Tierrechte und Tierrechte

Tierrechte und antibiologistische Tiersoziologie: Der Tierrechtsdiskurs kann nicht weniger komplex geführt werden, als Diskurse über Menschenrechte.

Gita Yegane Arani

Umso engstirniger und reduktiver unser Weltbild in Hinsicht auf Tiere ist, umso einfacher werden unsere Erklärungsmodelle über das menschliche Verhältnis zu dessen nichtmenschlicher Mitwelt. Und so flachen auch die Erklärungen darüber ab, wer Tiere sind, was deren Rechte beinhalten und was diese Rechte wiederum in unserer Gesellschaft bedeuten müssten – für die Menschen, die den ganzen Planeten mit ihren definitorischen und räumlichen Herrschaftsansprüchen dominieren.

Kann man wirklich ausreichend viel bewirken und was genau bewirkt man, wenn alle zusammen an der Verwirklichung einfacher Modelle für Tierrechte mitarbeiten, wenn es also kein inhaltliches Durcheinander gibt, weil wir uns bei Tierrechten weniger Pluralismus im Diskurs erlauben wollen als in Sachen Menschenrechten?

Sollte sich nicht vielleicht lieber jede*r, genauso wie in punkto Menschrechte, selbst mit allen Aspekten seines/ihres kritischen Denkens und seiner/ihrer fein nuancierten Beobachtungsgabe mit einbringen, statt nur nach den vielleicht offensichtlicheren Möglichkeiten Ausschau zu halten, die in der Vereinfachung eines in Wirklichkeit genauso komplizierten Sachverhalts liegen?

Das Problem ist natürlich, dass wir selbst bei Menschrechtsfragen oftmals lieber weniger hören wollen von den Geschichtegestalter*innen von unten. So haben wir selbst hier die Tendenz zu ein paar vermeintlich „richtigeren“ großen Strömungen in der Beantwortung von Fragen und den dazugehörigen Fragestellungen. Im Tierrechtsbereich (inkl. Tierbefreiung) ist der Mangel an echter Pluralität und basisdemokratischer Kommunikation aber völlig eklatant.

Der Anspruch auf die eigenen Menschenrechte hat natürlich den Vorteil, im Vergleich zum indirekten Einklagen von denjenigen Rechten, die wir für unsere nichtmenschlichen Nächsten einfordern, dass qua Menschenrecht jede*r an sich als vollwertiges Subjekt-von-Rechten vom Grundsatz her anerkannt wird, und dass jede*r theoretisch, und von dem uns ethisch einigenden Grundsatz her, ein Recht darauf hat seine/ihre Meinung frei zu artikulieren. Von der Prämisse der Menschenrechte her, darf ich für mich selbst als Mensch sprechen. Für die Rechte von nichtmenschlichen Tieren muss ich eine weitaus grundsätzlichere Leistung an Argumentation erbringen, da hier bislang fast nur speziesistische Übereinkünfte in sämtlichen die Tiere betreffenden Bereichen vorherrschen.

Die Artikulation von seinsphilosophisch relevantem Tun und Denken wird Tieren abgesprochen in unserem naturwissenschaftlich geprägten Zeitalter, mit der Begründung, dass sie Instinktwesen seien (gekennzeichnet als evolutionsbiologisch zu unterscheidender Antipode zum Menschen) und immer auch mit der Begründung, dass sie den qualifizierenden Parametern des Menschen nicht entsprechen, die sich dazu berechtigen würden, vollwertige Subjekte unabhängiger Rechte auf Freiheit und auf Unversehrtheit von menschlicher Gewalt zu sein, usw.

Die Konsequenzen der rechtlichen Disqualifizierung lehnen Tierrechtler*innen grundsätzlich ab und bekämpfen sie. Die Ursachen aber für die Entrechtung werden noch nicht ausreichend differenziert analysiert und kritisch hinterfragt. Infolgedessen werden Ursachen von manchen Tierrechtler*innen teils sogar selbst unbewusst weiter aufrecht gehalten.

Bei unseren Menschenrechten merken wir ständig, dass wir den Einsatz für unsere Rechte als Mensch auch ständig selber antidiskriminatorisch mit verwirklich müssen – im Alltag als einzelnes Individuum sowie im Einsatz für das Große und Ganze. Beim Speziesismus soll das jetzt anders aussehen. Tierrechte und Speziesismus sollen inhaltlich vermeintlich viel einfacher zu lösende Diskriminierungsmomente sein. Die Diskriminierung von Tieren soll vergleichsweise ein insofern weniger komplexes Thema sein, da es sich mit dem Ziel der körperlichen Unversehrtheit von Tieren bereits komplett beantworten ließe. Ich bezweifle jedoch, dass solange die bislang nicht offengelegten Ursachen in einer anthropozentrischen Gesellschaft noch weiterhin außer Acht gelassen werden, wir zeitgleich eine wirkliche Lösung für die Tiere betreffenden Probleme finden können.

Wenn man aber sagt, die alleinige Forderung nach physischem Schutz reicht noch nicht um Tierrechte auf seine adäquaten Fundamente zu platzieren, dass es um noch mehr geht und wir immer noch eine in so vielerlei Hinsicht extrem reduktive Sicht auf das Tiersein haben, dann wird einem potenziell im Gegenzug unterstellt, man wolle dem schlimmsten Übel, das den Nichtmenschen physisch geschieht, nicht mit helfen politisch entgegenzutreten.

Soll der Grund, wieso es überhaupt Speziesismus gibt – oder wie auch immer wir das Problem noch nennen könnten (Tierhass, Tierunterdrückung, usw. usf.) – etwa nicht zu komplex diskutiert werden, angesichts der schier unbeschreiblichen Extremheit der Situation und der gebotenen Eile Veränderungen herbeizuführen? Das könnte ich verstehen. Aber ich finde bislang noch nicht mal einfache verbale Beschreibungen für die Extremheit der Situation vor. Ich plädiere für Begriffe wie Faunazid oder Zoozid um die Extremheit zu bezeichnen.

Die Situationen, die wir im Alltag im Bezug auf Tiersein und Tierlichkeit bezeugen, sollen vergleichsweise einfacher beantwortbar sein als die, wenn mir selbst etwas vergleichbares als „Mensch“ geschehen würde? Ich brauch mir nicht vorstellen, was wäre, wenn mir selbst so eine Art Unrecht widerfahren würde? Ich soll also theoretisch mein Erlebnis Subjekt zu sein als Tierrechtler*in völlig dissoziieren von tierlichen Subjekten? Wer entscheidet das, wenn nicht ich selbst?

Warum es wichtig ist ein fundamentales Pluralitätsbewusstsein im zivilgesellschaftlichen Aktivismus einzufordern. Tierrechte bilden da keine Ausnahme, sondern ganz im Gegenteil!

Das Thema Tierrechte ist kein inhaltlicher Monolith. Es besteht zugleich auch keinerlei zwangsläufige Einheitlichkeit in den allgemeinen Weltanschauungen von denjenigen Menschen, die sich proaktiv mit dem Themenkomplex auseinandersetzen. Gerade wenn es um unser Bild von Tieren und deren Rechte geht, steht auf einmal so viel bislang Ungeklärtes zur Frage, und es muss derart viel neu durchdacht werden, dass wir dabei vielleicht manchmal vergessen, dass auch dieses neu erscheinende Denken erst im Zusammenhang mit dem Entsteht, was uns bereits vorher beschäftigt hat.

Damit zeigen sich meiner Beobachtung nach auch die verschiedenartigen Vorstellungen von dem, wie Rechte nicht-anthropozentrisch verstanden werden können, und wie der Blick von Menschen auf Nichtmenschen völlig divers ist. Immerhin ist unser typisches, normales, durch die menschliche Hybris gekennzeichnetes Bild von Nichtmenschen ein sich immer nur an der Oberfläche befindendes unzureichendes Projektionswerk gewesen. Ein einzelner Mensch hat sich, introspektiv betrachtet, aber seine/ihre eigene Meinung bilden können.

Das Thema Tierrechte und unsere Betrachtungen über menschliche Sichtweisen auf Tiere als einfach zu beschreiben, würde bedeuten das Denken über Tiere auf einen Tunnelblick begrenzt zu halten. Die Komplexität in menschlichen Herangehensweisen an das Thema bildet nicht einfach ein sinnloses Chaos, sondern sie bildet idealerweise einen wichtigen hilfreichen Hintergrund für die Klärung von dem, was wir dann letztendlich gemeinschaftlich in differenzierter Weise unter Tierrechten verstehen können.

Wir können Tierrechte nur dann sinnvoll definieren, wenn wir dabei transparent machen und offen mit einbeziehen, dass es um unsere eigenen richtigen und falschen Approximationen geht, dass sich hier unsere Vorstellungswelten spiegeln, die es ermöglichen uns den Fragen anzunähern, und wir uns so und nicht anders den Nichtmenschen in ihrer Autonomie von menschlichen Beherrschungsansprüchen konstruktiv oder destruktiv begegnen können.

Es existiert kein zwangsläufiges Bild, das alle Menschen im Bezug auf Tiere teilen. Mehrheitlich multiplizieren sich Stereotype, die über Identitäten gebildet werden. Mehrheitlich, kann man speziesistische Attributisierungen, im Sinne dass das Menschliche „gut“ und das Tierliche „schlecht“ sei betreiben. Das ist aber ein dünnes ideologisches Konstrukt, dass sich im Moment der unabhängigen Reflektion der tierlichen Gegenüber schnell auflöst auf den individuellen Erlebnisebenen von Menschen. Und es sind auch nicht alle kulturellen Überlieferungen klinisch rein von dem, was antispeziesistisch verträglich oder hilfreich ist.

(Mit „richtigen“ und „falschen“ Annäherungen an das Thema meine ich das gleiche „richtig“ und „falsch“, das auch immer wieder neu in den Menschenrechten austariert werden muss, wenn es um die Anerkennung von Rechten geht und um die Erkenntnis über Unrecht damit einhergehend. Zu allen Zeiten werden Diskriminierungsmomente auch gegen Menschen ausgeblendet und kaschiert.)

Ursachen des Faunazids benennen

Mein eigener Hauptfokus in der Frage dessen, was Tierrechte bedeuten müssen, ist eine antibiologistische Herangehensweise an das Thema. Mir ist über die letzten vollen zwanzig Jahre in der Tierrechtbewegung (und in der Tierbefreiungsbewegung) aufgefallen, dass immer noch eine Sichtweise über Nichtmenschen als normal vorausgesetzt wird, die Tiere in erster Linie mit biologischen Terminologien liest, und dass Tieren infolgedessen selbst in diesen Bewegungen eine, philosophisch betrachtet, verminderte Rolle im Gesamtgeschehen zugeordnet wird.

Das ist ein Anthropozentrismus, der bestimmte Vorstellungen von „Menschsein“ als einzig gestaltend im Weltgeschehen in den Mittelpunkt rückt, und bei dem dieses Menschsein als qualifiziert erkannt wird, anhand von den Merkmalen, die im Laufe der jüngeren Menschheitsgeschichte als biologische Unterscheidungsmerkmale in wertender Weise gekennzeichnet wurden.

Anhand von biologischen Merkmalen wird hergeleitet, welche Handlungen gesamtgeschichtlich für die Menschheit relevant sind und welche bedeutungslos und marginalisierbar sind. Wird der Blick (etwas fortschrittlicher) auf die ganze Natur biozentrisch gerichtet, dann bleibt der biologistische Anthropozentrismus erhalten, indem die Naturgeschichte eine Zone ist, in der nichts vergleichbares wie das menschliche Denken stattfindet.

Das menschliche Denken wird anhand der eigenen Früchte des eigenen menschlichen Handelns abgelesen, und in seiner Unvergleichlichkeit unter allen biologischen Lebewesen als maßgeblicher verstanden, insofern, dass der Mensch über eine unbedingte Selbstbestimmtheit als biologische Einheit verfügen würde.

Die zentrale Frage ob wir tierliches Denken endlich nicht mehr als einen kausalistischen sondern als einen freien Prozess anerkennen, wird in bislang in keiner Weise komplex diskutiert und über überhaupt als relevant für Tierrechte (und die Tierbefreiung) lokalisiert. Die Verbindung von nichtmenschlicher Intelligenz im gesamten nichtmenschlichen Raum – das heißt auch: Tiere als Meister in ihrer Ökosozialität – … ist für uns also noch kein Kriterium um Intelligenz ausreichend neu zu bedenken.

Ich fordere meine Kolleg*innen immer wieder auf, dass wir auch die theoretischen Käfige aufbrechen müssen. Das heißt, die Erklärungswelt über Tiere benötigt eine Erweiterung in der Wahrnehmungssensibilität und in der Wahrnehmung beschreibenden Sprache von Menschen. Die Gesellschaft tut sich, selbst in ihren widerständlerischen Segmenten, noch außergewöhnlich schwer mit einem Paradigmenwechsel in der Perspektivität, die sie zur Beschreibung der nichtmenschlichen Welt anwendet.

