösen Dogma, aber ebenfalls den homozentrischen Stempel tragend, hat der zweite, spezies-zentrierte Anspruch menschliche Interaktionen mit Tieren durchdrungen, in dem die Tiere vergleichsweise zur menschlichen Spezies als in vielen Weisen minderwertig befunden wurden. Nach dieser Ansicht wird behauptet, dass Tiere Eigenschaften ermangeln oder komplett fehlen, auf die Menschen bei sich selbst stolz sind: Der Besitz von Vernunft, Sprach- und Symbolverwendung, Fähigkeit zur Reflektion, Bewusstsein des Selbst und so weiter. Historisch haben Befürworter dieser Sichtweise eine extreme Agilität gezeigt in der Verschiebung ihrer territorialen Ansprüche von einer putativ speziell den Menschen unterscheidenden Eigenschaft zur nächsten, während Biologie und Ethologie weiterhin vorangeschritten sind und empirisch beweisen, dass eine einzigartig menschliche Eigenschaft nach der anderen von Mitgliedern anderer Spezies geteilt wird.

In der Zusammenhang noch einen Auszug aus Bartletts Text den ich hier noch gerne anführen möchte, in allgemeiner Hinsicht im Bezug auf diskriminierende Eingrenzungen von Nichtmenschen aufgrund ihnen zugeordneter biologischer Parameter.

[…] Der homozentrische Peter Singer schlägt eine welfaristisch-utilitaristische Theorie vor, die Menschen dazu auffordert, ihre eigenen Bedürfnisse mit den Bedürfnissen nichtmenschlicher Tiere auszubalancieren, in der Form, dass dadurch unnötiges Tierleid vermieden wird ohne dabei die Priorität menschlicher Interessen zu kompromittieren. Für Singer kann das Vorhandensein von Unterschieden in der kognitiven Fähigkeit korrespondierende Unterschiede im Grad moralischer Wichtigkeit mit sich bringen, und indem er dies sagt, schlägt er implizit eine Position vor, die karikiert werden kann als insistierend: um so mehr sie wie wir sind, um so wertvoller sind sie. In anderen Worten, die Spezies-Barriere ist aufgeweicht – aber nur bis zu dem Punkt, an dem die Ähnlichkeit zur menschlichen Spezies deutlich bleibt. Diese Position ist voller Probleme: zum Beispiel, es mag einige Leser erstaunen, dass Singer bezweifelt, dass für Tiere auf dem Weg zur Schlachtung, ihr schmerzloser Tod wirklich überhaupt eine Beraubung um etwas ist.

Vasile Stanescu: Warum Tiere zu lieben nicht reicht, eine feministische Kritik

In meiner Präsentation heute möchte ich die Aussagen von Kathy Rudy und die Praktiken von Catherine Friend kritisieren, als emblematisch für eine größere Bewegung, die den Feminismus mit Rechtfertigungen für einen fortgesetzten Konsum von Tierprodukten zusammenführen will. Ganz in Gegenteil dazu glaube ich, dass gerade aus der Position sowohl der feministischen als auch der queeren Epistemologie heraus, wir die Aufzucht und die Tötung ganz gleich welcher Tiere kritisieren müssen, auch wenn solche Praktiken als „human“ oder „artgerecht“ gekennzeichnet werden.

[…]

Über das Falsche am ländlichen Bild vom „Happy Meat“ [„glücklichen Fleisch“], hat Alice Walker in ihrem Essay „Bin ich Blue? sagen meine Augen dir dies denn nicht?“ geschrieben [im Englischen bedeutet ‚blue’ sowohl blau als auch traurig]. In dieser Kurzgeschichte erzählt Walker von der Begegnung mit einem Pferd, das jedes der Kriterien aufweisen würde, die Rudy für eine humane, „artgerechte“ Tierhaltung voraussetzt. So trägt dieses Pferd beispielsweise einen Namen, es ist gut genährt, es wurde nicht geschlagen oder „misshandelt“ und es verfügt sogar über zweitausend Quadratmeter an „schöner“ Fläche Land, in denen es umher galoppieren kann.

