Jahrgang 1, Nr. 2, Art. 1, ISSN 2363-6513, August 2014
Rasse als eine „nebensächliche Angelegenheit“ im Veganismus: Eine Hinterfragung des Weißseins, geopolitischer Privilegien und der Philosophie des Konsums „tierqualfreier“ Produkte
Titel der englischsprachigen Originalfassung: Race as a “Feeble Matter” in Veganism: Interrogating whiteness, geopolitical privilege, and consumption philosophy of “cruelty-free”products. Journal for Critical Animal Studies, Volume VIII, Issue 3, 2010 (ISSN1948-352X). Übersetzung: simorgh.de.
Zusammenfassung: Im Kontext feministischer Geographie, von Rassenpolitik und mit Studien über Verzehr und Konsumverhalten, habe ich, innerhalb der „Outreach“-Modelle des Mainstreams im Veganismus und in den Bestsellern vegan-orientierter Buchveröffentlichungen, selten, wenn überhaupt, eine Zurkenntnisnahme der unterschiedlichen sozio-historisch rassifizierten Epistemologien rassisch nicht-weißer Gruppen beobachten können. In den weißen veganen Mainstream-Medien besteht eine unterschwellige Annahme, dass Rassifizierung und die Schaffung veganer Räume miteinander in keinerlei Verbindung stehen könnten. Doch ist Raum, ob vegan oder nicht, rassifiziert und gleichzeitig auch sexualisiert und vergeschlechtlicht [gendered], was Individuen und räumlich-/örtliche Identitäten in direkter Weise affiziert. Rassifizierte Orte und Räume bilden eine Grundlage dafür, wie wir unsere sozio-räumlichen Epistemologien entwickeln; diese Epistemologien sind aus diesem Grunde rassifiziert. Dieses Essay befasst sich mit Beispielen dessen, wie Epistemologien des Weißseins sich in der veganen Rhetorik in den USA manifestieren, und versucht eine Erklärung darüber abzulegen, weshalb eine „post-rassische“ Herangehensweise des veganen Aktivismus durch eine anti-rassistische und „farbigkeits-bewusste“ [color-conscious] Praxis ersetzt werden muss.
Schlagworte: Kritische Weißseinsstudien, Rassismus, feministische Geographie, Veganismus
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TIERAUTONOMIE, Jg. 1 (2014), Heft 2.
Rasse als eine „nebensächliche Angelegenheit“ im Veganismus: Eine Hinterfragung des Weißseins, geopolitischer Privilegien und der Philosophie des Konsums „tierqualfreier“ Produkte
Menschen, die vegan leben, enthalten sich tierischer Produkte (in Hinsicht sowohl auf die Ernährung als auch auf alle anderen Zwecke). Die Kultur des Veganismus selbst stellt in sich aber keinen Monolithen dar, sondern setzt sich aus vielen unterschiedlichen Subkulturen und Philosophien aller Orte in der Welt zusammen, rangierend von Punks, die aus strikten Tierrechtsgründen vegan sind, bis zu Leuten, die sich aus persönlichen Gesundheitsgründen vegan ernähren oder Menschen, die aus religiösen und spirituellen Gründen vegan leben (Cherry, 2006; Iacobbo, 2006). Beim Veganismus geht es nicht allein um den Verzicht des Verzehrs und Gebrauchs tierlicher Produkte; sondern es geht auch um das fortwährende Streben darum, sozio-räumliche Epistemologien des Konsums zu schaffen, durch die ein kultureller und räumlicher Wandel bedingt werden kann; es geht um die kritische Infragestellung der Dominanz des Narrativs des Konsums von Tierprodukten, das in der sozio-historischen, sowie in der Nation-stiftenden Rhetorik der Vereinigten Staaten, eine zentrale Rolle einnimmt und vorherrschend ist. Innerhalb meines Interesses für feministische Geographie, Rassenpolitik und die Studien über Konsum und Verzehr, konnte ich beobachten, dass die „Outreach“-Modelle des Mainstreams im Veganismus und in den Bestsellern vegan-orientierter Buchveröffentlichungen, selten, wenn überhaupt, aber solche unterschiedlichen sozio-historischen rassifizierten Epistemologien zwischen dem weißen Status quo einer Mittelklasse und der Kollektivität anderer rassischer Gruppen, wie den Afro-Amerikaner_innen, den chinesischen Amerikaner_innen oder den amerikanischen Ureinwohner_innen, zur Kenntnis nehmen. In den weißen veganen Mainstream-Medien besteht eine unterschwellige Annahme, dass Rassifizierung und die Schaffung veganer Räume miteinander in keinerlei Verbindung stehen könnten. Doch ist Raum, ob vegan oder nicht, rassifiziert (Dyer und Jones, 2000; McKittrick, 2006; McKittrick und Woods, 2007; Price, 2009) und zugleich auch sexualisiert und vergeschlechtlicht [gendered] (Massey, 1994; Moss, 2008), was Individuen und räumlich-/örtliche Identitäten in direkter Weise affiziert. Wie Menschen ihre Wissensbasis entwickeln, hängt unmittelbar mit den verkörperten Erfahrungen der Orte und Räume zusammen, durch die wir hindurch navigieren. Wissenschaftler aus dem Bereich kritischer Geographien der Rassen, gehen sogar davon aus, das die Welt komplett rassifiziert ist.
David Delaney, ein Geograph der im Bereich kritischer Rassentheorie arbeitet, fragt: „Was heißt es für Geograph_innen, die Annahme einer vollständig rassifizierten Welt ernst zu nehmen?“ (Price, 2009). Als schwarze feministische Geographin und Theoretikerin kritischer Rassenstudien nehme ich ernst, dass rassifizierte Orte und Räume eine Grundlage dessen bilden, wie wir unsere sozio-räumlichen Epistemologien entwickeln; diese Epistemologien sind daher rassifiziert.
Das kollektive Wissen in der weißen US-amerikanischen Mittelklasse über Räume und die Bezugnahme darauf, und auf all die Objekte und Lebensformen, die diese Räume besiedeln, stehen mit der physischen und sozialen Platzierung dieser Demographie innerhalb einer rassifizierten Hierarchie in Verbindung, in der
[…] sie als normal, nicht-rassifiziert, universal und als Status quo naturalisiert werden; Weißsein als die Norm steht im Mittelpunkt in der Wissensgenerierung und der Schaffung von Raum und Macht in den USA.
Zudem,
[ist] für farbige Menschen, als Opfer von Rassismus/weißem Überlegenheitsdenken, Rasse ein Filter, durch den sie die Welt betrachten. Weiße blicken nicht auf die Welt durch diesen Filter rassischen Bewusstseins, auch wenn sie selbst eine Rasse [2] bilden. Dieses Privileg, ihre eigene Rasse zu ignorieren, verschafft Weißen einen gesellschaftlichen Vorteil, der sich von jedem Vorteil, der aus der Existenz diskriminatorischen Rassismusses resultiert, unterscheidet. [Grillo und Wildman] gebrauchen den Begriff des Rassismusses/weißen Überlegenheitsdenkens zur Betonung der Verbindung zwischen dem Privileg Weißer, ihre eigene Rasse zu ignorieren, und dem diskriminatorischen Rassismus. (Grillo und Wildman 1995, 565)
In diesem Essay werde ich die Begriffe Weißsein und weißes Privileg als Synonyme für diese Erklärung von Grillo und Wildman über ‚Rassismus/weißes Überlegenheitsdenken’ gebrauchen. Was uns Geograph_innen im Bereich der kritischen Rassestudien anbetrifft, wie verstehen wir also die Funktionsweise des Weißseins als Epistemologie innerhalb der Macht und Schaffung von Räumen? Ich welcher Form beeinflussen rassifizierte Geographien des Ausschlusses/der Einbeziehung nuancierte und verdeckte Handlungsweisen des Weißseins und weißer Privilegien im Rahmen eines rassischen Status quo? Wie manifestieren sich diese Akte verdecken Weißseins und des weißen Privilegs – selbst wenn unverschuldet und unbewusst – in Räumen des Veganismus? In einer rassifizierten Nation lebend, in der die Epistemologien und Ontologien dieser Demographie im Mittelpunkt angesiedelt sind, sind sich die US-Amerikaner_innen kollektiv dessen nicht bewusst, dass dieser „Mittelpunkt“ die Realitäten derjenigen nicht reflektiert, die sich nicht in solchen weiß-privilegierten Räumen des Einschlusses befinden.