Vielversprechendere Ansätze als die des „weißen Mainstreams“ finden sich teils bei Autor*innen, die von einem eher dekolonialen Hintergrund her kommen und deren Sichtweisen über das Mensch-Tier-Verhältnis sich zum Teil erkennbar unterschiedlichen Kosmologien zuordnen lässt. Es scheint, dass indem das Konstrukt „Mensch“ ein anderes ist, das „Tier“ sich auch immerhin abweichend lokalisieren lässt, und wir so zumindest erkennen können, dass die Sichtweisen auf Nichtmenschen kulturell nicht immer so ganz einhellig sind.

In der soziologischen Zuordnung der Tierfrage und der Tierrechte innerhalb des Antirassismusdiskurses findet sich die Beobachtung, dass Tieren ein Nicht-Ort zugeschrieben wird, an dem sie eigentlich, in dem was sie selbst in Wirklichkeit sind, überhaupt nicht erkannt werden. Eine neue, explizite Beschreibung von solchen nichtmenschlichen Räumen findet bislang aber nicht weiter in den Diskussionen statt. Es wird erkannt, dass etwas nicht erkannt wird. Aber auch hier finde ich bislang keine explizite Kritik an den Alleinstellungsmerkmalen vom Speziesismus (Tierhass, Tierunterdrückung, usw.), die eine prioritäre, fallgerechte Analyse einläuten würde.

Der Speziesismus hat logischerweise die wirklich perverse Eigenschaft, dass er in negativer Form im Umkehrschluss darauf hinweist, was die Negierung von Tieren eigentlich überhaupt alles an Tieren verneint. Schauen wir uns die Unterdrückung von Tieren und Tierhass, etc. nicht genau an, erkennen wir auch schwerlich wo die Widerstände exakt bei den Menschen liegen, das heißt wo der Mensch „nicht richtig funktioniert“ – wo er ungerecht ist und im Unrecht gegen andere-als-menschliche Tiere handelt. Außer natürlich wir gehen davon aus, dass es im Prinzip evolutionsgeschichtlich ganz normal war, dass wir Tiere opfern und töten mussten. Wir gehen aber nicht alle davon aus!

Eine sehr große Gruppe unter den Aktivist*innen für Tierrechte lassen sich jedoch immer noch mit zu der mehrheitlichen Gruppe von Menschen zählen, die das klassische Narrativ des Jägers und Sammlers ohne den geringsten Zweifel unterschreiben. Tierrechtler*innen die dies tun, begrenzen die Geschichtsschreibung über ‚den Menschen‘ – vielleicht unwillentlich – auf das Kollektivistische und das Mehrheitliche und Dominante.

Wenn ich diese Gruppe aus meiner Tierrechtssicht her kritisiere, dann steht hinter solch einer Kritik mein Bewusstsein dessen, dass Tierrechte gleichermaßen differenziert erörtert werden können wie Menschenrechte. Wenn wir Tiere erkennen, als mit-ihren-Geschichten-vollständig-bedeutsam, können wir verstehen, warum wirklich konstruktive Auseinandersetzungen mit Tierrechten niemals einem politischen „Einparteienprogramm“ gleichen sollten. Dabei geht es um den Kern des Problems, nämlich die mehr oder weniger reduktiven Sichtweisen auf Tiere, und in dem Zuge die Verknüpfungen mit sozialen und ökologischen Fragen, die demokratische Räume anbetreffen.

Die Mehrheit der Tierrechtler*innen erzeugt leider genau den Einparteien-Effekt, indem sie beinahe geschlossen vor allem biologistisch an das Thema herantreten. Der Biologismus im Speziesismus ist für mich die Folge der dominanten menschheitsgeschichtlichen Entwicklungen in Philosophie und Religion, und den weiteren kulturellen Orten, die Menschen zur Selbstorientung und zur Definition ihrer Mitwelt geprägt haben und prägen.

Der aktuelle Ort, an dem eine radikale Trennung zwischen Menschsein und Tiersein geschaffen werden konnte, war der, an dem sie gänzlich der naturwissenschaftlichen Fokussierung auf ihr Physisches untergeordnet wurden, als gedachten Ort einer vollständigen Erklärbarkeit ihres Seins.

Man kann natürlich in gleicher Weise auch für Tierrechte kämpfen, indem man sagt, die Geschichte spielt keine Rolle, ich muss sie auch nicht weiter hinterfragen und es geht darum, was jetzt getan werden muss. Das hieße aber, dass wir auch der Geschichte derjenigen Tiere, die in der ganzen Menschheitsgeschichte bislang untergeordnet wurden, nie einen Raum in der aktuellen Diskussion über Tierrechte geben können. Es heißt auch, zu sagen, Tiere seien überhaupt geschichtslos im historischen Sinne, weil es nur eine anthropozentrische und biologistisch geprägte Sicht auf die Gesamtweltgeschichte geben kann. Klar können wir Tiergeschichte überhaupt erst mitreflektieren, wenn wir Tiere überhaupt erst anders reflektieren.

Reicht es ihnen, den Tieren einen Raum zuteilen zu wollen, an dem sie körperlich geschützt sein sollen, aber weiterhin den extremst unterdrückerischen und absurdesten Definitionen untergeworfen werden sollen? Wie würden die normalen heutigen Mainstream-Tierrechtler*innen dann das Problem mit Speziesismus und Religion zum Beispiel lösen wollen? Mit anthropozentrischer „Gnade“ aber ohne Rechte? Und mit welcher Begründung werden die Annexionen von Tiersein in juristischen, politischen, philosophischen und anderen kulturellen Räumen dann ausgeräumt, die immer wieder den optimalen Nährboden zur Legitimation von Speziesismus in der Gesellschaft bieten?

Über Tierrechte sprechen, Perspektivenvielfalt erörtern

Es gibt viele Weltanschauungen. Und so gibt es auch viele verschiedene Anschauungen, wie Menschen meinen können, die Rechte anderer mitzurealisieren. Die Vielfalt dieser engagierten Sichtweisen kann erst erkennbar machen und klären, was das Gegenteil von Speziesismus in der Gesellschaft wirklich ausmacht – Speziesismen sind allgemeine Übereinkünfte über Tiere, die getroffen wurden/werden. Sie lassen der pazifistischen Begegnung zwischen menschlichen und tierlichen Subjekten keinen Raum. Eine verengende Diskussionsführung spiegelt diesen besonderen Istzustand tierfreundlichen und antispeziesistischen Denkens in Teilen der Gesellschaft kaum wieder. Und es ist egal, ob es sich dabei vielleicht um einer Minderheit in der Minderheit handelt.

Ich habe den Eindruck, viele Menschen wollen Pluralität tendenziell nicht wirklich in die Praxis umsetzen oder halten sie für wenig effektiv. Das Hierarchische wird stillschweigend weiterpraktiziert, indem immer wiederkehrende Priorisierungsakte von ähnlich konstruiertem „Wichtigen“ und „Unwichtigen“, „Relevantem“ und „Irrelevantem“ vollzogen werden. Gleich wie sich die Menschheitsgeschichte verändert, bestimmte Mechanismen werden kaum hinterfragt und ändern sich daher kaum.

Ich glaube die Adressierung der Tierrechtsproblematik stagniert immer noch mehr wegen der verkrusteten Strukturen innerhalb menschlicher Kommunikationswege, und nicht wegen der Fragen selbst. Das heißt, das Thema ist so imminent und explosiv, aber die Art, wie wir darüber reden, ist verengend und zu vereinfachend.

Wir erleben hier eine Zeit, die vergleichbar sein muss mit den Zeiten der großen schwierigen Paradigmenwechsel in der Entwicklung von menschlichen Sichtweisen auf die Welt. Im Punkt Menschenrechte sind wir bemüht um inhaltlich große Schritte. Im Punkt Mitwelt belassen wir die Welt ethisch und politisch als „zweidimensionale Scheibe“. Wobei dieser Vergleich natürlich hinkt, denn das Verständnis von Objektivität in den Naturwissenschaften war in der Betrachtung der Menschen von ihrer nichtmenschlichen Mitwelt niemals das neutrale Mittel zur Erkenntnisgewinnung. Niemand hat sie kritisch hinterfragt und nicht zuletzt ging es um eine seinsgeschichtliche Konstellation, an der sich das „Menschsein“ selbst in zerstörerischer Weise abgearbeitet hat.

Viele Menschen setzen sich weniger mit irgendwelchen eigentlichen Inhalten auseinander, statt mit dem Pool an Informationen, die als die wichtigsten und richtigsten innerhalb einer Gesellschaft ausgetauscht werden. Kritisches, hinterfragendes Denken kann aber nicht in Schienen von Informationsaufnahme und Informationsabfragung verlaufen, die zum Teil aber selbst durch Methodiken im akademisches Denken eingeübt werden. Akademisches Denken läuft meiner Meinung nach oftmals Gefahr geschlossene gedankliche Kreise zu erzeugen, anhand der Verifizierung von Ideen, bei der die Berufung auf Quellen überbetont wird – die in ihren inhaltlichen Aussagen aber nicht an und für sich als neutral vorauszusetzen sind, sondern auch immer nur Abbild eines weiteren geschlossenen Gedankenkreises, der durch weitere Berufungen auf Quellen generiert wurde. Ein Inhalt wird erst durch eine*n Autor*in und deren Ranking mehr oder weniger relevant. Inhalte an und für sich können nicht quellenlos diskutiert werden. Manche Problemkomplexe und Fragenstellungen, etc. lassen sich so aber nicht thematisieren. Es gibt tatsächlich Themen, zu denen wirst du nichts finden, die aber trotzdem täglich auf dich einwirken. Oder du findest vielleicht nur tendenziöse Texte (Ich erinnere mich da (un)gerne an meine Suchen in alten philosophischen und literarischen Texten zum Thema ‚Weiblichkeit‘, geschweige denn später zu den Themen ‚Natur‘ und ‚Tiere‘. Wenn wir uns heute auch nur auf Quellen aus der Gegenwart beziehen würden, bliebe die Geschichte immer noch weiterhin ein Kontinuum).

Aus akademischer Sicht wird implizit zudem eine Sicht eingeübt, dass nicht-akademisch geschulte Menschen weniger in der Lage wären wichtige Beobachtungen auszudrücken, oder dass diese allein noch nicht bedeutungsvoll genug sind um als Fundamente für Demokratie zu funktionieren. Eine Gefahr die ich im akademischen Denken sehe ist, von einer intramenschlichen soziologischen Ebene her betrachtet, ein gesellschaftlicher Elitismus. Es werden Perspektiven eingenommen aus einer intellektuellen Vogelsicht, die für zivilgesellschaftliche Prozesse äußerst hinderlich sein können – wenn es um die Weiterentwicklung von Bürgerrechten aber auch um die Entwicklung von neuen emanzipativen Prozessen in der Gesellschaft wie Tierrecht und Umweltschutz geht. Auch Umweltschutz ist kein Thema, dass nur technokratisch adressiert werden kann. Die Naturwissenschaften können zwar Zahlen und Fakten von technisch messbarer Umweltzerstörung nennen und zu einem veränderten Verhalten ermahnen, etc. Mehr eigentlich aber auch nicht.

Bürgerrechte, einschließlich Tierrechte und Umweltschutz – die beiden großen Themenkomplexe die das Mensch-Mitwelt Verhältnis anbelangen – müssen von allen (mit-)gedacht und von allen (mit-)praktiziert werden. Einigungen und Fortschritte können nur ausgehandelt werden zwischen allen. Selbst ökonomische Veränderung bedürfen aller demokratischer gesellschaftlichen Bausteine; man denke an eine Realisierung einer Postwachstumsgesellschaft und an die Praxis von Konsumkritik.

Tierrechte funktionieren nicht anders als Menschenrechte. Genauso der Umweltschutz. Wenn nicht jede*r diese emanzipativen Prozesse mitdenken und mitmachen und mitentwickeln kann, dann ist alles nur von oben verordnet und kein demokratisches Wachstum.

Ich verstehe nicht warum Tierrechte zunehmen akademisiert werden, als klassisches Aktivismusgebiet. Man sieht diese Tendenz aber in einigen Aktivismusgebieten und diese Tendenzen werden auch von einigen Aktivist*innen kritisch beurteilt. Nur nicht so in den Tierrechten. Der Tierrechtsaktivismus gibt sich vorwiegend monolithisch, indem er eine einfache Haltung zum Thema einnimmt, statt komplexe Fragen, wie es in den anderen Bürgerrechtsbewegungen Praxis ist, aufzuwerfen. Vielleicht meint er mehr Schlagkraft aus einem geeinten Auftreten zu erzielen und zu viel Heterogenität scheint das geeinte Auftreten zu zerstreuen. Ich glaube aber nicht, dass das der vernünftigste Weg ist.