Dennoch lehnt Walker (die auch glaubt, dass Tiere lieben können und Emotionen haben) die Behandlung von Blue ab, weil das weibliche Pferd, in das Blue sich verliebt hat, von ihm getrennt wurde […].

Vasile Stanescu: Das Judas-Schwein, wie wir “invasive Spezies” unter Vorgabe des “Naturschutzes” töten

[…] So stellt auch seine Kritik an „Fabrikfarmen“ keinen Aufruf zur Beendigung allen Fleischverzehrs dar, sondern es ist nur ein Aufruf dazu, den Mangel an „Fürsorge“ für die Tiere zu beheben. Sein zugrunde liegendes Argument und die Art und Weise in der er imstande ist von den verwilderten Tieren zur artgerechten landwirtschaftlichen Tierhaltung überzuleiten, basiert auf der zweiten Idee, die, so meine ich, seinen beiden Argumenten unterliegt: der Biopolitik, dem Argument also, dass die Menschen das Leben selbst verwalten müssten. Das heißt, der Grundgedanke scheint zu sein, dass die „Natur“ sich nicht um sich selbst kümmern kann, ohne ständige menschliche „Intervention“. Und trotzdem muss genau zur gleichen Zeit diese „Intervention“ kontinuierlich im Verborgenen gehalten werden. Gleich den unsichtbaren Händen der Märkte, die der fortwährenden menschlichen Regulation bedürfen, scheint dieser Aufruf – sowohl zur Entfernung der verwilderten Tiere als auch zur Aufzucht artgerechten Fleisches – in simultaner Weise die ständige Einmischung der Menschen innerhalb des sogenannten „Natürlichen“ zu fordern und zugleich zu leugnen.

[…]

Ich möchte also diesen Diskurs bezüglich der Tötung verwilderter Tiere im Zusammenhang mit dem Diskurs über die artgerechte Viehwirtschaft betrachten. In Wirklichkeit werden Tiere aus vermeintlich humaneren, sog. artgerechten Haltungsbedingungen immer noch genetisch manipuliert, grob misshandelt und im Babyalter in industriellen Schlachthäusern getötet (Stanscu, „Green Eggs and Ham“; „Why Loving Animals in Not Enough“; „Crocodile Tears“). Aber selbst wenn das nicht der Fall wäre, so wäre diese Praxis immer noch praktisch irrelevant, da 99,9 Prozent aller Tiere, die zu landwirtschaftlichen Zwecken gehalten werden, unter den Bedingungen von Fabrikfarmen bzw. in der Massentierhaltung aufgezogen werden (Farm Forward). Ich habe daher auch zuvor argumentiert (Stanescu und Pedersen, „The Future of Critical Animal Studies“), dass der ganze Reiz oder die ganze Nützlichkeit eines locavoren Produkts darin liegt, die beinahe universelle Realität des Fabrikfarmensystems zu maskieren, und, was noch wichtiger ist, die Realität der harten Wahl, die getroffen werden muss, zu maskieren – dass es im Wesentlichen nämlich unmöglich ist, Fleisch und Ethik, beides zu haben. In anderen Worten: das, was die Verbraucher zu einem erhöhten Preis kaufen, ist nicht das Fleisch per se, sondern das Vergessen, dass eine Wahl getroffen werden musste. Und als solche dienen diese wenigen Vorzeigetiere, die auf den vermeintlich humaner oder artgerecht betriebenen Höfen leben, in einer Art symbolischer Stellvertretung der Wiedergutmachung, vergleichbar mit der sonderbaren Praxis der Präsidenten der Vereinigten Staaten einen Truthahn vor Thanksgiving, zu dem in den USA Millionen Truthähne getötet werden, zu begnadigen (Fiskesjö). In ähnlicher Weise agieren diese Höfe, als begnadigten sie symbolisch einige wenige Tiere, um eine Wiedergutmachung für die schätzungsweise 70 Milliarden Tiere zu betreiben, die nun bald weltweit fast ausschließlich unter Farbrikfarmbedingungen getötet werden.