Rassifizierte Räume schaffen rassifizierte psychische Räume. Arnold Farr bezieht sich darauf als ein rassifiziertes Bewusstsein – ein Begriff, der besonders in seiner Anwendung auf diejenigen Menschen hilfreich ist, die nicht so ganz verstehen, dass sie verdeckte Handlungen des Weißseins/weiß-priviligierten Rassismusses begehen können, während sie sich gleichzeitig im TR/VEG-gründenden sozialen Aktivismus betätigen. Ein ‚rassifiziertes Bewusstsein’, so definiert der afro-amerikanische Philosoph Dr. Arnold Farr diesen Begriff,
[…] ersetzt den Rassismus als den traditionell operativen Begriff in den Diskursen über Rasse. Das Konzept des rassifizierten Bewusstseins kann uns dabei helfen, zu erkennen, in welchen Weisen das Bewusstsein in Hinsicht auf rassistische soziale Strukturen geformt ist …
Der Begriff eines ‚rassifizierten Bewusstseins’ hilft dabei zu verstehen, weshalb selbst ein weißer Liberaler, der in guter Absicht handelt und am Kampf gegen den Rassismus teilnimmt, unbeabsichtigt selbst eine Form des Rassismusses fortsetzten kann (Farr, 2004).
Bekannte vegan-orientiere Buchveröffentlichungen in den USA, wie Vegan: The New Ethics of Eating (Marcus, 2001), Being Vegan in a Non-Vegan World (Torres and Torres, 2005), The Vegan Sourcebook (Stepaniak and Messina, 2000) und Becoming Vegan (Davis and Vesanto, 2000), die allesamt als eine Art veganer Bibeln für den veganen Status quo gehandelt werden, beziehen die Fragen nicht substantiell oder kritisch mit ein, in welcher Weise Rasse (Rassifizierung, Weißsein, Rassismus, Anti-Rassismus) beeinflusst, wie und warum jemand vegan ist, warum jemand über die vegane Praxis schreibt, sie weiter vermittelt und letztendlich vegane Räume schafft, um einen kulturellen Wechsel zu bedingen. Was aber bedeutet es, sich über Rasse bewusst zu sein, wenn jemand damit beginnt, beispielsweise ein Projekt vegan-orientierter Forschung zu betreiben? Dies ist Teil einer breiteren Auseinandersetzung darüber, wie Rassifizierung, Rasse und Weißsein innerhalb veganer Räume in weiß-dominierten Nationen funktioniert und sich manifestiert.
[…] So wie die Friedens- und die Umweltbewegung, so setzt sich auch die Tierrechtsbewegung vorwiegend aus weißen Personen aus der Mittelschicht zusammen. Andrew Rowan, ein Vizepräsident der Humane Society of the United States, sagte, dass Umfragen zeigten, dass der Anteil farbiger Menschen in der Tierrechtsbewegung „weniger als drei Prozent“ ausmache. Im April diesen Jahres nahmen 316 Personen aus 20 Bundesstaaten an der ersten ‚Grassroots AR Conference’ [Graswurzel-Tierrechtskonferenz) in New York City teil. Die Teilnehmerzahl (inklusive dem Gremium) farbiger Menschen zählte nur acht Personen. Wenn niemand rassistisch ist, warum ist die Bewegung dann innerlich so stark segregiert? (Hamanaka, 2005)
In ähnlicher Weise wie bei der zweiten Welle des US-amerikanischen Feminismus, der die heterosexuelle weibliche Erfahrung der Mittelklasse fälschlicherweise generalisierte und als Erfahrung sozialer Räume, von Macht und Kampf aller Frauen annahm, so geht auch die vegane Mainstream-Rhetorik von dieser falschen Annahme aus. Während der Veganismus selbst zwar entgegengesetzte Räume des Konsums schafft, die die Standardräume der amerikanischen karnizentrischen Ernährung in Frage stellen, so will dieses Essay doch genauer betrachten, wie die Praxis des veganen Mainstreams gleichzeitig sozio-räumliche Epistemologien des Weißseins schafft, die für die meisten weiß-identifizierten Personen aber unsichtbar bleiben.
Man kann interessanterweise davon ausgehen, dass die rassisch weiße Demographie in den USA, sich kollektiv des Rassismusses und des weißen Dominanzanspruchs, als einem fortlaufenden, institutionellen und systemischen Prozess, nicht bewusst ist (Tuana und Sullivan, 2007; Yancy, 2004). Zudem zeigt sich diese Ignoranz häufig als eine „postrassische“ oder eine „rasselose“ Herangehensweise, in der mit der Welt umgegangen wird. Das kann sich so manifestieren, dass geglaubt wird, eine Veranstaltung über Tierrechte, an der 308 weiße und 8 farbige Menschen teilnehmen, habe nichs zu tun mit der US-amerikanischen Geschichte (und Gegenwart) des institutionalisierten und environmentalen Rassismusses sowie dem Weißsein als Norm.
In einer „postrassischen“ oder „rasselosen“ Gesellschaft, so glaubt man, existiere kein Rassismus mehr, weil die Hautfarbe nicht mehr die Gleichheit vorbestimmt. In diesem Text werden die Begriffe „rasselos“ und „postrassisch“ in Anführungszeichen gesetzt, um dadurch zu reflektieren, dass diese Begriffe eine kodifizierte Sprache darstellen für ein „erwartetes Weißsein“ [Weißsein als Norm] (Kang, 2000), und dass „rasselos“ gleichzusetzen ist „mit einem Normalzustand des Weißseins“ (Nakamura, 2002). Die Konsequenzen einer „postrassischen“ Herangehensweise einer Person in der TR/VEG-Bewegung [3], ignorieren den sozio-historischen Kontext von Hautfarbe, sowie die Ausstaffierungen weißen Privilegs, was beides die Zugänge zu und die Generierung von lokalen und globalen Ressourcen mit beeinflusst; hiermit einbeschlossen sind die Ressourcen für vegane Produkte, die von Menschen in der TR/VEG-Bewegung in den USA gekauft werden. Selbst im Kreise des radikalsten Aktivismusses – so wie in den Bewegungen der Anti-Globalisierung, der Tierrechte, des Lebensmittelaktivismus über Erzeugermärkte, im Veganismus und in der Bewegung, die gegen den Wirtschaftskomplex indutriell betriebener Gefängnisse kämpft – erhält und repliziert sich dieses kollektive Unbewusstsein gegenüber weißen sozio-räumlichen Epistemologien als eine Form der Ignoranz (Appel, 2003; Clark, 2004; Nagra, 2003; Poldervaart, 2001; Slocum, 2006; Yancy, 2004).
Die Epistemologie der Ignoranz beinhaltet eine Betrachtung des komplexen Phänomens der Ignoranz. Ziel dabei ist es, die verschiedenen Formen zu identifizieren, genauer zu untersuchen wie sie generiert und aufrecht erhalten werden und welche Rolle sie in den Wissenspraktiken spielen … Manchmal nehmen [die Epistemologien der Ignoranz] eine Form an, indem diejenigen, die sich in ihrem Zentrum befinden, den Marginalisierten das Bescheidwissen darüber verweigern: man blicke dazu auf das im 19. Jahrhundert geltende Verbot für schwarze Sklaven, Lesen und Schreiben zu lernen. Andere Male begegnen wir [diesen Epistemologien] in der Form der eigenen Ignoranz des Zentrums gegenüber der Ungerechtigkeit, der Grausamkeit und dem Leid, wie der gegenwärtige Wahrnehmungsmangel weißer Menschen im Bezug auf Rassismus und die Dominierung durch Weiße/das Weißsein (Sullivan und Tuana, 2007).