Eine Vereinfachung der Problematik ist meiner Meinung nach unrealistisch und wenig überzeugend, und spiegelt weder die Realität der Tiere und ihrer erlebten Geschichten noch die Realität der Menschen, und ihrer Erlebnisse im Engagement für Tiere wieder. Es scheint mir eher das laute Geläut sich hierarchisch organisierender Cluster und Gruppen zu sein, die Inhalte selbst zu einem großen Teil unsichtbar machen. Die Vereinfachungen des Themas werden dem Thema nicht gerecht, aber vermitteln den Eindruck, als wäre die Einfachheit dem Thema geschuldet. Das ist meiner Meinung nach ein Fauxpas im aktivistischen Ansatz, der allzu offensichtlich zu sein scheint. Ich frage mich, ob in der Mainstream-Tierrechtsbewegung und Tierbefreiungsbewegung gegenwärtig nicht zu kurz gedacht wird.

Systemimmanenter Speziesismus als gesellschaftlicher Istzustand


Wenn man Speziesismus auf der kulturellen und nicht auf irgendeiner technokratischen Ebene betrachtet, dann ist einem klar, dass wir kulturell immer noch in einem speziesistischen System leben.
Aktivismus, der vorgibt der Faunazid wäre eine Beiwerk menschlicher Uninformiertheit, ignoriert, dass Speziesismus eine Geschichte intentionierter Abwertung von Nichtmenschen und deren Kulturen ist.
Wird auf sekundäre Symptomatiken, die infolge des Faunazids auftreten, als Argument gegen Speziesismus ausgewichen, bleibt das Verhältnis von Menschen immer noch bestehen, dass Tiersein und Tierlichkeit kulturell und gesamtethisch nonexistent und bedeutungslos wären.
Antibiologistische Tiersoziologie

Animal portrayals in language 1

CN: animal portrayals in language

Why do speciesists and antispeciesist alike verbally make/cite basic similar descriptions when it comes to talking about Nonhuman activities, referring to instinctual behavior patterns more or less? Observationwise they both obviously fetch their language from the same biologistic box. As if lived subjectivity, outside that of a “human” self, was non-describable. As if an idea of generic pictograms ruled our language about what in reality is the nonhuman autonomy missed by these portrayals per definition.

antibiologistic animal sociology

Tieren mit Achtsamkeit begegnen

Tiersein in der Welt mit Achtsamkeit begegnen

Ich wundere mich

Die normale Durchschnittsgesellschaft oder der Durchschnittsmensch, wenn es so etwas gibt, nimmt an, dass (nichtmenschliche) Tiere sich dessen nicht bewusst sind, dass Tiere unterdrückt werden, überall auf der Welt. Diese Menschen gehen davon aus oder würden diese Annahme so begründen, dass Tiere ja instinktiv fokussiert seien, Tiere würden also auf ein “Instinktverhalten” begrenzt kognitiv funktionieren. Sie könnten all das nicht, was dazu nötig wäre, sich einer Situation oder eines Zustandes im weiteren Sinne und umfassend bewusst zu sein.

Okay, das ist Speziesismus: Kognition habe in einer bestimmten Art und Weise erkennbar zu sein und jede Form von Verständnis oder Intelligenz muss sich nach unseren Maßstäben bemessen lassen.

Was aber, wenn Denken nicht nur so funktioniert, wie Homo sapiens es meint? Was verstehen wir überhaupt unter “Denken“? Die Frage wo Denken beginnt und endet sollte immer wieder eine offene Frage bleiben. Im Bezug auf Menschen bewegen wir uns sonst allzu häufig in Bereichen einer Art Denk-Chauvinismus und im Bezug auf nichtmenschliche Tiere vollziehen wir sonst weiterhin eine Vorurteilshaltung, indem wir die Tiere (nur weil wir sie ausdeuten und dabei aber wenig verstehen) immer wieder allein unter biologistischen Kriterien begreifen. Denken ist ein solch komplexer Vorgang, dass man ihn zumindest philosophisch betrachtet, niemals eingrenzen sollte im Bezug auf anderes Sein. [1]

Das Problem ist, dass neben einem klassischen humanzentrischen Speziesismus selbst Tierrechtler*innen nicht unbedingt davon ausgehen, dass Tiere sich dessen völlig gewahr wären, dass andere Tiere weltweit unterdrückt werden. Es geht hierbei nicht um den genauen Begriff “unterdrückt werden” in unserem Sprachgebrauch, sondern es geht um das, was solch ein Begriff beinhalten will/kann und beschreibt.

Über seine Situation bescheid wissen …

So posieren andere Tierrechtler*innen zum Beispiel gerne mit vermeintlich zufriedenen Tiere, vermitteln ein heile-Welt-Bild in dem sie sich als Mensch, Ally und Retter*in mit einem Nichtmenschen der menschlichen Öffentlichkeit darbieten, nach dem Motto, das Tier ist mit mir, also kann es froh sein und seht, es ist bestimmt glücklich. Doch das Interesse des Tieres an der schwierigen Situation anderer Tiere bzw. an der Situation der ganzen Tier- und Umwelt, findet in solch einer typischen Präsentation von Tier-Mensch-Freundschaften eher keinen Ausdruck.

Ich versetze mich dann selbst in die Lage: die Welt brennt, mich schützt oder rettet jemand, nun soll ich glücklich sein, warum??? Denn was ist mit der brennenden Welt? Allein der Teil, dass ein Mensch sich wie ein*e Retter*in (oder ähnliches) aufspielt, ist Teil der Negation von tierlichem Interesse an deren Mitwelt und an deren Wissen und Mitfühlen über die tragischen Situationen ihrer Familien und Freunde in dieser Welt. ‘Du hilfst mir vielleicht, aber es geht um die ganze Tierwelt’ – von dieser Perspektive gehe ich eher aus, also davon, dass ein Tier sozial mit-denkend wäre. Und dieses “sozial bezieht sich eben nicht nur auf ganz unmittelbare Interaktionen, sondern auch auf ein Wissen über die eigene große soziale und selbstverständlich auch ökosoziale Welt – Habitate und die Frage der Zerstörung dieser spielt meiner Beobachtung und meiner Auffassung nach ebenso eine unmittelbar erlebte und gedachte Rolle in der allgemeinen Rezeption von Tieren über die Welt.

Wie können Menschen davon ausgehen, dass Tiere nicht über ihre Situation als Tiere in einer vom Menschen dominierten Welt bescheid wüssten?

Die einzige Grundlage für so eine Annahme ist darin begründet, dass Menschen auf Tiere ihre ewigen biologisierenden Parameter zum (Schein-)Verständnis anwenden. Ich halte diese Parameter für falsch und es existiert kein wirklicher Beweis dafür, dass Tiere nicht denken würden und dass Tiere in kausalistischer Weise durch Instinkt gelenkt wären. Eine Entscheidung für etwas, das für uns nach Instinkt aussieht, kann ebenso vernünftig durchdacht, aus dem inneren Denken begründet sein. Wenn ich jemanden reduziert betrachten will und auf irgendwelche vermeintlich zentralen Interessenspunkte begrenzt sehe, kann ich jedes Wesen völlig falsch und unterstellerisch lesen.

Man sollte Tieren offen begegnen. Allein sich als Retter*in und Ally leiblich zu ihnen zu gesellen reicht nicht um den tragischen Weltschmerz der betroffenen extremster Form vom Objektifizierung verständnisvoll und achtsam zu begegnen … .

***

Der Gedanke kam mir in einem Kontext, den ich hier tweetete: https://twitter.com/tiere_am_rhein/status/1279764646757629960

Weird when people call the human friends of a nonhuman animal their “dad” e.g.,
blurring out that this nonhuman has own parents ( – and these nonhuman families have tragic histories …),
while talking at the same time about what’s supposed to be radical antispeciesism. #antispe

Weird also when humans pose with single nonhumans for photos, acting as if being with a human was the greatest thing, and socialising for nonhumans with other nonhumans would be a bit secondary at that moment. #anthropocentrism

Their is a lot of these type of weird things going on the “our” (the vegan/AR) movement … strikes me weird.

***


Scrap the biologistic speciesism that leads you to assume that nonhumans wouldn’t know that the/ir entire world is being oppressed.
A reductive concept of intelligence leads you to think of nonhumans as having to be pressed into the human concepts of how to measure perception.

The bad thing is that we still run around with views of animals and animality that are not much different to the “animal-machine” model (by Descartes), only on an “advanced”/”diversified” biochemical level. The idea that animals are acting in causalistic ways is still similar.

[1] Eine Frage, die mit einer Frage beantwortet werden muss … Haben Tiere Vernunft und können Tiere denken? https://simorgh.de/about/die-frage-nach-dem-tierlichen-denken-ist-mit-einer-gegenfrage-zu-beantworten/

Artgerecht klassifizieren

Das Anthropozän ist so verdammt artgerecht.

Tierrechtler*innen die reduktiv von “artgerechtem” Verhalten bei Tieren reden, sind selber Teil des Problems. “Artgerecht” ist ein speziesistischer Begriff, der ökologische Komplexität in ihren Zusammenhängen mit Tiersoziologie auf ein paar banale Aspekte reduziert. #biologismus

Hier die kritischen Einträge auf unsere Seite zum Begriff: “Artgerecht” > https://simorgh.de/about/?s=artgerecht&submit=Search

Unser erster englischer Kommentar/Fragment dazu: https://www.simorgh.de/objects/the-german-artgerecht-is-a-speciesist-term/

… wobei unsere Kritik am Biologismus in Bezug auf Tiere derart Begriffe gleichsam mit zu dekonstruieren sucht.

Tiere sind kein Agrarthema

Antispeciesist Animal Sociology

Tiere sind kein Agrarthema

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Die Sichtbarmachung von speziesistischen Räumen der Objektifizierung von Tieren ist wichtig, damit wir die Fälle bezeugen können und damit wir etwas dagegen unternehmen. Die Sichtbarmachung ist aber kein Garant dafür, dass alle Menschen sich ihrer den Miterdlingen gegenüber empfundenen Empathie bewusst werden müssten. Manche Menschen empfinden keine Empathie an Stellen, an denen man davon ausgeht, dass jeder hier über empathische Intelligenz verfügen müsste. Es gibt im Gegenteil genügend Segmente innerhalb menschlicher Gesellschaften, die eine offensive Form von Speziesismus kulturell propagieren oder es gutheißen, wenn andere dies tun.

Als Menschen, bei denen die Sichtbarmachung speziesistischer Gewalt ethische Betroffenheit auslöst, sollten wir uns aber fragen: Was vermitteln wir, wenn wir einen Hauptort des institutionalisierten Speziesismus erkennen, jedoch in unserer Diskussion darüber, die vielen anderen Orte an denen Speziesismus täglich stattfindet, hinter die großen Tiermord verübenden Industrien rücken und diese weiteren Orte somit aus dem Blickfeld über ein Gesamtproblem verschwinden lassen?

Dass Menschen Tiermord industrialisiert haben, die Reproduktion und das Leben von Tieren in diesem Zuge physisch und seelisch gewaltsam manipulieren, hat eine Geschichte, und diese Geschichte hat wiederum gesellschaftliche und psychologische Hintergründe und Ursachen.

Tiere sind kein Agrarthema. Hängen sie in den Fängen der Industrien, werden sie von vielen ihrer Verteidiger*innen aber tendenziell in diese Ecke gerückt oder zumindest perspektivisch dort belassen. Wahrscheinlich weil dort, in den großen Agrarindustrien, alle grauenhaftesten Orte von Tierunterdrückung schließlich im Akt eines voll-industrialisieren, perfektionierten und allein quantitativ nicht mehr greifbaren Theriozids zusammenlaufen. Dabei ist doch jeder Tiermord Teil des ganzen Problems.

Ein anderer Grund, warum man Tierverteidigung auf den Schauplatz der Agrarindustrien spezialisiert, könnte sein: man belässt Tiere in denjenigen Rahmen, in die sie die Gesellschaft selbst hineinkatapultiert hat.