Podcast: Verbindungsstellen zwischen Menschen- und Tierrechten erkennen

Podcast: Die Verbindungsstellen zwischen Menschen- und Tierrechten erkennen (MP3)

Oft haben wir in den sozialen Feeds von uns intersektionalen Tierrechtlern nur dieses Ping-Pong zwischen einem Tweet für Tierrechte und einem für Menschenrechte … , aber kaum diskutieren wir die tatsächlichen Verbindungsstellen zwischen Unterdrückungsformen wie Rassismus und Speziesismus. Ich habe einige sehr interessante intersektionale Texte von englischsprachigen Autor_innen übersetzt, in denen klar wird, wo Unterdrückungsformen sich berühren und wie wir die Verbindung in logischer und vernünftiger Weise herstellen können: siehe einige Texte hier.

In Zeiten, in denen die Menschenrechte zunehmend zur Farce wegschrumpfen, Lebensräume für Menschen wie Tiere weltweit nurnoch dominiert werden von machtvollen Menschengruppen, wo Rassismus, Sexismus, Ableismus … und die Gewalt gegen Nichtmenschen in Form von Speziesismen und Gewalt gegen die natürlichen Lebensräume von Nichtmenschen sich zur totalen Zerstörung verdichten, können wir nicht sagen, wir sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, sondern wir sollten Kritik üben und Kritik überhaupt üben können in den täglichen Diskussionen mit Mitmenschen und bei unserem Output in sozialen Netzwerken zum Beispiel.

Dies ist ein Aufruf die Verbindung zwischen Menschen- und Tierrechten vermehrt zu verbalisieren, und nicht nur bei dem Nebeneinander der Tragödien zu verharren.

P.S. Es reicht meiner Meinung nach nicht für die Argumentation für die Schnittstellen von Menschen- und Tierrechten von der sensuellen Empfindsamkeit beider “Klassen” von Lebewesen (….) auf biologischer Grundlage zu sprechen. Ich weiß, dies tat Jeremy Bentham Ende des 18. Jahrhunderts schon als Utilitartist der er war sehr überzeugend, aber genau da ist der Knackpunkt: wir sollten uns seit der Diskussion über Tierethik und/oder Tierwürde, etc. seit dem 18. Jhdt. doch inzwischen ein bisschen weiter voraus wagen.

Podcast: Tierkörper in der Kunst und mal wieder PETA und die Tiereuthanasie

Podcast: Tierkörper un der Kunst und mal wieder PETA und die Tiereuthanasie (MP3)

Eine vielleicht nicht so gelungene aber immerhin nicht-speziesistische Möglichkeit der künstlerischen Verarbeitung des Themas Speziesismus in unserer Gesellschaft (von mir selbst angefertigte Zeichnung).

Warum wieder das lästige Thema Tiereuthanasie und PETA, habe darüber bereits vorher berichtet, siehe hier: http://www.simorgh.de/archive.htm. Im Podcats gebe ich unrichtigerweise an man solle in der Suchbox unten PETA eingeben, aber die Einträge zum Thema PETA und Euthanasie befinden sich in meinem Archiv. Also warum wieder dieses Thema, ganz einfach: weil es innerhalb der TR-Bewegung immer noch zumeist negiert wird und Fälle wie der der Hündin Maya in den USA einfach unsäglich tragisch sind.

Das andere Thema: Tierkörper in der Kunst ist zur Zeit brandaktuell, weil sich die Geister in der TR-Bewegung zunehmend daran scheiden, was noch Kunst und was bereits Speziesismus ist.

Also dies sind hier einige Aspekte die mir dazu in den Sinn gekommen sind, und die ich Euch / Ihnen gerne mitteilen wollte – auch zur Ermutigung, dass der/die Zuhörer_in auch seine/ihre Meinung zu derart Themen öffentlich kundtut!