Es ist dennoch aber auch wichtig anzumerken, dass nicht alle farbigen Menschen in den USA die Konsequenzen oder selbst die Existenz rassifizierter oder ethnozentrischer Epistemologien der Ignoranz als solche anerkennen. Dr. Charles Mills, der Verfasser von The Racial Contract, geht jedoch davon aus, dass sich die meisten schwarz-identifizierten Menschen in den USA dessen vollständig bewusst sind, dass ihr Bewusstsein „rassifiziert“ ist, und dass die epistemologische Norm in den USA dem Weißsein entstammt (Mills, 2007). Und das ist was mich an der weißen Ignoranz verblüfft: aufgrund verkörperter Erfahrung durch weiße Rassifizierung und Sozialisierung, die diese Demographie strategisch in Richtung einer kollektiven Ignoranz bezüglich Rasse lenkt, verneint die Mehrheit weiß-identifizierter Menschen in den USA, dass ihre Epistemologien und ihr ethisches Verständnis „rassisch“ sind (Sullivan und Tuana, 2007). Dr. Mills hat diese epistemologische Norm als eine Art weißer Ignoranz beschrieben:
[…] Eine Form der Ignoranz, die man als weiße Ignoranz bezeichnen könnte und die mit dem weißen Überlegenheitsdenken verbunden ist. Die Vorstellung eines vorliegenden kognitiven Handicaps einer Gruppe ist der radikalen Tradition in diesem Bereich nicht fremd, wenn nicht überhaupt normaler Bestandteil im Sinne ihrer „Ignoranz“. In der Tat ist das sogar ein direkter Folgesatz der Standpunkttheorie: wenn eine Gruppe privilegiert ist, muss sie sich im Verhältnis zu einer anderen Gruppe befinden, die eingeschränkt (handicapped) ist. Zusätzlich hat für mich dieser Begriff [der weißen Ignoranz] den Vorzug meine theoretischen Sympathien mit dem zu bekunden, was vielen wahrscheinlich als ein bedauernswert altmodisch und „konservatives“, realistisch-intellektuelles Rahmenwerk erscheinen mag – einem in dem Wahrheit, Falschheit, Fakten, Realität und Ähnliches nicht in ironische Anführungszeichen gesetzt werden. Der Ausdruck „weißer Ignoranz“ schließt die Möglichkeit einer kontrastierenden „Kenntnis“ mit ein (Mills, 2007).
Wie manifestiert sich solch eine Ignoranz in der veganen Praxis? Ich werde dies in der folgenden Sektion betrachten.
Rasse und Ethnizität in einer veganen- und Tierrechtsanalyse … ist das wirklich eine „nebensächliche“ Angelegenheit?
Von: Clara
Datum: 8. November 2007
An: sistahvegan98@mac.com
Betreff: Unter uns Veganern …Hallo, mein Name ist Clara. Ich bin eine Highschool-Erstsemesterin und stieß, als ich einige Recherchen zur Misshandlung von Tieren anstellte, auf Deine Webseite über Dein Buch.
Ich finde es spannend, dass Du dich an vegane afro-amerikanische Feministinnen wendest, bin aber irritiert darüber, wie SEHR du alles mit Rasse und Ethnizität in Verbindung bringst. Ich möchte einfach nur sagen, dass ich ehrlich gesagt nicht daran glaube, dass die Rasse eines Veganers irgendetwas mit der Rettung der Tiere zu haben sollte, und damit, andere über Tierquälerei aufzuklären. Du schreibst über viele Themen, die mir den Eindruck vermitteln, dass Du irgendwann mal in Deinem Leben nicht stolz darauf gewesen bist, Afro-Amerikanerin UND vegan zu sein – wegen der Darstellung der meisten Veganer. Und das finde ich enttäuschend, weil Rasse, für mich, solch eine nebensächliche Angelegenheit ist. Es gibt einfach wichtigere Dinge im Leben als immer nur auf so etwas wie Rasse zu achten. Und ständig zu betonen, dass Rassethemen wichtiger sind als das, an was man glaubt, kommt mir irgendwie ignorant vor.
Naja, also danke für Deine Aufmerksamkeit: Clara :)
Diese Nachricht erhielt ich Anfang November 2007. Als Kulturgeographin, Akademikerin und Aktivistin, die sich mit der Analyse dessen befasst, wie Rasse, Klasse, Rassismus, Weißsein und geopolitische Lokalität die eigene Philosophie über TR/VEG formt, faszinierte diese Email mich. Diese junge Frau schrieb mir bezüglich meiner Webseite www.breezharper.com und meiner Anthologie schwarzer Veganerinnen, Sistah Vegan. Man muss nicht lange im Zeitraum der letzten ein zwei Jahre suchen, um festzustellen, dass Rasse in den USA keine „nebensächliche Angelegenheit“ ist: The Jena 6, der „nappy-headed hos“-Kommentar von Don Imus über das Frauenbasketballteam der Rutgers University und Megan Williams Peiniger, die sie als „Niggerin“ bezeichneten, während sie sie mit dem Messer malträtierten (Tone, 2007), sind einige Beispiele rassisch begründeter verbaler und/oder physischer Gewalt.
Obgleich Rasse ein soziales Konstrukt ist, so existieren doch die offensichtlichen Konsequenzen dieses Konstrukts – in deutlichster Form das weiße Privileg, weiße Ignoranz und weißer Rassismus –, die alle Aspekte des Lebens in den USA und global in negativer Weise beeinflussen (Bell, 1992; Bell, 2005; Sullivan und Tuana, 2007; Wing, 2003). Diese Konsequenzen schließen den geopolitisch rassifizierten Konsum und eine geopolitisch rassifizierte Produktion veganer Produkte (dazu zählen sowohl Nahrungsmittel so wie auch Wissen als ein Produkt) für US-amerikanische Konsumenten, die zur veganen Tierrechtsbewegung zu zählen sind, nicht aus. Claras Email deutet darauf hin, dass sie sich dessen nicht bewusst ist, in welcher Weise eine geopolitisch rassifizierte Arbeitskraft, und solch ein Verbrauchersystem, es den Personen aus dem TR/VEG-Kreis in den USA ermöglicht, Zugang zu veganen Produkten zu haben.
Die Formulierung, dass etwas geopolitisch rassifiziert ist, habe ich für dieses Essay festgelegt. Darin inbegriffen ist eine Zusammenführung des Gedankens kritischer geopolitischer Theorie mit dem Begriff der Rassifizierung. Die kritische geopolitische Theorie wählt eine „kritische Perspektive auf die Kräfte der Fusionen zwischen geographischem Wissen und Machtsystemen“ (Dalby und Tuathail, 1996). Ich ergänze diese Fusion mit den Begriffen der Produktionssysteme und der Systeme des Konsums, nicht allein von Wissen/Erkenntnissen, sondern auch von materiellen Ressourcen, so wie Nahrungsmitteln, Bekleidung und [selbst bis hin zu] Gewürzen.
Rassifizierung im Zusammenhang mit Geopolitik bedeutet in anderen Worten, dass menschliche Produzenten und Konsumenten innerhalb dieses Machtsystems in „rassifizierten“ Körpern existieren, die sozial und geopolitisch in einem globalisierten kapitalistischen ökonomischen System lokalisiert sind. Solch eine „rassifizierte“ Ortung wirkt sich aus auf ihre Beziehungen zu und ihr Verständnis von Wissen/Erkenntnis und Materialerzeugung, Macht und Ignoranz. Dr. Radhika Mohanram, Professorin für Frauenstudien, Englisch und der Geopolitik rassischer Identitäten, erklärt:
[…] Es ist nichts ungewöhnliches darauf hinzuweisen, dass das Konzept von Rasse immer in Hinsicht auf die geopolitische Verteilung von Menschen artikuliert wurde. Rassische Unterschiede heißt auch räumliche Unterschiede, die ungleichen Machtbeziehungen zwischen verschiedenen Räumen und Orten werden reartikuliert als die ungleichen Machtbeziehungen zwischen den Rassen (Mohanram, 1999).