Machen wir aber Speziesismus zu einem hauptsächlichen Agrarthema, differenzieren wir die Eigenschaften dieser Unorte menschlicher Gesellschaften nicht weiter aus. Wir konstatieren zwar: „Tiere müssen da raus“, und „Agrarkultur muss was anderes sein“, aber wir sehen nicht, weshalb unsere Gesellschaft die großen und die kleinen Räume ethischer Komplettentwertung von nichtmenschlichem Leben überhaupt an erster Stelle geschaffen hat. Für manche von uns ist das vielleicht schon überhaupt keine Frage mehr. Die Frage: „Warum wird dies mit den Tieren getan?“

Die Handlungen sind aber so unsäglich entsetzlich, dass die Frage nach der Ursache immer wieder im Raum steht, „warum wird jetzt dieses eine tierliche Individuum, genau dasjenige, hier und jetzt ermordet … und zu „Nahrung“ verarbeitet … .“ .

Tierthemen müssen meiner Meinung nach in einer emanzipatorischen Sprache behandelt werden, das heißt in einer Sprache der Sichtbarmachung von denjenigen Abwertungsmechanismen, die überhaupt dazu führen, dass Tiere sich an diesen Orten thematisch ansiedeln lassen (–  als bloßer „Faktor“ neben Nahrung und Wirtschaft), die Abwertungsmechanismen, die kumulativ dazu führen, dass Tiere sich an erster Stelle überhaupt in dieser speziesisten-dominierten Welt physisch unter diesen Gegebenheiten befinden müssen.

Wir sollten sprachlich zum Ausdruck bringen können, wo Tiere sich eigentlich befinden müssten. Und das heißt auch, dass sie auf unserer geistigen Landkarte nicht in dem Kontext Tierindustrien allein stehen bleiben können. Es wird aber auffallend selten über die Schaffung von Lebensräumen für die Tiere gesprochen, die wir mit dem Thema Agrarindustrien assoziieren. Sie erhalten Inseln, aber wo stehen sie im Ganzen? Die Frage nach diesen Lebensräumen betrifft aber das Tiersein generell in einer anthropozänen Welt, in der immer weniger Raum bleibt, der nicht als Ressource von Menschen zur Eigennutzung verplant wird. Die Idee und Praxis des Lebenshofes und der Schutzrefugien muss zur Idee gemeinschaftlicher ökosozial-kompatibler Lebensräume insgesamt werden.

Unorte oder Orte, die es nicht geben dürfte

Eine Konstatierung tierethischer Unorte sollte also nicht allein die großen Agrarunternehmen betreffen, sondern jeder Fall von speziesistischer Tötung und „Haltung“ von Tieren muss vom Grundsatz her in den Blickpunkt gerückt werden und gleichzeitig als Priorität des Handelns für Gerechtigkeit-gegenüber-Tieren betrachtet werden.

Was übrigens ein weiteres begleitendes Problem einer separierenden Fokussierung auf die Agrarindustrien in der Tierrechtsbewegung darstellt: wir übersehen häufig an wie viel verschiedenen Orten und auf wieviel verschiedenen Ebenen Speziesismus stattfindet und wie er sich in seiner allgegenwärtigen Vorkommnis gegenseitig stützt und auf die Weise zu einem schier unumstürzbaren Gebäude im Mensch-Tier-Verhältnis geworden ist.

Es geht darum, diese stabilen Mauern einzureißen, wo immer wir ihnen begegnen; dass wir Tierhass entgegentreten in all seinen unterschiedlichen Formen. Unter Tierrechtler*innen sollte man davon ausgehen können, dass alle sich darüber einig sind, dass Speziesismus eine Realität ist und ein Ausdruck von Ungerechtigkeit gegenüber tierlichem Leben darstellt. Wir kämpfen beispielsweise nicht einfach gegen die Betrachtung von Tieren als „essbar“, weil wir keinen weiteren Grund dahinter vermuten, weshalb man Tiere überhaupt als „essbar“ begann zu töten. Sondern wir gehen davon aus, dass es Menschen sehr wohl bewusst ist, dass sie ein – ungeschriebenes und wenn auch nicht-anthropozentrisches – ethisches Tabu brechen, in dem Moment, indem sie ein anderes Leben gezielt gewaltsam beenden aus Gründen des Eigeninteresses. Würden wir nicht davon ausgehen, hätten wir keine wirkliche eigene Antwort auf unser eigenes Denken und Empfinden als Tierrechtler*innen.

Allein, manche argumentieren, „es sei heute ja nicht mehr nötig und viele Tiere sind ja eben schmerzfähig“ (Sentiozentrismus), was meiner Meinung nach, in dieser Kombination vor allem, eine apologetisch erscheinende Begründung ist. Aber selbst dann gehen wir davon aus, dass es ethisch besser wäre, andere Lebewesen als Subjekte anzuerkennen und sie also nicht in objektifizierender Weise unseren vermeintlichen Interessen zu unterwerfen. Und so stellt sich auch dann weiterhin die Frage nach den Ursachen, weshalb die Mehrheiten menschlicher Gesellschaften diesen Anderen aber ihr Subjektsein kategorisch absprechen oder sie das ganze Problem ethisch-moralisch nicht in speziesübergreifend-sozialer Weise interessiert.

Picken wir uns in der Gegenwart das Thema Agrarindustrien als ethisches Streitfeld heraus, befassen wir uns an diesem Ort mit einem gigantischen Symptom, ein Ort an dem die äußeren speziesistischen Legitimierungen und Normalisierungen zusammenstoßen mit dem tatsächlichen Erleben von Milliarden von Opfern. Und bei jedem dieser Morde an diesen Opfern klaffen die endlos vielen Fragen nach der tieferliegenden Ursache auf, denn es gibt weder für das Opfer noch für die alliierten dieser Opfer eine Antwort auf die Frage dieses „Warum?“. Und genau deshalb müssen wir herausfinden: „Was macht Menschen eigentlich zu Speziesist*innen“?

Wir verstehen es nicht – wir können es nicht erklären, es ist einfach so und es gibt keine plausiblen Gründe für Tiermord aus unserer Sicht. Wir fühlen nicht wie Speziesist*innen. Wir können die oberflächliche, vorgegebene Logik wiedergeben, die ein speziesistischen System uns zur Beantwortung parat hält. Wir benötigen aber eine kritische Analyse, da das System ja eben keine nicht-speziesistische Perspektive auf sein eigenes Handeln aufweisen kann.

In den großen Zentren systematischen Tiermordes finden wir die gleichen Ursachen vor, die auch an den anderen Stellen und in anderen grausamen Formen in unseren anthropozänen Gesellschaften eine die Menschheitsgeschichte begleitende ethische Katastrophe darstellen.

Ich glaube wir können Tierrechte erst dann besser formulieren, wenn wir den grundlegenden Ungerechtigkeiten, die im menschlichen Denken/Handeln im Speziesismus ihren Ausdruck finden, einen Namen geben können. Es reicht dabei aber nicht, die Agrarindustrien unserer Massengesellschaften über die Schwerpunktsetzungen auf die Problemkomplexe ökologischer Schäden, nachhaltiger Nahrungsmittelerzeugung und besserer Wirtschafsformen als Aufhänger zu kritisieren, sondern es geht in der Tat um das schiere Thema Speziesismus. (An diesen Orten bündeln sich die Themen, aber im Prinzip bündeln sich die gleichen Themen überall, wo es um die Effekte geht, die „der Mensch“ auf seine Umwelt und ihre nichtmenschlichen tierlichen Bewohner hat.)

Man bedenke: Speziesismus wird in mehrheitlich speziesistischen Gesellschaften bewusst ausgeblendet und verharmlosend kleingeredet. Und Speziesismus findet gleichzeitig überall da statt, wo der anthropozäne durchschnittliche Gegenwartsmensch dominiert. Sei es in seinem verzehrendem Konsumverhalten. Sei es in seinen Sichtweisen, die er vertritt und mit denen er unsere/seine Gesellschaften mitprägt. Es braucht eine grundsätzliche Aufklärung, Thematisierung, Infragestellung von Speziesismus, um alle Problemkomplexe mitzunehmen, die Orte speziesistischer Handlung/Haltung darstellen ( –  was sich aber gegenwärtig als weniger populär gestaltet als stereotype Slogans gegen bekannte, festumrissene Feindbilder und einfach benennbare Schuldige rauszuhauen).

Nicht im Blickfeld

Damit das Aktivismusfeld „Tiere verteidigen in Hinsicht auf das Problem Agrarindustrien“ weiter allein als solches thematisiert werden kann, werden viele Bereiche auf unserer Landkarte des Speziesismus oftmals als weniger wichtig ausgeblendet – obgleich die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Brennpunkten die Eigenschaften des Problems und seine Systemimmanenz in der Gesellschaft verdeutlichen:

  • Tiere auf kleinen Bauernhöfen (ich meine hier offensichtlich keine Lebenshöfe)
  • Einzelne Tiere die getötet werden zu „Verzehr-/Verwendungszwecken“
  • Jagd, Jäger, die Idee der Jagd als historisch das „Menschsein“ konstituierend
  • Tierversuche, Tiere als objektifizierte „Exemplare“ für Kultur und Forschung
  • Probleme, die wildlebende Tiere betreffen – nichtinvasive, „invasive“ Tiere, Tiere; die in Gatterjagden getötet werden, Tierhaltung „wildlebender“ Tierarten, Tiere in Zirkussen, Tiere in Zoos, Nachtzucht zu Artenschutzzwecken
  • Der Raub von Lebensraum (Natur als Menschendomäne)
  • Das Slippery-Slope „domestizierte-“/„wildlebende Tierart“
  • Probleme anderer „domestizierter“ Tiere: Esel, Pferde
  • Untypische Tierarten, die für menschliche Zwecke objektifiziert und getötet werden, z.B. Strauße, Oktopus, Pfeilschwanzkrebse …
  • Eingriffe in die Leben von Tieren, die Menschen als biologisch fern betrachten, Insekten, Wirbellose
  • Tiere, denen nur aus Biodiversitätgründen oder zu Zwecken der Bedienung menschlicher Eigeninteressen Lebensraum zugestanden wird
  • Speziesismus in menschlich kulturschaffenden/-konsumierenden Bereichen, Kunst und Speziesismus
  • Speziesismus als Denkgebäude in Geschichte, Religion, Naturwissenschaften …
  • Euthanasie als Normalität statt palliativer Hilfe, veterinärmedizinischer Ethos
  • Speziesismus und menschliche Rituale
  • Bestialität, Verstümmelungen, Spektakel, Gewaltorgien
  • Diskriminierende „Tierfreunde“, „milder“ Speziesismus …

Veganismus wird in dem Zuge (gleichermaßen wir bei seiner eigenen Verengung „vegan gleich Essen/Konsumgüter“, „Tieren helfen gleich vegane Kochrezepte, gleich Essensthemen/Konsumverhalten“) auch auf einen Ausdruck des gesellschaftlichen Speziesismus hin verengt. So kommt es zu Aufrechnungen von z.B. Pferdeleben, Giraffenleben, Hunde- und Katzenleben mit den Tierleben, die in den großen agrarindustriellen Betrieben „gehalten“ und getötet werden. Wobei ein beachtlicher Teil der Veganismus-Bewegung im Bezug auf die großen „Tierindustrien“, eine entscheidende Rolle darin einnimmt, den Blickpunkt auf die totale Entfremdung dieser Orte zu richten und dabei eine imaginierte Zukunft für die Tiere anzuvisieren. Es geht dann nicht nur um die Frage des Konsums mit der Lösung „Veganismus“ als Endpunkt, sondern es geht implizit immer auch um die weitere Hintergründe und Fragen, die gestellt werden müssen. Wobei Veganismus als Idee eine praktische grundsätzliche Lebensweise beschreibt, die alle oben genannten Probleme mit umfassen kann. Jedoch ist der Veganismus „nur“ ein praktischer Teilaspekt antispeziesistischen Handelns. Es gibt genügend Veganer*innen, die vegan sind, aber keine ausgeprägten Antispeziesist*innen sind.

Wenn man sich eine weitete wichtige Schnittmenge von Tierrechtsaktivismus in Form der unzähligen gestellten Petitionen im Internet für Tiere anschaut, die einen Teil sehr offensiver Fälle des Alltagsspeziesismus sichtbar machen, dann wird einem klar, dass es nicht reicht isoliert über die Industrien zu sprechen, die Tiere objektifizieren und töten. Speziesismus übersteigt die Dimension eines Systems. Wir müssen das Thema als Ganzes fassen können.