So hat zum Beispiel zwangsverpflichteter schwarzer haitianischer Zuckerrohrarbeiter in der Dominikanischen Republik eine andere Beziehung zu und Wahrnehmung von Zucker, als ein „freier“ weißer US-amerikanischer Veganer, der ein veganes Produkt verzehrt, das Zucker enthält, der von dem versklavten Dominikaner geerntet wurde. Zudem bedingt sich der eigene Sinn für „ethischen Konsum“ aus der geopolitischen sozialen und physischen Position (Barnett et al., 2005).
Vegane Schokoladen-, Zucker- und Baumwollprodukte (als vegane Alternative zu Wolle und Seide) sind Beispiele dessen, wie ein globalisierter Rassismus geopolitisch rassifizierte Hierarchien in der Nahrungsproduktion und in der tierproduktfreien Textilproduktion aufrecht erhält (Harper, 2010). Ich werde das Obige weiter erläutern, für diejenigen, die vielleicht nicht ganz verstehen, weshalb sie sich damit auseinandersetzen sollten, welche Auswirkungen ein unbeachtetes geopolitisch rassifiziertes Bewusstsein auf ihre Tierrechtsepistemologien hat und auf den Einsatz dieser Epistemologien durch einen veganen Konsumerismus und Verzehr/Konsum.
Es gibt Menschen außerhalb der USA, die Kakao unter den schlimmsten Bedingungen ernten, nur für die Produktion von Süßigkeiten – einschließlich schokoladehaltiger Zutaten, die man in verschiedenen veganen Nahrungsmitteln und Getränken findet. Es gibt tausende von Menschen auf den Kakaoplantagen, die als Sklaven arbeiten um Schokolade für die USA zu ernten. Die Elfenbeinküste exportiert fünfzig Prozent der Kakaobohnen, die in der globalen Herstellung von Schokolade verwendet werden (Hawksley, 2001).
Es existiert ein überraschend anmutender Zusammenhang zwischen der Schokolade und der Kinderarbeit an der Elfenbeinküste … mit der die Schokolade erzeugt wird, unter unmenschlichen Bedingungen und mit den extremsten Formen von Misshandlung. Dieses westafrikanische Land ist globaler Hauptexporteur von Kakaobohnen. Die Kinderarbeit ist somit relevant für die internationale ökonomische Gemeinschaft im Ganzen, durch Handelsbeziehungen und viele Akteure, die unumgänglich in dieses Problem mit einbezogen sind, ob das nun die Regierung der Elfenbeinküste, die Bauern, die amerikanischen oder europäischen Schokoladenhersteller oder die Konsumenten sind, die unwissend die Schokolade kaufen [Betonung hinzugefügt] (Chanthavong, 2002).
Zudem wurden im Jahr 2001 in Mali tausende Kinder als „vermisst“ gemeldet. Die Regierungsbehörden gehen davon aus, dass sich „schätzungweise 15.000 Kinder in der benachbarten Elfenbeinküste befinden und dort in der Kakaoproduktion arbeiten … . Viele werden in den Landwirtschaftsbetrieben gefangen gehalten, und wenn sie versuchen zu fliehen, körperlich misshandelt. Manche dieser Kinder sind jünger als 11 Jahre alt“ (Hawksley, 2001).
Obgleich viele Veganer_innen in den USA glauben, dass ihr Konsum/Verzehr „gewaltfrei“ [cruelty free] ist, indem sie das Leben eines nichtmenschlichen Tieres dadurch retten, dass sie vegane Schokoladenprodukte essen, so verursachen diejenigen aber, die Kakaoprodukte aus dem nicht-fairen Handel kaufen, Grausamkeit [cruelty] gegen tausende von Menschen. Wenn ein Produkt nicht in einer Art und Weise gekennzeichnet ist, dass erkennbar wird, ob es durch faire und sweatshop-freie Praktiken produziert wurde, wie kann dann jemand wissen, ob dieses Produkt ohne Menschenquälerei erzeugt worden ist? Wer sind die nicht-weißen rassifizierten Populationen, die diese Schokolade unter Bedingungen der Grausamkeit und Gewalt ernten, und damit bestimmten [4] US-amerikanischen Veganer_innen dabei helfen eine moderne Ethik durch den Konsum veganer schokoladehaltiger Lebensmittel zu praktizieren? Die Antwort ist: Es sind Menschen die nicht zur weißen sozio-ökonomisch privilegierten Klasse gehören, die in den Vororten US-amerikanischer Städte lebt.
Seit dem Beginn der europäischen Kolonialisierung und dem europäischen (und heute auch dem US-amerikanischen) Streben nach „Zivilisierung“ und „Modernisierung“ der Welt, sind diejenigen, die die Schokolade, den Kaffee, das Zuckerrohr und den Tee geerntet haben, zu einem überwältigenden Anteil nicht-weiße rassifizierte Populationsgruppen gewesen (Mintz, 1986; Harper, 2010). Und dieses Muster setzt sich bis ins Jahr 2010 fort (Gautier, 2007; Hunt, 2007). In meinem Buch Sistah Vegan habe ich über den Schaden geschrieben, den die US-amerikanische Abhängigkeit von bestimmten Nahrungsmitteln, die aus dem globalen Süden bezogen werden, anrichtet:
Nicht allein verzehren wir in den USA unüberlegt [Un-]Lebensmittel, mit denen wir unserer Gesundheit massiv schaden, wir unterstützen auch den Schmerz, das Leiden und den kulturellen Genozid derer, deren Land und Volk versklavt und/oder ausgebeutet werden, für …. Sucrose, Kaffee, schwarzen Tee und auch Schokolade. Wenn auf einem Paket solch einer suchterzeugenden Substanz nicht „Fair Trade“ und „ökologisch nachhaltig/bio“ steht, dann stammt es mit aller Wahrscheinlichkeit von einer Firma, die den Menschen weniger zahlt als das Minimum von dem sie leben könnten, während sie auf Plantagen arbeiten, die giftige Pestizide verwenden und/oder auch das Recht verbieten, sich für die eigenen Menschenrechte zu organisieren … . Es sind unsere Abhängigkeiten, die Leid und Ausbeutung tausende Meilen weit weg verursachen, auf einer Zuckerplantage in der Nähe einer Stadt, die stark unter Verarmung und einer Unterernährtheit ihrer Bevölkerung leidet, nur weil auf deren Boden unser „Stoff“ angebaut wird, statt regionaler Getreide- und Gemüsesorten für die Bewohner selbst. Wir haben unsere suchtbedingten Konsumgewohnheiten fälschlicherweise mit „Zivilisiertheit“ verwechselt (Jensen, 2006). Die Briten, die ihre zuckrigen Tees schlürften, betrachteten sich selbst als „zivilisiert“, trotz der Folter und Versklavung, die es brauchte um diesen weißen Zucker bis in ihre Teetasse zu bringen (Harper, 2010).
Ich möchte auch behaupten, dass man das problematische Konzept der Modernität (was etwa gleichzusetzen wäre mit „Zivilisiertheit“) nicht übersehen darf, wenn man untersuchen will, wie ein weiß-rassifiziertes Bewusstsein und weiße Epistemologien der Ignoranz unsichtbar bleiben für die „post-rassischen“ Veganer_innen und Tierrechtsproponenten in den USA. Philosophisch [5] kann man die Menschen im TR/VEG-Aktivismus am besten beschreiben, als sich engarierend in einer Form des „ethischen Konsums.“ Jedoch innerhalb dieses „ethischen Konsums“,
[…] existieren unausgesprochene politische Annahmen, die mit dieser Praxis in Verbindung gebracht werden. Wie Tamás Dobos beschrieben hat, so geht es in Ungarn, wo der ethische Konsum gerade erst neu auftritt, nicht allein um den ethischen Konsum selbst: es geht auch darum, modern [Hervorhebung hinzugefügt] zu werden. Die ersten Aktivist_innen, die sich für [den ethischen Konsum] einsetzten, kamen aus Westeuropa und den Vereinigten Staaten, oder stehen mit solchen Leute in engem Kontakt, und ein immer wieder erscheinendes Motiv in den Diskussionen über den ethischen Konsum ist seine Verbindung zu einem okzidentalisierten imaginierten Westen, den die Osteuropäer nachahmen sollten. Es scheint, dass einige Formen des ethischen Konsums nicht verstanden werden können, ohne dies als eine Befürwortung einer bestimmten Art der Modernität zu sehen, die im Speziellen mit der EU in Verbindung gebracht wird (Carrier, 2007).