Für viele Menschen sind die Tierindustrien heute eher ein Problem dessen, was diese im Zuge ihres zerstörerischen Handelns mitverursachen. Die Tierindustrien sind aber in erster Linie die Unorte, an denen Tierleben grausamst genommen werden. Und in diesem Kontext sollten wir sie auch verstehen. Die Dissonanzen zwischen Tierrechten und Umweltschutz, und die Mängel, die ich aus Tierrechtssicht in der Umweltschutzbewegung wie sie heute besteht moniere, habe ich kürzlich hier notiert: https://simorgh.de/about/tierrechte-und-umweltschutz/

Was man versuchen kann, um Menschen für das Thema Speziesismus zu sensibilisieren:

  • Verdeutlichen, dass man einen genuinen eigenen Standpunkt bezieht und nicht nur die Slogans und Ideen anderer trendgemäß nachplappert
  • Verdeutlichen können, dass ethische Einstellungen Fragen der Haltungen sind, die jemand bewusst bezieht. Was im Umkehrschluss auch heißt, man muss andere nicht versuchen zu überzeugen, sondern man vertritt seine eigene Haltung, die sich mit der eines anderen sinnvoll ergänzen kann.
  • Bloggen, netzwerken, kommunikativ oder/und im Alleingang tätig sein gegen Speziesismus; Kunst, Musik, kreatives Schreiben in dem man Gedanken, Beobachtungen und Meinungen Ausdruck verleiht.
  • Nicht immer irgendwelchen tollen Vordenker*innen folgen, sondern selbst auch Output generieren, um damit im gleichen Zuge eine Vielfalt an Outputs anderer mit anzuregen.
  • Grenzen ziehen, wenn andere ein Wirrwarr zwischen speziesistischen und antispeziesistischen Inhalten generieren wollen, nicht einfach darüber hinwegsehen sondern Haltungen des Gegenübers weiter analysieren um sie klarer lokalisieren zu können. Speziesismus arbeitet oft indem er verwässernd und zersetzend auf antispeziesistische Inhalte wirken will, es ist somit immer wichtig das eigene Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.
  • Eigenkreativität und kontextualisierender sozialer Verbundenheit Bedeutung beimessen. Zum Thema Radical-Selfcare als Tierrechtler*in hat Anastasia Yarbrough einen sehr hilfreichen Text verfasst: https://simorgh.de/about/tag/anastasia-yarbrough/
  • Aph und Syl Ko, sowie auch Breeze Harper und andere Autor*innen und Kreative, die wir auch auf diesen Seiten featuren, haben inspirierende Ansätze entwickelt zu recht differenzierten Möglichkeiten, wie wir Tierthemen und Themen, die sich an Tierthemen angliedern, thematisieren können.
  • Speziesistischen Terminologien versuchen aufzuschlüsseln, z.B. der Gebrauch von Begriffen wie „Tierwohl“ und „Artgerecht“, https://simorgh.de/about/informierter-und-uninformierter-speziesismus/
  • Weitere Tipps: https://simorgh.de/about/was-ist-effektiver-aktivismus/

Bild: Farangis G. Yegane, Text: Gita Yegane Arani

Tierrechte und Umweltschutz

E-Reader: Gruppe Messel,  Jahrgang 4, Nr. 3, Mai 2022, Edition Farangis > https://farangis.de/reader/e-reader_gruppe_messel_2022_3.pdf

Tierrechte und Umweltschutz

(Dies ist eine überarbeitete Fassung, eines Textes, der Teil des E-Readers: Gruppe Messel, Jahrgang 2, Nr. 1, Mai 2020, ist.)

Das Anthropozän ist das Zeitalter des Faunazids und des Ökozids: Die Lebensgeschichten von Tieren sind durch eine menschliche Psychologie eines Bedürfnisses nach tierobjektifizierender Erniedrigung gekennzeichnet. Umweltschützende blenden Tierschicksale aus und somit auch den Großteil und diese spezifische Form menschlicher Destruktivität.

Trennlinien, die zwischen ‚Tieren‘ und ‚Umwelt‘ gezogen werden

Umweltschutzbewegungen vermitteln aus Tierrechtssicht aktuell ein Bild recht entseelt-anthropozentrischer Veranstaltungen, und auch progressiv anmutende Kampagnen zum Schutz von Biodiversität und gegen das Artensterben sind wenig tangiert von der gesellschaftlich normalisierten Ungerechtigkeit gegenüber der Tierwelt und den betroffenen einzelnen tierlichen Subjekten.

Wie erklärt sich die Vermeidung konsequent tierethischer [1] Fragen in großen Teilen der heutigen Umweltbewegung? Warum werden die erlebten und bezeugten Geschichten von tierlichen Subjekten nicht in der Art mit in die Umweltthematik und umweltethische Fragen mit einbezogen, so dass damit eine unabdingbare Verknüpfung von Tierrechtsfragen mit umwelt- und gesellschaftspolitischen Fragen vollzogen würde?

Tierfragen werden gegenwärtig zumeist nur insoweit als relevant mit in umweltpolitische und umweltethische Fragen einbezogen, insofern

  • tierliche Existenz vom Menschen dahingehend manipuliert wurde, dass man sie infolgedessen als umweltschädigend und Umweltproblem eingestuft
  • oder aber insofern man wildlebende Tierarten als Bestand einer ökologischen Gemeinschaft erhalten will

Tierfragen denen man im Umweltschutz vorwiegend begegnet sind:

  • Schäden als Resultat industrialisierter „Tierhaltung“/Massentierhaltung zählen als Dringlichkeitsfaktor zum veränderten Handeln
  • Tierschicksale sind wenn nur von „emotionalem“ Belang, bleiben anekdotisch und es ergeben sich keine Konsequenzen in Richtung Tierrechten in Ableitung
  • Einheimische Tierarten sind schützenswert in ihren Funktionen und ihrem Dasein, während invasive Spezies vernichtet werden dürfen [2]
  • Tierarten sollen nachgezüchtet werden (captive breeding programs / Erhaltungszucht) unter Bedingungen der Gefangenschaft in Zoos, zum Erhalt der Gattung
  • Jagdquoten sind erlaubt, Jagd wird als „naturnahes“ Menschsein begriffen
  • Tiere als Ressourcen für ökologische Produkte

Tiere jenseits ihrer Zugehörigkeit zu diesen Lagern (also Farmtiere die umweltschädigend sind und wildlebende Tiere, die in ihren ökologisch angestammten Habitaten erscheinen und funktionieren sollen), denen sie hauptsächlich zugeordnet werden, spielen wegen ihrer Selbst keine wesentliche Rolle ( – wobei es ebenso immer noch auffallend viele vegan Lebende und selbst Tierrechtler*innen gibt, die Tiere eher als Spezies subsumieren, und die Tiere als einzelne Lebewesen mit ihren eigenen Geschichten nicht konsequent priorisieren wollen).

Aber wie soll man sich auch mit dem tierlichen Gegenüber befassen, wenn selbst die Natur, d.h. die Natur in all ihren feinen Zusammenhängen und lebendigen Komponenten, entseelt betrachtet wird – wenn auch vom Menschen „geliebt“, weil schönes und nützliches Fundament unseres biologischen Seins. Die Art, wie der Gegenwartsmensch Natur betrachtet, leitet sich in der Regel aus seinem naturwissenschaftlich dominierten Weltbild her ab.

Die Naturwissenschaft ist, wenn man sie als Erklärungsmodell für Leben anwendet, aber entseelend. Das Leben erklärt sich über die Zusammensetzung einzelner, zergliederbarer Bausteine und bleibt dabei nicht intakt [3]. Die Naturwissenschaft müsste in ihrer Auseinandersetzung und Berührung mit Leben und Lebensbereichen erst über den Umweg der Geistes- und Sozialwissenschaft wieder seelenrelevante Ansatzpunkte im Bezug auf ihren Gegenstand erhalten. Doch „Geist“ und „Gesellschaft“ sind der Wirkkreis menschlicher Eigendefinition, und die Natur und die Tierwelt treten dort bislang noch in erster Linie hinsichtlich kollektivistisch anthropozentrischer Eigeninteressensfragen und immer noch aus der Perspektive naturwissenschaftlich geleiteter Erklärungsmodelle auf. [4]

Die einzige Alternative wäre vielleicht nur noch eine religiöse oder spirituelle Sicht auf die Gesamtumwelt der Menschen, die sich aber als wenig tauglich erweist, um aus ihrer eigenen Art anthropozentrischer Überlieferungen und Dogmen herauszutreten. Historisch überliefert ist genau der geistige Kanon, aus dem die Gegenwart sich abgeleitet hat, und fragwürdige Sichtweisen von damals sind immer noch Wiege etlicher fragwürdiger Sichtweisen von heute. Ein kultureller Bruch hat geistesgeschichtlich in Hinsicht auf destruktiv-hegemonial anthropozentrisch geprägte Mensch-Tier-Natur-Verhältnisse noch nicht stattgefunden. [5]

Der Mensch ist kein unumstößlicher Mittelpunkt „seiner Umwelt“

Warum schafft die Umweltbewegung keine echte Bezugnahme auf die Natur als lebendige Mitwelt und Welt, die neue umweltethische Erkenntnistheorien benötigt und nicht allein naturwissenschaftliche Modelle? In der gegenwärtigen Tierrechts- sowie in der Umweltbewegung kann man interessanterweise beobachten, dass für ein Neudenken gekämpft wird, ohne dass über den Gegenstand insofern neu gedacht würde, dass man sich aus übernommenen unemanzipativen definitorischen Fesseln eines hegemonialen Anthropozentrismus herausbewegen würde (man muss sich dazu die konkreten Thematisierungen der Problemkomplexe anschauen, ich führe diesen Punkt hier daher nicht weiter [6]).

Unter Anthropozentrismus verstehe ich nicht, dass man menschliches Dasein in seinen Besonderheiten wahrnehmen kann, sondern der Anthropozentrismus ist in der Gegenwart ein Problem, weil er gewisse Modelle menschlich-dominanten (und -destruktiven) Verhaltens gegenüber dem nichtmenschlichen Leben als legitim begreift, und Modelle, in denen der Mensch eine pazifistische, andere Haltung und Rolle in seiner Mitwelt einnehmen kann, als undenkbar von der Hand weist.

So können menschliche „zivilisatorische“ Entwicklungen tatsächlich auf natursensiblen Ebenen wachsen und gedeihen, der mehrheitsangepasste Gegenwartsmensch geht aber tendenziell in undifferenzierter Weise davon aus, dass ohne Naturzerstörung und -unterwerfung zivilisatorische Entwicklungen nicht stattfinden konnten oder können.

Daher auch der starke Mythos über die Bedeutung von Jäger- und Sammlerkulturen als Wurzel der Menschheit. Die Unterwerfung der „Natur“ sei unabdingbar für das Überleben der Menschheit gewesen und Grundlage menschlichen ‚Selbst-Bewusstseins‘. Als wäre das Überleben der Menschheit ein ideologisch festgelegtes Diktum, das um jeden Preis in nur einer erdenkbaren Form geschehen musste, und aus dem heraus sich auch ableiten lässt, dass alles legitim als Mittel zum Zweck unterworfen werden kann, wenn es doch dem menschlichen Überleben und Fortschritt dient.

Das interessante dabei ist, man sieht das „Menschsein“ als solch eine homogene geistige Verfassung, in der keinerlei andere kulturellen und individuellen Lebensvorstellungen vorkommen könnten. Zu jeder Zeit wird es menschliche Auffassungen gegeben haben, die von Gewalt gegenüber ihrer Mitwelt Abstand genommen haben oder nehmen wollten – dies lässt sich meiner Meinung nach zumindest nicht vernünftigermaßen ausschließen [7].

Das menschliche Selbstverständnis spielt eine wesentliche Rolle, wenn wir etwas an den Einstellungen unserer Mitmenschen gegenüber der gemeinsamen Mitwelt verändern wollen

Eine Veränderung in Sachen Umweltschutz betrifft alle Bereiche des heutigen Lebens. Wir sind in jeder Weise eingebunden durch unsere schiere körperliche Existenz in Systeme und Mechanismen, die die Welt als Ressource nutzen und verwalten, monetarisieren und zerstören [8]. Wenn wir an dem Punkt verharren, von der Politik einzufordern, dass Symptome gemildert werden sollen, ändert dies noch nichts an all den Lebensbereichen, die nicht oder nur bedingt über politische Entscheide regulierbar sind, so zum Beispiel die Dynamik von Märkten und den damit verbundenen Folgen, die sich aus der Nachfrage für „Güter“ ergeben [9].

Umweltschutz, sowie auch Tierrechte, müssen tatsächlich einen gesamtgesellschaftlichen Emanzipierungsprozess beinhalten. Das heißt Bewusstsein, Aufmerksamkeit und Wachheit für bedeutsame Fragen müssen entstehen, dort wo bislang Geringschätzung, Objektifizierung und somit Ausblendung und Ignoranz herrschen, und das wachsende Bewusstsein muss in den täglichen gesellschaftlichen Diskurs mit einfließen. Geschieht dies nicht, finden Stagnationen statt, wie derzeit zum Beispiel im Veganismus in der BRD: dort haben wir es zunehmend mit einer Reduzierung auf Etikettierung zu tun, zu einem Label das sich als Konsumgut handhaben lässt, statt mit der kritischen Thematisierung von Grausamkeit und Unrecht gegen Nichtmenschen, was ursprünglich Haupttreiber der Bewegung war [10].