Obgleich Carrier sich auf die EU bezieht, so fallen mir doch die gleichen Philosophien als der Praxis des ethischen Konsums vieler US-amerikanischer TR/VEG-Organisationen zugrundeliegend auf, wie etwa bei der Organisation Vegan Outreach, die davon spricht die Grausamkeit gegenüber den nichtmenschlichen Tiere zu beenden, indem man, anstelle von Produkten, die auf tierlicher Milch basieren, Kakao der Firma Silk oder Schokoeis von Soy Delicious kauft (Vegan Outreach, 2007). Ich glaube das Vegan Outreach eine enorme Leistung darin vollbracht haben, Menschen über das Leid aufzuklären, das nichtmenschlichen Tieren durch Menschen zugefügt wird. Meine zwei Kritikpunkte lauten aber folgendermaßen, dass a.) die Tierrechtsaktivist_innen, die auf dem Vegan Outreach’s Guide to Cruelty-Free Eating [Vegan Outreach Ratgeber zur tierqualfreien Ernährung] zu sehen sind, alle weiß zu sein scheinen [6], und b.) das Vegan Outreach neuen Veganer_innen die Schokoladenprodukte von Silk und Soy Delicious in ihrem Ratgeber empfehlen (Vegan Outreach, 2007); die Kakaoquellen beider Produkte sind nicht Menschenqualfrei. Auf der Vegetarian Baby & Child Webseite werden die gefrorenen veganen „Soy Delicious“-Desserts von Turtle Mountain in folgender Weise beschrieben:
Die Firma ist nicht groß genug um Fairtrade-Schokolade einzukaufen, doch verwendet Turtle Mountain keinen knochengebleichten Zucker und die Produkte sind alle Bio. Zudem unterstützen sie das Sea Turtle Restoration Project – eine Organisation die dabei hilft, die Meeresschildkröten vorm Aussterben zu bewahren. Welchen besseren Grund gäbe es sich ein Sojaeis zu kaufen, als um damit den Meeresschildkröten zu helfen? (Veggies123.com)
Man wundert sich weshalb die Firma Turtle Mountain nicht einfach überhaupt keine Schokolade einkauft, wenn sie es sich nicht leisten können, fair gehandelte Schokolade einzukaufen. Zudem wird erwähnt, dass der Zucker vegan ist, aber man erfährt nicht, ob seine Herstellung die Ausbeutung von Menschen beinhaltete. Man kann davon ausgehen, dass Profit die Motivation dazu darstellt, weiterhin den Kakao von einer Quelle her zu beziehen, die nicht fair-trade ist. Auch kann man annehmen, das die Rettung von Meeresschildkröten und die Verwendung eines Zuckers, der ohne Knochenkohle raffiniert wurde, das ist, was dieses vegane Dessert zu einem „ethischen“ und „ohne Quälerei hergestellten“ Produkt macht, was bei vielen heutigen modernen TR/VEG Leuten in den USA eine positive Wirkung erzielt. Es ist nicht zu übersehen, dass die „Ethik“ einer geopolitisch rassifizierten Produktion von Nicht-Fairtrade-Kakao und -Zucker für Turtle Mountain (und seine Kunden), nicht im gleichen Maße wichtig genommen wird, wie die Garantie dessen, dass der Zucker „ohne Knochenmehl“ ist, und dass Meeresschildkröten ihr Recht auf Selbstbestimmtheit und Überleben erteilt wird. Wäre es anders gewesen, so nehme ich an, dass Turtle Mountain zahlreiche Beschwerden von seinen Kund_innen (oder Boykottaufrufe) erhalten hätte, mit der Aufforderung, dass man beginnen solle Zutaten aus fairem Handel zu kaufen.
Was die Bilder auf der Broschüre anbetrifft, die nur weiße Menschen dabei zeigen, wie sie sich im Tierrechtsaktivismus engagieren, wundert man sich, warum Vegan Outreach keine Bilder von rassisch verschiedenen Menschen zeigen, die dabei sind Flugblätter zu verteilen oder in irgendeiner anderen Form im Tierrechtsaktivismus tätig sind. Auf der zweiten Seite einer dieser Flugschriften sehen wir eine weiße Frau mit einem weißen Baby, die ihr Essen mit einem Truthahn teilt (Vegan Outreach, 2007). Auf Seite zweiundzwanzig sehen wir ein weißes Kind, das einen Apfel hält und das Kind wird als „junge_r Veganer_in“ beschrieben (Vegan Outreach, 2007). Auf Seite sechsundzwanzig sehen wir einen jungen weißen Mann, der gerade dabei ist, Literatur über die Tierverteidigung zu lesen (Vegan Outreach, 2007). Auf Seite siebenundzwanzig sehen wir ein Bild eines weißen Mannes, der einem Schwarzen eine ein Vegan Outreach-Flugschrift reicht (Vegan Outreach, 2007). Auf Seite achtundzwanzig ist ein junges weißes Mädchen zu sehen, dass Broschüren von Vegan Outreach verteilt (Vegan Outreach, 2007).
Die Kombination von Bildern weißer Menschen als Tierrechtsaktivist_innen gekoppelt mit Bildern, die für vegane Produkte werben, die Zucker und Schokolade enthalten, die nicht-fair geerntet wurden, durch die Arbeit nicht weißer rassifizierter Menschen, stellt für mich einen widersprüchlichen Ethos dar, bei denen, die Veganismus praktizieren und wie sie dies tun. Was mir merkwürdig erscheint, ist dass dies die Praxis hinter dem „tierqualfreien Verzehr“ [„cruelty-free eating“] bildet (daher der Titel dieses Vegan Outreach Ratgebers für Neulinge). Durch den ganzen Ratgeber hindurch wird kein einziges Mal das Vermeiden veganer Produkte erwähnt, die nicht als fair-trade gekennzeichnet sind, nicht aus Sweatshops kommen und keine heutigen Versklavungspraktiken von Menschen beinhalten. Welche Art geopolitisch rassifizierter „Ethik“ wird hiermit also generiert und verbreitet? In einem Interview, das im Jahr 2005 im Satya Magazine erschien, schreiben Sheila Hamanaka und Tracy Basile:
Es ist eine Sache, wenn eine weiße Person vegane Flyer verteilt, aber die Versuche weißer TR-Aktivist_innen anderen Kulturen ihre Agenda vorzuschreiben, erinnert in unangenehmer Weise an das geschichtliche Muster der Unterdrückung durch die dominierenden Nationen. Statt der „Demokratie“, exportieren die TR-Aktivist_innen ihre kulturellen Konzepte über die richtige Beziehung zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tieren (Hamanaka 2005).
Wird im Falle des Ratgebers von Vegan Outreach ein weiß-rassifiziertes neoliberales US-amerikanisches Konzept darüber, was richtige vegane Produkte sind, exportiert? Ist dies eine Konsequenz weißer Epistemologien der Ignoranz, von „Post-Rassischheit“ und Modernität der Praxis im TR/VEG-Aktivismus, ohne ein volles Bewusstsein darüber, wie all die verschiedenen Unterdrückungsformen miteinander verbunden sind (Harper, 2010; Smith, 2007), und kann es nicht sein, dass es ebenso „grausam“ [„cruel“] ist, Tiere zu essen, wie die Lebensmittel und die Textilien zu konsumieren/verbrauchen, die von versklavten Menschen auf Kakao-, Zucker- oder Baumwollplantagen erzeugt werden?