In der Umweltbewegung lässt sich die Neigung zum Greenwashing häufig kaum mehr von der echten Sache unterscheiden, die natürliche Umwelt wird wegen des mangelnden Grundsatzdiskurses weiterhin als Ressource betrachtet und nicht als schützenswerter Raum wegen seiner Selbst [11].

Die nichtmenschliche Welt als Ressource soll uns erhalten bleiben, zu unserem Nutzen und unserer Freude und in erster Linie natürlich für unser Überleben (vielleicht als Raum menschlicher Selbstverwirklichung?). Die wildlebenden Tierarten sollen im Gesamtbild unserer Vorstellung biologischer Diversität erhalten bleiben, auch wenn wir sie in Gefangenschaft züchten müssen und wir überschüssige Exemplare wieder gerne zum Abschuss freigeben [12]. Die menschgemachten Problematiken „domestizierter“ Tiere, werden nicht als solche verstanden, sie sollen einfach kein umweltbelastender Faktor mehr sein und mehr interessiert daran nicht [13].

Die Kluft, die solche Formen von Anthropozentrismus zwischen Mensch und nichtmenschlicher Mitwelt schaffen, bleibt bestehen: dass nur menschlichen Leben eine besondere Wertschätzung und eine sensible Wahrnehmung zukommen darf – so vom Prinzip her zumindest. Natürlich generiert die wohlmeinende Gesamtgesellschaft auch Abgründe innerhalb ihrer Gemeinschaften, aber man gibt sich zumindest gewisse ethische Ideale als Ziele vor.

Diese separierende Haltung, die zwischen Mensch und Natur in hierarchischer, wertender Weise scheidet, finden unhinterfragt auch in der Umweltbewegung statt. Es ist nicht so, dass automatisch jede*r der*die sich für „die Natur“ oder „die Tiere“ einsetzt auch ein tiefgreifend emanzipatorisches und aufgeklärtes Verhältnis der Sache gegenüber aufweist (das gleiche trifft übrigens auch auf Menschenrechtsbereiche zu). Solche Projektionen finden allerdings statt, vielleicht in der Hoffnung auf den neuen und aufgeklärteren ‚besseren‘ Menschen.

Da sich die Tierrechtsbewegung (wie bereits oben moniert) bislang auch fast ausschließlich an die biologistische Sichtweise hält, die man insbesondere nichtmenschlichen Tieren zukommen lässt, erhält die Umweltbewegung auch hier keinen wertvollen Impuls, um eine emanzipative Herangehensweise in der selbstkritischen Analyse des Mensch-Natur-Nichtmenschen-Verhältnisses zu entwickeln.

Manch eine*r könnte jetzt meinen, da bliebe dann nur eine animistische Sichtweise auf die Welt übrig, um nicht-biologistische Standpunkte auf die Themen einzunehmen, die normalerweise durch eine naturwissenschaftliche Sichtweise bestimmt sind. Das hieße aber geflissentlich den wertvollen Rückgriff auszuschließen auf eigene Erfahrungs- und Beobachtungswerte und die Möglichkeiten diese in kritische Bezüge zu setzen. Die Beobachtungen, die ein individueller Mensch als Subjekt in Bezug auf seine/ihre Umwelt und sein Mitleben macht, bleiben bislang beklagenswerter Weise vielfach ungenutzt. Spezifischer: Wir beobachten Dinge über die Gesellschaft, über uns selbst und andere Menschen, dabei sind uns keine oder kaum Grenzen gesetzt, im Gegenteil der freie Spielraum subjektiven Erlebens trägt eine besondere Bedeutung … wenn der Mensch sich aber aus eigener Sicht kontextualisiert mit Tieren, mit der Pflanzenwelt, mit dem ganzen nichtmenschlichen Dasein, wie es in der Welt existiert und zu existieren versucht, dann darf „der Mensch“ nicht seiner eigenen unabhängigen Gedankenwelt vertrauen oder diese als Maßstab der Einschätzung oder der Relationssetzung betrachten, sondern er muss immer über den Umweg bestimmter Definitionswege gehen:

  • Im Bezug auf „die Natur“: die oberste Deutungshoheit für sie trägt die Biologie; die Philosophie in Hinsicht auf spezifische Räume, die der Natur angedacht sind, das gleiche gilt für spirituell religiöse Vorstellungen in Hinsicht auf Natur –> eingegrenzte Räume.
  • Im Bezug auf „die Tiere“: Biologie und das geistesgeschichtlich sehr eng definierte Terrain, dass die überlieferte Menschheitsgeschichte den Tieren zugedacht hat.

Die Leistungen im Eigendenken und der eigenen Beobachtung und Wertung scheinen nicht nötig. Und das nimmt man hin, und macht sich so zum Komplizen dieser Formen anthropozentrischer Sichtweisen, die je nach Zeitgeist ihre Ausprägungen finden.

Meine Kritik an der gegenwärtigen Umweltschutzbewegung, wie sie sich in ihrem Mainstream vermittelt, würde ich folgendermaßen zusammenfassen:

  • man fokussiert auf eine „den Menschen“ [14] in den Mittelpunkt setzende Zukunft als alleinig prioritär, die Frage nach der Zukunft, geschweige denn der Gegenwart der Tierwelt als Ganzem stellt sich nicht. Es findet keine Erweiterung sozio-ethischer Vorstellungen statt, die Tiere als Handelnde und Akteure öko-sozial (usw.) mit einbindet
  • bestimmte Aspekte der Umweltzerstörung werden fokussiert und mit Forderungskatalogen politisiert, während die Umweltzerstörung aber ein umgreifender Prozess ist, eine anthropozäne Entwicklung; die CO2-Diskussion allein stellt einen verkürzten Blick dar, den verschiedene Belange können und müssen zeitgleich Thema sein und priorisiert werden
  • der*die Bürger*in wird nicht als Schlüssel zur Lösung thematisiert, Lösungen sollen „von oben“ auf parteienpolitischer Ebene von Entscheidungsträgern verordnet werden. Der Lebensstil, den Menschen für sich jeweils praktizieren wollen ist nicht affiziert, solange keine Grundsatzdiskussionen über die Einstellungen von Menschen zur Natur angeregt werden. Das Bild von allem, was Nichtmensch auf der Erde ist, sollte andiskutiert werden, damit ein Nachdenken und eine Auseinandersetzung als gesellschaftlich Relevant erkannt werden kann
  • die Protestbewegungen agieren choreographiert und fördern in dem Zuge wenig individuellen Gedankenaustausch, der wiederum eine Basis zur Bewusstseinsbildung in innergesellschaftlichen Mikrodiskursen fördern würde
  • kleine spezialisierte Initiativen auf Bürgerebene, so wie beispielsweise im ‚kleinteiligen‘ Baumschutz, werden oft nicht als wichtiger pluralistischer Baustein erkannt
  • in einer Gesellschaft, die sich vom Expertentum abhängig gemacht hat, benötigen wir konkrete Forderungen nach Fächern wie Umweltethik an mehr Unis und auch an Schulen z.B., Fächer dieser Art müssten offen wachsen können durch einen lebendigen und kritischen Diskurs in Hinsicht Mensch-Umwelt-Beziehung sowie ökozentrischer Perspektivansätze. Es benötigt eines weitreichend formulierten Forderungskatalogs, um Diskussionen und Bewusstsein anzustoßen
  • die völlige und alleinige Autorisierung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse zum Thema „Umwelt“ begrenzt die Diskussion über „Umwelt/-zerstörung“: Gesellschaftliche, geistige, politische, wirtschaftliche Hemmnisse erledigen sich nicht automatisch aus einer Erkenntnis über die Entwicklungen des Klimawandels und jeglicher quantitativer Beobachtungen. Der Mensch nimmt Umweltzerstörung in Kauf, wie wir im Großen und Ganzen beobachten können. Nun eine punktuelle Wende zu vollziehen, weil die eigene, menschliche Zukunft durch die Umweltzerstörung auf dem Spiel steht, ist kein Hinauswachsen über den alten hegemonialen Anthropozentrismus. Man schützt die Natur dann, um sich selbst letztendlich zu helfen. Ein Slippery-Slope und kein emanzipativer Prozess.
  • die Höherbewertung von konzertierter Medienwirksamkeit gegenüber weniger zentralistisch funktionierenden Kommunikationskanälen: Die höhere Wertbeimessung des Austauschs mit gesellschaftlichen Eliten, statt auf Bürgerebene Auseinandersetzung und Dialog als Möglichkeit gesellschaftlicher R/Evolution usw. zu nutzen
  • Zoonosen wurden trotz Corona-Pandemie nur begrenzt in den Umweltbewegungen als Umweltproblem thematisiert, manche Umweltakteure beleuchten die Problematik, aber die Bewegung insgesamt hat die Brücke, die an der Stelle themenübergreifend sichtbar wird, nicht als Chance dazu betrachtet, die Umwelt auch als Lebensort der Tierwelt zu reklamieren und den gemeinsamen Schutz beider zu betonen
  • Selbst wenn es vermeintlich um Tiere (und sogar Veganismus) geht, geht es wieder um den ökologischen Aspekt, ohne sich intensiviert mit Tierthemen selbst zu befassen. Ein recht auffälliges Beispiel sind ‚Animal Rebellion‘; man geht davon aus, dass damit alle Tiere gemeint sind, es geht aber darum, dass die ‚landwirtschaftliche Tierhaltung‘ einen negativen Effekt auf die Umwelt hat, würde man ein einzelnes, individuelles Tier zum Verzehr töten, wäre das ein unbehandeltes und unklares Thema … und ganz naheliegend „Extinction Rebellion“, dort geht es darum wildlebende Tierarten zum Erhalt von Biodiversität zu schützen. Tiere als individuelle Subjekte bleiben, trotz allem Anspruch auf Schutz, marginalisiert im eigenen Raum. Die Folgen verschiedener Speziesismen/Formen der Tierobjektifizierung für verschiedene Tiergruppen scheinen nicht existent, wenn der Fokus auf ökologische Fragen gerichtet sind

Ich vermisse die Feinteiligkeit in der Umweltbewegung und die Enttechnokratisierung in der erklärenden Definition vom Gesamtphänomen „Umweltzerstörung“ durch den Menschen. Umwelt und Umweltschutz sind keine allein technisch zu beantwortenden Fragen. Und es ist auch keine Frage des Gehorsams gegenüber wissenschaftlichen Daten und Erkenntnissen; sie sind Teil der Beobachtung der Katastrophe im Ganzen und in Teilen, aber sie ersetzen nicht die jedermann zugänglichen Wahrnehmungsmöglichkeiten von umweltschädlichem Verhalten auf allen nur denkbaren Ebenen. Destruktives Verhalten ist auch dann ein Problem, wenn die Zukunft der Menschheit dadurch nicht tangiert wird. Und, das destruktive Verhalten gegenüber der Natur ist kumulierend, indem es sich aus tausend und einer schädlichen Handlungsnorm zusammensetzt.

Technokratischer Umweltschutz

Umweltthemen sind nicht bloß Themen, die aus den Naturwissenschaften heraus analysiert und thematisiert werden können. Die Haltungen von Menschen müssen vom Grundsatz her unter die Lupe genommen werden, die in der Menschheitsgeschichte zu der Einstellung führten, dass Umwelt schlichtweg eine „ausbeutbare Ressource“ sei. Es gibt verschiedene Einstellungen bei Menschen zu ihrer Umwelt und wir sollten uns ‚ökosozioethisch‘ orientiert anschauen, wie es dazu kommt.

Es ist nun eine beklagenswerte Tatsache, dass auf eben solch einem technokratischen und naturwissenschaftlichen und wenig soziologischen Boden eine Haltung besteht, Fragen der Tierethik aus der Umweltdebatte feinsäuberlich heraus zu halten. Man drückt mit dieser Aussparung aus, dass es keine Rolle spielt, dass wir Tiere aus der Natur herausgerissen und in unsere für sie ersonnenen qualvollen Räume forciert haben, und dass die Tierwelt weiterhin von Menschen gemordet und gedemütigt werden darf, solange es in ökologisch nachhaltiger Weise geschieht.

Ungerechtigkeitsfragen in Hinsicht auf die Tierleben als „Erdenkinder“ (als gedankliches Bild oder Metapher), spielen im Umweltschutz keine Rolle. Man trennt zwischen ökologisch essentiellen Symbiosen, einheimischen und ‚nützlichen‘ Tierarten und dem Tier an sich, das eigentlich kein Thema ist, für sich selbst [15].