Um das noch einmal festzuhalten, ich kritisiere die Leute im TR/VEG-Bereich in den USA, die Produkte wie Silk oder Soy Delicious konsumieren, nicht. Meine Kritik richtet sich gegen die (weißen und nicht-weißen Personen), die meinen, „Rasse sei eine nebensächliche Angelegenheit“ im Tierrechtsaktivismus. Solche Menschen produzieren und praktizieren ihre eigenen „post-rassischen“ Epistemologien und ihre eigene Praxis einer TR/VEG- „tierqualfreien Ethik“. Zugleich ignorieren solche „post-rassischen“ Herangehensweisen aber die Abhängigkeit von der ausgebeuteten Arbeitskraft nicht-weißer rassifizierter Minderheiten, die außerhalb der Vereinigten Staaten leben – die Materialien für vegane Produkte produzieren, wie z.B. diejenigen Menschen, die Zucker in der Dominikanischen Republik ernten. [7] Eine Abhängigkeit, die in veganen Lebensmittelprodukten wiederzufinden sein kann; viele dieser veganen Leckereien sind nicht einschließlich daraufhin gekennzeichnet, ob ihre Erzeugung/Herstellung Praktiken der Grausamkeit gegenüber Menschen beinhaltet haben.
In der Dominikanischen Republik ist Onkel Toms Hütte nie verschwunden. Nahe der privaten Luxusresorts und ihrer Strände, verborgen hinter dem undurchdringbaren Vorhang des Zuckerrohrs, stehen die heruntergekommenen Barracken der Bateyes in Gruppen beieinander. In diesen improvisierten Dörfern, in denen es kein Wasser gibt, keine Elektrizität, keinen Schutz, leben [schwarze] haitianische Familien. Nachdem du den Eingang in die Bateyes gefunden hast, kannst du dich dem dort herrschenden Elend nicht mehr entziehen: die Männer arbeiten in den Zuckerrohrplantagen bis zur völligen Erschöpfung, die Frauen kämpfen um das Überleben ihrer Familien, die Kinder der haitianischen Eltern dort sind dazu verdammt, selbst wieder zu Sklaven zu werden.
Jedes Jahr überqueren etwa 20.000 Haitianer die Grenze zur Dominikanischen Republik, um auf den Zuckerrohrplantagen zu arbeiten. Dort werden sie der Zwangsarbeit unterworfen, ihre Freiheiten werden eingeschränkt, die Lebensräume sind inadäquat und die Arbeitsbedingungen gefährlich. Die Vereinigten Staaten sind der größte Verbraucher von Zucker aus der Dominikanischen Republik (Gautier, 2007).
Nochmal: Ich kritisiere nicht die Entscheidung von Menschen, Produkte zu konsumieren, die durch die ausbeuterische Arbeit nicht-weißer rassifizierter Menschen im globalen Süden hergestellt worden sind. Was mir Sorge bereitet, sind die Folgen, die einige Menschen aus dem TR/VEG-Bereich verursachen, durch ihre Verneinung und/oder Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass „Rasse ein ernstzunehmendes Problem darstellt“ – auch in dem Moment, indem man ein Baumwollshirt, das nicht aus fairem Handel stammt, trägt, das mit einem Bild oder einen Slogan der für Tierrechte oder den Veganismus wirbt.
Ein Großteil der weltweit vermarkteten Baumwolle (eine vegane Alternative zu tierisch-basierenden Fasern) wird von Zwangsarbeitern in Usbekistan geerntet (Grabka, 2007). Kinder sind von dieser verachtenswerten Praktik der Arbeit unter sklavenähnlichen Bedingungen nicht ausgenommen. „Im Oktober 2004 gab ein Minister zu, dass 44.000 Schüler_innen und Stutent_innen die Baumwolle [in Usbekistan] ernteten“ (Grabka, 2007). Solange der „tierqualfreie“ Baumwollsweater kein Label trägt, durch das erkennbar wird, dass er über eine Fair-Trade Quelle bezogen wurde, und nicht unter Sweatshop-Bedingungen hergestellt wurde, existiert keine Garantie dafür, dass das Bekleidungsstück ohne menschliches Leid und/oder Sklaverei hergestellt worden ist. Und nochmal, die Menschen, die unmittelbar durch unfaire Bedingungen in der Baumwollerzeugung betroffen sind, sind keine weiß-rassifizierten Menschen und/oder sind durch ihre sozial-ökonomische Klasse privilegierte Menschen, die in den USA leben (Grabka, 2007). Und das ist keine „nebensächliche Angelegenheit“.
Als Clara schrieb, „Ich möchte einfach sagen, dass ich ernsthaft nicht glaube, dass die Rasse eines Veganers/einer Veganerin irgendetwas mit dem Ziel der Rettung der Tiere zu tun haben sollte, und damit, andere über Tierquälerei aufzuklären“, sprach sie da von einer privilegierten Position innerhalb der Moderne/Kolonialität und der privilegierten Seite der geopolitisch rassifizierten Produktion von Konsumgütern? Ramón Grosfoguel, ein Wissenschaftler, dessen Schwerpunkt die dekoloniale Theorie ist, verwendet den Begriff ‚Kolonialität’ um damit
[…] ‚koloniale Situationen’ in der Gegenwartsperiode [zu bezeichnen], in der koloniale Administrationen fast gänzlich aus dem kapitalistischen Weltsystem verschwunden sind. Mit ‚kolonialen Situationen’ meine ich die kulturelle, politische, sexuelle, spirituelle, epistemische und ökonomische Unterdrückung/Ausbeutung rassifiziert/ethnisch „untergeordneter“ Gruppen durch dominante rassifizierte/ethnische Gruppen [Hervorhebung hinzugefügt] mit oder ohne der Existenz kolonialer Verwaltungen. Fünfhundert Jahre europäischer kolonialer Expansion und Herrschaft formten eine internationale Aufteilung der Arbeit zwischen Europäer_innen und Nicht-Europäer_innen, die in der gegenwärtigen sogenannten ‚post-kolonialen’ Phase des kapitalistischen Weltsystems reproduziert wird (Wallerstein 1979, 1995 in Grosfoguel 2007). Heute überschneiden sich die Kernzonen der kapitalistischen Weltwirtschaft mit den prädominant weißen/europäischen/euro-amerikanischen Gesellschaften wie Westeuropa, Kanada, Australien und den Vereinigten Staaten, während die peripheren Zonen sich mit den vormals kolonialisierten nicht-europäischen Völkern überschneiden. Japan bildet hier die einzige Ausnahme, die diese Regel bestätigt. Japan ist niemals durch die Europäer kolonialisiert gewesen, und hat aber, vergleichbar mit dem Westen, eine aktive Rolle in der Errichtung eines eigenen kolonialen Imperiums gespielt … . Der Mythos einer ‚Dekolonialisierung der Welt’ verdunkelt die Kontinuitäten zwischen kolonialer Vergangenheit und gegenwärtig global-kolonialen/rassischen Hierarchien und trägt zur Unsichtbarkeit von ‚Kolonialität’ heute bei [Hervorhebung hinzugefügt] (Grosfoguel, 2007).
„Der Mythos einer ‚Dekolonialisierung der Welt…“ kann auch ersetzt werden mit:
Der Mythos eines ‚post-rassischen’ Status der USA verdunkelt die Kontinuitäten zwischen kolonialer Vergangenheit und gegenwärtig global-kolonialen/rassischen Hierarchien und trägt zur Unsichtbarkeit eines ‚weiß-rassifizierten klassenprivilegierten Bewusstseins’ in den USA heute bei. [8]
Wenn wir uns die „koloniale Vergangenheit und die gegenwärtigen kolonialen/rassischen Hierarchien“ anschauen, wird Clara dann zu einem weißen christlichen Priester aus der Zeit vor dem Sezessionskrieg, der den weißen Herren über Plantagen und Sklaven sagt, dass Gott die „Ethik“ der Einrichtung der Ehe und der Heiligkeit der Familie (Modernität) für gut beheißt, während schwarze Famillien in Fesseln auseinandergerissen werden, jedes Mal wenn eine Ehefrau oder ein Kind oder ein Vater verkauft wird, um in einem Baumwollfeld oder auf einer Tabakfarm (Kolonialität) zu arbeiten? Wird Clara der „zivilisierte“ und „moderne“ US-amerikanische Aristokrat aus dem acthzehnten Jahrhundert, der Texte verfasst, die ihren Beitrag zu den Philosophien der „Ethik“ und „Aufklärung“ der Menschheit (Moderne) beitragen, während man den Tee mit Zucker schlürft (Moderne), der von nichtweißen Menschen in Fesseln produziert wurde (Kolonialität)? Wird Clara hier zu einem weißen Lehrer aus den USA des frühen neunzehnten Jahrhunderts, der die weißen Kinder über die „Ethik“ dessen „aufklärt“ ein freier [weißer] Mensch zu sein (Moderne), als einem Preis, der durch die Amerikanische Revolution gewonnen wurde, während man ein Stück moderner Baumwollbekleidung trägt, dass mit dem Leid der schwarzen Menschen in Fesseln hergestellt wurde, Menschen die diese Freiheit niemals erfahren dürften (Kolonialität). Ist Clara der weiße US-amerikanische Regierungbeamte des zwanzigsten Jahrhunderts, tätig im internationalen Huminitarismus, der vorschlägt, dass wir als eine Nation „ethisch“ handeln sollten und kuhmilch-basierende verarbeitete Produkte (Moderne) an afrikanische Länder, in denen in den 1980ern in denen Hungersnöte herrschten, schicken sollten – vollständig davon überzeugt, dass jeder [tierliche] Milch vertragen können sollte und muss, so wie das die eigenen weiß-europäischen Vorfahren können (Kolonialität)?