Warum sollten man Tiere grundsätzlich vor menschlicher Destruktivität schützen und warum soll eine Frage ethischer Verwerflichkeit über die Dominierung tierlichen Lebens für Umweltschützer eine Rolle spielen? Welcher Zusammenhang besteht für Umweltschützer im Konkreten zwischen Tierwelt und „Natur“? Man müsste darüber eine Karte zur Verbildlichung erstellen und man würden sehen, dass das Tier als erlebendes Subjekt auf dieser Karte bislang nicht explizit erscheint. [16]

Tierrechtler*innen selbst verkürzen oft die Fragen der Ungerechtigkeit und geben vor, es reiche die „Instinkte“ des Nichtmenschen „artgerecht“ zu bedienen, als wären Animal Bodies von biologischen Determinanten geleitete und von uns Menschen völlig erfassbare und definierbare Leben. [17]

Freiheit und Unrecht spielen doch nur beim Menschen eine Rolle. Oder?

Nun gut, die Natur soll also geschützt werden, der Natur und ihren Bewohnern könne aber kein Unrecht geschehen (im Negativen) und Freiheit (im Positiven) sei nur was, was der Mensch erlebt – solche Vorstellungen findet man in der einen oder anderen Form immer wieder in Geistesgut von Menschen vor – die Natur selbst habe selbst und an sich nichts mit „Freiheit“ zu tun – sie sei „geistlos“. „Geist“ (und somit eigentlich „Sinn“) bindet man an das menschliche Dasein und die menschliche Selbstreflektion, und derart Begriffe dienen als Messers Schneide zwischen Mensch und dem irdischen Rest.

Der Mensch will diese „geistlose“ Materie aber atmen, und er will, dass gewisse Tiere in Freiheit die Natur mitgestalten, Bienen und Käfer, Vögel, Nager, die Tiere auf dem Land, in der Luft und die im Meer (und er entscheidet, welches Tier da was, wann und wie machen soll und darf) … er zieht aber klare Grenzen wem alleine eine wirkliche Domäne über „Geist“, „Freiheit“ und „Sinnhaftigkeit“ zusteht. „Die Natur“ ist in dem Moment vom Menschen als entseelt und geistlos und als bloße Materie verstanden worden, in dem er sie zu nutzen und zu instrumentalisieren begann – was gleichermaßen auch den „Nutzen“ und die Instrumentalisierung für eigenen „geistige“ und definitorische Zwecke als (kollektivistisch) hegemonialen Akt beinhaltet. [18].

Und Tiere stehen nun in gleicher Weise hinter dieser arbiträren Grenze von „Geist“ und „Sinn“ (da nicht Mensch) [19]. Die einen reißen wir aus den Zyklen ihrer selbst gewählten und selbst gestalteten Habitate heraus, die anderen dürfen in einer verwalteten „Wildbahn“ weiterleben. Alle werden in den menschlichen Eingrenzungen „im Zaum“ gehalten, wenn auch nicht zuletzt in der geistigen und theoretischen Auseinandersetzung mit ihnen. Man spricht Tieren ein autonomes Bewusstsein ab, und zwingt ihrem Sein unsere Beobachtungsparameter und die Belegbarkeit gewisser Eigenschaften auf, die immer wieder zu dem Schluss führen sollen, dass ihr Verhalten determinierbar sei und sich aus dem „Instinkt“ heraus erklären würde, weil wir sie unter Gesichtspunkten reduktiver Parameter lesen wollen. Die menschlichen Paradigmen über das Tiersein geben die Definition und das Verständnis von „Tier“ faktisch vor. Das heißt: das ist eine Eingrenzung von Freiheit auf definitorischer Ebene, die wir routinemäßig vollziehen.

Umweltschützende beschweren sich teils – ich sage hier bewusst „teils“, denn Ausnahmen sind die Themen: Jagd, Native/Invasive Spezies und Captive Breeding – über die abartige Behandlung wildlebender Tierarten. Jedoch Hühner, Schweine, Rinder … Pferde … „alles hat“ – wenn in nachhaltigen Maße und nachhaltiger „Machart“ – seinen angestammten Platz in der grundsätzlichen Nutzbarmachung der menschlichen Um- und Mitwelt. Tierliches Eigenerleben, Eigenwert oder Eigenbedeutung zählen für den Menschen doch nicht, wenn sie sich durch den Menschen gegenwärtig nicht fassen lassen. Und da beginnt wieder der tierobjektifizierende u./o. speziesistische Anthropozentrismus.

Wir sollten stattdessen akzeptieren können eine pazifistische und beschützende Einstellung gegenüber dem Leben in der Welt einzunehmen, dass wir vielleicht nicht nach uns bekannten und/oder akzeptierten Schemen fassen können. Es ist manchmal eine feine Gratwanderung, wie ein Mensch sich in der Welt einbringt. Als Freund oder als Egomane und eventuell Zerstörender.

Ich verstehe es nicht und es ist der Punkt, der mich an der Umweltbewegung fortwährend irritiert: die Aussparung von Tierschicksalen. Ich brauche keine geschützte Umwelt, in der Tiere geschlachtet und seziert, gedemütigt und verletzt werden. Natur und Tiere gehören zusammen und wir autorisieren uns, deren Leben und das Dasein der Natur, beides, zu objektifizieren. Wir erkennen keine Wege, Tiere in vernünftiger Weise als Subjekte wahrzunehmen und wir erkennen keine Wege, die Natur nicht als „Mittel zum Zweck“ und als „Ressource“ zum Dienste menschlicher Interessen zu verstehen, sondern als hochkomplexes feines „Allleben“, als ein ökologisches Miteinander, das eigene Intelligenzen manifestiert. Würden wir dieses erkennen, dann würde wir auch in der Lage sein, solch eine Sicht inhaltlich zu priorisieren.

Ich verstehe nicht, wie man überhaupt den Themenkomplex Umwelt von dem Themenkomplex Mensch-Tier-Beziehung/Tier-Mensch-Beziehung, Tiersoziologie und Tierwelt trennen kann. Unsere Existenzen stehen in einem Konflikt zueinander, seit der Mensch sich selbst zur Krone der Schöpfung erhoben hat. Wie kann man diesen Teil der Geschichte des Anthropozäns so dermaßen ausblenden aus der Fallanalyse von dem, was die Welt kaputt macht?

Wird Mainstream-Umweltschützenden nicht klar, dass Umweltzerstörung vor allem erstmal eine zugrunde liegende Psychologie aufweist, und dass es ebenso wenig selbstverständlich ist, Natur und Tierleben zu zerstören, wie willkürliche Gewalt gegen Mitmenschen auszuüben? Ökozid und Faunazid sind zerstörerische Herrschaftsansprüche von Menschen über Tiere und „Natur“.

Die Welt vermüllen: faktisch, gedanklich, materiell, immateriell

Wie wollen Umweltschützende verhindern, dass zu viele andere Menschen wie irre Waren und Güter konsumieren um mithalten zu können bei massenwirksamen Trends, dass die Menschen kein Problem damit haben endlos viel „Müll“ zu produzieren, dass Menschen keine Rücksicht nehmen auf die Naturräume, weil sie an das eigene Fortkommen denken in der Art „wie gehabt“, weil in ihrem individuellen und gesellschaftlichen Leben die Natur als Ganzes eben bloß uns zu dienende Materie ist? Sie ist auch dann „dienende Materie“, wenn Menschen die Natur wegen ihrer eigenen Zukunft schützen wollen und genau das als Argument voranstellen, statt darauf aufmerksam zu machen, dass es ja um die Zukunft der Welt selbst geht.

Der einzige Unterschied zwischen Normalos und dem klassischen Umweltschützenden besteht darin, dass die Umweltschützenden die Umwelt noch länger intakt halten wollen, damit die Menschheit weiterhin Mensch bleiben kann, so wie sie im Prinzip es schon immer war. Daher würde es ja auch reichen, wenn alles „nachhaltig“ und „bio“ wären – viel mehr gibt es zur Lösung ja eigentlich nicht wirklich zu sagen. Früher war mal alles so, dass man es als „nachhaltig“ und „bio“ bezeichnen könnte und es war immer noch gewaltsam, Zerstörung, anthropozentrischer Herrschaftsanspruch, etc.

Den Menschen, der erkennt, dass Umwelt keine Determinante und kein kausalistisch funktionierender intelligenzloser Raum ist (und auch kein Ort nach biblischer Definition), sondern Endzweck als Leben in sich selbst … – mit all den Konsequenzen, die sich aus dieser Erkenntnis ergeben – den wird man bislang in der Allgemeinheit noch zu selten finden und wenn man ihn/sie findet, spricht er/sie diese Gedanken noch zu selten aus.

Anmerkungen:

[1] Der Einfachheit halber gebrauche ich hier den Begriff „Tierethik“ in wortwörtlicher Bedeutung, ohne eine Anlehnung an andere Gebrauchsweisen des Wortes zu berücksichtigen, wie etwa der Begriff in seinen bioethischen Zusammenhängen, u.a. auch in seiner Prägung durch die Verwendung in der Tierversuchsindustrie zum Versuch eigener Legitimierbarkeit oder in seiner Umsetzung wissenschaftlicher Lektüre zum Themenkomplex.

[2] Eine besonders gute Darstellung des Konflikts, der sich an der Frage ‚invasiver Spezies‘ zwischen Tierrechten und Umweltschutz entbrennt, liefert Stanescu, Vasile (2014). Präsentation: Das „Judas-Schwein“: Wie wir „invasive Spezies“ unter der Vorgabe des „Naturschutzes“ töten. TIERAUTONOMIE, 1(1), URL: https://d-nb.info/1210595222.

[3] Auch wenn Ortega y Gasset seinem Speziesismus mit seiner befürwortenden Haltung zu Stierkämpfen unverzeihlichen Ausdruck verlieh, so formuliert er in dieser Textstelle eine interessante Haltung zur „Natur“:  „Wir Menschen haben die Welt in Fächer eingeteilt, denn wir gehören doch zur Spezies der Klassifikatoren. Jedes Fach entspricht einer Wissenschaft, und darin eingeschlossen ist ein Haufen von Wirklichkeitssplittern, die wir im ungeheuren Steinbruch der Mutter Natur aufgeklaubt haben. In Gestalt dieser kleinen Splitterhäufchen, zwischen denen eine – bisweilen kapriziöse – Übereinstimmung besteht, besitzen wir die Trümmer des Lebens. Um zu solchem seelenlosen Besitz zu kommen, mussten wir die ursprüngliche Natur zergliedern, mussten wir sie töten.“ ORTEGA Y GASSET, JOSÉ, Gesammelte Werke in vier Bänden, Band 1, Stuttgart, 1950, S. 40.

[4] Barbara Noske stellt die Zuordnung von Tierthemen ins Biologistische in Frage, indem sie die Situation in der Anthropologie beschreibt. Sie formuliert treffend:

„Biologie und Ethologie sind irgendwie zu den Wissenschaften über die Tierheit geworden. Es ist von diesen Wissenschaften woher die Sozialwissenschaftler (die Wissenschaften über die Menschheit) ihr eigenes Bild von Tieren und Tiersein unkritisch und zum größten Teil unbeabsichtigt beziehen. Tiere sind an biologische und genetische Erklärungen gebunden worden.

Dies hat zu einer „Anti-Tier Reaktion“ unter den Gelehrten in den Humanwissenschaften geführt. Sie erklären geradewegs, dass die Evolutionstheorie der Interpretation von Tieren und tierischer Handlungen genüge tut, aber nicht für Menschen. Fast kaum ein Kritiker biologischen Determinismusses wird fragen, ob Tiere wirklich in engen genetischen und biologischen Begriffen erklärt werden können.“

in: Noske, Barbara (2016). Die Tierfrage in der Anthropologie: Ein Kommentar. TIERAUTONOMIE, 1(3), URL: https://d-nb.info/1210906910.

[5] In einem Interview, dass ich mit Kim Socha zu ihrem Buch ‚Animal Liberation and Atheism‘ führte, diskutieren wir die Frage an, inwieweit Religion und Naturwissenschaften miteinander verknüpft sind – zumindest in ihrer, wenn auch sich unterschiedlich ausdrückenden, anthropozentrischen Haltung gegenüber den nichtmenschlichen Welt. E-Reader: Gruppe Messel, Jahrgang 2, Nr. 4, 2020, Seite 15: https://d-nb.info/1215819366/34 und ‚Tierbefreiung, Atheismus und Widerstand‘ in Tierautonomie, Jahrgang 1, Nr. 3, 2014, S 6. https://d-nb.info/1210797186/34.

[6] Das individuierte und das ganzheitliche Leben der „Natur“ selbst sind nicht der Grund sie zu schützen, sondern Grund zum Schutz ist immer die Bedeutung der Natur für den Menschen. Es kann sein, dass Menschen unter Umständen gar nicht wissen, wie sie anders über „Natur“ sprechen können. In Dichtung und Roman kann das funktionieren, aber leider noch nicht in der Argumentationsbasis für den Umweltschutz. Die diffuse „Liebe zur Natur“ ist eine wahre Fundgrube über Unterschiedlichkeiten in den Auffassungen über das eigene Menschsein in der Welt. Es muss noch Wege geben, Natur und tierliche Mitwelt zu achten, wertzuschätzen und schützen zu wollen, als großen menschlich-ethischem Anspruch.

[7] Vita Activa von Hannah Arendt ist ein wahre Bibel über das Verhältnis Mensch – Umwelt – wenn auch leider Arendt sich niemals wirklich mit der Tierfrage auseinandergesetzt hat. Es wundert mich, warum die Umweltbewegung Arendts Ideen und Beobachtungen niemals breitenwirksam aufgegriffen hat. Interessante Fragen zum Mensch – Naturverhältnis thematisiert Arendt auch in:

ARENDT, HANNAH, Denktagebuch 1959 – 1973, Erster Band, München, 2002.

‘Solidarität: Alle Solidaritätsbegriffe tragen noch deutliche Spuren der ersten und ursprünglichsten Solidarität aller Menschen (also des Menschen) gegen die Natur. Solche Solidarität von Einem gegen alles Andere ist aber unter Menschen nie erlaubt. Es gibt keine unbedingte Solidarität. Das “wir sitzen alle in einem Boot” ist ein Beispiel der falschen, verabsolutierenden Solidarität.

Der Gruppenbegriff mitsamt seiner Bezogenheit auf die Teil-Ganzes-Kategorie stammt aus der Solidarität des Menschen gegen die Natur.’ (S. 127)

‘ […] Das Element der Zerstörung in allem Herstellen: Der Baum wird zersört, um Holz zu werden. Nur Holz, aber nicht der Baum, ist Materie. Materie also ist gerade schon ein Produkt des Menschen, Materie ist zerstörte Natur. “The human artifice” […] entsteht, indem der Mensch lebendige Natur so behandelt, als sei ihm das Material gegeben, d.h. indem er sie als Natur zerstört. Das Holz ist der Tod des Baumes. […]

So wie Gott den Menschen geschaffen hat, aber nicht die Menschen und sicher nicht Völker, so hat Gott die Natur geschaffen, aber nicht die Materie. […]’ (S.61)

[8] Die harschen Zerstörungsmechanismen die wir beobachten, können in ihren Dimensionen am ehesten mit dem inzwischen verwendeten Begriffs des Ökozids bezeichnet werden. Für die globale Problematik menschlich destruktiven Verhaltens an der Tierwelt müsste es definitiv einen vergleichbaren Ausdruck geben. Ich selbst verwende inzwischen den Begriff des Faunazids (zuvor tendierte ich zum Zoozid). Piers Beirne, Professor für Green Criminology, prägte den Begriff des Theriozids als allgemeine Bezeichnung menschlichen Tötens von nichtmenschlichen Tieren. Gleich wie, ein Begriff ist nötig und es fragt sich, warum von Tierrechtsseite her sich bislang noch kein zusammenfassendes Wort für die Gräueltaten an der Tierheit gefunden hat, bei aller Erkenntnis über die ethische Katastrophe, und, es fragt sich ebenso, warum Umweltschützende diese Dimension von Zerstörung bislang nicht mit einbeziehen konnten, allein wo die Symbiose von nichtmenschlichen/anderen Tieren mit „der Natur“ entscheidend für das irdische Dasein ist und wo auch „das Tier“ im Agrarbereich oder im Labor erst durch uns in diese Situation gebracht wurde.

[9] Ideen und Praxis alternativer Lebensweisen müssen Graswurzelartig umgesetzt werden. Parteienpolitik wird sich von etablierten wirtschaftlichen Mechanismen kaum unabhängig machen können, und daher in gehabter Form „Wohlstand“ und „Fortschritt“ versprechen, der schwieriger radikal veränderbar sein kann als das, was durch eine Veränderung mittels gegenseitige Aufklärung herbeiführbar ist.

[10] In den ersten Vegan News aus dem Jahre 1944 schreibt Donald Watson zur Gründung der veganen Bewegung: „Deutlich erkennen wir, dass unsere Gegenwartszivilisation sich auf der Ausbeutung von Tieren errichtet, so wie vergangene Zivilisationen auf der Ausbeutung von Sklaven aufbauten. Wir glauben, dass das geistige Schicksal des Menschen so verlaufen wird, dass die Menschheit in der Zukunft mit Abscheu daran denken wird, dass sie sich einstmals von Produkten aus Tierkörpern ernährte.“ E-Reader: Gruppe Messel, Jahrgang 2, Nr. 3, 2020, S. 11, https://d-nb.info/1215485026/34.

[11] Steven Bartlett beschreibt humanzentrische Haltungen im Bezug auf die natürliche Um- und Mitwelt als gleichzeitige Ursache für Fremd- und Selbstzerstörung. Er erwähnt in diesem Zusammenhang folgenden meiner Meinung nach ‚in-between‘ Standpunkt eines Biologen auf den Umweltschutz:

„Einer der wenigen Ökologen die mutig oder idealistisch genug waren für diesen Grad an Spezies-Selbstlosigkeit einzutreten, ist der Biologe Dan Janzen gewesen, der an der Erhaltung der Diversität von Spezies in der Guanacaste Conservation Area in Costa Rica arbeitete […] Janzen war einer der wenigen, die die Wichtigkeit des Überlebens einer Spezies nicht mit deren Vorteilen für die Menschen verband, in ähnlicher Weise wie Christopher Stones Respekt für die legalen Rechte natürlicher Objekte in der Umwelt unabhängig von menschlichen Interessen, Vorteilen und Profiten. Janzen sagte, „ja, man will diesen Wald retten, weil man vielleicht einen neuen Wirkstoff oder eine neue Art der Schädlingsbekämpfung finden könnte oder um Touristen anzuziehen, aber keiner dieser Gründe (sic) ist der Grund, dies als wildes Land beibehalten zu wollen. Für mich gibt es nur ein Ziel: dass diese Biodiversität überlebt.“ E-Reader: Gruppe Messel, Jahrgang 3, Nr. 4, 2021, S. 32, https://d-nb.info/1231210915/34.

[12] Themen, die hiermit im Zusammenhang stehen sind: Canned Hunting / Gatterjagd, Jagdquoten weltweit, in Deutschland die Situation der Wölfe z.B.: https://simorgh.de/about/woelfe-und-tierrechte/

[13] Tiere und ihre Schicksale in der subjektiven Wahrnehmung ‚zwischen Subjekten‘ zu thematisieren ist ein wichtiger Weg in der neuen Entdeckung der Bedeutsamkeit von seelensprachlicher, emotiver Auseinandersetzung mit Tieren und ihren Erlebnissen. Das Projekt ‚Faunary Press‘ von Marie Houser befasst sich mit dieser Perspektive: A. Marie Houser: Literaturkörper. Erzählliteratur ist Aktivismus, E-Reader: Gruppe Messel, Jahrgang 2, Nr. 4, , 2020, S 20, https://d-nb.info/1215819366/34 ; Auch Syl Ko betont den Ansatz der Intersubjektivität in: Eine Rezentrierung des Menschen, Ko, Syl/Johnson, Lindgren (2021). Eine Rezentrierung des Menschen. TIERAUTONOMIE, 8(1), https://d-nb.info/1234807912/34.

[14] Syl Ko setzt sich mit „dem Menschen“ auseinander als einem Konstrukt, das einem ausschließenden vermeintlichen Idealbild dient, dem alle Menschen, die nicht dem einen Idealbild vom „Menschen“ entsprechen, und alle Nichtmenschen, als minderwertig gegenübergestellt wurden; in: Ein Interview mit Syl Ko (2019). TIERAUTONOMIE, 6(2), https://d-nb.info/1210911817/34.

[15] Die Trennung zwischen ökologisch essentiellen Symbiosen, einheimischen und ‚nützlichen‘ Tierarten und dem Tier an sich, das eigentlich kein Thema ist für sich selbst, hat Karen Davis beschrieben in ‚Wie ein Huhn zu denken: Farmtiere und die feminine Verbindung‘, TIERAUTONOMIE, Jahrgang 2, Nr. 1, 2015, https://d-nb.info/1210905973/34.

[16] Barbara Noske hat kritische Beobachtungen über Trennungen zwischen der Tierrechts- und der Umweltbewegung gemacht https://simorgh.de/noske/noske_22-33.pdf, während beispielsweise Anthony Nocella Verbindungen zwischen den radikalen Ausprägungen beider Bewegungen beobachtet hat https://simorgh.de/about/wp-content/uploads/2014/11/kritische_tierstudien.pdf

[17] Immer wieder scheint die Rhetorik vieler Tierrechtler*innen sich nach humanzentrischen Erklärungsmodellen zu richten, statt eine eigene Terminologie zu entwickeln. Man biegt sich nach eingrenzenden Definitionen des tierlichen Gegenübers statt der eigenen neuen Erkenntnis, Beobachtung und Beurteilung neuen Raum zu schaffen. Eine Befreiung soll stattfinden, aber nicht in der grundsätzlichen Auffassung über die Mensch/Tier-Identitäten, https://www.simorgh.de/objects/what-is-an-animal/

[18] Die Welt des Pantheismus beispielsweise, die eine beseelte Sichtweise der Natur und all ihrer Mitlebewesen offenlegt, kann eigentlich nur in arbiträrer Weise einem alleinigen Schöpfergott zugewiesen werden; das Eigenschöpferische von Welt und Sein in der Welt konnte im mystischen Denken niemals ganz bedeutungslos erscheinen.

[19] In der Tat ist es zum einen nicht so ganz klar, wie die Einstellung gegenüber Bedeutung/Sinn und „Mensch“ und „Tier“ immer wirklich gelegen hat, dazu sollte insbesondere über die Auseinandersetzung mit Tiermythologien einen Blick auf teilweise sehr anders geartete Sichtweise auf Tiere zulassen. Ich habe u.a. diese zwei kurzen Versuche unternommen https://simorgh.de/niceswine/mythologien-und-folklore-kroenleinnattern-und-basilisken ; https://simorgh.de/about/fragment-ueber-insektenmythologien/ aus Mythologie zu lernen. Besonders die Sprache wird als trennendes Merkmal zwischen den Identitäten verstanden, dabei wäre aber zu fragen, was wir als Sprache verstehen und unter welchen Gesichtspunkten wir Kommunikation als Sprache anerkennen, mein Fragment über eine grundsätzlichen Infragestellung dazu https://www.simorgh.de/objects/thoughts-about-animal-languages/.

Aktivismus ist nicht immer das gleiche

Where activism for nonhumans divides: You can either name the fundamental wrong of speciesism or remain criticizing only the symptoms of a cause. The discourse about nonhuman concerns evolves through naming injustices on all the levels on which they occur.
Antispeciesist Animal Sociology

Aktivismus für nichtmenschliche Tiere unterschiedet sich: man kann das fundamental Falsche am Speziesismus benennen oder bei der Kritik an den Symptomen hängen bleiben. Der Diskurs über nichtmenschliche Belange entwickelt sich weiter, indem wir auf die Ungerechtigkeiten auf all den Ebenen hinweisen, auf denen sie stattfinden.

A habitualized recourse on speciesist thinking patterns by animal rights activists > “animals are instinctual beings” > is communicably compatible with society’s speciesist norms, yet it’s mere continued biologistic discrimination against nonhuman animality. Speciesist language stands for entire unjust worldviews – and either you opt for expressing alternative views on animality or you keep being a repeater of the echoes.
Antispeciesist Animal Sociology

Ein gewohnheitsmäßiger Rückgriff auf spezies-derogative Denkmuster > “Tiere sind Instinktwesen” > ist innerhalb speziesistischer Normen unserer Gesellschaft kommunikationstechnisch zwar leichter kompatibel, nichtsdestotrotz bedeutet er aber die Fortsetzung von biologistischer Diskriminierung nichtmenschlicher Tierlichkeit. Spezies-derogative Sprache drückt auf Ungerechtigkeit basierende Weltanschauungen aus – entweder formulieren wir alternative Sichtweisen auf die Tierheit oder wir bewegen uns stumpfsinnig weiter in den alten Echokammern.

antibiologistic animal sociology

Biologisierung-Rassifizierung

Rückgriffe auf Verhaltensbiologie > statt Infragestellung definitorischer Rahmen zum Verständnis von Tierlichkeit > ist Teil der Biologisierung und somit auch der Rassifizierung von Tierlichkeit

A recourse to ethology > instead of challenging the existent definitory frameworks that seek to explain animality > is part of the biologization and the racialization of animality
Antispeciesist Animal Sociology