Claras Einstellung repräsentiert die Einstellungen vieler Menschen in den USA – aus der Vergangenheit, so wie in der Gegenwart – die eine gewisse Vorstellung über „Ethik“, „Freiheit“, „Aufklärung“ und „Moralität“ durch den Schleier von Universalismus, Ignoranz und eurozentrischer Logik (Yanca, 2004) hochhalten und anwenden. Solch eine singularistische eindimensionale Herangehensweise an die Frage von „Ethik“ ignoriert häufig und selbstbequem die Systeme miteinander einhergehender Unterdrückungsformen, die durch den Rassismus, Klassismus, Ableismus, Heterosexismus, Nationalismus, etc. beeinflusst werden und diese auch wiederum reziprok beeinflussen. Rámon Grosfoguel argumentiert, dass
die hegemonischen eurozentrischen Paradigmen, die die westliche Philosophie und die Wissenschaften im ‚modernen/kolonialen kapitalistichen/patriarchalen Weltsystem’ in den letzten 500 Jahren beeiflusst haben, nehmen einen universalistischen, neutralen, objektiven Standpunkt ein … . Niemand entkommt den Hierarchien von Klasse, Geschlecht, Spiritualität, Linguistik, Geographie und Rasse des ‚modernen/kolonialen kapitalistichen/patriarchalen Weltsystems’ (Grosfoguel, 2007).
Zusätzlich sehen Veganer_innen, die Claras Wahrnehmung über Rasse teilen, unter Umständen weder die Bedeutung noch die Implikationen rassischer Identität innerhalb der TR/VEG-Philosophie und ihrer erzieherischen Aufklärung, da viele Menschen im globalen Westen, wie etwa in den Vereinigten Staaten, dahingehend erzogen wurden, die Kräfteverhältnisse außerhalb von „Klassenanalyse und ökonomisch-strukturellen Transformationen“ nicht zu verstehen (Grosfoguel, 2007). Obgleich meine Webseite, auf der ich meine Forschung vorstelle, eindeutig angibt, dass ich über die Implikationen von Rasse und Klasse in der Wahrnehmung von Nahrungsmitteln, Gesundheit, „ethischem Konsum“ und Tierrechten forsche, war Clara nur über die rassische Komponente meiner Forschung „irritiert“. [9]
Ich hoffe, dass dieses Essay dabei helfen wird, „post-rassiche“ weiße vegane Aktivist_innen näher an ein Einbrechen der Barrieren heranzubringen, und daran, sich stärker kritisch reflektierend zu betätigen im Punkte rassisch privilegiert-orientierter Formen dessen, Teil der weltweiten TR/VEG Bewegung zu sein – und zwar nicht nur innerhalb der weiß dominierten oder weißer Siedlernationen, sondern überall in der Welt. Weiße Freund_innen und Unterstützer_innen, so wie die antirassistischen Tierrechtsaktivist_innen Noah Lewis, Say Burgin und Daniel Hammer, so wie auch pattrice jones, haben sich proaktiv dazu entschieden, sich über ihr eigenes weiß rassifiziertes Bewusstsein Gedanken zu machen. Sie versuchen weiß identifizierten und TR/VEG Aktivist_innen die Wichtigkeit dessen zu vermitteln, sowohl die kritischen Weißseinsstudien als auch den Antirassismus in ihren TR/VEG und nicht-TR/VEG-verbundenen Philosophien und Erziehungsmodellen mit einzubeziehen. So lautet die Beschreibung eines Workshops den Burgin, Hammer und Lewis 2008 unter dem Titel ‚Weiße hinterfragen den Rassismus – eine Studiengruppe’ organisiert haben, folgendermaßen:
Die erste Session unserer Gruppe fand von Juli bis September 2007 statt und wurde von Say Burgin, Daniel Hammer und Noah Lewis organisiert. Diese Gruppe hat sich aus einem experimentellen College-Kurs zum Thema weißes Privileg und antirassistischer Organisation am Oberlin College heraus entwickelt, am dem Noah teilgenommen hatte während seines Aufenthaltes in Oberlin, Ohio.
Die Organisator_innen sind keine „Expert_innen“ – wir erheben diesen Anspruch in keiner Weise für uns! Wir sind schlichtweg weiße Individuen, die sich ernsthaft darüber Sorgen machen, auf welche Weise das weiße Überlegenheitsdenken, männliches Überlegenheitsdenken, Klassismus und andere Unterdrückungsformen, sowohl auf persönlicher Ebene als auch durch unseren Aktivismus, fortgesetzt werden. Wir möchten uns aus diesem Grunde darum bemühen, uns über diese Probleme zu informieren und unser Verhalten entsprechend zu verändern, und, wir möchten diesen Lernprozess gerne mit denjenigen Teilen, die ebenfalls daran interessiert sind, sich mit den Fragen auseinanderzusetzen (Burgin et al., 2007).
Was diese Form des Aktivismus so auszeichnet, ist, dass die Organisator_innen gleichzeitig auch im Bereich des veganen- und des Tierrechtsaktivismus tätig sind; sie bieten ebenso Workshops über Veganismus und Tierrechte über ihre Gruppe ‚Animal Freedom’ an. Denjenigen weißen Personen, die den Bezug zwischen Tierrechten und kritischen Weißseinsstudien bislang nicht sehen, erklären die Organisator_innen auf ihrer Webseite:
Weshalb wird dies von einer Tierrechtsgruppe organisiert?
Warum nicht? Animal Freedom hinterfragt den Speziesismus und das menschliche Überlegenheitsdenken im Kontext mit einer Beendigung der damit verbundenen Unterdrückungssysteme (die auf Sexismus, Rassismus, Klassismus, Ageismus, Ableismus, usw. basieren und/oder Diskriminierung betreiben wegen sexueller Ausrichtung, religiöser [oder nicht-religiöser] Anschauungen, Nationalität und Ethnizität, usw.). Wir planen in Zukunft einen Kurs anzubieten, der sich speziell mit dem Rassismus in der Tierrechtsbewegung auseinandersetzt. Dieser nun stattfindende Kurs ist aber allgemein gehalten und bezieht jede_n mit ein (Burgin et al., 2007).
Menschen, die sich aktivistisch für eine vegane Ernährung einsetzen, sind fortwährend mit Ängsten, Verneinung und Abwehrhaltungen konfrontiert, seitens von Menschen, die vom institutionalisierten Speziesismus „als Norm“ profitieren. So wie diese Menschen nicht ohne weiteres einsehen können, warum sie sich über Speziesismus Gedanken machen sollten, so können in einer vergleichbaren Weise manche weißen TR/VEG Aktivist_innen nicht einsehen, in welcher Weise sie profitieren vom institutionalisierten Weißsein „als der Norm“ oder wie dies ihr Engagement für den Veganismus mitbeeinflusst. Ich hoffe, dass dieses Essay diejenigen, die eine „post-rassische“ Haltung vertreten oder die meinen, „Rasse sei eine nebensächliche Angelegenheit“, dazu bewegen kann, die eigene Wahrnehmung über Rasse einmal kritisch zu überdenken und zu überlegen, ob man selbst zu sozialer Ungerechtigkeit innerhalb des eigenen veganen- und Tierrechtsaktivismus mit beiträgt.
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Anmerkungen
[1] Amie Breeze Harper promoviert [A.d.Ü.: im Jahr 2013 hat die Autorin ihre Promotion mit summa cum laude abgeschlossen] an der University of California, Davis, im Bereich der Critical Food Geographies. Sie untersucht in welcher Weise Rasse, Klassenzugehörigkeit und Region/Lokalität innerhalb der USA die Beziehung einzelner zu ihrer Wahrnehmung pflanzlich-zentrierter Ernährungsweisen (‚food ways’) beeinflussen. Die Autorin ist in Connecticut, USA, geboren und aufgewachsen und lebt heute mit ihrem Ehemann und ihrem neugeborenen Sohn in Berkeley, Kalifornien. Amie kann unter der Emailadresse breezeharper@gmail.com kontaktiert werden.
[2] A.d.Ü.: der Begriff „Rasse“ bezeichnet selbstverständlich auch an dieser Stelle ein politisch-soziologisches Phänomen, und keine biologistisch-ethnische Demarkationslinie verschiedener Kulturgeschichten.
[3] „TR/VEG“ ist die Abkürzung, die ich hier verwende, wenn ich mich auf den Tierrechts-, den vegetarischen- und den veganen Aktivismus und seine Philosophien beziehe.
[4] Ich schreibe hier „bestimmte“, weil es vegane Produkte aus fairem Handel gibt, die auch von Veganer_innen gekauft werden können, wie zum Beispiel Equal Exchange Bio-Tees, Zucker und Kaffee aus fairem Handel oder Produkte von Steaz Energy. Ich habe hier jedoch die Marken Silk und Soy Delicious kritisch im Auge, weil sie in den USA den Markt für vegane, auf Soja basierende Getränke und tiermilch-freie gefrorene Desserts dominieren.
[5] Damit meine ich die eurozentrischen und griechischen Grundpfeiler der Philosophien, der Ethik und der Moralität. Ich bin mir der Tatsache bewusst, dass diese nur eine Art der Philosophien ausmachen.
[6] A.d.Ü.: Vegan Outreach haben ihre Broschüre „Guide to Cruelty-Free Eating“ im Jahr 2013 überarbeitet und die in diesem Text beschriebene Bebilderung wurde ausgetauscht, durch Fotos, die auch farbige Menschen als Aktivist_innen zeigen und nicht nur als Rezipienten veganer Aufklärungsprogramme.
[7] A.d.Ü.: Im Bezug auf die BRD liegt bei diesem Kritikpunkt der Schwerpunkt nicht in erster Linie auf dem Zucker, der bei uns zu einem prozentual geringen Anteil aus Drittländern importiert wird. Allgemein ändert dies allerdings nichts an der beschriebenen Problematik, der nicht aus Fairtrade-Quellen bezogenen Rohstoffe und Produkte, die im veganen Marktsegment ihren Gebrauch finden können.
[8] Im Bezug auf Clara kann man sagen, dass die Auswirkungen, die dieses dominierende Bewusstsein auf die Erziehungsphilosophie im primären und sekundären Bildungsbereich hat (das die meisten Kinder, ungeachtet ihrer Rasse, in den USA prägt) hier nicht zu übersehen sind. Den Kindern und Jugendlichen wird zumeist vermittelt, dass die eurozentrischen philosophischen Fundamente von „Gerechtigkeit“ und „Ethik“ nicht „rassifiziert“ seien; dass sie in der Tat „post-rassisch“ sind und für alle zutreffen, ungeachtet der Tatsache, dass zentrale philosophische Gedanken zu einem Großteil für und durch die Interessen weißer männlicher Europäer und US-Amerikaner geschaffen wurden. So soll ein zwölfjähriges Mädchen, dass aus einer Familie mit niedrigem Einkommen stammt und im ländlichen Raum Alabamas lebt, lernen und akzeptieren, dass die Philosophien von „Freiheit“, „Ethik“ und der „Aufklärung“ (die von europäischen und US-amerikanischen Männern „guten Willens“ geschaffen worden sind), nicht rassifiziert sind; und dass sie niemals von weißen Philosophen produziert wurden, die kleine schwarzen Mädchen, so wie sie selbst eines ist, hätten unterdrücken wollen. Das ist auffällig, da die Mehrzahl dieser „großen Männer“ Nichtweiße entweder als minderwertig sahen und/oder ihr eigenes weißes männliches Privileg in der Schaffung ihrer universellen Philosophien ignoriert haben. Dazu zu zählen sind Thomas Jefferson, Hegel, Kant, Hume und Locke (Farr, 2004; Jones, 2004; Moore, 2005; Yancy, 2004). Dies sind Männer, die eindeutig dachten, dass Schwarze minderwertige Menschen wären, doch produzierten sie gleichzeitig universale Gedanken und Literatur über „Freiheit“, „Ethik“ und „Aufklärung“, die größtenteils integriert sind in das Gewebe der modernen US-amerikanischen Gesellschaft, in der Schulbildung und in den philosophischen Fakultäten der Universitäten. Das Weißsein und die geopolitisch rassifizierten Aspekte dieser Philosophien sind als universalistisch maskiert (Yancy, 2005) und werden in falscher Weise als für genau die Menschen zugänglich konstruiert, die diese „großen Männer“ für minderwertig hielten. Hinsichtlich der Philosophien, auf denen die USA begründet wurde, schreibt Dr. T. Owen Moore:
Seit der Etablierung dieser weiß-dominierten und durch Weiße kontrollierten Gesellschaft, bestand von Anfang an ein mentaler Konflikt. Dieser mentale Konflikt wurde von der Seite der Unterdrücker her generiert (wie zum Beispiel von den Gründervätern), durch die Hypokrisie in ihrer Agenda. Es ist nicht möglich eine demokratische und gleichberechtigte Gesellschaft zu entwickeln, wenn die weißen Menschen, die die Gesetze geschrieben und implementiert haben, nicht-weiße Menschen als Untermenschen betrachteten. Die Hypokrisie der Gründerväter hat eine soziale Erkrankung weitergereicht (Forbes, 1992) die in dieser Gesellschaft niemals ausradiert werden kann, da die demokratischen Prinzipien auf einer falschen Grundlage gebildet wurden (Moore, 2005).
[9] Wenn Sie auf meine Seite unter http://www.breezeharper.com gehen, können Sie sehen, dass mein letzter Call for Papers sich mit dem Thema „Rassen- und Klassenbewusstsein“ in der Bewegung ethischen Konsums befasst hat.
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Zur Autorin
Dr. A. Breeze Harpers Arbeitsschwerpunkte liegen in den Themen kritischer Rassestudien, schwarzer feministischer Theorie und den Intersektionen kritischer Nahrungsmittelstudien. Ihre gegenwärtige Forschung befasst sich mit schwarzen männlichen Veganern, die Hip Hop und dekoloniale Methodologien im Gesundheits-, Nahrungsmittel- und Umweltaktivismus einsetzen. Dr. Harper ist Leiterin und Begründerin des Sistah Vegan Project, http://www.sistahvegan.com.
Übersetzung
Gita Yegane Arani-May, www.simorgh.de – ‚Open Access in der Tier-, Menschen- und Erdbefreiung’. Revised 8/2014.
Zitation
Harper, A. Breeze (2014). Essay: Rasse als eine „nebensächliche Angelegenheit“ im Veganismus: Eine Hinterfragung des Weißseins, geopolitischer Privilegien und der Philosophie des Konsums „tierqualfreier“ Produkte. TIERAUTONOMIE, 1(2), http://simorgh.de/tierautonomie/JG1_2014_2.pdf.
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TIERAUTONOMIE (ISSN 2363-6513)
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